Heute vor 15 Jahren, so um halb elf Uhr abends, kroch ich aus meinem Bett in meiner Wohnung im Berner Felsenauquartier, tappte ins Wohnzimmer, kniete mich vor den Metalljesus an der Wand, sprach das Übergabegebet auf der letzten Seite des Buches «Jesus unser Schicksal» und wurde Christin.

Sinnsuche hüben und drüben

Kirchenrechtlich war ich das natürlich schon, aber meine Glaubenspraxis erschöpfte sich in der Kindheit in vereinzelten Stossgebeten und als junge Erwachsene im widerwilligen Besuch der Semestergottesdienste meiner Studentenverbindung. Was ich wirklich suchte, schien mir weder dort noch in dem zu finden zu sein, was man sonst so erreichen kann: «The meaning of life», wie es bei Monty Python heisst. Auf der Suche nach eben diesem Sinn befasste ich mich in meinen Zwanzigern in loser Folge mit Astrologie, Heilsteinen und Tarotkarten, oft im Schlepptau meiner jüngeren Schwester, die in regelmässigen Abständen eine neue Philosophie für sich entdeckte. Den ersehnten Sinn fand ich dabei allerdings nie. Als meine Schwester im Herbst 2003 schliesslich mit Jesus ankam, schien mir das zur Abwechslung etwas wohltuend Normales zu sein, und so besuchte ich in meiner üblichen Bereitschaft, ihre neuste weltanschauliche Entdeckung kennenzulernen, mit ihr einen Gottesdienst.

„Sektenalarm“ und musikalischer Donnerschlag

Nach den ersten Minuten war ich überzeugt, in einer Sekte oder in der ominösen Besserungsanstalt aus Stephen Kings «Talisman» gelandet zu sein: Professioneller Parkdienst! Alle im Anzug! Alle viel zu freundlich! Riesige Soundanlage! Plüschvorhänge und Teppichboden! Dann begann die Lobpreismusik. Ich fing an zu weinen und hörte erst auf, als es die Musik tat. Meine Neugier, mein Hunger und meine Sehnsucht nach dem Sinn, den ich vermisste, waren entfacht, und der Glaube, den meine Schwester lebte, zog mich an. Es gab nur ein Problem: Sie verkündigte Jesus als den einzigen Weg. Das war an sich nichts Neues; meine Schwester pflegte das, woran sie glaubte, immer auf diese Art zu verkündigen, und bisher hatte ich diesen Teil einfach ignoriert. Störenderweise schien Jesus aber in die gleiche Kerbe zu hauen, und je länger ich mich mit diesem Glauben beschäftigte, desto hartnäckiger bestand eine innere Stimme auf dieser  Ausschliesslichkeit – für einen analytisch veranlagten Kopfmenschen, der die eigene Überzeugung niemals über die eines anderen stellen würde, ein harter Brocken.

Auferstehung und «Arc» der Jünger

Beim Versuch, diesen zähen Brocken irgendwie herunterzubringen, kreisten meine Gedanken immer enger um die Auferstehung und um (Achtung: Autorensprech!) den «Arc» der Jünger Jesu. Vielleser wissen, was ich meine: Eine Geschichte funktioniert nur, wenn ich nachvollziehen kann, wie der Protagonist handelt. Passen seine Entscheidungen zu seinem Charakter, dazu, wie ich ihn bisher wahrgenommen habe? Über die Jünger berichten die Evangelien von einer zweifachen Kehrtwende: Während sie vor Golgatha selbstbewusst an der Seite Jesu Seite standen, verschwanden sie nach seiner Gefangennahme und Kreuzigung von der Bildfläche. Sie versteckten sich voller Angst, selbst verhaftet zu werden, und Petrus, sonst Grossmaul par excellence, verleugnete Jesus sogar. Dann, nur drei Tage später, tauchten sie plötzlich wieder auf, und von diesem Tag an verkündigten sie scham- und furchtlos Jesu Auferstehung und sein Evangelium. In den folgenden Jahrzehnten bereisten sie mit dieser Mission die ganze ihnen bekannte Welt. Berichten nach starben die meisten von ihnen einen Märtyrer-Tod.

Diese Männer hatten ihre Furcht von einem Tag auf den anderen hinter sich gelassen, und für mich gab es nur einen logischen Grund: Es musste etwas passiert sein, das sie von Grund auf verändert hatte. Eine Lüge, die sie sich und anderen erzählten, hätte niemals genug Kraft gehabt, um ihnen ihre Angst zu nehmen und sie furchtlos in die Welt hinausziehen, Christus verkündigen und für diesen Glauben Folter und Tod auf sich nehmen zu lassen. Die Auferstehung musste wahr sein, und wenn sie das war, dann glaubte ich auch alles andere, was Jesus über sich gesagt hatte. Und dann wollte ich den Schritt wagen. Was damals geschehen ist.

Glauben und Schreiben

Trotz meines Fundichristseins will ich in meinen Büchern und Texten nicht in erster Linie missionieren. Ich möchte spannende Geschichten erzählen, die Menschen ermutigen, berühren und zum Nachdenken anregen. Aber die Quelle  meiner Inspiration und der Grund, warum ich Menschen ermutigen und aufbauen will, ist Gott; er ist das Fundament meiner Weltsicht, die meine Bücher durchzieht: Dass die Hoffnung niemals stirbt, dass jeder Mensch Würde besitzt, einzigartig und wertvoll ist, dass jeder Mensch sich verändern, erneuern, heilen und zu dem werden kann, der er wirklich ist – geschaffen von dem Gott, der ihn unendlich und bedingungslos liebt. Und letztlich ist diese Botschaft der Grund, warum ich schreibe.

Der Weg mit Jesus – keine «Erfolgsstory», sondern tägliche Begegnung

Als ich mich damals entschied, diesen Weg zu gehen, war ich in vielerlei Hinsicht herausgefordert. Ich lebte in einer schwierigen Beziehung, ich trank zu viel Alkohol, und ich wusste auf dem Weg in die Mittdreissiger nicht, was ich mit meinem Leben eigentlich anfangen sollten. Und heute? Bin ich ein Mensch ohne Fehl und Tadel? Das sei fern, wie Paulus oft schrieb. Ich kämpfe jeden Tag mit mir selbst, mit Mustern aus alten Tagen, schlechten Gewohnheiten, die ich noch nicht los geworden bin. Aber Gott hat mich Schritt für Schritt aus inneren Gefängnissen befreit, mich auf neue Wege geführt und mein Leben von Grund auf erneuert. Er hat wichtige Entscheidungen möglich gemacht – unter anderem meine Entscheidung für ein Leben ohne Alkohol. Die Abstinenz hat meine Kreativität freigesetzt, und erst danach hatte ich die nötige Disziplin, das Durchhaltevermögen und vor allem den Glauben an mich und meine Gaben, genährt aus dem Wissen, dass Gott mich geschaffen und mir diese Talente mitgegeben hat, um in der Welt Spuren zu hinterlassen.

Wer ich heute bin, verdanke ich diesem Abend vor 15 Jahren und dem Gott, mit dem ich seit diesem Tag durchs Leben gehe. Und am heutigen Tag gehört dem allein mein Dank und die Ehre, der mich zu diesem Leben befreit hat. Zu einem freieren, erfüllteren und glücklicheren Leben, als ich es jemals hatte; kühner, furchtloser und voller Leidenschaft. In diesem Sinne: danke Jesus. Ich erhebe mein Glas Sanbitter auf weitere 15 Jahre, hoffentlich noch viele mehr auf Erden und auf die Ewigkeit mit Dir.

