Heute ist Muttertag, und da ich keinen Anspruch darauf habe, deshalb gefeiert zu werden, stimme ich ein in den Lobgesang auf die Mütter.

Sie haben es nicht leicht – heute genauso wenig oder noch weniger als früher. Von allen Seiten hören sie, wie man es machen sollte, und jeder weiss es besser. Selbst ich als Kinderlose kriege über Posts von befreundeten Bloggerinnen mit, was für Grabenkämpfe ausgetragen werden, und bei all den Ideologien, die da aufeinanderprallen, grenzt es an ein Wunder, dass noch nie ein offener Krieg ausgebrochen ist.

Ob, wie lange und wo gestillt wird, ob man zu Hause bleibt oder auch auswärts arbeitet – diese Fragen entscheiden für manche Menschen darüber, ob eine Frau eine gute Mutter ist und ob sie die richtigen Prioritäten setzt. Und wie beim Schweizer Militär, wo sich jeder, der mal Dienst geleistet hat, für einen Experten hält, glaubt auch jeder, zur Erziehung fremder Kinder sein Scherflein beitragen zu können. Jede Mutter wird in der Öffentlichkeit begutachtet und kostenlos, unaufgefordert und aufdringlich beraten.

Aber seien wir mal ehrlich: Was ist wirklich wichtig? Woran erinnern wir uns heute, wenn wir an unsere Mütter denken?

Ich glaube, ich wurde gestillt, aber erinnern kann ich mich daran nicht. Meine Mutter war die ersten Jahre zuhause, und ich fand es schön, dass sie da war, wenn ich nach Hause kam – ausser an dem Tag, als ich auf dem Nachhauseweg getrödelt und mich eine halbe Stunde zum Mittagessen verspätet habe, worauf ich von meiner Mutter, die mich vor ihrem inneren Auge schon unter den Rädern eines Autos gesehen  hatte, ein riesiges Donnerwetter zu hören bekam.

Ich glaube, am Ende zählen diese Fragen weit weniger, als wir uns vorstellen. Wenn ich an das Wichtigste denke, was meine Mutter mir mitgegeben hat, brauche ich nicht lange zu suchen. Es war die eine Gewissheit, die ich aus dem, was sie mir weitergegeben hat, verinnerlicht habe.

Ich bin geliebt. So wie ich bin. Immer.

Hat sich meine Mutter nie über mich aufgeregt? Na und ob! Ich war ein ruhiges, introvertiertes Kind, aber ich hatte ein paar nervöse Ticks auf Lager wie auf den Oberschenkeln herumtrommeln, laut pfeifen und andere Freuden, und ich habe ab und zu den Satz gehört, ich solle doch bitte „normal tun“. Dennoch wusste ich immer, dass sie mich annimmt, wie ich bin. In den kritischen Teenagerjahren, in denen ich so gern super beliebt gewesen wäre und gleichzeitig einfach sein wollte, wie ich bin (was zusammen irgendwie nicht funktionierte), hat sie mir immer wieder geduldig eingetrichtert, dass ich so völlig in Ordnung bin. Dass ich wertvoll bin.

Es gibt, so habe ich auf Facebook gelesen, nur eine Art, eine perfekte Mutter, aber tausende von Arten, eine gute Mutter zu sein. Für mich ist die gute Mutter nicht die, die dies oder jenes tut oder sein lässt. Es ist die, die ihre Kinder spüren lässt, dass sie sie liebt, wie sie sind.

Liebe Mütter, lasst Euch nicht verrückt machen. Ihr tut ein wichtiges Werk; eines der wichtigsten überhaupt. Lasst Euch heute feiern, wenn Ihr könnt. Und wenn Ihr niemanden habt, der Euch heute feiert – feiert Euch selbst und nehmt auch meine guten Wünsche an.

Und liebe „Kinder“ (denn das bleiben wir für unsere Mütter ja immer): Gedenkt heute Euren Müttern. Erinnert Euch an das Wertvolle, an die schönen Erinnerungen, an das, wofür Ihr dankbar seid. Vergebt Ihnen das „andere“. Und wenn Ihr das Glück habt, das Eure Mutter noch lebt: Lasst sie wissen, dass Ihr dankbar seid, am besten persönlich. Ihr wisst nicht, wieviel Zeit Ihr dafür noch habt.

Ich habe geschrieben, Ihr sollt das „andere“ vergeben – im Wissen, dass alle Menschen Fehler machen und jede Kindheit Erfahrungen mit sich bringt, auf die man gern verzichtet hätte. Ich denke daher auch an die unter Euch, die nicht viel haben, für das sie dankbar sind und deren Kindheit vor allem durch negative Erfahrungen geprägt sind: Lasst Euch von diesem Tag nicht niederdrücken, und lasst Euch kein schlechtes Gewissen auferlegen, wenn Ihr nicht (oder noch nicht) vergeben könnt. Streckt Euch danach aus, da Vergeben können vor allem uns selbst befreit; aber nehmt Euch die Zeit, die Ihr dafür braucht.

Beziehungen sind das Salz in unserem Leben, aber auch das, woran wir uns reiben und woran wir geschliffen werden. Sie schenken uns das Gefühl, verstanden und geliebt zu werden, brechen uns aber auch immer mal wieder das Herz; und die Beziehungen in der Familie sind in dieser Hinsicht besonders intensiv. Niemand kann uns mehr verletzen oder ermutigen, keine Bemerkung nehmen wir persönlicher – in positiver wie negativer Art – als eine, die aus der Familie kommt.

Bettina 40 10Ich bin heute dankbar für das, was meine Mutter mir zu Lebzeiten gegeben hat, und danke Gott für all meine Lieben, die ich noch um mich habe. Be all blessed – and take care!

Mösli England links

 

Bild Pa und ig

Wie geht es Dir am Muttertag? Welche Erinnerung an Deine Mutter ist Deine liebste, und welche Eigenschaft an ihr liebst Du besonders? Ich freue mich auf Deinen Kommentar und wünsche Dir einen schönen Muttertag!

Bild Claudia Zeitung V3Manchmal frage ich mich, ob ich zuviel überlege, bevor ich poste und ob es nicht authentischer wäre, aus dem Bauch heraus ein paar enthusiastische, empörte, weinerliche oder aggresive Sätze in die Blogossphäre zu schleudern.

Denn obwohl ich genug von jeder Sorte auf Lager hätte, um das hinzukriegen, tue es in der Regel dann doch nicht.

Ein Grund dafür ist, dass ich ja nicht nur für mich selbst schreiben will. Aber wer sich ständig fragt, was seine Leser denn interessieren könnte, schreibt vielleicht nicht mehr das, was er sollte, weil er Angst hat, dem einen auf den kleinen Zeh zu treten und den anderen zu langweilen. Und vielleicht sollte man manchmal einfach seine rohen Gedanken in die Welt posten. Mein heutiges frisch-drauflos-getippt Post ist deshalb Experiment, Mini-Rant und Eingeständnis in einem:

An manchen Tagen lautet meine Botschaft an die Welt, frei nach meinem eigenen Lied „Ich lasse los“, schlicht und einfach „Ich hab genug“, gefolgt von einem schweizerischen „I ma nümm.“

Manchmal – ja, auch und gerade jetzt – geht mir die Welt um mich herum so dermassen auf den Senkel.

Die Amerikaner und Trump – ist das Euer Ernst?

Der Händeschüttelskandal von Therwil – Lord, have mercy!

Die Flüchtlingskrise – für neue EU-Ankündigungen habe ich nur noch ein desillusioniertes Lächeln übrig.

Die Panama Papers (na gut, DAS überrascht mich jetzt so gar nicht).

Der Umgang der Menschen miteinander, vor allem online.

Das dumpfe Gefühl, dass wir fröhlich die Ressourcen dieser Erdkugel pulversieren.

