Gestern haben mein Mann und ich einen seiner Göttibuben besucht und ein paar gemütliche Stunden verbracht, und wie meistens haben sich unsere Diskussionen irgendwann auch um Gott gedreht. Thema waren dieses Mal unter anderem „Freikirchenchristen“, die kein Gespräch führen können, ohne die Zuhörer erschöpfend über den „richtigen Glauben“ aufzuklären. Die Reaktion unserer Freunde auf solche Sermone kann ich gut nachvollziehen: „Vielen Dank, das habe ich jetzt oft genug gehört. Jetzt will ich es sehen.“

Ich rede gern über Gott. Mein Herz ist oft voll von dem, was er in meinem Leben getan hat, in welchen Situationen ich schon erleben durfte, dass er mir beisteht, mich stützt und herausfordert. Aber wenn das alles ist, was andere mitbekommen, wird der Effekt meiner Worte rasch verblassen. Ich bin die einzige Bibel, die manche Leute jemals lesen werden. Wie ich mit mir selbst, mit anderen und mit der Schöpfung umgehe, gibt mehr Zeugnis von Gott als alle schönen Worte.

Gott fordert uns auf, den alten Menschen hinter uns zu lassen, uns zu prüfen und auf seine leise Stimme zu hören, die uns sagt, wenn wir unser Verhalten ändern müssen, und den Beweis treten wir im Alltag an. Im Job, im Umgang mit Vorgesetzten und Untergebenen. In der Familie. In der Art, wie wir mit dem umgehen, was uns anvertraut ist: Finanzen und Besitz, Beziehungen. Wie freigiebig bin ich mit meiner Zeit? Mit meinen Geld? Wie achtsam gehe ich mit meinem Besitz um? Wie geduldig bin ich mit anderen?

Wir werden alle an unterschiedlichen Punkten herausgefordert, und wenn wir schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel haben, kennen wir in der Regel unsere Schwachstellen und können uns einfache Dinge vornehmen. Ich habe ein Problem mit allem, was man unter „Instandhaltung“ zusammenfassen könnte – Ordnung halten, Haushalt und andere Routineaufgaben. Deshalb habe ich mir unter anderem vorgenommen, achtsamer mit meiner Kleidung umzugehen und mich auf Verpflichtungen, egal wie simpel sie sind, gewissenhaft vorzubereiten.

Solche Bemühungen sind wichtig, aber wir können leicht in die falsche Richtung abdriften. Wenn wir uns als Spiegel sehen, durch den Menschen (unter anderem natürlich) Gott erfahren, können wir den Zwang verspüren, perfekt zu sein. Da wir sehr wohl wissen, dass wir dies nicht sind, kommen wir in Versuchung, eine fromme Fassade zu präsentieren – sei es als Einzelpersonen oder als christliche Gemeinde.

Unsere Gemeinde macht gerade eine herausfordernde Zeit durch. Personen in wichtigen Funktionen sind an ihre Grenzen gekommen; es gab zwischenmenschliche Konflikte, und für manche ist das im Hinblick auf diese „Vorbildfunktion“ eine grosse Herausforderung. Was denken andere über uns, wenn so etwas auch bei uns vorkommt? Ist das nicht ein Beweis dafür Reverse Phone Lookup , dass wir „auch nicht besser“ sind?

Vielleicht ist es das, aber vielleicht ist das ganz gut. Denn wir sind tatsächlich nicht besser. Wir kämpfen mit den gleichen Problemen, mit denen jeder kämpft. Wir haben Beziehungsprobleme, verausgaben uns zu sehr im Job, geraten mit anderen in Streit. Was uns ausmacht, ist nicht, dass uns so etwas nicht passiert; es ist, wie wir damit umgehen. Stehen wir dazu? Sind wir bereit, einander zu vergeben, wenn wir in Konflikt geraten sind?

Ich habe kein Problem damit, anderen von unseren Herausforderungen zu erzählen, und ich zweifle deswegen weder an Gott noch an unserer Gemeinde. Ich sehe es als Chance zu mehr Echtheit, zu einer Vertiefung der Beziehungen, dazu, einzugestehen, dass wir auch Schwächen haben und uns nicht scheuen, sie zu zeigen. Und ich bin überzeugt davon, dass wir andere Menschen mit diesem Auftreten weit mehr anziehen, als wenn wir versuchen, ihnen die perfekte Gemeinschaft zu verkaufen.

Heute hatten wir unseren ersten Gottesdienst des Jahres, und er hat mich tief berührt. Trotz der Schwierigkeiten waren viele Menschen da, um gemeinsam das neue Jahr zu beginnen. Niemand, der da war, bildet sich ein, in einer perfekten Gemeinde zu sein; niemand hält es für nötig auszublenden, dass es gerade schwierig ist. Aber alle, die da waren, glauben an unsere Gemeinschaft.

Das hat mir Hoffnung gemacht und mir gezeigt, was uns von weltlichen Vereinen und Gruppierungen unterscheidet: Es sind nicht wir, es ist Gott. Gott kann sich auch in zerbrochenen, beschädigten Spiegeln reflektieren. Er zeigt uns, was er mit uns vorhat, und er ermutigt uns zu einem authentischeren Christsein, dazu, uns selbst und anderen zuzumuten, mit dem zerbrochenen Gefäss, das wir als einzelne und als Gemeinschaft sind, zu leben und uns von ihm heilen zu lassen.

Ich möchte sein Spiegel sein. Ich möchte mich jeden Tag herausfordern lassen, Jesus ähnlicher zu werden. Aber ich will es im Bewusstsein tun, dass Gott mich rückhaltlos annimmt, wie ich bin. Denn nur dann habe ich den Mut, andere auch meine Schwächen sehen zu lassen. Und nur dann bin ich nahbar und glaubwürdig.

 

 

 

 

Ich habe lange keinen Snack mehr fabriziert – dafür ein heftiges Mea Culpa! Grund dafür war nichts Tragisches, sondern dass ich intensiv an der Überarbeitung meines Buches werkle und auch sonst viel läuft. Heute will ich endlich wieder einmal ein paar Gedanken teilen, und vielleicht wird es etwas schwer verdaulich, denn es geht um das Thema Zerbruch.

Wann wird aus einem Problem eine Krise, wann aus der Krise der Zerbruch? Wenn das Fundament unseres Lebens wankt oder bricht, wenn das, worauf wir unsere Identität bauen und woraus wir unsere Kraft ziehen, Gefahr läuft, sich in Nichts aufzulösen.

Wenn man diese von mir fabrizierte Definition liest, könnte man sich als Christ auf die fromme Wolke setzen und behaupten, dass der oder die Zerbrochene auf ein falsches Fundament gebaut hat. Ist nicht das einzige, was uns wirklich trägt, Gottes Liebe und der Wert, den wir aus seiner Liebe zu uns geschenkt bekommen haben, der Wert, den niemand uns nehmen kann?

Frei nach Radio Eriwan: Im Prinzip Ja. Aber seien wir ehrlich: Niemand lebt nur aus Gottes Liebe, und auch wenn wir fest in dieser Liebe verwurzelt sind, haben wir alle auch andere Bereiche im Leben, die für unser inneres Gleichgewicht und unser Wohlergehen wichtig sind.

Zerbruch deutet darauf hin, dass nicht nur eine, sondern alle Grundlagen wanken – oder zumindest alle, die für uns von Bedeutung sind. In manchen Fällen kann so auch der Zerbruch einer einzigen Grundlage unser ganzes Leben ins Wanken bringen.

Ich habe einen solchen Zerbruch vor über zehn Jahren erlebt, als eine Beziehung zu Ende ging. Alles andere in meinem Leben – meine Familie, meine Arbeit, meine Beziehung zu Gott – blieb damals bestehen, aber es half nichts, weil ich meinen Lebenssinn, meine Identität und meinen Wert daraus bezog, dass ich einen Partner hatte, mit dem ich gemeinsam in die Zukunft blicken konnte. Als er mich verliess, war diese Grundlage verschwunden, und ich blickte ins wüste Nichts. Ich konnte mir nicht vorstellen, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen ohne einen Menschen, der mein Leben teilte, und so sehr ich mich auch bemühte, an dieser Idee gefallen zu finden: Es funktionierte nicht.

