Clod lach schneidLetzten Mittwoch habe ich mich ein klein wenig in unseren Bundespräsidenten verliebt.

 

Nicht wegen seines medialen Desasters vor zwei Wochen, sondern wegen dem, was an einer Verhandlung des Nationalrats zur Unternehmenssteuerreform passierte. Aber rekapitulieren wir kurz die Events der Schmach und Schande und der zumindest in meinen Augen wundersamen Auferstehung des Johann Schneider-Ammann.

Am 6. März hat sich unser Bundespräsident in der ganzen Welt einen Namen gemacht, als er am Tag der Kranken mit steinerner Miene darüber sprach, dass Lachen gesund sei. Dabei vergaß er auch nicht, in prophetischer Voraussicht zu erwähnen, dass das Lachen über andere nicht zu den guten Sorten des Lachens gehörte.

Die Videobotschaft verbreitete sich innert Kürze auf allen Kanälen und sorgte weltweit für Erheiterungsstürme, bis sogar die bekannte US-Talkshow Last Week Tonight mit Showmaster John Oliver unserem Bundespräsidenten ein paar Minuten Sendezeit widmete. Unerwartet waren Schneider-Ammanns 15 Minuten des Ruhms angebrochen – aber kaum so, wie er sich das vorgestellt hatte (wobei ich sowieso bezweifle, dass er es auf Ruhm in Form von öffentlicher Bewunderung abgesehen hat).

In den darauffolgenden Tagen wurde überall diskutiert, wie es zu dieser Kommunikationspanne kommen konnte, dann schlief das Ganze langsam ein. Herr Schneider-Ammann äußerte sich meines Wissens nicht zu dem Ganzen – bis zu jener Szene im Parlament. (Siehe Video – lässt sich leider nicht anders darstellen).

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Was war geschehen? Schneider-Ammann referierte zur Unternehmensreform, als plötzlich sein Mikro versagte. Er sah erst etwas irritiert in die Runde, dann lachte er. Das wieder zum Leben erwachende Mikrofon fing die letzten Lacher auf, worauf er trocken bemerkte: „Ça me donne la chance de rire.“ Es folgten Gelächter und Applaus im Saal, worauf er anfügte“…et ça au moment juste“. Noch mehr Applaus. Mit dem Satz „Okay. C’était une autre affaire“ schloss er das Thema ab und fuhr dann in gewohnt trockener Manier mit dem traktandierten Geschäftspunkt fort.

Ich fand das Ganze so sympathisch und gut getimt, dass ich mich kurz fragte, ob es vielleicht orchestriert war – aber wirklich nur sehr kurz, denn ich bin sicher, dass er es geplant nie so hingekriegt hätte. Diesen Moment, in dem er über sich selbst lachen konnte und damit die Sympathien auf seiner Seite hatte, habe ich Schneider-Ammann von Herzen gegönnt.

Und mir ist wieder einmal klar geworden, wie wichtig es ist, über sich selbst lachen können, und wie viel diese Fähigkeit oder Unfähigkeit über uns aussagt.

Wer über sich lachen kann, beweist, dass er sich nicht für den Nabel der Welt hält und sich nicht zu ernst nimmt. Er verfügt über eine gesunde Portion Demut, geboren aus dem Wissen, dass er nicht alles kontrollieren kann, nicht perfekt ist und es auch nicht sein muss. Aus all dem spricht Bescheidenheit, Realitätssinn und gleichzeitig ein geerdetes Selbstvertrauen.

Das Unvermögen, über sich selbst zu lachen, kann verschiedene Gründe haben. Manche Menschen sind tief traumatisiert und haben das Lachen an sich verlernt, und anderen fehlt diese gesunde Portion Selbstvertrauen. Sie fürchten das Urteil anderer, haben Angst davor, ausgelacht zu werden und sehen jedes kleine Missgeschick als Katastrophe an, über die sie beim besten Willen nicht lachen können.