Eben komme ich vom Osterbrunch unserer Gemeinde zurück; noch erfüllt von den Liedern, die wir gesungen haben, von der Dankbarkeit für das, was wir heute feiern, und von der Freude an der Gemeinschaft. Wir haben den auferstandenen Herrn gefeiert; das Wunder und Geheimnis, das sich vor so langer Zeit ereignet hat – oder wie es der Spruch einer Osteraktion ausdrückt:

„Ostern – der grösste Plot Twist der Menschheitsgeschichte“.

In der Predigt und den Liedern wurden wir erinnert, erinnerten uns selbst an die Revolution, die Gott am Kreuz und in unseren Herzen vollbracht hat. Wir sind frei.

Als ich heute in den Gottesdienst fuhr, war ich tief von dieser Osterfreude, dieser Freiheit durch Christus erfüllt, und das zusammen Feiern hat diese Freude noch verstärkt. In der Gemeinschaft erinnern wir uns gegenseitig an das, was wir glauben; wir werden gestärkt und ausgerichtet – eines der Hauptziele der Gemeinschaft der Gläubigen. Aber wenn das alles ist, dann – provokant ausgedrückt – ist es nichts.

Die Osterfreude muss weitergegeben werden; was wir empfangen haben, fordert eine Antwort. Wie jeder Teil der Schöpfung seinen Namen ruft, so auch wir.

Wir beten Gott an und preisen seinen Namen als natürliche Antwort auf sein Geschenk. Und wer die Osterfreude empfangen hat, in dem weckt sie den tiefen Wunsch, dass auch andere diese Freude erfahren.

Wenn wir Gott bitten, hier sein Reich zu bauen, bitten wir ihn auch, uns dafür zu gebrauchen. Wir bitten ihn, seine Kirche zu entzünden, und seine Kirche sind wir – alle, die seinen Ruf gehört haben und ihm nachfolgen; egal wie und wo.

Ich wünsche mir zu Ostern, dass uns aus dem tiefen Verständnis für das, was wir empfangen haben, eine unbändige Osterfreude packt und hinaustreibt,  dass sie uns mutig macht und wir die Freiheit, die wir haben, auch leben – im schamlosen und freudvollen Bekenntnis zu Jesus.

Ich wünsche mir aber auch, dass wir die Christenheit nicht ständig auseinanderdividieren, sondern uns auf das konzentrieren, was uns eint. „Ecclesia“, die Herausgerufenen, sind Menschen, und jede Gemeinschaft von Menschen – egal, ob sie sich Kirche nennt oder nicht –  hat ihre Schwächen. Manchmal wird aus einer Schwäche ein Irrweg, wird dem Evangelium etwas aufgepfropft, was nicht dazugehört. Wir sind aufgefordert, genau hinzusehen und alles zu prüfen, aber die Schwächen, die jede Gemeinschaft von Menschen in sich birgt, soll uns nicht daran hindern, einander zu erkennen und auf dem Boden des Evangeliums an einem Strick zu ziehen.

„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind,
da bin ich mitten unter ihnen.“
Matthäus 18,20

„Früher war mehr Lametta!“

Wer kennt ihn nicht, den Klassiker von Loriot, in dem der Opa seinen Tufta-Marsch bis zum Abwinken auf dem Plattenspieler laufen lässt, der Vater mit dem Sohn „Atomkraftwerk“ spielt, bis „alle Häuser und alle Bäume und alle Kühe umfallen“ und die Mutter hundertmal sagt, dass „wir es uns jetzt richtig gemütlich machen“? Für den Fall, dass jemand „ich“ gerufen hat: Dieser kleine Spot gehört zu Weihnachten wie Fondue Chinoise und Weihnachtsbaum.

Heute ist Heiligabend, und Lametta gibt es bei uns nicht. Ehrlich gesagt auch keinen Baum. Da ich dieses Jahr im Dezember so viel loshatte, ist der einzige Hinweis auf Weihnachten in unserem Haus die Schale mit den Erdnüssen, den Mandarinen und der Schokolade und der Stapel einzupackender Geschenke.

Aber das macht mir nichts aus. Wenn ich Weihnachten von allem befreie, was sonst dazugehört –  was bleibt dann übrig, abgesehen vom „Kleinen Lord“, den wir uns gestern angesehen haben?

Das Beste natürlich. Kein glitzerndes Lametta, sondern Das Echte Licht.

Wie viele andere, deren Beiträge ich in diesen Tagen auf Facebook gelesen habe, kommt auch mir heute der denkwürdige Tag in den Sinn, an dem ich in meiner Dreizimmerwohnung aus dem Bett gekrochen bin, mich im Wohnzimmer vor meinen Metalljesus gekniet und den lebendigen Jesus gebeten habe, in mein Leben zu kommen. Solche Geschichten sind immer individuell, eine Sache zwischen uns und Gott; aber an jenem Tag, zwei Tage vor meinem 33. Geburtstag, hat er in mein Herz gesehen und gewusst, dass es mir ernst ist – dass ich erkannt habe, wie sehr ich ihn brauche, und sein Angebot annehmen will.

Seit dieser Entscheidung ist in meinem Leben viel passiert. Es wurde nicht einfacher, leichter, oder schmerzfrei, dafür freier und echter. Wenn ich fast vierzehn Jahre später eine Bilanz ziehen müsste, wie Gott ist und was ihn ausmacht, dann wäre es diese:

Gott ist treu. Und egal, was ich erlebt, erlitten oder verbrochen habe:
Er war da.

Als meine Mutter starb.

Als ich verlassen wurde.

Als ich mit dem Alkohol kämpfte und frei wurde.

Als ich meine Berufung fand.

Als Freundschaften zerbrachen und erneuert wurden.

Ich habe seine Gegenwart in den dunkelsten Stunden und in den grössten Freudemomenten erlebt, aber auch im Alltag, wenn ich mit einer Herausforderung kämpfte. In Zwiegesprächen auf dem Weg zur Arbeit, wenn ich ihm meine Sorgen hinlegte, ihn um Hilfe bat und plötzlich die Stimme in meinem Herzen hörte, die mir sagte, was zu tun war. Nicht immer waren es die Worte, die hören wollte; manchmal gingen sie gegen meine Gefühle oder gegen meinen Stolz. Aber immer, wenn ich getan habe, was ich zu hören glaubte, wurde etwas Gutes daraus.

„Mission“ hat einen unangenehmen Beigeschmack, egal, ob es um Ernährung, politische Ansichten oder Religion geht, aber bei Gott sind unsere Antennen am empfindlichsten, und man hat sich schnell über den Rand der „political correctness“ hinauskatapultiert. An diesem Tag, an dem wir die Ankunft Gottes auf Erden feiern, bin ich zutiefst dankbar, und diese Dankbarkeit will ich heute teilen und aussprechen, was jeden Tag auf meinem Herzen brennt.

Ich weiss, dass meine atheistischen und agnostischen Freunde mir das nicht übel nehmen – vielleicht schreiben sie einen kritischen Kommentar unter meine Ergüsse, aber an unserer Freundschaft wird sich nichts ändern. Ich weiss auch, dass meine „glinus“-Freunde (ein nicht ganz ernst gemeinter Ausdruck, er heisst „gläubig in unserem Sinne“) mein Plädoyer und meine Worte sicher unterschreiben. Aber an beide richte ich mich heute nicht.

Ich richte mich an Dich, der Du glaubst, dass das Leben mehr ist als das, was wir jeden Tag sehen.
An Dich, die Du glaubst, dass da noch etwas sein könnte, aber nicht weisst, ob Du es Gott nennen sollst.
An Dich, der Du irgendwie an Gott glaubst, ihm aber nicht recht über den Weg traust und nicht willst, das jemand in Dein Leben hineinredet.
Und an Dich, die Du glaubst, dass Gott – sollte es ihn geben – an Dir kein Interesse hat und sich noch nie um Dich gekümmert hat.