Die widerwärtigen Kreisläufe von Waffenlieferungen, Krieg, Flüchtlingselend und Fremdenhass.

Und neben dem, was es zu beklagen gibt, beelenden mich die Reaktionen der Menschheit auf welches Problem auch immer: Die einen machen sich alles so einfach, dass es für jede Krise auf der Welt den einen und einzigen „BöFei“ gibt, den man nur an die Wand nageln oder aus dem Land jagen muss, damit „alles wieder gut“ wird. Für die anderen ist alles so komplex, dass man den Finger nirgends drauflegen kann und jede Verantwortung sich in der Masse der beteiligten Faktoren auflöst, weshalb praktischerweise alles so bleiben darf, wie es ist.

Die Welt kommt mir immer verrückter vor, und mein Glaube an die Fähigkeit der Menschheit, das wieder hinzubiegen, bewegt sich momentan auf bescheidenem Niveau.

Als überzeugter „Fool for Christ“ könnte ich einfach den Kopf nach hinten legen, gen Himmel schauen und die Worte „Herr, komm bald“ in den Äther schallen lassen, und ich würde lügen, wenn ich behaupten wollte, ich hätte es noch nie getan. Was aber kann ich sonst tun gegen diese Anwandlung von Nihilismus, die mein verstorbener Schwager oft mit den Worten „Het doch ke Wärt“ umschrieben hat?

Einerseits ist da zugegeben die Hoffnung auf das, was einmal kommen wird, egal, wie dumm sich die Menschheit anstellt. Für die Atheisten unter Euch: meine theologischen Weltflucht- und „alles-wird-gut“-Träume, die mir das Überleben im Chaos dieser Welt erlauben. Das (und dies ist für die Frommen unter Euch) Wissen darum, dass auch diese Erde und alles, was darauf lebt, einen Neuanfang, eine Neuschöpfung erleben wird.

Doch ich habe noch ein anderes Rezept Phone Number Trace , das mir im Falle eines solchen „Weltenjammers“ hilft. Es ist genauso wichtig wie der Glauben an das, was kommen wird. Es ist das Prinzip „Jetzt erst recht“ und der feste Wille, mich nicht von dem runterziehen zu lassen, was mich beelendet, sondern auf das zu schauen, was ich selbst ändern kann.

Ich will meinen Alltag so nachhaltig wie möglich leben – auch wenn ich es nicht perfekt mache, und auch wenn es angesichts der Zustände „ke Wärt“ zu haben scheint.

Ich will allen Menschen offen begegnen und jedem eine Chance geben, auch wenn Vorurteile im Moment Hochkonjunktur haben.

child-990368_1280Ich will mit dem, was ich tue, Hoffnung verbreiten, obwohl sie mir manchmal selbst kurzfristig abhanden kommt.

 

 

 

Mir hat mein Experiment gut getan.
Und was macht Ihr gegen Weltenjammer?
Ich freue mich auf Euren Kommentar!

Das Osterwochenende hat begonnen, und ich gestehe: Ich habe meine Vorsätze für die Fastenzeit nicht ganz eingehalten. Ich wollte meine Erfahrungen mit der Lukas- und Johannes-Evangeliums-Lektüre mit Euch teilen, und nun ist der Ostertag schon da, ohne dass ich darüber gepostet habe.

In den Tagen vor diesem Osterwochenende haben sich die „wann hab‘ ich mal wieder ein bissel frei“-Gefühle genauso gehäuft wie die Kleider, die ich vor dem Duschen einfach im Gang vor dem Badezimmer auf den Boden werfe – ein sicheres Indiz dafür, dass es mir gerade schwerfällt, meine kleinen und grösseren Alltagspflichten wahrzunehmen.

Dennoch bin ich in den letzten Wochen auf eine „Osterbotschaft“ gestossen – sie stammt weder aus Lukas noch aus Johannes, sondern aus Markus, und ich habe sie im Post eines anderen Bloggers gefunden. Es handelte von einem einzelnen Wort, das Jesus gesagt hat, aber am Ende beantwortet es die Frage, was Ostern eigentlich ist.

Diese Frage beantwortet heute jeder etwas anders. Für Menschen, die nicht an Gott glauben, heisst Ostern ein paar freie Tage aufgrund eines alten Irrglaubens; für Menschen, die nach eigener Aussage „schon irgendwie an etwas Höheres glauben“, ist die Ostergeschichte oft ein Ärgernis offener Fragen, die man sich lieber nicht so genau stellt.

Für Christen meiner Frömmigkeitsstufe ist der Fall eigentlich klar: Christus starb am Kreuz für unsere Sünden und wurde am dritten Tag von Gott auferweckt.

Aber warum musste er sterben?

Die offizielle Lesart lautet oft: Gott, der Heilige und Gerechte, will mit uns zusammen sein (schöner Gedanke). Weil wir, um in seiner Gegenwart überleben zu können, erst wieder heilig gemacht werden müssen, fordert Gott ein Blutopfer (nicht so schöner Gedanke) und hat dafür seinen eigenen Sohn kreuzigen lassen (gruseliger Gedanke).

Gott hat demnach dieses Blutopfer gefordert. Ist das wirklich wahr?  Ich habe es lange so gesehen, bis ich Benjamin Coreys Post über das besagte eine Wort im Markus-Evangelium gelesen habe. Corey hat sich auf der Suche nach Antworten wie ich die Frage gestellt, was Jesus genau zum Thema gesagt hat. Dabei ist er auf diese Stelle gestossen:

Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse,
sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele. (Mk 10,45)

Nicht als Opfer – als Lösegeld.

Dieses eine Wort scheint nicht so wichtig zu sein, aber ob wir von Lösegeld oder von Opfer sprechen, macht eine Menge aus.

Wer bezahlt normalerweise das Lösegeld?
Die Eltern oder nächsten Angehörigen dessen, für den das Lösegeld verlangt wird.

Und wer verlangt das Lösegeld?
Der Verbrecher, der die Person in seiner Gewalt hat.

Was heisst das, wenn wir es auf das Evangelium, auf uns übertragen?

Wer ist die Geisel?
Wir sind es – gefangen durch die Sünde, die wir in unserem Stolz, ohne Gott leben zu wollen, selbst über uns gebracht haben.

Wer ist der Geiselnehmer, der das Lösegeld verlangt?
Satan. Wir haben ihm durch unser Handeln ein Recht über uns gegeben. Er hält uns in Gewahrsam und fordert das Opfer.

Und wer zahlt das Lösegeld?
Gott, unser Vater – durch Jesus.

Jesus hat sich für uns in die Gewalt des Feindes begeben, und Gott hat das Opfer bezahlt. Er hat es nicht gefordert; er hat eine Forderung des Feindes erfüllt. Diese Tat widerlegt die Vorstellung des blut- und rachedürstenden Gottes.

Ich hatte immer meine Mühe mit dieser Vorstellung, und ich habe diese Mühe im Blick auf das Alte Testament noch immer. Umso froher macht es mich, dass mir das Neue Testament einen anderen Blick auf Gott und auf das erlaubt, was vor so vielen Jahren in Jerusalem geschah. Das, was am Karfreitag geschah – und noch viel mehr das, was wir am Sonntag feiern.

Der Tod von Jesus am Kreuz hat dem Bösen einen Moment des Triumphes verliehen – aber es war ein kurzer Moment. Drei Tage darauf hat Gott Jesus wieder zum Leben erweckt und ihn in Fleisch und Blut auferstehen lassen.

Wenn ich am Ostersonntag sage: „Jesus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden“, dann ist das eine Bekräftigung dessen, was ich im Innersten meines Herzens glaube: Dass Jesus, der sowohl ganz Mensch als auch ganz Gott war, heute lebt. Er regiert zur Rechten des Vaters, und er lebt im Herzen eines jeden, der ihm sein Leben geschenkt hat.