Einige Zeit nach der Trennung machte ich einen Trip zu Ikea und kaufte unter anderem zwei identische Tassen, auf denen riesige, rot-violette Herzen prangten. Das kitschige Design hatte es mir angetan, und ich stellte mir vor, dass diese Tassen das Symbol für die nächste Beziehung seien, die Gott schenken würde. Irgendwann in nicht so ferner Zukunft – so meine Hoffnung – würde ich mit einem geliebten Menschen aus diesen Tassen trinken und glücklich sein. Aber als ich Zuhause meine Sachen auspackte, fiel eine der Tassen auf den weissen Plattenboden und zerbrach.

Es war nur eine Ikea-Tasse, aber in dem Moment war diese Tasse weit mehr. Mit ihr zerbrach mein Traum und meine bisher einzige Strategie, Glück und Geborgenheit zu finden. Der lächerliche Verlust traf mich tief, und heute glaube ich, dass Gott erst in diesem Moment mit der Botschaft zu mir durchdrang, die er mir seit dem Ende der Beziehung hatte geben wollen:

«Ich habe für Dich im Moment keinen Partner. Lass mich dieser Partner sein.
Richte Deinen Blick jetzt auf mich, und alles andere wird sich weisen.»

In den kommenden anderthalb Jahren lernte ich, mein Leben auf andere Grundlagen zu stellen; nicht auf einmal, sondern Tag für Tag mehr. Irgendwann kam der Moment, in dem mir bewusst wurde, dass ich mein Leben tatsächlich auch ohne Partner lebenswert und wertvoll fand. Ich war damals 36 Jahre alt, und das erste Mal glaubte ich, dass ich auch glücklich sein konnte, wenn nie mehr ein Mann in mein Leben treten würde. Es war der Moment, in dem mein neues Leben anfing.

Es hat sich dann doch noch ein Mann gefunden, der es wagen wollte, und ich bin glücklich darüber. Aber ich bin noch glücklicher darüber, dass ich nicht geheiratet habe, weil er der letzte sein könnte, der Interesse zeigt, oder – ganz nach «When Harry met Sally» – damit ich sagen konnte, ich war verheiratet, sondern weil es richtig war.

Mein Zerbruch damals war massiver, als es von aussen ausgesehen haben mag. Alles, was ich gewesen war, lag in winzigen Scherben vor mir; ich konnte es nicht mehr zusammensetzen. Und das war gut so. Denn hätte nur eine Ecke gefehlt, hätte ich sie einfach wieder angeklebt, so gut es ging. So aber konnte Gott das Material nehmen und neu zusammensetzen, etwas daraus machen, das ich vorher nicht gesehen hatte.

Bin ich ganz anders aus der Krise herausgekommen? Oberflächlich betrachtet vielleicht nicht. Aber in meinem Kern hat sich etwas Tiefgreifendes verändert, und diese Veränderung trägt mich bis heute. Sie führt dazu, dass ich meine Entscheidungen nicht aus Angst treffe, etwas zu verlieren, denn was am wichtigsten ist, kann mir niemand nehmen.

Aus wem oder was ich Sinn und Wert beziehe, das prägt und kontrolliert mich. Wenn mein Wert daran hängt, wieviel Geld ich habe, schiele ich ängstlich auf den Kontostand. Hängt er an meinem Partner, bemühe ich mich angestrengt, ihn oder sie bei Laune zu halten, und treffe vielleicht falsche, aus Verlustangst getriebene Entscheidungen. Hängt mein Wert an meinem beruflichen Erfolg, setze ich mich täglich unter Druck, besser zu sein als andere.

Wenn ich meine Identität in Gott finde, der mich geschaffen hat, und im Wert, den er mir gegeben hat, kann ich mein Leben freier und kühner leben. Ich werde dennoch auf meinen Kontostand achten, werde zu meiner Partnerschaft Sorge tragen und in dem, was ich tue, mein Bestes geben, aber ich tue es nicht aus Angst, sondern weil es das Richtige ist, im Wissen, dass nicht alles, was geschieht, in meiner Macht liegt.

Nicht immer wird das Zerbrochene wieder ganz werden. Aber wenn ich bereit bin, Gott die Dinge zusammensetzen zu lassen, kann etwas Neues entstehen – ich kann neu erstehen.

Jedem, der im Moment Zerbruch erlebt, möchte ich diese Worte zusprechen.

Herz WasserWer meinen Blog regelmäßig liest, weiß, dass ich in letzter Zeit einige Stürme durchlebt habe. Obwohl ich noch in unruhigen Gewässern schaukle, konnte ich nach einem längeren Prozess einen Schritt tun, um das Knäuel zu entwirren – und die Wende in diesem Prozess markiert eine Nachricht auf WhatsApp.

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Vor einigen Monaten besuchte mich eine gute Freundin aus meiner Kirche. Wir tranken zusammen Kaffee, und irgendwann überwand ich mich, ihr von meinen Problemen zu erzählen. Sie brachte mir viel Mitgefühl entgegen und erkundigte sich von da an immer mal wieder, wie es mir ging, ohne sich aufzudrängen oder mir das Gefühl zu geben, ausgefragt zu werden. So wurde sie zu meiner Vertrauten, der ich mein Herz ausschütten konnte.

Vor etwa einem Monat war ich gerade an der Arbeit, als sie sich per WhatsApp meldete. Ich konnte ihr nichts Neues berichten und entschuldigte mich, weil ich sie mit all dem belastete und immer noch nicht „weiter“ war. Dann wartete ich etwas ängstlich auf ihre Antwort. Sicher war sie enttäuscht von mir, und vielleicht würde sie mich ihren Unmut spüren lassen. Ich wappnete mich innerlich für eine kalte Brise, als nach einer gefühlten Ewigkeit das weiße WhatsApp-Lämpchen aufleuchtete.

Ihre Nachricht war kurz – sie schrieb lediglich, ich belaste sie keineswegs; sie sei froh, dass ich mich ihr anvertraue, und es tue ihr sehr leid, dass sie mir keine größere Hilfe sein könne. Doch mit diesen paar Worten vermittelte sie mir alles, was ich so sehr brauchte, und nichts von dem, wovor ich mich gefürchtet hatte – kein Milligramm Ärger oder Verurteilung, dafür jede Menge Verständnis und Mitgefühl.

Meine Augen füllten sich mit Tränen, und etwas in mir schien erst weich zu werden, dann zu schmelzen und zusammen mit meinen Tränen aus mir herauszufließen. Ich fühlte mich unfassbar geliebt und angenommen, und das erste Mal seit langem konnte ich glauben, dass alles gut werden würde – auch wenn ich noch keine Ahnung hatte, wie das gehen sollte.

Nach einigen Minuten beseitigte ich die Spuren meines „Gefühlsausbruchs“ und verließ mein Büro, um ein paar Kopien zu machen. Auf dem Weg zum Drucker fragte ich mich, was Gott wohl vorhatte, um das Problem zu beseitigen, das meinen Sturm unter anderem ausgelöst hatte. Wollte er, dass ich mich mit der schmerzhaften Situation abfand? Oder wollte er das Wunder vollbringen, das in meinen Augen nötig war, damit sich etwas änderte?

Mitten in diese Fragen schob sich ein fremder Gedanke in mein Bewusstsein. Der Satz kam definitiv nicht von mir, denn er war an mich gerichtet. Und er war kurz und klar:

„Ich will, dass Du treu bist.“

Ich will, dass Du treu bist. − Ich fühlte, wie dieser Satz in mir widerhallte und Wellen auslöste wie ein Stein, der in einen Teich geworfen wird.

Gott sagte mir nicht einfach, dass er meinen Gehorsam wollte. Mit seinen Worten ließ er mich wissen, dass ich mich nicht um die Lösung des Problems zu kümmern habe und dass sein Wunsch an mich derselbe bleibt − unabhängig davon, was er in dieser Sache tun oder nicht tun wird. Und endlich spürte ich, wie der Wunsch, wahrhaftig und treu zu sein, aus meinem unruhigen Herzen emporstieg und mit neu entfachter Glut zu brennen begann. Die Liebe und Annahme, mit der mir meine Freundin begegnet war, hatte meinen Widerstand geschmolzen und mein wundes, rebellisches Herz geheilt und verändert.