Euch allen möchte ich sagen: Ja, Leben ist mehr. Da ist etwas oder besser jemand, und es ist Gott. Du kannst ihm vertrauen, er hat Interesse an Dir. Und er war immer da.

Ich habe nicht so viel Schlimmes erlebt wie manch einer und Schlimmeres als manch anderer. Aber ich weiss heute, dass er mich nie allein gelassen hat. Ich weiss mich getragen und geführt, denn ich folge einem Licht. Keinem der vielen Irrlichter, die sich an der Sehnsucht des Menschen berauschen und ihn ins Dickicht führen, um ihn dort verhungern zu lassen, sondern einem stillen und steten Schein, der mich wärmt und leitet. Er zeigt mir nicht immer das Ziel, aber die nächsten Schritte, und mehr brauche ich nicht.

Jesus ist „Immanuel“, Gott mit uns. Er will in jedem Menschen leben. Wie wäre es mit einem Versuch? Zweifel sind kein Stolperstein. Manch ein Gebet eines neuen Christen begann mit den Worten: „Jesus, wenn es Dich wirklich gibt…“

Ich lasse Euch jetzt in Euren eigenen Heiligabend ziehen, mit der unvergleichlichen, schönsten und ergreifendsten Version von „Stille Nacht“, die ich kenne – die von Mahalia Jackson, die für uns zu Weihnachten gehörte.

Ich wünsche Euch innige Stunden mit geliebten Menschen,
ein paar stille Momente der Ruhe und Andacht,
ein feines Essen und einen schönen Film, wenn Euch danach ist.
Und Gottes Segen.

 

 

 

Heiligabend ist da, und wie jedes Jahr will ich zu diesem Freudentag ein Post verfassen. Aber einfach ist es dieses Jahr nicht. Die Welt wirkt zerbrochen, und das nicht nur wegen des Terrors, dwe diese Vorweihnachtswoche überschattet hat.

Wir möchten die Geschichte der Menschheit als aufwärtsführenden Pfad sehen, auf dem sich der Mensch Stück für Stück weiterentwickelt. Aber obwohl der Mensch in bestimmten Epochen immer wieder über sich hinausgewachsen ist und die weltweiten Zahlen zu Kindersterblichkeit, Ausbildung und extremer Armut heute viel besser aussehen als vor 200 Jahren, lässt mich der Blick in die Jahrhunderte, in die jüngste Vergangenheit und auf die Gegenwart ernüchtert zurück. Wenn ich mir die Kriege und Greuel seit dem Zweiten Weltkrieg, die nackte Gier und den explodierenden Kommerz in der westlichen Welt ansehe, komme ich zu einem bitteren Schluss.

Weder Aufklärung noch wissenschaftlicher Fortschritt noch die durch Globalität verblassenden Grenzen haben den Menschen im Grunde seines Herzens verändert. Ja, er ist fähig zu Güte, zu Grosszügigkeit und Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Selbstlosigkeit, aber im tiefsten Grund seines Herzens sieht er nur sich selbst und ist oft nicht willens, sich nur ein Jota in einen anderen Menschen hineinzuversetzen. Und die wissenschaftlichen Fortschritte haben dieses Wesen voller Machtstreben, Egoismus und Gier mit abertausenden neuer Möglichkeiten ausgestattet, seinen Willen durchzusetzen und andere zu unterdrücken oder zu vernichten.

An diesem Heiligabend 2016 sehe ich eine Welt in Trümmern, die sich vor Schmerzen windet. Eine Welt, die beweist, dass es mit der Sapientia des homo sapiens nicht weit her ist.

Und doch gibt es Gründe, gerade jetzt Weihnachten zu feiern.

Auch die erste Weihnacht ist in eine Zeit und eine Region des Aufruhrs gefallen. Gott hat nicht auf einen schönen und erhabenen Moment der Menschheitsgeschichte gewartet, um sich zu uns zu begeben – er kam mitten in das Chaos hinein.

Und so bedrückend und beängstigend wir diese Zeit empfinden mögen: In der Erkenntnis der menschlichen Grenzen und der menschlichen Widerborstigkeit, der sich wiederholenden Zyklen in der Menschheitsgeschichte, liegt ein gleichzeitig ernüchternder wie befreiender Gedanke: Der, dass unser hehres Geschlecht der Aufrechtgehenden, so sehr es das auch versucht, sich nicht selbst erlösen kann.

Und wir versuchen es unaufhörlich. Der moderne Mensch, der sich meist weigert, an einen Gott zu glauben, der ihn erlösen muss, lebt nicht frei und fröhlich vor sich hin, sondern verdammt, rechtfertigt und erlöst sich selbst in einem fort. Dieser Gedanke ist nicht von mir; ich habe ihn aus einem Blogbeitrag von Christof Lenzen, der ihn wiederum aus einem Vortrag von Andreas Malessa hat.

Der Mensch braucht auch keine Hölle mehr, denn er lebt bereits in einer. Er steht unter dem Druck, ein Leben zu leben, das „Erfolg“ ausstrahlt, er versucht, all den zivilisatorischen Regeln zu folgen, die mindestens so religiös verbrämt daherkommen wie die Zehn Gebote, und weil er nicht genügen kann, muss er sich immer wieder freisprechen. Das ist anstrengend, und vor allem funktioniert es nicht. Und genau hier liegt die harte, aber befreiende Erkenntnis:

Wir brauchen Gott.  Allein können wir es nicht und werden es nie können.

Aber wir müssen auch nicht, denn genau das bedeutet „Gnade allein“. Und an Weihnachten folgt, passend zum anstehenden Luther-Jahr, neben dem „Sola Gratia“ der Blick auf die Krippe, auf das „Solus Christus“. Nur Christus kann uns erlösen, nur durch ihn haben wir den Zugang zum Vater, die Erlösung der Sünde. Diese Aussage kann einengend und selbstgerecht wirken, aber diese Selbstgerechtigkeit wird dadurch aufgehoben, dass dieses Angebot allen Menschen gilt.

Ich feiere heute auch meine eigene Begegnung mit Jesus. Ich feiere, dass ich in den Jahren, in denen ich ihm in all meiner Unbeholfenheit und Widerborstigkeit gefolgt bin, schon viel Befreiung habe erleben dürfen. Was ich über das Menschengeschlecht gesagt habe, trifft auch auf mich zu – ich kann bösartig, rechthaberisch, egoistisch und ungeduldig sein und kann auf andere herunterblicken, und manchmal fällt mir das leichter, als gütig und geduldig zu sein. Aber immer dann, wenn Güte, wenn Liebe für meine Mitmenschen ohne Ansehen von Rang, Rasse oder Religion natürlich aus mir herausfliesst, weiss ich, dass Gott in mir wirkt.

Mehr als alles andere wünsche ich mir, dass die Angst und das Dunkel dieser Zeit Menschen zu Gott führen. Dadurch wird nicht sofort alles anders, aber wenn Menschen sein Angebot annehmen, sich berühren, heilen und verändern lassen, dann besteht Hoffnung für die Zukunft.

Wir können nicht, aber ER kann. ER kann in UNS. Und je mehr wir uns von ihm leiten lassen, desto stärker wird sein Reich sichtbar.  Wo die Welt aufklafft, wo sich Wunden auftun, öffnet sich auch immer Raum für das Licht. Das Licht, das von ihm kommt, das Licht, das uns vor zweitausend Jahren erschienen ist. Das Echte Licht.

Ich wünsche Euch allen eine segensreiche, lichtvolle Weihnachtszeit.
Be blessed!

Bibel BildManchmal habe ich vom Christentum die Nase voll.

Nicht von Jesus, nicht vom Glauben und nicht von den Christen in meiner Gemeinde, aber sehr wohl von „der Christenheit“ – von ihren bis aufs Blut verteidigten Dogmen, ihren theologischen Haarspaltereien und sich unablässig wiederholenden Debatten. Was ist einzig richtig? Wer hat recht, und wann geben endlich alle anderen zu, dass wir es sind?

