gold-bear-318359_1920 kleinIn letzter Zeit grassieren auf Facebook ominöse Tests, die alle etwas gemeinsam haben. Egal, ob es um Geografie, Sichtstärke, analytisches Denken oder Intelligenz per se geht –  die Test fangen alle  mit dem gleichen Satz an:

„Nur 4 (oder 1, 2, 3) Prozent der Bevölkerung kann diese Fragen richtig beantworten.“

Seltsamerweise gehören alle meine Facebookfreunde zu dieser Gruppe, und – Überraschung – ich selbst auch. Denn ich gebe es zu: Ich konnte auch nicht widerstehen. Ich habe den Sichttest gemacht und erfahren, dass ich Pilotin werden könnte, was mich einen winzigen Moment stolz gemacht hat (ich kann ab und zu etwas beschränkt sein). Doch je mehr sich diese Tests häufen, desto klarer wird jedem, dass es nur darum geht, möglichst viele Leute auf die Seite zu locken und sie dazu zu bringen, das Zeug weiter zu verteilen.

Und an welche Eigenschaft des Menschen appelliert man da am besten?
Eitelkeit, Stolz und das Verlangen, etwas Besonderes zu sein.
Besser als die anderen. Zu einer Elite zu gehören.

Und es funktioniert bestens: Die Ansage „nur x Prozent…“ macht uns neugierig. Gehöre ich dazu? Wir füllen das Ding aus, und oh Wunder: Wir sind dabei! Ist es nicht genial? Und sofort teilen wir das phänomenale Resultat (vielleicht noch mit einem verspielt-bescheidenen „hätte ja nicht gedacht, dass ich…“), damit die Welt weiss, dass wir zur Spitzengruppe gehören.

Der Mensch ist ein seltsames Wesen: Er will dazu gehören, Teil der Meute sein, will aber auch herausragen, und er versucht mit allen Mitteln, das irgendwie zu schaffen. Geld, Kleidung, Erfolg, Partner, Erleuchtung – die Möglichkeiten sind grenzenlos. Nur: Nichts davon wird mir letztlich die Gewissheit geben, wirklich „besonders“ zu sein, und alle diese Errungenschaften stehen auf wackligen Füssen.

Dabei brauchen wir diese Tests alle nicht, um zu wissen, dass wir besonders sind. Wir sind alle besonders, und das ist vielleicht der Grund, warum das vielen von uns nicht schmeckt.

Wenn Gott bei Buzzfeed einen Test anbieten würde, würde da stehen:
100% der Bevölkerung, die den Test machen, haben sich als einzigartig, wunderbar und etwas Besonderes erwiesen.“

Das hört sich lahm an. Was soll besonders daran sein, wenn alle es haben können? Wenn wir den Inhalt und die Wahrheit dieser Aussage erfassen wollen, müssen wir unseren Stolz ablegen – diese Eitelkeit, die nicht nur „besonders“ sein will, sondern „besonderer als alle andern“.

Wenn wir erkennen und bis ins Innerste unserer Persönlichkeit begreifen, wie besonders, wie geliebt, wie einzigartig wir wirklich für Gott sind, erkennen wir schlagartig, wie nichtig all die anderen Contests, Tests, „Wer hat und ist mehr“-Wettbewerbchen wirklich sind.

Und wir werden frei, einfach zu sein. Unser Leben zu leben, anderen zu begegnen, ohne ständige Vergleiche anzustellen, einander einfach für das zu schätzen, was wir sind. Menschen mit einer einmaligen Mischung aus Stärken und Schwächen, mit einer einzigartigen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Geliebt von Gott.

mountaineer-391948_1280Wenn man mich nicht gerade auf den ersten Blick für arrogant hält (was vorkommen kann), werde ich oft als bescheidener Mensch wahrgenommen. Das trifft es auch nur halb: ich weiß, was ich kann und worin ich gut bin. Unter anderem sehe ich mich als Menschen, der mit Intelligenz, Weitsicht und Durchblick gesegnet ist und gern Neues lernt, um die Welt immer besser zu verstehen.

Bildquelle: Pixabay

All diese Eigenschaften empfinde ich als tiefe Bereicherung – und bin gleichzeitig froh und dankbar dafür, „arm im Geiste“ zu sein.

Lange hatte ich mit der Aussage Jesu aus dem Matthäus-Evangelium meine liebe Mühe. „Selig sind die Armen im Geiste, denn ihnen gehört das Himmelreich?“ Das klang für mich haarscharf wie das Gegenteil dessen, was ich oben formuliert habe. War der Zusatz „im Geiste“ allenfalls gar nicht Originalton Jesus? Und wenn er es doch war – warum erbten nur die geistig Armen das Himmelreich? Was war mit Leuten wie mir, die für sich in Anspruch nehmen, mehr als das intellektuelle Einmaleins zu beherrschen?