***

Wie begegnen wir den Schwächen und Ungereimtheiten im Leben anderer? Stoßen wir sie mit der Nase hinein, um sie zu demütigen, schimpfen wir sie mit dem gestreckten Zeigefinger aus und lassen sie unsere Verachtung spüren? Genießen wir vielleicht sogar unsere Überlegenheit, weil uns „so etwas“ nie passieren könnte? All das können wir tun, und vielleicht erfüllt es uns einen Moment mit Befriedigung − aber wir werden weder ihr Leben noch die Welt einen Deut besser machen. Begegnen wir den Schwächen und Hilferufen unseres Nächsten jedoch mit Liebe und Mitgefühl, ist alles möglich.

„Liebe kann und wird uns in jeder Hinsicht umgestalten – unsere Ideologie, unsere Meinungen, unsere Gewohnheiten, unsere Werte, unsere Prioritäten, sogar unsere Namen. Doch diese Verwandlung ist keine Voraussetzung oder Bedingung, sie ist keine Verhaltenskorrektur, das ist sie nie. Nicht, wenn es Liebe ist…“
Sarah Bessey, „You’re already so loved“

Alle Menschen, ob sie sich Christen nennen oder nicht, können Liebe und Annahme ausstrahlen und damit anderen ein Segen sein. Aber wenn wir Christen, in denen Jesus lebt, uns nach unseren Nächsten ausstrecken, erfahren sie seine liebende Gegenwart. Und sie ist es, die Herzen verändert.

Jesus hat während seiner Zeit auf Erden auch eine Menge schräge Gestalten um sich versammelt. Keiner seiner Jünger war perfekt, und einige waren auf seltsamen Pfaden unterwegs. Was hat sie dazu bewegt, alles stehen- und liegen zu lassen und mit ihm zu gehen? Nicht, dass er ihnen klar gemacht hat, wo sie falsch liegen, nicht seine Predigt über die zehn Gebote – das kam danach. Zuerst waren es seine Liebe und Annahme, die sie mit unwiderstehlicher Kraft zu ihm zogen.

Wenn wir Menschen erreichen wollen, tun wir gut daran, uns Jesu Vorbild ins Herz zu schreiben. Und für alle, die wie ich besser darin sind, anderen Lösungsvorschläge herunterzubeten: lasst uns stattdessen zuhören, lieben und annehmen. Das Resultat könnte uns vom Hocker hauen.

Ich weiß nicht, ob es den sagenumwobenen „Stein der Weisen“ wirklich gibt – diese mythische Substanz, die nach dem Glauben der Alchemisten unedle Metalle wie Quecksilber in Gold oder Silber verwandeln und jede Krankheit heilen kann.
Ganz sicher aber sind Liebe und Annahme der „Stein der Weisen“ für unser Herz – fähig, alle Wunden zu heilen und jedes Herz zu verwandeln.

BrockenLetzten Sonntag begann unser Pastor seine Predigt mit diesen Worten: „Eigentlich habe ich das Folgende für mich geschrieben – aber ihr dürft gern zuhören, wenn ihr wollt.“ Ich fand seinen Einstieg originell, und auch die Predigt hat mich berührt, ermutigt und herausgefordert. Vor allem hat sie mich daran erinnert, dass wir anderen oft am meisten geben, wenn wir sie an unseren Kämpfen teilhaben lassen.

Eine Woche zuvor habe ich selbst predigen dürfen. Genau wie mein Pastor habe ich eigentlich für mich gesprochen, als ich die immer wieder aktuelle Frage stellte, wie wir es schaffen sollen, das Richtige zu tun und das Falsche zu lassen.

Eines meiner Aha-Erlebnisse in der Predigtvorbereitung war, dass wir diese Frage nicht zum Zentrum unseres Christenlebens machen sollten – sonst hätte Christus nicht sterben müssen. Ziel seines Todes am Kreuz und Berufung jedes Menschenlebens ist Gemeinschaft und Beziehung mit Gott und nicht die Erfüllung eines Regelwerkes. Und – dies war das zweite Aha-Erlebnis – die Qualität unserer Gottesbeziehung beeinflusst unter anderem, wie wir mit den alltäglichen und weniger alltäglichen Herausforderungen in unserem Leben umgehen. In unserem Verhalten offenbart sich unser Vertrauen in Gott.

Bis vor kurzem hätte ich die Frage, ob ich Gott vertraue, mit einem herzhaften und etwas selbstgefälligen JA in Großbuchstaben beantwortet. Ich hatte keine Probleme außer den harmlosen Scharmützeln, die man mit wenig Aufwand ausfechten und abhaken kann. Doch dann tauchte ein großes, fettes Dilemma von der Sorte „Schläfer“ auf, das offenbar seit Jahren im Untergrund seine Zeit abgewartet hatte.

So selbstgefällig, wie ich zu sein pflegte, hat es sich vor mich hingepflanzt und tut, was es kann, um mir die Sicht auf alles andere zu versperren. Es frisst meine Energie, nährt meine Zweifel an Gottes Versorgung und untergräbt mein Vertrauen, dass ihm alles möglich ist. Und es zwingt mich, mir die Frage zu stellen, ob ich dieses Vertrauen jemals hatte.

Sollte Gottvertrauen sich nicht gerade dann erweisen, wenn es menschlich gesehen keine Lösung gibt? Sind wir nicht gerade in unmöglichen Situationen gefordert, seine Verheißungen in Anspruch zu nehmen und darauf zu vertrauen, dass er Wunder tut? Oder manche Wünsche, so nachvollziehbar und verständlich sie sein mögen, niederzulegen und sterben zu lassen, voller Vertrauen, dass Gott in das Tote neues Leben einhauchen wird?

(Eine kleine Nebenbemerkung an die Wohlwollenden unter Euch, die glauben, dass ich zu hart mit mir bin und aus einem Kieselstein den Fels von Gibraltar mache: glaubt mir – ich kann unterscheiden. Und auch wenn Ihr nicht glaubt, dass es in meinem Leben einen solchen Brocken geben kann, gibt es ihn doch – und er ist wirklich mächtig fett.)

Im Umgang mit dem fetten Brocken auf unserem Weg haben wir verschiedene Möglichkeiten. Wir können beten, dass er sich hinweghebt. Wir können uns davor hinsetzen und weinen, wir können darüber klettern. Und wir können versuchen, darum herum zu gehen. Und nicht alle Strategien sind empfehlenswert.

Beten ist immer gut – es bedeutet, Gott zu vertrauen und seine Verheißungen in Anspruch zu nehmen. Hinsetzen und Weinen ist eine Mischung aus auf-Gott-harren und abgeben, aus loslassen und vertrauen, dass Gott etwas Neues macht. Darübersteigen ist der Versuch, das Problem aus eigener, menschlicher Kraft zu bewältigen, was gerade bei den Brocken der fetten Art für sich allein oft nicht funktioniert. Und darum-herum-gehen ist der Versuch und die Versuchung, den guten Weg zu verlassen, dem Brocken auszuweichen und zu hoffen, dass es dahinter einfach weitergeht.

Im Moment oszilliere ich zwischen verschiedenen Strategien. Manchmal sitze ich vor dem Brocken und weine, manchmal bete ich um das Wunder. Und manchmal, so schwer es ist, das zuzugeben, verlasse ich meinen Pfad und gehe ansatzweise um den Brocken herum, um zu schauen, ob das nicht auch funktionieren kann.

Das einzige, was ich nicht tue, ist klettern, und das liegt daran, dass ich in mein menschliches Vermögen in diesem besonderen Fall noch weniger Vertrauen habe als in Gottes Kraft. Und obwohl ich mich frage, ob ich zu wenig eigenes Bemühen investiere, tröstet mich der Gedanke, dass ich Gott trotz meiner Zweifel immer noch mehr zutraue als mir und den Umständen. Ich erlebe jeden Tag, dass er mich tröstet und herausfordert, meine Sicht verändert und in mir die Hoffnung am Leben erhält, dass es eine Lösung gibt – auch wenn ich sie im Moment nicht sehen kann.