Ganz übel wird es, wenn die Politik hineinspielt und jeder weiß, wie sich „ein Christ“ entscheiden muss. Für manche amerikanischen Christen ist Trump der Retter, der Amerika wieder groß macht, für die anderen soll Amerika endlich begreifen, dass Gott anderes als Amerikas Größe im Sinn hat. Für die einen ist Ted Cruz der einzig wahre christliche Kandidat, für andere ist er der Antichrist in frommer Maske, gekommen, um die Nation zu verführen.

Bei uns ist es nicht besser. Die große Mehrheit der Christen (darunter yours truly) ist der Meinung, dass sich die Durchsetzungsinitiative schlecht mit den Grundsätzen gelebten christlichen Glaubens vereinbaren lässt, aber auch hier gibt es abweichende Meinungen. Und beide Seiten sind zutiefst überzeugt, recht zu haben und scheuen sich nicht, dem Andersdenkenden das Christsein mit Sätzen wie diesen abzusprechen: „Natürlich kann ein Christ diese Meinung vertreten. Er muss einfach vorher seine Bibel verbrennen.“

Diskussionen um unseren Glauben, um die Bedeutung der Schrift und was sie meint, sind wichtig, und sie haben ihren Platz. Aber so, wie heute damit umgegangen wird, wäre mir mein Glaube schon lange verleidet, wenn Gott nicht wäre. Wollte Jesus wirklich, dass wir den Großteil unserer Energie dafür einsetzen, uns über die Richtigkeit der Erwachsenentaufe und die biblische Daseinsberechtigung der Zungenrede den Kopf zu zerbrechen?

Ich glaube nicht, und genau deshalb habe ich den Entschluss gefasst, in den kommenden Wochen Doktrin zu fasten. Für einmal meide ich alle Blogposts über Abstimmungsfragen im Hinblick auf das Christsein, Homosexualität, Frauen auf der Kanzel und was es sonst noch alles gibt. Und tue etwas anderes.

Ich nähere mich Jesus. Und zwar auf historische Weise und Tag um Tag.

Ich habe mir dafür das Lukas-Evangelium und das Johannes-Evangelium ausgesucht; das erste, weil es am meisten Details liefert, das zweite, weil es sich von den anderen durch seinen Ansatz unterscheidet. Ab Montag werde ich nach Plan beide bis Ostern durchlesen und mir nur diese zwei Fragen stellen:

Was hat Jesus GESAGT?
Was hat er GETAN?

Ich stehe an einem Punkt in meinem Glaubensleben, wo ich willens bin, Tradiertes zu hinterfragen – nicht um des Hinterfragens willen, sondern um dem Kern dessen näher zu kommen, was das Christentum zu einer so revolutionären und neuen Bewegung gemacht hat. Ich bin hungrig nach mehr von dem, was Gott wirklich wichtig ist.

Dabei bin ich mir völlig darüber im Klaren, dass zwei Bücher des Neuen Testaments nur ein Ausschnitt sind, aus dem sich keine allgemeingültigen Weisheiten ableiten lassen. Genauso wenig gehe ich davon aus, dass sich alle Spannungen in der Schrift auflösen werden – das sollen sie vielleicht nicht einmal. Ich freue mich einfach darauf, Jesus neu und ohne religiösen Überbau zu entdecken, indem ich mir ansehe und auf mich wirken lasse, was er in der kurzen Zeit, die er auf Erden hatte, gesagt und getan hat. Ich werde mir aufschreiben, was mir wichtig wird, und ab und zu ein entsprechendes Post verfassen. Falls jemand sich anschließen will, nur zu – hier mein 42-Tage-Plan:

Plan Bibel

Ich freue mich auf neue Entdeckungen bis Ostern und wünsche Euch allen eine Fastenzeit nach Euren Wünschen – erhellend, besinnlich, ruhig oder erkenntnisreich. Be blessed!

Was sind Eure Gedanken zum Thema Doktrin? Geht es Euch wie mir, oder findet Ihr es gefährlich oder überheblich, sich einfach „selbst ein Bild machen zu wollen? Ich freue mich auf Euren Kommentar!

Flugzeug SonneDie offizielle Ferienzeit ist in der Schweiz vorbei – die Urlauber sind braungebrannt zurück im trauten Heim, und auch die an der Heimatfront haben dieses Jahr Farbe bekommen. Während für die Mehrheit der Alltag wieder angefangen hat, bin ich bald am Kofferpacken und freue mich auf ein paar Tage in Englands „Peak District“,  auf den Spuren von Jane Austens „Stolz und Vorurteil“.

Das klingt nach einer lange geplanten Sache, kam aber eher spontan zustande: Erst hing eine Reise nach Galway in der Luft, aber da es keine Flüge mehr gab, verschob ich meine Nachforschungen nach Südengland, wo es zwar Flüge gab, aber nur happig teure. Dann entdeckte ich einen günstigen Flug nach Manchester, schaute mir an, wo man von da aus so hinkönnte, und die literarisch-naturgeprägte Reise war geboren.

Reisen ist im www-Zeitalter eine Wissenschaft geworden: „Last-Minute“ oder doch lieber „Early Bird“? Wer genau weiß, wohin er will, ist meist besser bedient, wenn er rechtzeitig bucht; ist man flexibel und abenteuerlustig, was das „wohin“ angeht, kann man auch mit gepacktem Koffer an den Flughafen fahren und schauen, was grad so an „Last Minute“ zu haben ist.

Meiner Natur gemäß haben diese weltlichen Reisepläne mich zu einem Gedankenspiel über die aktuellen Reisebedingungen in Sachen Glauben geführt: Lohnt sich bei „Christ Travel“ Last Minute, oder gibt es schöne Early Bird-Rabatte?

Jeder kriegt „All Inclusive“
Auf den ersten Blick sieht es für Early-Birder enttäuschend aus. Egal, wann im Leben ich die Einladung annehme: Die Erlösung ist komplett, es gibt für jeden All Inclusive und keine Extras für die, die schon lange dabei sind. Dass dem so ist, erzählt Jesus im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg: Ein Mann wird vom Weinbergbesitzer angeworben, den ganzen Tag für ihn zu arbeiten, und die beiden vereinbaren einen schönen Tageslohn. Aufgrund des hohen Arbeitvolumens stellt der Besitzer fortlaufend Leute an, den letzten eine Stunde vor Feierabend. Als der Arbeiter, der den ganzen Tag geschwitzt und geackert hat, seinen Lohn in Empfang nimmt, freut er sich – aber nur, bis er merkt, dass alle anderen, die nach ihm gekommen sind, gleichviel erhalten.

Die Risiken von „Last Minute“
Diese kommunistisch anmutende Gleichmacherei hält manche Menschen von der Hinwendung zu Jesus ab: Da eine langjährige Mitgliedschaft keinen besonderen Status zur Folge hat, liebäugeln sie mit der Idee, ihre Entscheidung auf den letzten Moment zu verschieben. Aber dieses Last-Minute-Spiel ist gefährlich. Gott wirbt zwar immer wieder geduldig und hartnäckig um uns, in vielen Begegnungen und Momenten, in denen wir spüren, dass wir hier und jetzt eingeladen werden, zu glauben und eine Entscheidung zu treffen. Wenn wir die sanfte Stimme der Wahrheit und die Worte seiner Liebe aber nicht hören wollen und unser Herz Mal um Mal verschließen, laufen wir Gefahr, dass sich dieses Herz verhärtet und irgendwann so undurchdringlich ist, dass wir Gottes Einladung nicht mehr annehmen können.