Viel öfter aber  sind Unfähigkeit und Unwille, über sich selbst zu lachen, meiner Ansicht nach ein Zeichen von Stolz, Arroganz und Dünkel. Wenn wir nicht über uns lachen können, nehmen wir uns zu ernst, halten uns für etwas Besseres und wollen jeden um uns herum kontrollieren. Wer nicht über sich lachen kann, neigt auch eher dazu, eigene schlechte Eigenschaften oder Fehler zu verleugnen.

Wenn ich mir diese Liste von Eigenschaften ansehe, wird mir klar, wie wichtig es ist, dass Personen mit Macht und Führungsverantwortung, wie begrenzt sie auch sein mag – über sich lachen können. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger möchte ich jemanden an der Spitze meines Landes, meiner Region, meiner Kirche oder meines Vereins haben, der nicht über sich lachen kann. Wer sich selbst für perfekt hält und wem die Demut fehlt, eigene Schwächen zu erkennen und dazu zu stehen, der sollte meiner Meinung nach nicht führen.

Führungsverantwortung ist eine ernste Angelegenheit. Wer führt, übernimmt in erster Linie eine Bürde – ihm wird das Wohlergehen einer bestimmten Anzahl Menschen anvertraut, und damit einher gehen Autorität und Macht über diese Menschen. Ein Leiter kann und muss  Entscheidungen treffen, die das Leben anderer beeinflussen. Als Vorgesetzter muss ich jemanden entlassen, wenn er seine Arbeit nicht macht und damit nicht nur dem Geschäft schadet, sondern seinen Arbeitskollegen Mehrarbeit aufbürdet. Als Leiter eines Teams muss ich mir das Mitglied zur Brust nehmen, das das Klima vergiftet. Gleichzeitig muss ich bereit sein, mich selbst zu reflektieren. Ich darf  meine Stellung nicht dazu missbrauchen, nur meine eigenen Wünsche durchzusetzen, sondern muss  immer das Wohl des Ganzen im Auge behalten. Ohne eine Mischung aus gesundem Selbstvertrauen und Demut geht das nicht.

Wenn ich in diesen Tagen einen Blick über den Atlantik werfe, beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Irgendwie erweckt keiner der Frontrunner im amerikanischen Wahltheater den Eindruck, dass er oder sie wirklich über sich selbst lachen kann, und in Anbetracht der einflussreichen Stellung, die die USA immer noch haben, bete ich zu Gott, dass er die Wahl eines machtverliebten, narzisstischen US-Oberhaupts irgendwie abwendet.

Führe ich mir unter diesem Aspekt unseren Bundespräsidenten und den Rest der schweizerischen Regierungsmannschaft vor Augen, stimmt mich das ganz zuversichtlich. Unser politisches System bringt offensichtlich keine Narzissten und Despoten hervor, sondern pragmatische Menschen, die ihr Amt als Verantwortung und nicht als Machtstellung betrachten, die mit anderen im Team arbeiten  und – wie gerade bewiesen – über sich selbst lachen können.

Lachen ist gesund und befreit, und das Lachen über sich selbst ist etwas vom Befreiendsten, was es gibt. In diesem Sinne: Weiter so, Herr Bundespräsident!

 

Bild Claudia Zeitung V3

„Zeigen Sie mir einen einzelnen Mann oder eine Frau, und Sie werden einen Heiligen oder eine Heilige sehen. Zeigen Sie mir zwei Menschen, und sie werden sich ineinander verlieben.

Geben Sie mir drei, und sie werden das bezaubernde Ding erfinden, das wir „Gesellschaft“ nennen. Geben Sie mir vier, und sie werden eine Pyramide bauen. Geben Sie mir fünf, und sie werden einen zum Paria stempeln. Geben Sie mir sechs, und sie werden das Vorurteil neu erfinden. Geben Sie mir sieben, und in sieben Jahren erfinden sie den Krieg neu.“ – Glen Bateman in „Das letzte Gefecht“

Während unserer Zeit auf Schloss Röhrsdorf letzte Woche war harte Arbeit angesagt: Harmoniegesang üben, aufnehmen, noch einmal aufnehmen, anhören; eine neue Idee haben, üben, neu aufnehmen…and so on. Es war intensiv, hat aber auch grossen Spass gemacht – und gleichzeitig kamen interessante Gespräche mit den „Schlossherren“ zustande.