Was ist Gottvertrauen also letztlich? Bedeutet es, jeden Moment auf Kurs zu bleiben in der Gewissheit, dass Gott alles hinbekommt? Das ist sicher das Modell, nach dem ich mich ausrichten will. Für mich, die es manchmal nicht lassen kann, es vermeintlich besser zu wissen, heißt es, ihm zu vertrauen, dass er mich auch dann nicht allein lässt, wenn ich wieder einmal versuche, um den Brocken herumzugehen. Dass er mich führt und zu mir spricht, wenn ich mal nicht hören will. Dass er mich niemals loslässt und mein Herz verändert, weil ich es ihm trotz allem immer wieder hinhalte.

Dieses Hinhalten ist einer der Schlüssel in unserer Beziehung zu Gott. Wenn wir mit etwas kämpfen, uns hilflos, unfähig und schlecht fühlen, ist es mit das Schlimmste, wenn wir uns auch noch vor Gott verkriechen und uns von seiner liebenden Gegenwart und Veränderungskraft abtrennen.

Gott hat mich in einem anderen Kampf vor längerem von der Angst befreit, auch in desaströsem Zustand zu ihm zu kommen, und diese Angst ist nie zurückgekehrt. Das macht es mir möglich, mich selbst ohne rosa Brille und mitsamt allen Abgründen ehrlich zu betrachten. Und solange ich dazu den Mut habe, bin ich bereit für Veränderung, Heilung und Wiederherstellung. Auch wenn sich nicht jedes Problem allein dadurch lösen lässt, dass ich mich verändere, helfen mir diese Gedanken:

Ich kann zu Gott kommen, wie ich bin.
Ungekämmt und ungewaschen, chaotisch, zweifelnd, aufgewühlt.
Und werde angenommen.

Und genau deshalb ertrage ich meinen Anblick auch dann, wenn ich
ungekämmt, ungewaschen, chaotisch, zweifelnd und aufgewühlt bin.
Und kann mich verändern lassen.

Gott kennt unser Herz. Er weiß, wie wir es meinen. Wir können und müssen ihm nichts vormachen. Wir können und sollen seine Gegenwart suchen und die Beziehung zu ihm vertiefen. Und genau aus dieser Beziehung wächst letztlich das Vertrauen, das uns hilft, mit den Brocken in unserem Leben mit seiner Hilfe fertig zu werden.

Wie hast Du es mit dem Gottvertrauen? Was machst Du mit den Brocken, wenn sie sich Dir in den Weg stellen? Erkennst Du Dich in den Strategien wieder? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

Popcorn-PerlenIch bin bekennender Trekkie und der Science Fiction auch sonst nicht abgeneigt, und neben allen Erscheinungsformen von Star Trek habe ich besonderen Gefallen an der „Men in Black“-Serie gefunden. Das liegt einerseits am zerknautscht-faltigen Gesicht und der lakonischen Art von Tommy Lee Jones, der mich in der gespielten Figur „K“ sowohl optisch als auch charakterlich an unseren legendären Schweizer FDP-Politiker Franz Steinegger erinnert, andererseits aber auch daran, dass ich in diesen witzigen Filmen auch immer ein Quentchen Philosophisches finde, das mich zum Nachdenken bringt.

Die Serie von aktuell drei Filmen beginnt mit dem jungen Polizisten James Edwards (gespielt von Will Smith), der einen seltsamen Verbrecher durch News Yorks Straßen jagt und dabei die Aufmerksamkeit einer geheimen Behörde auf sich zieht. Die Organisation der „Men in Black“ kümmert sich um die Einreise, die Ausreise und den Aufenthalt von Außerirdischen auf der Erde. 1947 statteten diese der Erde erstmals einen Besuch ab und baten um politisches Asyl, und seitdem nutzen sie den Planeten als neutrales Gebiet, sozusagen ein „Casablanca ohne Nazis“, wie Agent K bemerkt. James‘ Interesse ist geweckt. Er lässt sein altes Leben hinter sich, wird zu J und macht sich zusammen mit seinem meist miesepetrigen Kumpel K erfolgreich auf die Jagd nach Aliengangstern. Hier zum Eingewöhnen ein kleiner Clip:

Die Filme leben von den lustigen, bizarren Außerirdischen, vom ewigen Geplänkel zwischen den beiden Hauptdarstellern und von spannenden Stories. Ein besonderes Highlight sind die Überwachungsbildschirme, auf denen man sieht, welche irdischen Berühmtheiten in Wahrheit Außerirdische sind (zum Beispiel Silvester Stallone, Lady Gaga, Bill Gates und Justin Bieber). Natürlich fällt auch Elvis unter diese Kategorie, oder wie K es ausdrückt: „Nein, Elvis ist nicht tot. Er ist nur wieder nach Hause gegangen.“

J and K

Im dritten Film taucht außerdem Andy Warhol als verdeckt operierender „Man in Black“ namens „W“ auf, der von seinem eigenen sphärischen Geschwätz fast Pickel bekommt. Daneben geht es um den Bösewicht Boris die Bestie, den K seinerzeit ins Gefängnis gebracht hat und der nach seinem gelungenen Ausbruch versucht, per Zeitreise die Erde zu unterjochen. J reist in die Vergangenheit und nimmt gemeinsam mit dem jungen K den Kampf gegen die Bestie auf – natürlich erfolgreich.

GriffinBesonders angetan hat es mir in diesem Film ein Außerirdischer, dem J und K auf ihrem Feldzug gegen Boris begegnen: Griffin ist ein Archanier – der letzte seiner Rasse – und hat die Fähigkeit, in die Zukunft zu blicken.

 

Mehr noch: er hat die Gabe (oder den Fluch, wie man es sehen will), alle überhaupt möglichen Zukunftsszenarien gleichzeitig zu sehen und erkennt bei jeder kleinen Handlung oder Entscheidung sofort, welche Realität sich nun manifestieren wird. So sitzt er am Schluss des Films an einer Kaffeetheke, sieht J und K das Lokal verlassen und bemerkt, dass kein Kleingeld auf Ks Unterteller liegt. Entsetzt realisiert er, dass in diese Fall ein Asteroid auf die Erde stürzen und alles Leben vernichten wird. Zu seiner immensen Erleichterung geht die Tür auf, K kommt zurück und legt einen Schein auf den Unterteller. Das Universum ist noch einmal davongekommen.

Ich kann mir beim Ansehen dieser Szenen lebhaft vorstellen, dass das Jonglieren mit so vielen möglichen Realitäten den armen Kerl fast in den Wahnsinn treibt. Dann bin ich dankbar, dass unsere eigene Wahrnehmung in diesem Punkt begrenzt ist und wir uns die „was wäre wenn damals“-Fragen nicht stellen müssen. Egal, ob für Gott Zeit irrelevant ist oder alles gleichzeitig stattfindet: wir leben in unserer einen Realität und Gegenwart. Sie gründet sich auf unserer Vergangenheit – auf Umständen, die uns prägten und die wir nicht beeinflussen konnten, aber auch auf Entscheidungen, die wir getroffen haben. Wo und wer wir jetzt sind, ist ein Resultat dieser Umstände, unserer Entscheidungen, und – zumindest bei mir sehe ich das – Gottes Gnade, die manchmal auch aus kläglichen Entscheidungen und Fehlern noch etwas Gutes machen kann.

Somit haben wir die Freiheit, sogar die Pflicht und Aufgabe, unser Leben allein aus unserer jetzigen Realität heraus zu leben und unsere Zeit nicht mit unnützen Spekulationen zu vergeuden.

Natürlich wären wir keine menschlichen Wesen, wenn wir es nicht dennoch täten und in schwierigen Zeiten alles rückwärts analysieren, um herauszufinden, was wir hätten anders machen sollen. Doch das raubt uns die Energie, uns der Gegenwart zu stellen und das Beste aus ihr zu machen.