Der wahre „Early Bird“
Wenn ich dieses Risiko nicht eingehen will, tue ich also gut daran, seine Einladung eher früher als später anzunehmen. Und das nicht nur aus diesem Grund: Tatsächlich gibt es einen Early Bird, an dem ich mich seit 11 Jahren erfreue. Es ist das erfüllte, befreite, tiefe und erlöste Leben im Hier und Jetzt. Ein Leben kann ausgefüllt sein, wenn ich es ohne Gott lebe, aber wenn wir, wovon ich überzeugt bin, für die Gemeinschaft mit Gott geschaffen sind, wird uns ohne diese Gemeinschaft etwas fehlen, das wir nirgendwo sonst finden werden.

Ich erlebe es als Glück zu wissen, dass ich eine gewollte, gelungene Schöpfung bin und den kenne, der mich geschaffen hat, als Glück der Freiheit, dass all meine Fehler und Misstritte nicht mehr auf mir lasten und ich jeden Tag neu anfangen kann, als Glück zu entdecken, was Gott alles in mich hineingelegt hat, und so Schritt für Schritt meinen Platz und meine Aufgabe in diesem Leben zu finden, und vor allem als Glück im tiefen Frieden, dass Jesus genügt: Dass ich angenommen und angekommen bin, dass dem Evangelium nichts hinzuzufügen ist und ich mich in dieser Gewissheit entspannen und einfach leben darf.

Keine Angst vor den Reisebedingungen!
Der Zeitgeist will uns glauben machen, dass wir etwas verpassen, wenn wir auf Gott setzen. Unser ängstliches, sich um sich selbst drehendes Ego glaubt, dass das Leben mit Gott grau und langweilig wird, und wir fürchten, dass die Gepäckvorschriften auf dem Flug des Glaubens so restriktiv sind, dass wir etwas zurücklassen müssen, das wir als lebensnotwendig ansehen. Aber das ist eine doppelte Lüge. Zum einen lässt Gott uns mit allem Gepäck einsteigen – auch dem, das uns allenfalls herunterzieht. Er verlangt nicht, dass wir etwas zurücklassen oder uns zum Voraus ändern. Auf dem Flug merken wir mit der Zeit selbst, dass gewisse Gepäckstücke unnötig oder hinderlich sind, und werfen sie nach und nach ab. Und zum zweiten stellen wir erleichtert fest, dass die Anweisungen für die Reise uns weder behindern noch beschneiden, sondern uns gewurzelt im Gebot der Liebe und der Würdigung allen Lebens vor egoistischen Fehlern schützen und damit uns und anderen Leid ersparen können.

This is for you…!
Mir ist klar, dass mein Blog auch von zwei Personengruppen gelesen wird, die mit solchen Inhalten nur begrenzt etwas anfangen können: Den Mitfrömmlern, die das alles schon kennen, und den mir bisher noch halbwegs wohlwollend gegenüberstehenden Areligiösen, die sich allenfalls nach diesem Post wieder überlegen, ob sie sich das noch antun wollen. Trotzdem schreibe ich dieses Post, und zwar für Dich – den einen Leser, den meine Zeilen berührt haben. Dir sage ich noch dies – und wer will, kann weiterscrollen:

Philipper 2 10Ich bin tief davon überzeugt, dass wie in Philipper 2,10 angekündigt der Tag kommen wird, an dem sich jedes Knie vor Jesus beugen und jede Zunge bekennen wird, dass er der Herr ist. Aber nicht alle werden es freiwillig tun. Davon singt auch Brian Doerksen in seinem Klassiker „Come, now ist he time to worship“. Er beendet den Refrain so:

Dennoch bleibt der größte Schatz denen, die ihn jetzt mit Freuden wählen.

Diesen Schatz – das Leben, das ich hier und jetzt im Vertrauen auf meinen Gott führen kann, ganz zu schweigen von der Ewigkeit in seiner Gegenwart – wünsche ich jedem Menschen. Daher schließe ich mit dieser kleinen Werbepersiflage (Claus HiPP möge mir verzeihen):

Wenn sich je ein Angebot in Deinem Leben gelohnt hat,
dann ist es die Reiseofferte Jesu.

Dafür stehe ich mit SEINEM Namen.

Holy Duck!
?

Mein Glaube hat mich in 11 Jahren auf schwindelnde Höhen und durch dunkle Täler geführt. Wie die meisten Menschen kenne ich Momente des Zweifels, und nicht all meine Fragen sind beantwortet. Dennoch habe ich keinen Moment ernsthaft daran gedacht, meinen Glauben aufzugeben – und der Grund dafür ist, dass ich auf die Frage, warum ich glaube, Antworten habe, die mich bestärken.

 

Und das sind sie.

GNADE – Weil Gott mich hingeführt hat
Das wäre der fromme Teil in aller Kürze: Meine frisch gläubige Schwester und ein berührender Gottesdienst haben mich immer näher an die zentrale Frage herangeführt, wer Jesus ist. Nach der Lektüre verschiedener Bücher, viel innerem Kampf und einer kräftigen Dosis Heiliger Geist kam ich an den Punkt, wo ich zu dem, was Jesus selbst über sich gesagt hat, ja sagen musste. Also tat ich das für mich einzig Logische – und bekehrte mich.

WHO I AM – Weil ich „Ich“ werden und sein darf
„Fromm“ zu werden hat auf geistlicher Ebene sofort alles verändert. Auf der Menschlichen dauert es etwas länger, aber seit 11 Jahren darf ich unter sanfter Führung Schritt für Schritt ablegen, was mich behindert – Lügen über mich selbst, schlechte Angewohnheiten und zerstörerische Denkmuster. Nach und nach hat sich herausgeschält, wer ich wirklich bin. Ich durfte meine Berufung entdecken und erkennen, dass selbst meine Schwächen in Gottes Plänen Sinn machen und Gutes hervorbringen können.

FREEDOM – Weil das Leben so viel freier und reicher geworden ist
Früher habe ich mich ständig gefragt, was ich tun muss, damit andere mich mögen. Ich wollte alles gut und ja keinen Fehler machen, wollte „passen“. Gleichzeitig wollte ich nie das, was „man“ gemeinhin so wollen soll – Karriere, Ansehen, Erfolg. Hinter meiner äußeren Angepasstheit und Korrektheit verbarg sich eine Künstlernatur, und so war ich nie richtig glücklich, weil ich so, wie ich eigentlich war – leicht exzentrisch, kreativ, intensiv – nicht zu sein wagte. Heute schere ich mich einen Deut um das, was gerade angesagt ist, und fühle mich frei, der komische Typ zu sein, der ich eben bin. Ich tue, was ich für richtig halte, solange es den Werten entspricht, die mein Glaube mir gibt. Die Werte unserer Gesellschaft ändern sich ständig und pressen Menschen in Formen, die ihnen manchmal überhaupt nicht entsprechen, doch der unerschütterliche Wert, den ich bei Gott habe, hat diese Form gesprengt und lässt mich genau der Mensch sein, der ich sein will und soll.

WIN WIN – Weil auch andere mehr von mir haben
Als ich meinen Wert davon abhängig machte, ob ich gemocht werde und „man“ gut findet, was ich mache, war ich auf andere Menschen fixiert, ohne mich wirklich für sie zu interessieren. Ich achtete peinlichst auf alles, was sie sagten und mit ihrer Mimik ausdrückten, aber es ging nur um mich. Mag er mich? Missbilligt sie meine Meinung? Finden sie mich „daneben“? Heute kann ein befremdeter Blick mich nicht mehr erschüttern, und gleichzeitig gehe ich ganz anders auf Menschen zu: Ich interessiere mich für mein Gegenüber, seine Meinung und sein Leben und habe keine Angst vor dem, was er sagt oder denkt – es ändert ja nichts an dem, was ich bin und glaube. Andere Interessen und ein anderer Glaube sind keine Bedrohung für mich. Ich kann andere annehmen, wie sie sind, und ihnen die Wertschätzung geben, die ich selber von Gott erhalte.