Ich werde dieses Wochenende mit meiner Familie verbringen – meinem Vater, meinem Mann, meiner Schwester und ihrer Familie. Wir werden nicht in die Kirche gehen, aber wir werden uns zusammen etwas Zeit nehmen, um an das Wunder zu denken, das vor rund 2000 Jahren auf dieser Erde geschehen ist.

Jesus ist…

…alive and kicking!

In diesem Sinne: allen frohe Ostern!

Clod lach schneidLetzten Mittwoch habe ich mich ein klein wenig in unseren Bundespräsidenten verliebt.

 

Nicht wegen seines medialen Desasters vor zwei Wochen, sondern wegen dem, was an einer Verhandlung des Nationalrats zur Unternehmenssteuerreform passierte. Aber rekapitulieren wir kurz die Events der Schmach und Schande und der zumindest in meinen Augen wundersamen Auferstehung des Johann Schneider-Ammann.

Am 6. März hat sich unser Bundespräsident in der ganzen Welt einen Namen gemacht, als er am Tag der Kranken mit steinerner Miene darüber sprach, dass Lachen gesund sei. Dabei vergaß er auch nicht, in prophetischer Voraussicht zu erwähnen, dass das Lachen über andere nicht zu den guten Sorten des Lachens gehörte.

Die Videobotschaft verbreitete sich innert Kürze auf allen Kanälen und sorgte weltweit für Erheiterungsstürme, bis sogar die bekannte US-Talkshow Last Week Tonight mit Showmaster John Oliver unserem Bundespräsidenten ein paar Minuten Sendezeit widmete. Unerwartet waren Schneider-Ammanns 15 Minuten des Ruhms angebrochen – aber kaum so, wie er sich das vorgestellt hatte (wobei ich sowieso bezweifle, dass er es auf Ruhm in Form von öffentlicher Bewunderung abgesehen hat).

In den darauffolgenden Tagen wurde überall diskutiert, wie es zu dieser Kommunikationspanne kommen konnte, dann schlief das Ganze langsam ein. Herr Schneider-Ammann äußerte sich meines Wissens nicht zu dem Ganzen – bis zu jener Szene im Parlament. (Siehe Video – lässt sich leider nicht anders darstellen).

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Was war geschehen? Schneider-Ammann referierte zur Unternehmensreform, als plötzlich sein Mikro versagte. Er sah erst etwas irritiert in die Runde, dann lachte er. Das wieder zum Leben erwachende Mikrofon fing die letzten Lacher auf, worauf er trocken bemerkte: „Ça me donne la chance de rire.“ Es folgten Gelächter und Applaus im Saal, worauf er anfügte“…et ça au moment juste“. Noch mehr Applaus. Mit dem Satz „Okay. C’était une autre affaire“ schloss er das Thema ab und fuhr dann in gewohnt trockener Manier mit dem traktandierten Geschäftspunkt fort.

Ich fand das Ganze so sympathisch und gut getimt, dass ich mich kurz fragte, ob es vielleicht orchestriert war – aber wirklich nur sehr kurz, denn ich bin sicher, dass er es geplant nie so hingekriegt hätte. Diesen Moment, in dem er über sich selbst lachen konnte und damit die Sympathien auf seiner Seite hatte, habe ich Schneider-Ammann von Herzen gegönnt.

Und mir ist wieder einmal klar geworden, wie wichtig es ist, über sich selbst lachen können, und wie viel diese Fähigkeit oder Unfähigkeit über uns aussagt.

Wer über sich lachen kann, beweist, dass er sich nicht für den Nabel der Welt hält und sich nicht zu ernst nimmt. Er verfügt über eine gesunde Portion Demut, geboren aus dem Wissen, dass er nicht alles kontrollieren kann, nicht perfekt ist und es auch nicht sein muss. Aus all dem spricht Bescheidenheit, Realitätssinn und gleichzeitig ein geerdetes Selbstvertrauen.

Das Unvermögen, über sich selbst zu lachen, kann verschiedene Gründe haben. Manche Menschen sind tief traumatisiert und haben das Lachen an sich verlernt, und anderen fehlt diese gesunde Portion Selbstvertrauen. Sie fürchten das Urteil anderer, haben Angst davor, ausgelacht zu werden und sehen jedes kleine Missgeschick als Katastrophe an, über die sie beim besten Willen nicht lachen können.

Viel öfter aber  sind Unfähigkeit und Unwille, über sich selbst zu lachen, meiner Ansicht nach ein Zeichen von Stolz, Arroganz und Dünkel. Wenn wir nicht über uns lachen können, nehmen wir uns zu ernst, halten uns für etwas Besseres und wollen jeden um uns herum kontrollieren. Wer nicht über sich lachen kann, neigt auch eher dazu, eigene schlechte Eigenschaften oder Fehler zu verleugnen.

Wenn ich mir diese Liste von Eigenschaften ansehe, wird mir klar, wie wichtig es ist, dass Personen mit Macht und Führungsverantwortung, wie begrenzt sie auch sein mag – über sich lachen können. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger möchte ich jemanden an der Spitze meines Landes, meiner Region, meiner Kirche oder meines Vereins haben, der nicht über sich lachen kann. Wer sich selbst für perfekt hält und wem die Demut fehlt, eigene Schwächen zu erkennen und dazu zu stehen, der sollte meiner Meinung nach nicht führen.

Führungsverantwortung ist eine ernste Angelegenheit. Wer führt, übernimmt in erster Linie eine Bürde – ihm wird das Wohlergehen einer bestimmten Anzahl Menschen anvertraut, und damit einher gehen Autorität und Macht über diese Menschen. Ein Leiter kann und muss  Entscheidungen treffen, die das Leben anderer beeinflussen. Als Vorgesetzter muss ich jemanden entlassen, wenn er seine Arbeit nicht macht und damit nicht nur dem Geschäft schadet, sondern seinen Arbeitskollegen Mehrarbeit aufbürdet. Als Leiter eines Teams muss ich mir das Mitglied zur Brust nehmen, das das Klima vergiftet. Gleichzeitig muss ich bereit sein, mich selbst zu reflektieren. Ich darf  meine Stellung nicht dazu missbrauchen, nur meine eigenen Wünsche durchzusetzen, sondern muss  immer das Wohl des Ganzen im Auge behalten. Ohne eine Mischung aus gesundem Selbstvertrauen und Demut geht das nicht.

Wenn ich in diesen Tagen einen Blick über den Atlantik werfe, beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Irgendwie erweckt keiner der Frontrunner im amerikanischen Wahltheater den Eindruck, dass er oder sie wirklich über sich selbst lachen kann, und in Anbetracht der einflussreichen Stellung, die die USA immer noch haben, bete ich zu Gott, dass er die Wahl eines machtverliebten, narzisstischen US-Oberhaupts irgendwie abwendet.

Führe ich mir unter diesem Aspekt unseren Bundespräsidenten und den Rest der schweizerischen Regierungsmannschaft vor Augen, stimmt mich das ganz zuversichtlich. Unser politisches System bringt offensichtlich keine Narzissten und Despoten hervor, sondern pragmatische Menschen, die ihr Amt als Verantwortung und nicht als Machtstellung betrachten, die mit anderen im Team arbeiten  und – wie gerade bewiesen – über sich selbst lachen können.

Lachen ist gesund und befreit, und das Lachen über sich selbst ist etwas vom Befreiendsten, was es gibt. In diesem Sinne: Weiter so, Herr Bundespräsident!