Was kann uns helfen, von diesen nutzlosen Überlegungen Abstand zu nehmen? Mir hilft vor allem der Gedanke, dass Gott einen guten Plan mit uns hat und souverän ist. Egal, wie verkorkst oder schwierig meine Situation gerade ist: er hat sie im Griff. Ich stand schon öfters an Punkten, an denen ich unter selbst- oder fremdverschuldeten Umständen gelitten habe und mir nicht vorstellen konnte, wie es wieder gut werden kann. Das Wissen um den Einen, der einen guten Plan und die Souveränität hat, ihn in meinem Leben zu verwirklichen, hat mir die Kraft gegeben, die Zeit zu überstehen. Manchmal war es ein „jeden Tag einzeln hinter sich bringen“-Gefühl, aber irgendwann haben sich Situationen verändert, konnte Neues entstehen und konnten alte Wunden heilen.

Hast Du das auch erlebst und kannst das glauben?
Oder erlebst Du gerade eine Realität, die grauer Melasse gleicht – klebrig, unansehnlich und schwer und in der Lage, Dir jede Energie aus dem Körper und der Seele zu ziehen, Dich unbeweglich zu machen?

Mich ermutigt in diesen Situationen das Bild der sich verpuppenden Raupe. Ich stelle mir vor, dass dieses Tier, das gerade noch friedlich über die Erde gekrochen ist und sich genüsslich durch Blätter gefressen hat, erst nicht weiß, wie ihm geschieht. Plötzlich kann es sich nicht mehr richtig bewegen und wird in seiner Freiheit immer mehr eingeschränkt. Alles wird dunkel und still, und die Raupe denkt, das sei das Ende, weil sie sich schlicht nicht vorstellen kann, dass eine neue Existenz auf sie wartet, die die Grenzen ihres bisherigen Lebens sprengt und sie die Welt mit neuen Freiheiten erleben lässt.

Wenn Du gerade in der Melasse steckst, ist sie vielleicht Teil eines Kokons, den Du bald verlassen wirst – mit farbenfrohen Flügeln, die Dich an Orte tragen werden, die Du Dir nicht im Traum vorgestellt hast.

Aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft,
dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden,
dass sie wandeln und nicht müde werden.
Jesaja 40,31

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„Power of Hope“, Katja Reinhard

Vor einiger Zeit habe ich ein Post über Veränderung geschrieben. Dabei habe ich den klemmenden Panzer erwähnt, der uns in solchen Zeiten auch Schmerzen bereiten kann. Inzwischen glaube ich, dass große, bahnbrechende Veränderungen in unserem Leben oft von Krisen und Schmerzen begleitet werden. Das Wissen, dass diese Phase auch ein Ende haben wird, geht dabei schon mal verloren.

 

Letzte Woche habe ich an ein und demselben Tag in zwei Posts befreiende, tröstende Gedanken von insgesamt drei Frauen gelesen. Es sind kostbare Erkenntnisse für dunkle Stunden, die ich heute mit Euch teilen möchte.

Wir dürfen dem Steuermann vertrauen
Der Steuermann weiß, in welche Gewässer er uns führt. Andrea Lucado erinnert in ihrem Post an die bekannte Szene im Neuen Testament, in der Jesus und die Jünger mit dem Boot auf dem See sind und in ein Unwetter geraten. Die Jünger haben Todesangst und wecken Jesus, der das Unwetter mit einem Winken seiner Hand besänftigt und sie daraufhin für ihren kleinen Glauben scheltet. Doch Andrea Lucado weist auf das hin, was vorher passiert: darauf, dass es Jesus war, der vorgeschlagen hatte, im Boot über den See zu fahren.

Jesus war Mensch, aber auch Gott. Genau so wie er wusste, wie sein Auftrag auf Erden lautete und wohin er führen würde, wusste er auch, dass ein Sturm aufziehen würde. Er hat seine Jünger bewusst auf das Boot und in diesen Sturm geführt.

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„Tiefe Ruhe“, Katja Reinhard

Wenn wir in stürmische Gewässer kommen, neigen manche von uns dazu, sich zu fragen, wo sie „den Fehler gemacht haben“. Als Christen fragen wir uns vielleicht, ob wir unbewusst gesündigt oder nicht richtig auf die Stimme des heiligen Geistes gehört haben. Beides kann vorkommen – aber manchmal ist der Sturm nicht unsere Schuld. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Jesus das Steuer in der Hand hält und den Sturm beruhigen wird, bevor wir über Bord gehen.

Transformation heißt, den Schmerz zu begrüßen
Die Schmerzen, die große Veränderungen mit sich bringen können, sind manchmal genau so unangenehm wie körperlicher Schmerz. Deshalb versuchen wir, diesem Schmerz ausweichen. Sarah Bessey erinnert daran, dass der Zyklus aus Angst, Anspannung und Schmerz bei der Geburt den Zyklus aus Angst, Anspannung und Schmerz wiederspiegelt, den wir inmitten solcher Veränderungen erleben. So sehr es gegen unsere Intuition gehen mag: wir müssen uns in den Schmerz hineinlehnen und ihm vertrauen. Denn der Schmerz lehrt uns, dass dahinter das Leben auf uns wartet und dieser Gang durch den Schmerz ein vertrauenswürdiger Pfad zur Befreiung ist.

Wenn wir glauben, wir können nicht weiter, ist es fast geschafft
Bei der Geburt, so schreibt Sarah, kommt ein Moment, in dem du nicht mehr weiter kannst. Diesen Moment kennen wir aus größeren Projekten, aber auch in persönlichen Veränderungen und Krisen. Und genau dieser Moment, wenn wir aufgeben und die Niederlage akzeptieren wollen, markiert die Wende. Unser Wunsch und Verlangen, aufzugeben, ist das Zeichen, nachdem wir uns sehnen – das Zeichen, dass es fast vorbei, dass es fast geschafft ist.

Wir brauchen Stille und Ruhe in Zeiten der Verwandlung
Sarah schreibt, dass sie sich in den Wochen vor der Geburt oft zurückzieht von allem, was „stört“. Wenn wir um unsere „Neugeburten“ kämpfen, können wir auch das Bedürfnis haben, uns vor Fremden, vor dem grellen Licht und dem Lärm, vor dem Ungewohnten und Unvertrauten zurückzuziehen. Vielleicht sollten wir diesem Bedürfnis dann so gut wie möglich nachgeben. Dann – wie Sarah schreibt – schwebt der Geist über unserer Dunkelheit und bringt neues Leben dazu, sich von diesem Platz der Stille zu erheben. Unaufhaltsam, unerbittlich, heilig.

Der Glaube ist eine Hebamme und keine Rückenmarkspritze
Gerade in schwierigen Zeiten wünschen wir uns, dass der Glaube wie eine Rückenmarkspritze wirkt, unseren Schmerz wegnimmt und die ganze Prozedur an Veränderung zu einer leichten Angelegenheit macht. Aber so ist Glaube nicht. Glaube ist, so sagt es Brené Brown, wie eine Hebamme, die uns ins Ohr flüstert: „Presse! Es wird ein bisschen wehtun, aber du hast es fast geschafft.“

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„Er durchbricht die Dunkelheit“, Katja Reinhard

Heute beginnt die Fastenzeit. Es ist die Zeit des metaphorischen Dunkels, die Zeit der Grabkammer und des Leichentuchs. Aber an ihrem Ende steht der Triumph neuen Lebens, der Auferstehung, der neuen Schöpfung. Ich spreche Dir und mir daher für diese Fastenzeit – egal, in welcher Form Du sie gerade persönlich erlebst – diese Zusagen aus, die ich dem bunten Strauß aus wertvollen Gedanken entnehme:

 

Dass ich im Unwetter stehe, heißt, nicht, dass ich etwas falsch gemacht habe:
ich darf meinem Steuermann vertrauen.
Ich weiche dem Schmerz nicht aus, weil er der Weg zur Befreiung und Veränderung ist.
Ich glaube, dass der Moment, wo ich aufgeben will, der Moment der Wende ist,
und ich weiß, dass mein Glaube mir in diesem Moment die Kraft gibt,
diesen entscheidenden Moment nicht nur zu überstehen,
sondern aktiv daran zu arbeiten,
dass ich den Übergang schaffe und zum neuen Leben durchbreche.