A NEW DAY: Weil ich immer wieder neu anfangen kann
Wir sind, sobald wir uns zu Gott bekehren, bekanntlich Heilige, aber wir können noch Fehler machen und nutzen die Gelegenheit leider auch. Gott weist mich immer wieder darauf hin, dass ich noch „Luft nach oben“ habe. Gerade realisiere ich, dass ich mich trotz meines eher stoischen Temperaments nicht immer im Griff habe, wenn ich herausgefordert werde, und dass meine Gabe, mich pointiert auszudrücken, unter diesem Einfluss zu einem Instrument werden kann, das andere verletzt. So eine Erkenntnis tut weh, und die Konsequenzen aus falschen Handlungen lassen sich nicht immer umkehren. Doch ich weiß, dass meine Fehler von gestern, heute und morgen bei Gott vergeben sind und ich jeden Tag eine neue Chance erhalte, zu lernen, zu wachsen und es besser zu machen. Die Dankbarkeit gegenüber dieser unverdienten Gnade befeuert mich und stärkt meinem Willen, mich in sein Bild verändern zu lassen.

LIVE NOW – Weil im Jetzt Leben „Hammer“ ist
Dieses Wissen hat mich auch mit meiner Vergangenheit versöhnt und nimmt mir die Angst vor der Zukunft. Ich bin frei, im Heute zu leben – dem einzigen Ort, an dem ich etwas bewirken und zugleich der einzige Ort, an dem ich Gott wirklich erleben kann. Anstatt mich zu fragen, was ich tun soll, wenn X oder Y eintrifft, mit dem zu hadern, was ist oder meine Energie auf „wenn ich dann einmal…“ zu verschwenden, lebe ich jetzt. Ich entscheide heute, was ich tun kann, um mein Leben zu verändern und dahin zu kommen, wohin ich will. Und mit Gott als Führung weiß ich, ob ich in die richtige Richtung gehe.

JUST JESUS – Weil Jesus real und wunderbar ist
Die Gegenwart Gottes ist nicht jeden Tag gleich spürbar, aber manchmal, wenn ich am Morgen einen Song anstimme und mein Herz auf ihn ausrichte, spüre ich seine Gegenwart auf eine Art, die mir die Tränen in die Augen treibt, mein Herz öffnet und weich macht und mich tief verändert. Sie führt mich zur Buße, wenn ich es nötig habe. Sie vergrößert meine Liebe für andere Menschen. Und sie lässt mich erkennen, dass all das, was hier auf Erden abgeht, nur ein Abklatsch von dem ist, was wir eines Tages erleben werden. In Jesus habe ich einen Gott, der mir so nahe ist wie niemand sonst, weil er mich als Gott durch und durch kennt und zugleich Mensch war.
Dieser „abscheuliche Vorteil des Feindes“, wie es der Oberteufel Screwtape in C.S. Lewis‘ „Dienstanweisung für einen Unterteufel“ nennt, dass er weiß, wie es ist, ein Mensch zu sein, ist das tröstlichste, wunderbarste und unfassbarste an meinem Gott – neben seiner unglaublichen Liebe für seine Geschöpfe. Die Teufel bei C.S. Lewis kommen trotz tausendjähriger Forschungen nicht dahinter, was Gott wirklich von uns, diesen „erbärmlichen Zwittern aus Fleisch und Geist“ will, und warum er uns geschaffen hat, weil sie das Konzept der Liebe nicht verstehen und es für einen Vorwand halten. Deshalb werden sie nie verstehen, was uns zu Gott zieht.

NO TURNING BACK!
Für mich gibt es kein Zurück, auch wenn ich nicht rund um die Uhr Hosianna und Halleluja schmettere. Doch durch jeden Tag zieht sich die Freude an seiner Gegenwart in meinem Leben, seiner Führung in allem, was ich tue, und die Aussicht auf eine Zukunft bei ihm, die alles übersteigt, was wir uns vorstellen können.

Um es in den Worten von Hiob zu sagen:
„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“

Was ist die grösste Freude, die Du aus Deinem Glauben ziehst? Es muss natürlich nicht der gleiche Glaube sein. Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

mountaineer-391948_1280Wenn man mich nicht gerade auf den ersten Blick für arrogant hält (was vorkommen kann), werde ich oft als bescheidener Mensch wahrgenommen. Das trifft es auch nur halb: ich weiß, was ich kann und worin ich gut bin. Unter anderem sehe ich mich als Menschen, der mit Intelligenz, Weitsicht und Durchblick gesegnet ist und gern Neues lernt, um die Welt immer besser zu verstehen.

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All diese Eigenschaften empfinde ich als tiefe Bereicherung – und bin gleichzeitig froh und dankbar dafür, „arm im Geiste“ zu sein.

Lange hatte ich mit der Aussage Jesu aus dem Matthäus-Evangelium meine liebe Mühe. „Selig sind die Armen im Geiste, denn ihnen gehört das Himmelreich?“ Das klang für mich haarscharf wie das Gegenteil dessen, was ich oben formuliert habe. War der Zusatz „im Geiste“ allenfalls gar nicht Originalton Jesus? Und wenn er es doch war – warum erbten nur die geistig Armen das Himmelreich? Was war mit Leuten wie mir, die für sich in Anspruch nehmen, mehr als das intellektuelle Einmaleins zu beherrschen?

Schlauer wurde ich erst, als ich mich intensiver mit dieser Bibelstelle auseinandersetzte. Natürlich wird sie unterschiedliche interpretiert, aber mir half auf die Sprünge, was der katholische Theologe Johann Baptist Metz in seinem Werk „Die Armut im Geiste“ geschrieben hat:

„Mensch werden heißt – ‚arm‘ werden, nichts haben, auf das man vor Gott pochen könnte, keine andere Stütze, keine andere Macht und Sicherung als den Einsatz und die Hingabe des eigenen Herzens. Menschwerdung geschieht als Bekenntnis zur Armut des menschlichen Geistes vor dem totalen Anspruch der unverfügbaren Transzendenz Gottes. (…)
Quelle: Wikipedia, „Armut im Geiste“

Nun ja – „Armut des menschlichen Geistes“ hörte sich in meinen Ohren auch suboptimal an, und ich war immer noch geneigt, dieses Etikett von mir zu weisen. Allerdings begann ich mich doch leise zu fragen, wie reich mein Geist im Angesicht Gottes und seiner unermesslichen Größe, seiner Heiligkeit und seiner Existenz innerhalb und außerhalb von allem Irdischen überhaupt war. Dann las ich weiter:

„Sich hinweggeben können, sich ausliefern können, ‚arm‘ werden können, heißt biblisch-theologisch: bei-Gott-sein, sein gottgeborgenes Wesen finden; heißt: ‚Himmel‘. Bei sich selbst bleiben aber, nur sich selbst dienen und sich selbst stark machen, heißt: verdammt sein, heißt: ‚Hölle‘, in der der Mensch verzweifelt erkennt, dass der Tabernakel des eigenen Ich, vor dem er sein Leben lang gebetet hat, leer ist und ohne Verheißung, da der Mensch sich selbst nur finden und wahrhaft lieben kann, nur Mensch werden kann über die Schwelle der Armut des preisgegebenen Herzens.“
Quelle: Wikipedia, „Armut im Geiste“

Hier fand ich mich wieder, und jetzt verstand ich auch die Armut meines Herzens und meines Geistes: dass es darum geht, mir klar darüber zu sein, wie wenig bis nichts ich ohne Gott wirklich zustande bringe und wie angewiesen ich auf ihn bin. Und genau hier kommt uns Menschen unser sagenhafter Stolz in die Quere.