 

gold-bear-318359_1920 kleinIn letzter Zeit grassieren auf Facebook ominöse Tests, die alle etwas gemeinsam haben. Egal, ob es um Geografie, Sichtstärke, analytisches Denken oder Intelligenz per se geht –  die Test fangen alle  mit dem gleichen Satz an:

„Nur 4 (oder 1, 2, 3) Prozent der Bevölkerung kann diese Fragen richtig beantworten.“

Seltsamerweise gehören alle meine Facebookfreunde zu dieser Gruppe, und – Überraschung – ich selbst auch. Denn ich gebe es zu: Ich konnte auch nicht widerstehen. Ich habe den Sichttest gemacht und erfahren, dass ich Pilotin werden könnte, was mich einen winzigen Moment stolz gemacht hat (ich kann ab und zu etwas beschränkt sein). Doch je mehr sich diese Tests häufen, desto klarer wird jedem, dass es nur darum geht, möglichst viele Leute auf die Seite zu locken und sie dazu zu bringen, das Zeug weiter zu verteilen.

Und an welche Eigenschaft des Menschen appelliert man da am besten?
Eitelkeit, Stolz und das Verlangen, etwas Besonderes zu sein.
Besser als die anderen. Zu einer Elite zu gehören.

Und es funktioniert bestens: Die Ansage „nur x Prozent…“ macht uns neugierig. Gehöre ich dazu? Wir füllen das Ding aus, und oh Wunder: Wir sind dabei! Ist es nicht genial? Und sofort teilen wir das phänomenale Resultat (vielleicht noch mit einem verspielt-bescheidenen „hätte ja nicht gedacht, dass ich…“), damit die Welt weiss, dass wir zur Spitzengruppe gehören.

Der Mensch ist ein seltsames Wesen: Er will dazu gehören, Teil der Meute sein, will aber auch herausragen, und er versucht mit allen Mitteln, das irgendwie zu schaffen. Geld, Kleidung, Erfolg, Partner, Erleuchtung – die Möglichkeiten sind grenzenlos. Nur: Nichts davon wird mir letztlich die Gewissheit geben, wirklich „besonders“ zu sein, und alle diese Errungenschaften stehen auf wackligen Füssen.

Dabei brauchen wir diese Tests alle nicht, um zu wissen, dass wir besonders sind. Wir sind alle besonders, und das ist vielleicht der Grund, warum das vielen von uns nicht schmeckt.

Wenn Gott bei Buzzfeed einen Test anbieten würde, würde da stehen:
100% der Bevölkerung, die den Test machen, haben sich als einzigartig, wunderbar und etwas Besonderes erwiesen.“

Das hört sich lahm an. Was soll besonders daran sein, wenn alle es haben können? Wenn wir den Inhalt und die Wahrheit dieser Aussage erfassen wollen, müssen wir unseren Stolz ablegen – diese Eitelkeit, die nicht nur „besonders“ sein will, sondern „besonderer als alle andern“.

Wenn wir erkennen und bis ins Innerste unserer Persönlichkeit begreifen, wie besonders, wie geliebt, wie einzigartig wir wirklich für Gott sind, erkennen wir schlagartig, wie nichtig all die anderen Contests, Tests, „Wer hat und ist mehr“-Wettbewerbchen wirklich sind.

Und wir werden frei, einfach zu sein. Unser Leben zu leben, anderen zu begegnen, ohne ständige Vergleiche anzustellen, einander einfach für das zu schätzen, was wir sind. Menschen mit einer einmaligen Mischung aus Stärken und Schwächen, mit einer einzigartigen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Geliebt von Gott.

Schlüsselherz kleinIch hatte schon früh eine innige Beziehung zum geschriebenen Wort. Als kleiner Knopf sah ich meiner Mutter dabei zu, wie sie diese faszinierenden Zeichen in die Schreibmaschine tippte. Ich wollte genau wissen, was es damit auf sich hatte, und sie hat geduldig meine Fragen beantwortet und mir das „Mami-M“, den „Papi-P“ und all die anderen erklärt, bis ich schließlich mein erstes selbst gelesenes Wort aussprach. Es war „Thomy“ von Thomy-Senf, und ich las es mit vier Jahren von einer Plastiktüte.

Es folgten Jahrzehnte, in denen ich jedes greifbare Wort verschlang, angefangen mit „Dominik Dachs“ über „Fünf Freunde“, „Die Schwarze Sieben“, „Geheimnis um…“ „Die drei ???“, tonnenweise Pferdebücher, „Hanni und Nanni“, „Dolly“, „Die Kinder von Bullerbü“, „Karlsson vom Dach“, „Die unendliche Geschichte“, „Mio mein Mio“ und fast alles von Federica de Cesco. Nach einer hormonell bedingten „Sweet Dreams“-Kitsch-Phase kamen die damals verfügbaren Stephen Kings, daneben die humorigen Geschichten von Erma Bombeck und Mary Scott und natürlich Krimis, angefangen bei Agatha Christie über Martha Grimes zu Elisabeth George und Dick Francis.

Geschrieben habe ich damals auch, aber ausschließlich Tagebücher, die ich mit den Lamenti eines schüchternen, introvertierten Teenagers füllte. Dann ging ich Geschichte studieren, danach zog es mich zuerst hobbymäßig, dann halbprofessionell zum Gesang. Vor vier Jahren landete ich unverhofft über ein paar Lieblingssongs wieder beim Schreiben, und heute geht es mir damit wie Tim Ekaterin in Dick Francis‘ Banker-Krimi nach seinen ersten drei Monaten bei der Bank: Man müsste mich mit der Brechstange loseisen. Im Januar und Februar habe ich den Plot für mein erstes Prosabuch erarbeitet, nächsten Mittwoch fange ich mit dem Rohentwurf an, und ich freue mich darauf wie ein kleines Kind, das vor der Wohnzimmertür steht und durch die Glastür die flackernden Kerzen am Weihnachtsbaum sieht. Dass das Schreiben meine Berufung ist, steht für mich außer Zweifel.

Aber wie erkennt man, was Berufung ist? Wie findet man als Mensch mit vielen Interessen und verschiedenen Talenten heraus, wo man sich investieren soll?

Ich habe im Prozess, der mich zum Schreiben geführt hat, verschiedene Kennzeichen ausgemacht, die auf der Suche nach Berufung vielleicht weiterhelfen.

Sie macht Freude
Simpel, aber wahr! Das Schreiben macht mir praktisch immer Spaß. Zwar verfolge ich mit meinem Schreiben auch einen Zweck, und dieser Zweck gehört zur Berufung, aber das Schreiben begeistert mich auch an und für sich. Ich kann mich dabei total vergessen und tauche in eine andere Welt ein, bin eins mit mir selbst. Wenn wir das tun, was uns in die Wiege gelegt ist, sind wir in einem ganz besonderen „Flow“, einem Fluss, der uns trägt und uns Energie schenkt.

Sie lässt Dich nicht los
Ich denke ständig über das Schreiben nach, lese Blogposts und Bücher darüber, lebe darin. Ich freue mich an dem, was ich schon zustande bringe, aber das reicht mir noch lange nicht. Ohne mich mit ihnen zu vergleichen, lasse ich mich von Vorbildern inspirieren, um mich weiterzuentwickeln und so gut zu werden, wie ich kann. Unsere wichtigsten Gaben packen uns mit einer Kraft, der wir uns nur schwer entziehen können – und das ist gut so.

Sie dient anderen
Die Feedbacks, die ich über die Jahre schon erhalten habe, zeigen mir, dass sich beim Schreiben neben der Freude an der Sache mein Herzenswunsch erfüllt: Ich erreiche andere Menschen und gebe ihnen etwas weiter. Die Ausübung unserer Gaben soll uns Freude machen, aber sie ist auch so konzipiert, dass sie anderen dient.

Sie braucht keinen Anstoß von außen – und kein Publikum
Als ich die Idee für „Hier will ich bleiben“ hatte, war mir erst einmal völlig egal, ob ich für das Buch einen Verlag finden und ob es ein Beststeller werden würde – ich wusste nur, dass ich das schreiben und veröffentlichen will, und alles andere zählte nicht. Natürlich brauchen Bücher Leser, um ihren Sinn zu erfüllen, aber im ersten Moment war diese Frage nicht wichtig. Vielleicht machst Du etwas, das der Öffentlichkeit verborgen bleibt und dennoch Deine Berufung ist. Wenn Du in einem kleinen Kreis das tust, was „Deins“ ist, bereicherst und beschenkst Du viele Menschen, ohne dass das über Dein Dorf, Deine Kirche oder Deinen Verein hinausgehen muss.