Wie sehr Gott an unserer Seite ist, wenn wir durch Transformation oder Krisen gehen, ist mir heute einmal mehr aufgefallen. Als ich gestern auf Pixabay nach einem passenden Bild für dieses Post suchte und nichts fand, fiel mir meine Freundin Katja Reinhard ein, die wunderschöne Akrylbilder malt. Ich besuchte ihre Website und entdeckte dabei das folgende Bilder-Duo, das es besser ausdrückt, als ich es mit Worten hätte sagen können.

Mit diesem Bild wünsche ich Euch eine gesegnete Fastenzeit!

veränderung
„Veränderung“, Katja Reinhard

Quelle der Bilder: www.katja-bilder.ch

Broken meIch habe eine Menge Spaß am Bloggen. Ich liebe es, meine Gedanken, Eindrücke, Albernheiten, offenen Fragen und Einsichten mit einer wohlwollenden Leserschaft zu teilen, und ich freue mich immer wie ein Schneekönig, wenn ich sehe, dass meine Beiträge gelesen werden.

Doch oft spüre ich beim Schreiben auch einen inneren Spagat: Ich möchte mit meinen Texten ermutigen, herausfordern und zum Nachdenken anregen, während ich selbst ein fehlerbehafteter Mensch bin, der jeden Tag dazulernt.

Vielleicht kennen Psychologen und Pastoren ähnlich schizophrene Gefühle: Wer von der Kanzel herunter „den richtigen Weg“ verkündigt oder in seiner Praxis Klienten berät, erweckt gewollt oder ungewollt den Eindruck, alles zu wissen und das Leben im Großen wie im Kleinen verstanden und im Griff zu haben. Dem ist natürlich nicht so – weder bei Pastoren, noch bei Psychologen und schon gar nicht bei kleinen Weisheitsperlen-Bloggern wie mir.

Dieses Wissen um meine tönernen Füße stört mich nicht, solange mein Leben in geordneten Bahnen verläuft und ich keine großen Klippen umschiffen muss. Dummerweise lassen sich die nie ganz vermeiden, und jedes Mal, wenn es wieder so weit ist und ich wie der Esel am Berg stehe, frage ich mich, wo ich eigentlich die Lizenz und die Berechtigung zum Darbringen meiner persönlichen Einsichten hernehme. Wie kann ich mich erdreisten? Müsste ich dafür nicht ein in jeder Hinsicht in sich ruhender, abgeklärter, problem- und krisenunbehafteter Mensch sein, der nie etwas Falsches tut, sich immer im Griff hat oder zumindest den Heiligenschein erster Stufe errungen hat?

Wenn ich diese Gedanken dann weiterspinne und mir vorstelle, dass Ihr alle von mir erwartet, jede niedergeschriebene Weisheit und Erkenntnis schon umgesetzt zu haben und in jeder Situation den Maßstäben jedes Posts gerecht zu werden, möchte ich mich am liebsten unter einem Stein verkriechen oder mich künftig auf Themen wie „Hortensienschneiden für Anfänger“ oder „Meine Top 5 Pasta-Sorten“ beschränken.

Zum Glück fällt mir dann meistens ein, dass es auf dieser Erdkugel keinen einzigen Menschen gibt, der wirklich ohne Makel ist und dass Kanzeln, Therapiepraxen und diese Ecke der Blogosphäre ohne all die fehlerhaften, noch nicht alles wissenden und umsetzenden Menschen leer wären. Dann krieche ich zögernd unter meinem Stein hervor, setze mich vorsichtig an den Laptop und fange wieder mit Schreiben an.

Und damit ich das weiterhin kann und nicht so schnell wieder unter den Stein muss, will ich es offiziell festhalten. Hier also mein „Etiam ego“-Geständnis:

Meine lieben Blogleser von fern und nah – ich liebe es, meine Gedanken mit Euch zu teilen und mich mit Euch darüber auszutauschen. Mein Herz springt, wenn ich sehe, dass meine Beiträge gelesen werden, und ich freue mich besonders, wenn Ihr etwas mitnehmen könnt. Ich bin sicher, dass Ihr das Folgende wisst und nichts anderes annehmt, aber ich schreibe es trotzdem – für mich und für die wenigen, so es sie geben sollte, die etwas anderes geglaubt haben.

Ich weiß nicht alles und kann nicht alles. Manchmal weiß ich, wie ich sollte, und tue es doch nicht. Und manchmal wache ich auf, reibe mir entsetzt die Augen und frage mich, wie in aller Welt ich bloß hierhin geraten konnte. Ich habe und mache meine Fehler. Ich strauchle, scheitere. Rapple mich wieder auf. Life is a mess – or is it me?

Ich hoffe, Ihr könnt damit leben. Ich selbst finde es befreiend, von anderen zu hören, dass sie auch Fehler haben. Das heißt nicht, dass wir unsere Macken zelebrieren oder darin verharren – es bedeutet, dass wir einander eingestehen, dass wir uns auf einem Weg befinden und uns gegenseitig ermutigen, auf diesem Weg weiter zu gehen. So helfen wir einander auch dabei, unser wahres Gesicht zu zeigen. Und für mich gibt es nichts Schöneres als Orte, an denen ich mich nicht maskieren muss.

Darum bin ich auch dankbar für meinen Glauben. Unter Menschen werden wir immer wieder darum kämpfen und uns davor fürchten, einander unsere Narben und Warzen zu zeigen. Ich bin dankbar, dass es in Jesus eine Person gibt, die mich hier und jetzt, mit allem Schönen und allem Hässlichen, allem Geheilten und allem Zerbrochenen bedingungslos annimmt und liebt. Auch er will mich nicht so lassen – er wird mein Leben lang geduldig zu mir sprechen und mir zeigen, wo ich noch Heilung und Veränderung brauche.  Aber weil ich weiß, dass er mich schon im unvollkommenen Zustand liebt, bin ich bereit, ihm auch offene Wunden hinzuhalten.

DrelliUnd zu guter Letzt:
Die Hortensienschneidtipps überlasse ich den Spezlialisten, aber meine liebsten Pastavarianten sind „Drelli“, „Krawättli“, „Spiräli“, „Müscheli“ und „Hörnli“. Wer jetzt noch weiss, wo ich meine Pasta kaufe, bekommt den goldenen Besserwisser.

Und wenn Du durchs Feuer gehstIch kann mich nur noch dunkel an meinen katholischen Religionsunterricht in der Grundschule erinnern, aber drei Bilder sind hängen geblieben. Das eine ist das „Hungertuch“, das uns Kinder mit seinen Bildern von Menschen aus der dritten Welt motivieren sollte, unser Taschengeld in das Fastenopfer zu investieren. Das zweite war ein Bild der steinernen Fussabdrücke von Jesus, das die Himmelfahrt symbolisierte. Kürzlich bin ich beim Bibellesen auf einen Ortsnamen gestossen, der ebenfalls eine tiefe Erinnerung ausgelöst hat:

Der Garten Gethsemane.

 

Ein Ort der Verzweiflung – hierhin ging Jesus nach dem letzten Passahmahl, um zu beten, im Wissen um den bevorstehenden Verrat durch Judas, die Verhaftung und die Qualen, die vor ihm lagen.

Ein Ort der Angst, an dem sein Schweiss wie Blut auf die Erde fiel, während er betete und zu seinem Vater schrie.

Ein Ort der Verlassenheit – seine drei Freunde schliefen einen Steinwurf entfernt, als sie ihm beistehen sollten, und nach seiner Verhaftung flohen die Jünger in alle Himmelsrichtungen.

Wenn ich über diesen dunklen Moment in seinem Leben nachdenke, wird mir bewusst, dass Gottes Sohn auch ein Mensch voller Angst war. Vor ihm lag ein Martyrium, dem er sich kaum gewachsen fühlte, und als Mensch bat er Gott, diesen Kelch an ihm vorübergehen zu lassen..