Nicht jede Art Stolz muss falsch sein. Obwohl ich mir bewusst bin, dass alles, was ich kann und bin, von Gott kommt, bin ich stolz auf die Meilensteine in meinem Leben, in die ich Zeit und Herzblut investiert habe. Doch die Erkenntnis meiner „Armut im Geiste“ ist eine der Grundvoraussetzungen für eine Hinwendung zum christlichen Gott, und deshalb ist Stolz auch Staatsfeind Nummer Eins der Erlösung.

Die Lehre vom Kreuz wiederstrebt uns, weil sie ein großer Gleichmacher ist. Sie reibt uns unter die Nase, dass wir alle versagt haben und keiner genügt, dass wir alle das Opfer brauchen und dass wir, wenn wir es annehmen, alle gerettet werden – egal, wie dumm oder gescheit, gut oder schlecht wir sind. Und je stolzer wir auf unsere persönlichen Erkenntnisse und auf unseren menschlichen Entwicklungsstand sind, desto härter kauen wir an diesem Brocken.

Wenn ich mir meiner Verlorenheit vor Gott bewusst bin und die Nachricht vom Kreuz höre, löst sich die Schwere auf meinem Herzen – ich juble innerlich und nehme das Opfer mit Freuden an. Wenn ich hingegen der Ansicht bin, dass ich ein redlicher Mensch bin, der sich viele Erkenntnisse erarbeitet hat und in seiner geistlichen Entwicklung weit über dem durchschnittlichen Erdenbürger steht, rümpfe ich die Nase und schimpfe das Christentum eine faule Religion inklusive Erlösung zum Billigtarif. Schließlich muss ich nichts dafür tun – kein guter Mensch sein, keine Exerzitien ablegen, mich nicht um Erkenntnis bemühen. Tatsächlich aber fordert das Christentum den höchsten Preis von uns: es fordert die Aufgabe unseres Stolzes. „Es“ selbst schaffen. Einem „erleuchteten Kreis“ angehören.

Obwohl auch in der Bibel steht, dass viele berufen und wenige auserwählt sind, ist der Schlüssel zur christlichen Erlösung nicht das Erreichen einer bestimmten Erkenntnisstufe, sondern das pure Gegenteil:

cross-468129_1280Eingang findet, wer im Innersten begreift, dass er ohne Gott verloren ist und rein gar nichts zu seiner Errettung beitragen kann. Wer seine leeren Hände öffnet, sich vor das Kreuz kniet und anerkennt, dass Jesus Herr ist und er Jesu Opfer braucht.

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Genau deshalb sind es nur wenige. Stolz ist der unbestrittene Favorit unter den Sünden auf unserem Planeten; Stolz hat uns von Gott getrennt, und Stolz hindert uns, einzusehen, dass wir Erlösung brauchen und sie nicht selbst vollbringen können.

Ich bin zutiefst dankbar, dass Gott mich in bestimmten Lebensabschnitten hat erkennen lassen, wie wenig ich selbst auf die Reihe kriege. Neben der Musik, durch die er sich schon immer einen direkten Weg zu meinem Herzen gebahnt hat, waren es diese Krisenzeiten, die mir die Tür zu Jesus weit geöffnet haben.

Vielleicht gehörst Du auch zu denen, die sich alles selbst erarbeiten und von niemandem abhängig sein möchten. Vielleicht tröstet Dich in dieser manchmal sehr kalten und dumpfen Welt nur der Gedanke, dass Du Dinge erkennst, die anderen verborgen bleiben. Ich ermutige Dich, einmal einen anderen Blickwinkel zu versuchen und Deinen Stolz mit einem Tritt in die Gosse zu befördern. Er bringt Dich auf keinen grünen Zweig. Er trennt Dich von anderen Menschen und kann Dich nicht wirklich trösten – und wenn doch, ist er ein kalter Trost.

Zu erkennen, dass ich vor Gott arm bin und ihm nichts bieten kann, mag ernüchternd und demütigend sein. Zu erfahren, dass er gar nichts von mir will als mich selbst, so wie ich bin, und dass ich nur zu kommen brauche – ist Freiheit. Lass Dir diese Freiheit nicht entgehen.

Herz WasserWer meinen Blog regelmäßig liest, weiß, dass ich in letzter Zeit einige Stürme durchlebt habe. Obwohl ich noch in unruhigen Gewässern schaukle, konnte ich nach einem längeren Prozess einen Schritt tun, um das Knäuel zu entwirren – und die Wende in diesem Prozess markiert eine Nachricht auf WhatsApp.

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Vor einigen Monaten besuchte mich eine gute Freundin aus meiner Kirche. Wir tranken zusammen Kaffee, und irgendwann überwand ich mich, ihr von meinen Problemen zu erzählen. Sie brachte mir viel Mitgefühl entgegen und erkundigte sich von da an immer mal wieder, wie es mir ging, ohne sich aufzudrängen oder mir das Gefühl zu geben, ausgefragt zu werden. So wurde sie zu meiner Vertrauten, der ich mein Herz ausschütten konnte.

Vor etwa einem Monat war ich gerade an der Arbeit, als sie sich per WhatsApp meldete. Ich konnte ihr nichts Neues berichten und entschuldigte mich, weil ich sie mit all dem belastete und immer noch nicht „weiter“ war. Dann wartete ich etwas ängstlich auf ihre Antwort. Sicher war sie enttäuscht von mir, und vielleicht würde sie mich ihren Unmut spüren lassen. Ich wappnete mich innerlich für eine kalte Brise, als nach einer gefühlten Ewigkeit das weiße WhatsApp-Lämpchen aufleuchtete.

Ihre Nachricht war kurz – sie schrieb lediglich, ich belaste sie keineswegs; sie sei froh, dass ich mich ihr anvertraue, und es tue ihr sehr leid, dass sie mir keine größere Hilfe sein könne. Doch mit diesen paar Worten vermittelte sie mir alles, was ich so sehr brauchte, und nichts von dem, wovor ich mich gefürchtet hatte – kein Milligramm Ärger oder Verurteilung, dafür jede Menge Verständnis und Mitgefühl.

Meine Augen füllten sich mit Tränen, und etwas in mir schien erst weich zu werden, dann zu schmelzen und zusammen mit meinen Tränen aus mir herauszufließen. Ich fühlte mich unfassbar geliebt und angenommen, und das erste Mal seit langem konnte ich glauben, dass alles gut werden würde – auch wenn ich noch keine Ahnung hatte, wie das gehen sollte.

Nach einigen Minuten beseitigte ich die Spuren meines „Gefühlsausbruchs“ und verließ mein Büro, um ein paar Kopien zu machen. Auf dem Weg zum Drucker fragte ich mich, was Gott wohl vorhatte, um das Problem zu beseitigen, das meinen Sturm unter anderem ausgelöst hatte. Wollte er, dass ich mich mit der schmerzhaften Situation abfand? Oder wollte er das Wunder vollbringen, das in meinen Augen nötig war, damit sich etwas änderte?

Mitten in diese Fragen schob sich ein fremder Gedanke in mein Bewusstsein. Der Satz kam definitiv nicht von mir, denn er war an mich gerichtet. Und er war kurz und klar:

„Ich will, dass Du treu bist.“

Ich will, dass Du treu bist. − Ich fühlte, wie dieser Satz in mir widerhallte und Wellen auslöste wie ein Stein, der in einen Teich geworfen wird.

Gott sagte mir nicht einfach, dass er meinen Gehorsam wollte. Mit seinen Worten ließ er mich wissen, dass ich mich nicht um die Lösung des Problems zu kümmern habe und dass sein Wunsch an mich derselbe bleibt − unabhängig davon, was er in dieser Sache tun oder nicht tun wird. Und endlich spürte ich, wie der Wunsch, wahrhaftig und treu zu sein, aus meinem unruhigen Herzen emporstieg und mit neu entfachter Glut zu brennen begann. Die Liebe und Annahme, mit der mir meine Freundin begegnet war, hatte meinen Widerstand geschmolzen und mein wundes, rebellisches Herz geheilt und verändert.