Schlauer wurde ich erst, als ich mich intensiver mit dieser Bibelstelle auseinandersetzte. Natürlich wird sie unterschiedliche interpretiert, aber mir half auf die Sprünge, was der katholische Theologe Johann Baptist Metz in seinem Werk „Die Armut im Geiste“ geschrieben hat:

„Mensch werden heißt – ‚arm‘ werden, nichts haben, auf das man vor Gott pochen könnte, keine andere Stütze, keine andere Macht und Sicherung als den Einsatz und die Hingabe des eigenen Herzens. Menschwerdung geschieht als Bekenntnis zur Armut des menschlichen Geistes vor dem totalen Anspruch der unverfügbaren Transzendenz Gottes. (…)
Quelle: Wikipedia, „Armut im Geiste“

Nun ja – „Armut des menschlichen Geistes“ hörte sich in meinen Ohren auch suboptimal an, und ich war immer noch geneigt, dieses Etikett von mir zu weisen. Allerdings begann ich mich doch leise zu fragen, wie reich mein Geist im Angesicht Gottes und seiner unermesslichen Größe, seiner Heiligkeit und seiner Existenz innerhalb und außerhalb von allem Irdischen überhaupt war. Dann las ich weiter:

„Sich hinweggeben können, sich ausliefern können, ‚arm‘ werden können, heißt biblisch-theologisch: bei-Gott-sein, sein gottgeborgenes Wesen finden; heißt: ‚Himmel‘. Bei sich selbst bleiben aber, nur sich selbst dienen und sich selbst stark machen, heißt: verdammt sein, heißt: ‚Hölle‘, in der der Mensch verzweifelt erkennt, dass der Tabernakel des eigenen Ich, vor dem er sein Leben lang gebetet hat, leer ist und ohne Verheißung, da der Mensch sich selbst nur finden und wahrhaft lieben kann, nur Mensch werden kann über die Schwelle der Armut des preisgegebenen Herzens.“
Quelle: Wikipedia, „Armut im Geiste“

Hier fand ich mich wieder, und jetzt verstand ich auch die Armut meines Herzens und meines Geistes: dass es darum geht, mir klar darüber zu sein, wie wenig bis nichts ich ohne Gott wirklich zustande bringe und wie angewiesen ich auf ihn bin. Und genau hier kommt uns Menschen unser sagenhafter Stolz in die Quere.

Nicht jede Art Stolz muss falsch sein. Obwohl ich mir bewusst bin, dass alles, was ich kann und bin, von Gott kommt, bin ich stolz auf die Meilensteine in meinem Leben, in die ich Zeit und Herzblut investiert habe. Doch die Erkenntnis meiner „Armut im Geiste“ ist eine der Grundvoraussetzungen für eine Hinwendung zum christlichen Gott, und deshalb ist Stolz auch Staatsfeind Nummer Eins der Erlösung.

Die Lehre vom Kreuz wiederstrebt uns, weil sie ein großer Gleichmacher ist. Sie reibt uns unter die Nase, dass wir alle versagt haben und keiner genügt, dass wir alle das Opfer brauchen und dass wir, wenn wir es annehmen, alle gerettet werden – egal, wie dumm oder gescheit, gut oder schlecht wir sind. Und je stolzer wir auf unsere persönlichen Erkenntnisse und auf unseren menschlichen Entwicklungsstand sind, desto härter kauen wir an diesem Brocken.

Wenn ich mir meiner Verlorenheit vor Gott bewusst bin und die Nachricht vom Kreuz höre, löst sich die Schwere auf meinem Herzen – ich juble innerlich und nehme das Opfer mit Freuden an. Wenn ich hingegen der Ansicht bin, dass ich ein redlicher Mensch bin, der sich viele Erkenntnisse erarbeitet hat und in seiner geistlichen Entwicklung weit über dem durchschnittlichen Erdenbürger steht, rümpfe ich die Nase und schimpfe das Christentum eine faule Religion inklusive Erlösung zum Billigtarif. Schließlich muss ich nichts dafür tun – kein guter Mensch sein, keine Exerzitien ablegen, mich nicht um Erkenntnis bemühen. Tatsächlich aber fordert das Christentum den höchsten Preis von uns: es fordert die Aufgabe unseres Stolzes. „Es“ selbst schaffen. Einem „erleuchteten Kreis“ angehören.

Obwohl auch in der Bibel steht, dass viele berufen und wenige auserwählt sind, ist der Schlüssel zur christlichen Erlösung nicht das Erreichen einer bestimmten Erkenntnisstufe, sondern das pure Gegenteil:

cross-468129_1280Eingang findet, wer im Innersten begreift, dass er ohne Gott verloren ist und rein gar nichts zu seiner Errettung beitragen kann. Wer seine leeren Hände öffnet, sich vor das Kreuz kniet und anerkennt, dass Jesus Herr ist und er Jesu Opfer braucht.

Bildquelle: Pixabay

Genau deshalb sind es nur wenige. Stolz ist der unbestrittene Favorit unter den Sünden auf unserem Planeten; Stolz hat uns von Gott getrennt, und Stolz hindert uns, einzusehen, dass wir Erlösung brauchen und sie nicht selbst vollbringen können.

Ich bin zutiefst dankbar, dass Gott mich in bestimmten Lebensabschnitten hat erkennen lassen, wie wenig ich selbst auf die Reihe kriege. Neben der Musik, durch die er sich schon immer einen direkten Weg zu meinem Herzen gebahnt hat, waren es diese Krisenzeiten, die mir die Tür zu Jesus weit geöffnet haben.

Vielleicht gehörst Du auch zu denen, die sich alles selbst erarbeiten und von niemandem abhängig sein möchten. Vielleicht tröstet Dich in dieser manchmal sehr kalten und dumpfen Welt nur der Gedanke, dass Du Dinge erkennst, die anderen verborgen bleiben. Ich ermutige Dich, einmal einen anderen Blickwinkel zu versuchen und Deinen Stolz mit einem Tritt in die Gosse zu befördern. Er bringt Dich auf keinen grünen Zweig. Er trennt Dich von anderen Menschen und kann Dich nicht wirklich trösten – und wenn doch, ist er ein kalter Trost.

Zu erkennen, dass ich vor Gott arm bin und ihm nichts bieten kann, mag ernüchternd und demütigend sein. Zu erfahren, dass er gar nichts von mir will als mich selbst, so wie ich bin, und dass ich nur zu kommen brauche – ist Freiheit. Lass Dir diese Freiheit nicht entgehen.