Doch sein Gebet hört hier nicht auf. Jesus beendet es mit den Worten: „Doch nicht wie ich will, sondern wie Du willst.“

Bin ich auch bereit, das, was vor mir liegt, auf mich zu nehmen und Gott rückhaltlos zu vertrauen?

Wir singen in der Kirche manchmal ein Lied, in dem wir unseren Willen bekräftigen, Gott in allen Lebensumständen zu loben. Zwei Zeilen dieses Liedes beschäftigen mich besonders:

Egal, was Du mir gibst
Egal, was Du mir nimmst

 Sie beschäftigen mich, weil sie mein Bild von Gott herausfordern. Nimmt Gott mir Dinge weg? Schlägt und verbindet Er, wie es in der Bibel an einer Stelle heisst? Oder passieren Dinge einfach, und Gott lässt sie „nur“ zu?

Im Jahr, als ich zum Glauben kam, ist meine Mutter mit 55 Jahren an einer Gehirnblutung gestorben. Ich frage Gott immer mal wieder, warum sie so früh sterben musste, und weiss es bis heute nicht. Und was machen Eltern, die ein Kind durch ein Verbrechen verlieren? Menschen, die durch einen Unfall aus einem produktiven Leben gerissen und zur Abhängigkeit verdammt werden?

Ich weiss es nicht. Und so wird auch die Frage, was Gott für mich bereit hält, zu einem zweischneidigen Schwert und zum Prüfstein meines Vertrauens. Kann ich „Egal was Du mir nimmst“  singen, ohne dass es ein mulmiges Gefühl bei mir auslöst?

Ich glaube an Gottes Güte und Souveränität und daran, dass „denen, die Gott lieben, alle Dinge zum besten dienen.“ Trotzdem finde ich keine einfachen Antworten – und ich glaube, das ist auch gut so. Einfache Antworten blenden oft etwas aus, um die Spannung aufzulösen, und genau diese Spannung gehört zum Glauben dazu.

Wenn mich die Unwägbarkeiten des Lebens entmutigen wollen und ich mich frage, warum Gott nicht alles etwas einfacher gemacht hat, blicke ich noch einmal in den Garten Gethsemane. Ich sehe den Menschen Jesus,  der umgeben von schwärzester Verzweiflung und Angst auf dem Boden kniete. Obwohl er wusste, was ihn erwartete, konnte er sein Leben in die Hände Seines Vaters legen und sagen: „Wie Du willst, und nicht wie ich will.“  Er konnte es, weil sein Vertrauen in Gott grösser war als seine Angst.

Es liegt eine unglaubliche Kraft darin, dass Jesus nach seinem Tod auferstanden ist, in mir lebt und ich so mit seiner Lebensgeschichte auf Erden verbunden bin. Egal, was ich durchmache: er hat meine Angst und meinen Schmerz am eigenen Leib erfahren. Und sollte ich in meinem Leben an ein Gethsemane kommen, werde ich diesen dunklen Moment im Gegensatz zu ihm nicht allein durchstehen müssen.

Fürchte Dich nicht denn ich bin bei Dir

„Fürchte Dich nicht, denn ich bin mit Dir.“
Jesaia 41,10

EJDE-Box kleinLetzte Woche war ich für Studioaufnahmen auf Schloss Röhrsdorf – eine inspirierende und ermutigende Zeit mit vielen guten Gesprächen und Begegnungen. Ich sollte daher eigentlich vor Freude sprühen, aber im Moment hänge ich nur herum und kann mich zu nichts aufraffen. Trotzdem will ich  versuchen, aus der mentalen Sickergrube heraus etwas Ermutigendes zu schreiben – frei nach dem Motto: „Herausforderung angenommen!“

Ursprünglich wollte ich mit dem nächsten Post einfach warten, bis mir wieder danach ist, einen gut verdaulichen und inspirierenden Seelensnack zu präsentieren. Das würde aber den Eindruck vermitteln, dass ich an jedem gottgegebenen Tag quietschfidel aufwache, ein Loblied für den Herrn auf meinen Lippen,  voller guter Gedanken mein Tagwerk verrichte und am Abend schliesslich zufrieden mit mir und der Welt ins Bett sinke – und das wäre einen Fingerbreit von der Wahrheit entfernt.

Ja, ich bin ein positiv eingestellter Mensch. Ich versuche, mir das Leben nicht mit Vorsatz zu vergällen. Ich kann meistens gut mit Alltagsfrust umgehen und lasse mich nicht so schnell entmutigen. Aber in manchen Situationen gehen auch mir die Rezepte zum Besserfühlen aus.

Ich habe weder eine schwere Krankheit, von der ich wüsste, noch habe ich meinen Job verloren, und Mann und Family sind auch wohlauf. Aber eine langjährige Freundschaft scheint auf der Kippe zu stehen, und das lähmt mich und macht mir zu schaffen. Ständig drehe ich mich um dieselben Fragen:

Habe ich falsch gehandelt? Oder war ich unter bestimmten Gesichtspunkten im Recht? Gibt es in solchen Konflikten überhaupt „das Recht“?  Und vor allem: kann ich den angerichteten Schaden wieder beheben?

Das Schlimme daran ist, dass ich im Moment nichts unternehmen kann. Ich kann weder ein sofortiges Gespräch herbeizwingen, noch wird es zu etwas führen, wenn ich mich in ellenlangen Mails erkläre – die Kraft des geschriebenen Wortes in Ehren, aber die Gefahr ist zu gross, dass in einer schon verletzten Beziehung das Gegenüber genau das herausliest, was dieses Gefühl noch steigert. In so einer Situation ist keiner objektiv. Ich kann also nur abwarten, Tee trinken und versuchen, die Sorge abzugeben.

In solchen Momenten bin ich dankbar für meine EDJE-Box im Musikzimmer. Sie ist rot und riesig und von Ikea, und in dieses Monstrum werfe ich alles, was auf mir lastet und was ich selbst nicht auf die Reihe kriege (eine ganze Menge). Ist es erst einmal da drin, wird es zu „Etwas, Das Jesus Erledigt.“ Mit dieser Idee aus einem Predigt von Maria Prean habe ich bisher gute Erfahrungen gemacht, und zum Glück hat die Box noch viel Platz.

Mich mahnt diese Krise daran, wie verletzlich Beziehungen sein können. Aber ich will glauben, dass Wiederherstellung möglich ist und dass Beziehungen es wert sind, darum zu kämpfen. Der Preis ist vielleicht mein Stolz oder  meine Überzeugung, dass ich in jedem Punkt Recht habe und alles genau richtig sehe, aber den bezahle ich gern.

Die Krise zeigt mir auch, wie stark der Zustand meiner Beziehungen mein seelisches Gleichgewicht beeinflusst – wo ich doch gedacht hätte, dass ich mehr „in mir selbst ruhe“ und mit Gott als Fels, auf dem ich stehe, nicht so durchgeschüttelt werde. Falsch gedacht.

Ich habe mich früher in ähnlichen Situationen gefragt, ob ich mir einen mentalen Panzer zulegen und niemanden zu nahe an mich heranlassen sollte, damit der Verlust einer Freundschaft oder eine Krise mich nicht erschüttern können – weil ich ja niemanden brauche.

Heute ist mir klar, dass die letzte Annahme einfach falsch ist.  So schwierig Gemeinschaft und vor allem enge Beziehungen zu anderen Menschen auch sein mögen: wir sind dafür gemacht und brauchen einander, und wir sollen uns ganz investieren. Wenn es wehtut, tut es eben weh. Wie viel ist eine Beziehung wert, bei deren Ende ich nur mit den Achseln zucke? Mit Verlaub – einen Dreck.

Ich werde weiterhin alles in die Waagschale werfen und mein Herz öffnen. Ich werde für Beziehungen, die mir wichtig sind, kämpfen. Wenn ich mich falsch verhalten habe, will ich dazu stehen; wenn mir Unrecht getan wurde, will ich es ansprechen, wenn ich eine andere Meinung habe, will ich den Mut haben, sie vorzubringen. Und ich will den anderen anhören mit dem Ziel,  dass wir einander besser verstehen und uns wieder finden. Ich werde mich nicht verbiegen oder verleugnen, aber ich setze alles ein, was ich habe, um den entstandenen Riss zu kitten. Wenn es mir nicht gelingt, habe ich es wenigsten versucht.