***

Wie begegnen wir den Schwächen und Ungereimtheiten im Leben anderer? Stoßen wir sie mit der Nase hinein, um sie zu demütigen, schimpfen wir sie mit dem gestreckten Zeigefinger aus und lassen sie unsere Verachtung spüren? Genießen wir vielleicht sogar unsere Überlegenheit, weil uns „so etwas“ nie passieren könnte? All das können wir tun, und vielleicht erfüllt es uns einen Moment mit Befriedigung − aber wir werden weder ihr Leben noch die Welt einen Deut besser machen. Begegnen wir den Schwächen und Hilferufen unseres Nächsten jedoch mit Liebe und Mitgefühl, ist alles möglich.

„Liebe kann und wird uns in jeder Hinsicht umgestalten – unsere Ideologie, unsere Meinungen, unsere Gewohnheiten, unsere Werte, unsere Prioritäten, sogar unsere Namen. Doch diese Verwandlung ist keine Voraussetzung oder Bedingung, sie ist keine Verhaltenskorrektur, das ist sie nie. Nicht, wenn es Liebe ist…“
Sarah Bessey, „You’re already so loved“

Alle Menschen, ob sie sich Christen nennen oder nicht, können Liebe und Annahme ausstrahlen und damit anderen ein Segen sein. Aber wenn wir Christen, in denen Jesus lebt, uns nach unseren Nächsten ausstrecken, erfahren sie seine liebende Gegenwart. Und sie ist es, die Herzen verändert.

Jesus hat während seiner Zeit auf Erden auch eine Menge schräge Gestalten um sich versammelt. Keiner seiner Jünger war perfekt, und einige waren auf seltsamen Pfaden unterwegs. Was hat sie dazu bewegt, alles stehen- und liegen zu lassen und mit ihm zu gehen? Nicht, dass er ihnen klar gemacht hat, wo sie falsch liegen, nicht seine Predigt über die zehn Gebote – das kam danach. Zuerst waren es seine Liebe und Annahme, die sie mit unwiderstehlicher Kraft zu ihm zogen.

Wenn wir Menschen erreichen wollen, tun wir gut daran, uns Jesu Vorbild ins Herz zu schreiben. Und für alle, die wie ich besser darin sind, anderen Lösungsvorschläge herunterzubeten: lasst uns stattdessen zuhören, lieben und annehmen. Das Resultat könnte uns vom Hocker hauen.

Ich weiß nicht, ob es den sagenumwobenen „Stein der Weisen“ wirklich gibt – diese mythische Substanz, die nach dem Glauben der Alchemisten unedle Metalle wie Quecksilber in Gold oder Silber verwandeln und jede Krankheit heilen kann.
Ganz sicher aber sind Liebe und Annahme der „Stein der Weisen“ für unser Herz – fähig, alle Wunden zu heilen und jedes Herz zu verwandeln.

ecard009Momentan lesen wir in unserer Kleingruppe ein Buch, an dem wir uns die Zähne ausbeißen. Der Autor Lawrence Crabb hat unter anderem „Christsein ohne K(r)ampf“ geschrieben; ein Buch, das ich sehr schätze. Unsere aktuelle Lektüre „66 Liebesbriefe“ hat den Anspruch, uns näher an Gottes Liebe heranzuführen. Allerdings scheint dieses Ziel gerade meilenweit entfernt.

Bildquelle: www.life-is-more.at

Die bisherigen Kapitel hatten alle den Tenor: „Du wirst meine Liebe erst spüren, wenn Du am tiefsten Punkt angelangt bist“ und werfen uns in ein Wechselbad der Gefühle und offenen Fragen. Müssen wir erst am Boden liegen, um Gott wirklich zu erfahren? Nimmt Gott uns gezielt alles weg, damit wir ihn erkennen? Muss alle Musik in unserem Leben ersterben, damit wir sein Liebeslied hören können?

Diese Fragen katapultieren mich zurück in eine Wüsten-Phase meines Lebens. Ich hatte damals fast alles – Gesundheit, Freunde, einen gut bezahlten Job und ein schönes Zuhause. Aber meine Beziehung war zerbrochen, und mir wurde schmerzlich bewusst, wie sehr ich mich trotz meines Glaubens an Gott noch immer auf meinen Partner als Zentrum und Sinn meines Lebens ausgerichtet hatte. Die Trennung stoppte die Musik und schien nur Leere zurückzulassen.

Doch obwohl es eine einsame und herausfordernde Zeit war, ist mir bewusst geworden, dass ich mich gern daran erinnere. Die Nähe, die ich in dieser Zeit zu Gott hatte, ist immer noch einer der kostbarsten Schätze meins Lebens: Ich habe jeden Tag zu ihm gebetet und gesungen, mich nach ihm ausgestreckt. Er war der Grund, warum ich morgens aufstand und arbeiten ging. Er war da, wenn ich mich einsam fühlte.

Heute bin ich an einen völlig anderen Ort. Ich bin „sesshaft“ geworden, habe geheiratet, habe meine Berufung und eine tolle Gemeinde an meinem Wohnort gefunden. Ich will das nicht missen. Aber wenn ich an die Nähe zu Gott denke, wird mir klar, dass diese dunkle, wüstenartige Zeit etwas Besonderes war. In der Leere war ich endlich fähig, Gott zu hören und zu erleben.

Kommt Gott also nur nahe zu uns, wenn es uns richtig mies geht? Können wir seine Liebe in guten Zeiten niemals richtig erfahren? Ich glaube das nicht. Wir sind es, die sich in den guten Zeiten anders ausrichten, und ich glaube, darauf weist uns Gott immer wieder hin: sobald wir etwas anderes haben, das uns Freude bereitet, trägt und stärkt, beziehen wir unsere Kraft und Identität von dort, anstatt an die Quelle zu gehen – weil wir zutiefst stolz sind und uns nur auf eigene Errungenschaften verlassen wollen.

Ich bin sicher, dass Gott uns das Schöne und den Segen in unserem Leben nicht vermiesen will. Wir sollen uns daran freuen und es genießen. Aber er will, dass wir unsere Lebensenergie nicht von etwas anderem, sondern von ihm beziehen. Wenn Jesus allein der Eckstein unseres Lebens ist, können wir in der Beziehung zu ihm auch das volle Maß seiner Liebe erfahren – auch in den guten Zeiten. Es ist ein Kampf zwischen unserem stolzen Herzen, das sich auf niemand anderen stützen will, und dem Geist Gottes, der in uns lebt, und wir müssen ihn jeden Tag aufs Neue angehen. Aber es lohnt sich.

Ich bin für die erlebten Tiefen in meinem Leben dankbar, weil sie meine Beziehung zu Gott stärker gemacht haben. Die Erinnerung daran erhöht meine Sehnsucht nach dieser Nähe und hilft mir, mich immer wieder auf ihn auszurichten. In Dankbarkeit für all das Schöne, was er schenkt, und doch im Wissen, dass mein Leben nicht davon abhängt.

Wir singen in der Gemeinde ein Lied, in dem das Jesus-Eckstein Thema kraftvoll und berührend auf den Punkt gebracht wird. Heute höre ich mir dieses Lied an und spüre aufs Neue, dass Jesus mein realer Herr und Freund ist. Und ich weiß, dass er sich darüber freut.

Quelle: Youtube

Wie erlebst Du die „guten und schlechten Zeiten“ und Gottes Nähe darin? Fällt es Dir leicht, die Freuden des Lebens zu genießen? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!