Sie blüht zur rechten Zeit
Manchmal wünsche ich mir, ich hätte das professionelle Schreiben früher entdeckt, aber im Grunde weiß ich, dass es so genau richtig ist. Ich wäre früher nicht so zielgerichtet gewesen, und ich hätte nicht das zu sagen gehabt, was ich heute sagen will. Wenn Du also dreißig bist und Dich fragst, warum Du „das“ noch nicht gefunden hast, dann entspann Dich – vielleicht musst Du einfach noch ein paar Erfahrungen machen, die Dir den Weg ebnen werden. Es ist nie zu spät.

Sie hat ein Was, ein Wozu und ein Wo
Berufung setzt sich aus drei Zweigen zusammen. Ich schreibe (Was), weil ich damit Menschen ermutigen, berühren, herausfordern und ihnen Gott näherbringen will (Wozu). Und das will ich in der säkularen Literaturszene tun (Wo). Ich könnte meine Schreibe für das Verfassen von Werbetexten einsetzen oder Bücher über das christliche Leben für Christen schreiben, aber beides würde mich nur begrenzt erfüllen. Ich will Menschen mit meinen Geschichten berühren, begeistern und ihnen erfahrbar machen, dass hinter dem seelenbetäubenden Lärm von Karriere, Konsum und Konkurrenz eine tiefere Wahrheit liegt – befreiende Werte, die jedes Leben bejahen und nicht nur dasjenige, das am meisten zum Bruttosozialprodukt beiträgt und dem gerade gängigen, so flüchtigen gesellschaftlichen Ideal entspricht. Wenn Du Dich also fragst, worin Deine Berufung liegt: Vergiss nicht, dass die Gabe an sich nur ein Teil davon ist. Wenn Du Dein Talent einsetzt und Dich das nicht erfüllt, liegt es vielleicht daran, dass Du Deine Gabe nicht für ein Ziel einsetzt, dass Dich wirklich begeistert.

Hast Du Deine Berufung schon gefunden? Falls nicht, bringen Dich meine Gedanken vielleicht dem Ziel etwas näher. Falls ja: Warte nicht auf eine Einladung oder darauf, dass Du „entdeckt“ wirst. Wenn es das ist, was Dich wirklich erfüllt, brauchst Du weder einen Vertrag noch einen Job noch Ruhm noch Geld, um es zu tun. Vielleicht hast du noch viel Zeit, vielleicht nicht. Egal, was zutrifft: Stell Dir einen Moment lang vor, du hättest nur noch ein paar Jahre zu leben. Was würde Dir auf dem Herzen brennen? Ein Buch, eine CD? Ein Missionstrip? Ein Gassenrestaurant?

Egal, was es ist: Go for it –
für Dich und für die Menschen, die Du damit beschenken wirst.

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Foto: Bigstock, ID:87672899

Wenn mich jemand nach meiner Lieblingsbibelstelle fragt, habe ich die Qual der Wahl – es gibt einige, die mir in den letzten zwölf Jahren wichtig geworden sind. Bisher war aber definitiv keine aus dem Buch Hiob dabei.

Das hat seine Gründe, und jeder, der die über 40 Kapitel schon mal gelesen hat, wird mir in einem recht geben: Es gibt kaum ein herausfordernderes Buch in der Bibel. Und doch habe ich entdeckt, dass man aus Hiobs Schicksal eine Menge über Gott und über die Einstellung zum Leben lernen kann – gerade in Zeiten wie diesen.

Es ist eine grausame Geschichte: Da lebt ein rechtschaffener, aufrichtiger Mann, der Gott liebt und ehrt und über jeden Zweifel erhaben scheint. Aufgrund eines Wettstreits zwischen Gott und Satan wird ihm alles genommen, was er hatte. Erst verliert er seinen Besitz, dann sterben alle seine Kinder. Doch immer noch preist er Gott mit den Worten „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, gepriesen sei der Herr!“

Dann aber schlägt Satan ihn mit Aussatz und mit Schmerzen, die ihn fast um den Verstand bringen, und das macht das Maß voll: Hiob verflucht den Tag, an dem er geboren wurde, und klagt Gott an, zutiefst überzeugt von seiner eigenen Rechtschaffenheit. Seine Freunde versuchen, ihm beizubringen, dass kein Mensch vor Gott gerecht ist, aber er bleibt hartnäckig dabei, dass er „das nicht verdient“ hat. Gott stellt ihm schließlich einige harte Fragen. „Wo warst du, als ich die Erde gründete?“ „Kannst du die Bande des Siebengestirns zusammenbinden oder den Gürtel des Orion auflösen?“ „Wer gibt die Weisheit in das Verborgene? Wer gibt verständige Gedanken?“ Als Hiob seinen Stand vor Gott begreift und sich demütigt, erhört ihn Gott und lässt ihm mehr zukommen, als er je hatte.

In Hiobs hartnäckiger Selbstgerechtigkeit erkenne ich mich wieder, und ich nehme an, ich bin damit nicht allein: Oft wollen wir nicht Gott, das Mysterium, sondern ein berechenbares Glaubenssystem, das uns beim gleichen Input zuverlässig das Gleiche liefert. Wir tun unser „Gutes“ zwar aus dankbarem Herzen, aber auch in der stillen Erwartung, dass Gott dann „seinen Part“ erfüllt. Aber diese Vorstellung ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich – gerade für das menschliche Miteinander in Krisen, wie wir uns jetzt in einer befinden.

Unsere Suche nach einer globalen Ordnung und einem Glaubenssystem ist auch eine Suche nach der Erklärung für die Ungerechtigkeit in der Welt. Doch so verständlich diese Suche sein mag: Wenn wir uns an ein falsches System klammern, verhärtet sich unser Herz.

Der „do ut des“-Glaube von Hiob (ich tue x, damit du y tust) kann nur in Selbstgerechtigkeit oder Verzweiflung enden. Wenn ich „alles richtig mache“ und es mir gut geht, blicke ich selbstzufrieden in die Welt und tadelnd auf jeden, dem es schlechter geht: Wenn Gott ihn nicht segnet, lebt er eben falsch oder hat noch eine verborgene Sünde. Werde ich aber krank, zerbricht meine Ehe oder verliere meinen Job, folgere ich daraus, dass ich nicht genug getan, noch eine Leiche im Keller oder zu wenig Glauben habe. Ich versuche krampfhaft, es besser zu machen, und wenn es nicht funktioniert, verliere ich im schlimmsten Fall den Glauben an mich und an Gott.

Ähnlich falsch liege ich, wenn ich mich bei der Esoterik bediene und mich beispielsweise an die beliebte Reinkarnationstheorie halte. Wenn ich an Karma glaube, wird mein natürliches Mitgefühl für Menschen in Not erstickt, da ich davon ausgehen muss, dass sich diese Menschen ihr Leiden durch ihr Verhalten in einem früheren Leben selbst eingebrockt haben. Und je schlechter es ihnen geht, desto abscheulicher waren ihre Verbrechen. Die einzige Motivation, solchen Menschen zu helfen, läge im meinerseitigen Sammeln von Karmapunkten, was die Ichbezogenheit dieser Lehre deutlich demonstriert.

Hiob lehrt mich etwas anderes: Die Demut, dass ich mein Leben nicht in allen Aspekten kontrollieren und beeinflussen kann. Niemand kann sich aussuchen, ob er oder sie in der Schweiz, in Syrien oder in Uganda geboren wird, in einer liebevollen oder einer dysfunktionalen Familie aufwächst, krankheitsanfällig oder robust ist.