Und als Christ vergesse ich weder meine EDJE-Box noch, dass ich nicht alleine bin. Mein Gott ist ein Gott der Beziehungen; das muss er sein, da er schon in sich selbst Beziehung ist.

Wenn einer helfen kann, dann Er.

Quelle: www.live-is-more.atWenn ich keine Verpflichtungen wie Chorkonzerte oder Familienanlässe habe, bin ich am Sonntag im Gottesdienst anzutreffen. Diesen Sonntag ist Familie angesagt, weshalb ich mir hier einen kleinen predigtartigen Abstecher erlaube. Um es etwas spannend zu machen: er ist inspiriert durch ein kürzliches Gespräch mit einer atheistischen Freundin.

Meine Verbindungskollegin aus Studienzeiten liest trotz ihrer kritischen Einstellung zum Glauben meine Posts und ist kürzlich einem Link auf der Facebook-Seite von „Seelen-Snack“ gefolgt. Der hat sie zu einem – wie sie sich ausdrückte – „unsäglich rosabrilligen“ Bericht geführt, demzufolge alle Gläubigen auf einer Insel der Seligen wandeln, nie ein Problem haben  und weder Krisen noch Katastrophen erleben.

Ich kenne solche Ansichten und Zeugnisse – sie lassen sich mit dem Satz „Werde Christ, und alles wird gut“ zusammenfassen. Im Grunde stimmt das auch: Ich beginne jeden Tag im Vertrauen auf Gottes Güte und Treue und im Bewusstsein, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen. Ich glaube, dass bei Gott nichts unmöglich ist und dass er auch heute noch Wunder tut. Und ich bin tief überzeugt, dass am Ende der Zeit „alles gut“ wird.

Aber wenn wir das Christsein verkaufen, als ob es nur aus Highlights und Hallelujas bestehen würde, lassen wir einen wichtigen Teil der Realität aus. Vor allem lassen wir damit die Menschen allein und aussen vor, die gerade etwas anderes erleben.

Und wer kennt diese Zeiten nicht? Wenn wir ohne Ende mit Problemen, Krisen und Rückschlägen konfrontiert werden. Wenn es einfach nicht aufwärts geht. Kein Licht am Ende des Tunnels. Keine Erleichterung. Kein Ausweg.

Wenn wir dieses „rosabrillige“ Bild vor Augen haben und davon ausgehen, dass so etwas einem guten Christen nicht passiert, landen wir schnell bei der Frage, ob wir doch nicht so gut sind, wie wir dachten, und was um Gottes Willen wir bloss falsch gemacht haben.

Es ist durchaus möglich, dass wir für eine Krise mitverantwortlich sind. Vielleicht haben wir falsche Entscheidungen getroffen oder uns einer nötigen Veränderung verweigert und baden jetzt die Konsequenzen aus.

Aber oft geschehen Dinge einfach – auch traurige und schreckliche. Wir werden den Grund dafür vielleicht nie erfahren, und kein noch so grosser Aufwand wird uns einer Antwort näher bringen. Eine Lehre, die davon ausgeht, dass in jedem Fall eine unentdeckte oder unbereute Sünde für unser Elend verantwortlich sein muss, ist (meine bescheidene Meinung) zutiefst unmenschlich und lebensfeindlich.

Aber was tun, wenn wir in einer schwierigen Situation stecken?
Wie gehen wir damit um, wenn es einfach nicht besser wird?

Mich inspiriert, wie König David das bewältigt hat: Er hat Gott ohne falsche Zurückhaltung und „fadegrad“ die Meinung gesagt. Er hat seine Wut, seine Angst, seine Verzweiflung und seinen Frust bei Gott abgeladen – aber er ist an diesem Punkt nicht stehen geblieben. Trotz seiner wortreichen und auch bitteren Anklagen konnte er am Ende immer wieder sagen:

Mein Gott – ich verstehe nicht, warum das passiert.
Ich verstehe DICH nicht.
Ich fürchte mich – ich bin wütend – ich bin verletzt.
Aber ich vertraue Dir.

Wenn ich darüber nachdenke, muss ich das obige „Trotz“ in ein „Wegen“ verwandeln: Nur wenn ich mich Gott so nahe fühle und ihm so sehr vertraue, dass ich mein Herz öffne und auch meine Zweifel und meinen Schmerz nicht zurückhalte, wird mein Vertrauen in Gott neue Kraft bekommen.

Becky Freeman erzählt in ihrem Buch „Real Magnolias“*, wie ihre beste Freundin Gracie schwer erkrankte. Der Arzt stellte fest, dass sie am selben Phänomen litt wie der alttestamentliche Hiob: Ihre Hautzellen zerstörten sich selbst.

Um wieder gesund zu werden, musste Gracie über lange Zeit starke Medikamente einnehmen. Sie verlor fast alle Haare, war aufgeschwemmt und hatte so starke Schmerzen, dass sie sich jeweils erst nachmittags bewegen konnte.

Schliesslich liess auch ihre Sehkraft immer mehr nach. Trotzdem versuchte sie, mit dem Vergrösserungsglas in der Bibel zu lesen. Dabei stiess sie auf folgende Worte:

„Ich liebe Dich mit einer immerwährenden Liebe.“

Gracie flippte aus.

Sie schrie: „Das tust Du nicht!“ und versuchte, ein paar Seiten aus der Bibel herauszureissen – aber sie war zu schwach dazu. Sie knallte die Bibel auf den Nachttisch und weinte wie ein Baby.

In den kommenden Monaten ging es langsam aufwärts. Sobald sie wieder besser sehen konnte, las Gracie die Geschichte von Hiob und entdeckte, dass auch er mit Gott gerungen und schliesslich zu neuem Vertrauen gefunden hatte. Und sie entdeckte Gottes Liebe und Versorgung in vielen Dingen: In der Hilfe von Nachbarn und Freunden, die für ihre Familie kochten und im Haushalt halfen. In Briefen von Gemeindemitgliedern, die ihr Mut machten.

Gracie wurde wieder gesund, aber diese Zeit hat ihre Beziehung zu Gott für immer verändert. Sie hat gelernt, Gottes Liebe nicht daran zu messen, wie gut es ihr gerade geht, und aus schlechten Zeiten nicht abzuleiten, dass sie etwas falsch gemacht hat. Ihr Vertrauen in Gott hat tiefe Wurzeln erhalten.

Ich wünsche mir, dass mein Vertrauen in Gott gross genug ist, um ihm alles zu sagen, was mich bewegt, und nichts zurückzuhalten – und dass diese Offenheit mich wiederum zurückführt in die Gewissheit, dass er gut und treu ist und es auch bleibt – egal, wie es mir gerade geht. Und heute lasse ich mich dafür von Psalm 13 inspirieren, der Davids Herz und seine Beziehung zu Gott deutlich macht:

Wie lange, o Herr, willst du mich ganz vergessen?
Wie lange verbirgst du dein Angesicht vor mir?
Wie lange soll ich Sorgen hegen in meiner Seele,
Kummer in meinem Herzen tragen Tag für Tag?
Schau her und erhöre mich, o Herr, mein Gott!
Erleuchte meine Augen, dass ich nicht in den Todesschlaf versinke,
dass mein Feind nicht sagen kann, er habe mich überwältigt,
und meine Widersacher nicht frohlocken, weil ich wanke!
Ich aber vertraue auf Deine Gnade;
mein Herz soll frohlocken in deinem Heil.
Ich will dem Herrn singen, weil er mir wohlgetan hat!

Wie sieht es bei Dir aus – fällt es Dir leicht, Gott mit negativen Gefühlen zu belästigen? Ihm auch in schweren Zeiten zu vertrauen? Fragst Du Dich auch manchmal, ob Du etwas falsch gemacht hast – obwohl Du doch weisst, dass es nicht „so“ funktioniert? Ich bin gespannt auf Dein Feedback!

*Wer sich für das Buch interessiert, findet hier Informationen (leider nur in Englisch).