Wenn ich das verstanden habe, löst mein Wohlergehen in mir nicht mehr ungerechtfertigten Stolz, sondern Dankbarkeit aus. Ich lerne, das, was ich habe, als Geschenk zu betrachten und verantwortlich damit umzugehen und Menschen, denen es schlechter geht, mit Mitgefühl und einem offenen Herzen zu begegnen. Nicht, um Karmapunkte zu sammeln. Nicht, um von Gott für mein Handeln entschädigt zu werden. Sondern weil die Liebe und die Versorgung Gottes, die ich erfahre, durch mich fließen und andere Menschen erreichen sollen.

Wir leben in einer herausfordernden Zeit, und mich schmerzt, dass auch unsere Herzen eng und enger werden. Wir fürchten um unseren Wohlstand und hacken auf den Ärmsten herum, während – wie war das noch? – die 62 reichsten Menschen der Welt die Hälfte des Globus besitzen. Ich bin mir bewusst, dass kein Land – und schon gar kein so kleines wie unseres – unbegrenzt Menschen aufnehmen kann. Aber dass ich in diesem Land geboren wurde, ist nicht mein Verdienst, und wenn ich darauf stolz sein muss, habe ich in meinem Leben nicht viel geleiset, auf das ich stolz sein könnte. Ich meine damit nicht Karriere und Geld scheffeln und „es zu etwas gebracht haben“, sondern das, was jeder Mensch kann: Anderen mit Sympathie und Hilfsbereitschaft begegnen, die Welt ein kleines bisschen besser machen.

Die Ungerechtigkeit der Welt, bei Hiob wie hier und heute, soll uns nicht unberührt lassen. Sie soll uns bewegen. Nicht dazu, uns eine spirituelle Rechtfertigung aus den Fingern zu saugen, die es uns erlaubt, uns auf unserem vermeintlich verdienten Wohlergehen auszuruhen, sondern zum Mitgefühl und zu beherztem Handeln, zur Widerrede, zur Aufklärung.

Wenn ich auf etwas stolz sein soll, dann will ich stolz darauf sein, dass ich mein Herz nicht von Besitzstandsängsten verhärten lasse. Stolz darauf, dass ich mich nicht von einseitigen Schuldzuweisungen verführen lasse, sondern akzeptiere, dass die Welt weit komplexer ist und dass mein Wohlstand und das Elend mancher Erdteile in direktem Zusammenhang stehen. Und das Wissen, dass ich die Welt nicht wirklich erlösen kann, soll mich nicht hindern oder entmutigen, an dem kleinen Ort, wo ich bin, etwas zur Linderung der Not beizutragen – worin auch immer ich meine Mission sehe.

Im Verlauf meiner Hioblektüre habe ich durchaus Stellen gefunden, die sich zu Lieblingsstellen mausern könnten. Vor allem habe ich eine entdeckt, die mich sowohl herausfordert als auch ermutigt. Sie fordert mich heraus, weil das Bewusstsein für ihre Wahrheit mir manchmal abhandenkommt, und sie ermutigt mich, weil ihre Wahrheit die Hoffnung ist, die mich trägt und antreibt, weil es einen gibt, der stärker ist als alles, was diese Welt und die Menschen bedrängt. Es ist ein Ausspruch Hiobs, gesprochen in seiner dunkelsten Stunde.

„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“

Hast Du Hiob auch schon gelesen, und wie hast Du es erlebt? Womit kämpfst Du, was ermutigt Dich? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

Kürzlich habe ich auf Facebook (schon wieder!) einen Satz gelesen, der mir in dem Moment zu hundertfünfzig Prozent aus dem Herzen gesprochen hat. Er ging so:

„Sei ein Ermutiger! Kritiker hat die Welt schon genug.“

Bilduelle: Pixabay
Bildquelle: Pixabay

In meinem aktuellen Jahresendspurt inklusive dem altbekannten und altverhassten Gefühl, nirgends ganz und sowieso nie allen genügen zu können, hätte ich das gern all jenen an den Kopf geworfen, die ständig nur das Haar in der Suppe sehen und aus Prinzip etwas zu bemängeln haben. Es hat dann aber nicht allzu lange gedauert, bis mir bewusst wurde, dass dieser Satz in seiner Einseitigkeit genauso gefährlich ist wie sein Gegenteil.

Ja, es ist wahr: Menschen, die überall nur die Fehler und Probleme sehen, bringen andere Menschen und Gemeinschaften oft nicht weiter, weil sie die Leute entmutigen und ihnen irgendwann niemand mehr zuhört. Aber auch Menschen, die nur das Gute sehen und Probleme ausblenden, helfen damit weder anderen noch einer Gemeinschaft. Unter solchen Voraussetzungen können Missstände brodeln und irgendwann explodieren.

Leider neigen die meisten von uns zur Einseitigkeit: Entweder haben wir einen so scharfen Blick auf alles, was nicht perfekt läuft, dass wir das Gute nicht sehen können oder wollen, oder wir sind zu wohlwollend oder zu ängstlich und trauen uns nicht zu sagen, dass etwas in die falsche Richtung geht. Beide haben wir Gaben, die anderen nützen, können aber gleichzeitig voneinander lernen. Ich habe mir ein paar Gedanken gemacht, wie wir uns selbst etwas mehr „einmitten“ können, und das ist dabei herausgekommen:

An den Wohlwollenden
Wenn Du auftauchst, entspannen sich die Menschen. Sie spüren, dass sie angenommen sind, und Deine wertschätzenden und ermutigenden Worte geben ihnen das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Du erweckst Vertrauen und schenkst den Menschen etwas Unvergleichliches: den Mut, ihre Masken fallen zu lassen.

Du darfst aber ruhig auch mal kritisch sein. Benenne, was Dir Bauchschmerzen macht. Denk daran, dass Du anderen mit Deiner Ehrlichkeit hilfst, und hab keine Angst, dass man Dich dann nicht mehr mag. Vielleicht triffst Du dabei auf Menschen, die sich gegen jede Kritik taub stellen und Dich spüren lassen, dass das nicht gewünscht ist, aber das könnte Deine Chance sein, die Dir zugedachte Rolle abzulegen und Dir eine authentischere Gemeinschaft zu suchen. Denn Menschen, die wissen, dass sie nie ausgelernt haben und die sich weiterentwickeln wollen, sind froh um ehrliches Feedback. Sie werden es Dir danken und Dich noch ernster nehmen, weil damit auch Dein Lob noch viel wertvoller wird.

An den Kritiker
Du hast eine einzigartige Sicht auf die Realität. Dir entgeht nichts, und Du hast einen siebten Sinn für alles, was noch besser laufen könnte. Außerdem scheust Du Dich nicht, die Dinge beim Namen zu nennen. Gratulation zu Deinem Mut und Deiner Geradlinigkeit – sie sind so wichtig in dieser Welt!

Schade ist, dass Deine Worte nicht immer ankommen oder oft schon in einer ablehnenden Haltung entgegengenommen werden. Dass passiert, wenn Du vergisst, auch das Gute zu sehen und zu anerkennen. Denk daran, dass sich jeder Mensch nach Wertschätzung sehnt: Wenn Du Deiner Kritik ein positives Feedback vorausstellst und jemandem damit das Gefühl gibst, dass Du ihn als Mensch schätzt und mit seinen Fehlern annimmst, hat Deine Kritik weit bessere Chancen, auf fruchtbaren Boden zu fallen.

Wir alle brauchen Menschen, die uns auf unserem Weg ermutigen, loben und anfeuern und solche, die uns darauf hinweisen, wenn etwas nicht, noch nicht oder nicht mehr gut ist. Und am wertvollsten sind Menschen, die beides können. Und der Schlüssel für beides ist Liebe und Wertschätzung.

Wenn ich jemanden liebe, ermutige ich ihn, freue mich an seinen Erfolgen und will, dass es ihm gut geht. Weil ich ihn liebe, will ich aber auch nicht, dass er in sein Verderben rennt. Darum nehme ich meinen Mut zusammen und sage ihm, was ich denke, auch wenn er es nicht gern hört.

Wenn ich mich mit einer Gemeinschaft identifiziere und sie liebe, ist mir wichtig, dass sie blüht und gedeiht. Ich freue mich an ihren Erfolgen und ermutige die Verantwortlichen, wenn etwas gut gelaufen ist. Wenn ich die Gemeinschaft liebe, macht es mir Sorgen, wenn sie sich in eine ungute Richtung entwickelt, und dann teile ich diese Sorgen den Verantwortlichen mit. Und wenn ich sie vorher habe spüren lassen, dass ich ihre Arbeit schätze und wahrnehme, werden sie meine Worte eher annehmen.

Lasst uns Menschen sein, die sich das Vertrauen anderer erwerben, indem sie wohlwollend und wertschätzend mit ihnen umgehen und darum auch dann angehört werden, wenn sie etwas Unangenehmes zu sagen haben. So helfen wir anderen Menschen und Gemeinschaften, das Beste aus sich herauszuholen.

Und lasst uns als Menschen ein Leben lang belehrbar und beeinflussbar bleiben und aus einem gesunden Selbstwertgefühl heraus andere auch dann anhören, wenn sie nicht unserer Meinung sind oder etwas zu sagen haben, das uns nicht gefällt. So lassen wir zu, dass andere das Beste aus uns herausholen.

Auf welcher Seite fällst Du vom Pferd? Bist Du der Wattebausch oder der Preisrichter, und hast Du andere Erfahrungen und Tipps zum Thema? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

Ich habe eine Weile nichts gepostet, und der Vorentwurf dieses Posts war eine echte Jammertirade. Die erspare ich Euch nun und lasse Euch stattdessen spontan an einigen neu gewonnenen Weisheiten bezüglich Advents- und anderem Stress teilhaben. (Disclaimer: Dies ist ein Spontandirektpost mit original schweizerischen Doppel-s; die grammatik-affinen deutschen Leser mögen mir verzeihen).

Ich weiss nicht, wie es Euch geht, aber sicher stimmt Ihr darin mit mir überein: Die Adventszeit hat es in sich, und es scheint von Jahr zu Jahr schlimmer zu werden. Ob die Menschen vor hundert oder zweihundert Jahren auch schon solche Probleme hatten? Der Puls der Zeit schlägt immer schneller, die Restenergien verbrennen in alarmierendem Tempo, und dann ist da die Liste der Dinge, die man unbedingt noch bewältigen muss. Geschenke einkaufen. Das Haus weihnachtlich schmücken. Weihnachtsdaten koordinieren. In meinem Fall kommt dazu: Gospelkonzert üben, Buchaktionen planen, was Schönes zu Weihnachten bloggen. Und daneben läuft das „real life“ erbarmungslos weiter und forderte seinen Tribut.

In den letzten Wochen habe ich mit einigen Überlastungssymptömchen gekämpft: Kopfschmerzen, Schulterschmerzen, plötzlich – immer mal was Neues! – Kreuzschmerzen, daneben Müdigkeit, Reizbarkeit und ein Gefühl von „will und kann nicht mehr“. Und während man einen Teil dieser Symptome auch unter „sieh es ein: auch Du wirst älter“ abhaken kann, hat mir meine finstere Stimmungswolke in der lichtvoll gedachten Adventszeit doch zu denken gegeben.

Was läuft hier falsch? Sollte ich mich nicht auf das Weihnachtsfest freuen? Warum geht das, was wir feiern, mehr und mehr unter?

Natürlich ist ein Teil davon wirtschaftssystemisch bedingt und gewollt: Jetzt ist die Zeit, in der viele Geschäfte das herausholen, was sie durchs Jahr nicht verdienen. Die Werbung wird  intensiver, wir sehen überall nur noch Spielsachen, Parfums, Juwelen und was weiss ich nicht was, das wir weder brauchen noch wirklich wollen. Daneben aber und vielleicht schlimmer: Wir denken, dass wir irgend einen Standard erfüllen müssen, und das in Bereichen, die uns vielleicht einfach nicht liegen.

Tischschmuck made by Tante Brigitte
Tischschmuck made by Tante Brigitte

Mir hat eine Bemerkung meines Schwagers vom letzten Sonntag die Augen geöffnet und mir eine Last vom Herzen genommen. Wir feierten den 70. Geburtstag meines Pa, und ich bewunderte die selbst gemachte Tischdekoration meiner Tante: ein gesteckter Kranz aus getrockneten Hortensienblüten, dessen Erschaffung sicher viel Geschick und Geduld erfordert hat (sii Piggtschaa!). Ich fragte laut, warum wohl niemand in unserer Familie solche Künste geerbt hat (wobei das eine falsche Frage war, da meine beiden so begabten Tanten NICHT aus dem Meierclan stammen), und mein Schwager sagte nur : „Du schreibst Bücher, schreibst Lieder, bloggst und singst. Warum in aller Welt hast du das Gefühl, dass du das auch noch können solltest?“

Leute: Er hat recht.

Ich muss nicht alles können, und ich muss nicht überall top sein. Konkret heisst das für mich: Ich mache mir kein schlechtes Gewissen mehr, weil ich keine super Weihnachtsdeko gemacht habe und Zuhause öfters gegen das Chaos ankämpfe (und meistens verliere). Und in Phasen wie der Adventszeit, wo ich noch Konzerte vorbereite, lasse ich einfach mal locker und versetze etwas von der „To do“ auf die „Was soll’s“-Liste. Wen juckt’s? Wen geht es etwas an, wenn ich ausser einem normierten Coop-Adventskranz noch keine Weihnachts-Utensilien in der Wohnung aufgestellt habe? Solange es meinen Mann und mich nicht stört, sollte uns der Rest egal sein.

Ich werde mich trotzdem weiter bemühen, meinen Haushalt einigermassen in Ordnung zu halten – im Grunde mag ich es ja auch lieber, wenn es sauber und aufgeräumt ist und man das Handy oder die Socken zum Anziehen nicht erst eine Viertelstunde suchen muss. Aber wenn viel läuft und ich an meine Grenzen komme, gebe ich mir die Erlaubnis, auch mal die Füsse hochzulegen und nix zu tun.

Gerade jetzt sollte ich waschen, bügeln oder staubsaugen (also eigentlich alles davon). Trotzdem habe ich mir die Zeit für dieses Post herausgenommen und werde mich nach der Veröffentlichung (hoffentlich) mit einer frischen Portion Energie an den Haushalt machen. Und das Schreiben hat gut getan.

Versucht es in der zweiten Halbzeit des  Advents vielleicht auch mal: Denkt daran, dass ihr nicht alles müsst, dass es neben den zwingenden „To Do’s“ auch eine ganze Menge Kandidaten für die „Was soll’s“-Liste gibt. Und dass Ihr nicht alles können müsst. Wir haben alle unsere Begabungen und Stärken, aber auch Bereiche, in denen wir nicht brillieren und es auch nicht müssen. Vielleicht können wir etwas einfach sein lassen, oder wir können jemanden um Hilfe bitten, der darin besser ist als wir.

Das menschliche Zusammenleben ist so gedacht: Wir sollen einander mit unseren individuellen Gaben unter die Arme greifen. Wenn jeder alles können und machen will, machen wir uns vor allem fertig und treiben Raubbau mit unserern physischen und psychischen Gesundheit. Wenn wir aber aufeinander zugehen, um Hilfe bitten oder sie auch mal anbieten, haben alle etwas davon.

Also: Wem kann ich helfen, ein schönes Weihnachtskärtchen zu schreiben? Ein Brief an einen Freund, dem ihr schon lange etwas Wichtiges sagen wolltet? Das Angebot ist ernst gemeint, und ihr müsst dafür nicht bei mir bügeln kommen (ausser natürlich, ihr wohnt in der Nähe und habt Lust dazu…!).

In diesem Sinne wünsche ich uns allen noch eine stressarme Adventszeit, in der wir nicht vergessen, dass wir etwas Schönes zu feiern haben: Gottes Geschenk an unsere Welt, an uns Menschen. Licht und Liebe, Frieden und Freude (Eierkuchen? Warum nicht – solange ich ihn nicht selber backen muss…!)

Bild: PixabayKürzlich habe ich trotz seines systemimmanenten Nervpotentials wieder einmal ein Facebook-Post gesehen, das mich sehr berührt hat. Dr. Johannes Hartl, katholischer Theologe und Leiter des Gebetshauses Augsburg, postete seine Gedanken zum Bild einer Frau in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Gottlos glücklich. Ein erfülltes Leben braucht keinen Glauben“, und seine Gedanken wie auch der Spruch selbst haben mich ins Sinnieren gebracht.

Der Slogan ist Teil einer Kampagne von Freidenkern und sagt im Grunde aus, dass Religion den Anspruch stellt, glücklich zu machen. Im Christentum gibt es solche Strömungen durchaus, und auch andere Religionen zielen auf das Glück ab. Dass Atheisten ebenfalls damit argumentieren, deutet darauf hin, dass auch sie die Suche nach dem Glück als Sinn und Ziel des Lebens ansehen. Aber was verstehen wir überhaupt unter Glück?

In der westlichen Welt gehört für viele Menschen zum Glück, genug Geld zu haben, um sich alles leisten zu können, was einem als „haben-muss“ angepriesen wird. Aber das Verständnis von Glück hat noch viele andere Facetten, die je nach Kultur und Persönlichkeit ganz unterschiedlich sein können.

Den Traumpartner finden.
Geliebt werden.
Kinder haben.
Berühmt sein.
Beruflich an die Spitze gelangen.
Sich erleuchtet fühlen.
Dazu gehören.
Sich von anderen abheben.

Viele dieser Wünsche klingen natürlich und verständlich. Dennoch glaube ich, dass das Streben nach Glück in dieser Form uns betrügen und auf Irrwege führen kann.

Wenn ich Glück von dem abhängig mache, was mir die Gesellschaft und die Wirtschaft dafür verkaufen, rackere ich mich wahrscheinlich für etwas ab, das leer und ohne Bedeutung ist. Dann kann ich mich sogar glücklich fühlen – so Hartl – wenn ich ausgenützt werde oder mich in einem Hamsterrad abstrample, getrieben von der Illusion, dass es mich ganz nach oben bringt. Wenn Glück für mich bedeutet, einen Partner zu haben, bin ich vielleicht bereit, bei jemandem zu bleiben, der mich misshandelt, weil Alleinsein für mich Unglück bedeutet. Manche Menschen können sich sogar glücklich fühlen, während sie andere unterdrücken und missbrauchen, solange sie damit das erreichen, was ihnen ihr Glücksgefühl beschert.

Auf einen einfachen Nenner gebracht, fühle ich mich dann glücklich, wenn ich das bekomme oder erreiche, was ich vom Leben erwarte. Ich wäre allerdings nicht der erste Mensch, der all das hat und dennoch nicht wirklich glücklich ist. Und das liegt daran, dass unser Begriff vom Glück schlicht zu kurz greift, weil wir nicht alle Ebenen unseres Wesens einbeziehen.

Während unser Körper und unsere Seele mit Gesundheit, genug zu essen und einem Dach über dem Kopf, emotionaler Zuwendung, Erfolg und Anerkennung zufrieden sein mögen, verlangt unser Geist nach etwas anderem. Dieser Geist, das glaube ich zutiefst, ist der Teil von uns, der das irdische Leben überdauert. Er wird uns immer wieder darauf hinweisen, dass wir eben nicht nur Materie sind. Wir sind, so sagte es Hartl, für mehr geschaffen als für diese 80 Jahre auf Erden.

Das Glück, wie wir es verstehen und anwenden, ist nicht die ganze Antwort. Für mich zeigt sich das auch an der Häufigkeit, in der das Wort Glück im Neuen Testament vorkommt.

Nämlich nie.

Das Christentum ist in seiner echten Form KEIN Glücksverheißer. Es steht nirgends: „Glaube an Jesus, und Du wirst glücklich.“ Dafür sagt Jesus, dass wir die Wahrheit erkennen werden und sie uns frei machen wird. Diese Wahrheit, die Jesus meint, ist zugleich das Glück, das Hartl so ausdrückt:

„Das tiefste und höchste Glück des Menschen besteht darin, zu erkennen, dass er für ‚mehr erschaffen ist als Glück‘. Dafür nämlich, seinen Schöpfer zu erkennen, der die Liebe ist. Und sich freiwillig in Liebe hinzugeben. Das ist die größte Würde und höchste Freiheit des Menschen.“

Entgegen dem unserem uralten Stolz entspringenden Zeitgeist, uns selbst nicht als Gestalter, sondern gleich als Schöpfer unseres Lebens zu sehen, liegt unser wahres Glück in unserer Verbindung und Beziehung mit Gott. Für diese Beziehung sind wir geschaffen, und das Evangelium sagt uns, dass wir diese Beziehung mit Gott durch Jesus haben können. Wenn mein Glück darauf gründet, dass ich meinen Schöpfer erkannt habe, ihm mein Leben gegeben habe und mit ihm in Beziehung stehe, gründet es auf etwas, das mich von der Jagd nach irdischem Glück befreit, mich in diesem Leben erfüllt und gleichzeitig weit darüber hinausweist.

Das heißt nicht, dass ich mir hier auf Erden nichts wünschen oder an nichts Freude habe soll. Es bedeutet auch nicht, dass ich mit einem Gefühl herablassender Gleichgültigkeit durch dieses Leben gleiten soll. Wir wurden als Menschen mit Leib, Seele und Geist geschaffen, also auch dafür, Sinnesfreuden zu genießen und die unterschiedlichsten Gefühle zu durchleben.

Ich genieße ein gutes Essen und eine gelegentliche Shoppingtour, ich arbeite leidenschaftlich an dem, was ich für meine Berufung halte, und ich freue mich und leide mit den geliebten Menschen um mich herum. Aber daran hänge ich mein Leben nicht, weil ich etwas habe, das durch nichts, was auf dieser Welt zu gewinnen oder zu verlieren ist, erschüttert werden kann.

Wir nähern uns der Adventszeit und damit der Zeit, in der wir – wenn auch weitgehend als Postskriptum im Geschenkewahn – die Geburt Jesu feiern. Wenn Du den Gedanken an ein Leben nach diesem hier ausschließt, wird Dir mein Post sinnlos erscheinen. Falls Du aber irgendwie glaubst, dass Dein Leben weitergeht, magst Du vielleicht darüber nachdenken, woran Du Dein Herz hängst und ob Du mit Blick auf all das, von dem Du Dein Glück abhängig machst, nicht am größten Schatz vorbeigehst.

Die Werbung quillt momentan über mit glitzernden Bildern voller Gold, Juwelen und Perlen. Doch die eine riesige Perle, die ein Mann im Neuen Testament in einem Acker findet, ist so unvergleichlich schön und kostbar, dass ihr Finder freudig alles verkauft, was er besitzt, um diesen Acker zu kaufen und seinen Schatz zu bergen.

An diesem Sonntag eine Woche vor dem 1. Advent erlaube ich mir für einmal, Dir ohne lakonische Sprüche und politisch-religiös korrekte Zurückhaltung von Herzen zu wünschen, dass Du diesen Schatz für Dich entdecken darfst.