Schloss Röhrsdorf ist eine christliche Künstlerkommunität. Die Gemeinschaft führt ein Bandhotel, organisiert Konzerte und Veranstaltungen, leitet das Tonstudio „Sacred Sounds“ und tut nebenbei alles, um das ehrwürdige Schloss wieder in alter Pracht erstrahlen zu lassen (falls ich etwas vergessen habe – schaut einfach hier). Singles, Paare und Familien leben hier unter einem Dach, und das zwingt alle dazu, die Masken fallen zu lassen und sich den eigenen Schattenseiten zu stellen.

Ich lebe  nur in einer Zweierschaft, und mein Mann und ich sind beide „easygoing“.  Trotzdem kann ich der Herausforderung „Gemeinschaft“ nicht entfliehen, und eine Herausforderung ist es für jeden von uns: friedlich mit anderen zu leben, zu arbeiten und Beziehungen zu pflegen. Und so sehr wir für Gemeinschaft bestimmt sind und sie brauchen, so sehr bringt sie uns immer wieder an unsere Grenzen.

„Christus hätte sagen sollen: ‚Ja wahrlich, wo zwei oder drei von euch beisammen sind, wird irgendein anderer Typ fürchterlich eins auf die Rübe kriegen.“ – Glen Bateman in „Das letzte Gefecht“

Besonders intensiv wird Gemeinschaft, wenn wir in einen Team zusammenarbeiten und gemeinsam ein Ziel erreichen wollen. Jeder hat seine Ecken, Kanten, Verletzlichkeiten und Eigenheiten, und dieses hochexplosive Gemisch kann einem schon mal ins Gesicht explodieren. Das kann frustrierend sein, und manchmal möchte ich einfach allen anderen die Schuld geben – ICH bin schliesslich unheimlich friedfertig.  Im Grunde weiss ich aber, dass ich mit meinen Macken genauso viel zum aktuellen Klima beitrage. Deshalb will ich mich immer wieder fragen, was ich an meinem Verhalten ändern kann, um eine stärkere, authentischere Gemeinschaft möglich zu machen.

Neben der Selbstverständlichkeit, dass wir respektvoll und wertschätzend miteinander umgehen sollten, sind mir zwei Grundsätze wichtig geworden, die ich in bestehende und neue Teams und ganz allgemein in Beziehungen und das Leben in der Gemeinschaft hineinnehmen möchte.

  •  „Wehret den Anfängen“ – Konflikte sofort angehen

Ein Lieblingszitat meines Vaters und wie die meisten seiner Lieblingssprüche wahr: Konfliktherde sollten so früh wie möglich in Liebe und Wahrheit auf den Tisch kommen. Natürlich nicht in dem Moment, wo die Emotionen lodern, aber sobald sich die Gemüter beruhigt haben.

Das ist einfacher geschrieben als getan, und je nach Persönlichkeit haben wir unsere Schwierigkeiten mit diesem Grundsatz: Die Direkten unter uns haben Mühe mit der Liebe, in welcher die Botschaft vermittelt werden sollte, oder damit, den richtigen Moment dafür abzuwarten, während Harmoniemenschen wie ich sich aus Angst vor den Reaktionen scheuen, dass Thema anzusprechen, und sich gern einreden, es werde ja vielleicht von selbst besser.

Das wird es in der Regel nicht – und so entsteht aus Kleinigkeiten, die wir nicht aus dem Weg räumen, unbemerkt ein grotesker Haufen, um den wir irgendwann herumsitzen und uns fragen, wo das jetzt alles herkommt. Wenn wir das, was uns stört oder verletzt, gleich beim ersten Mal beim Namen nennen, sparen wir Zeit und Energie, die wir für unser gemeinsames Ziel einsetzen können.

  •  „Ein Raum, ein Chef, ein Auftrag“- klare Leiterschaft

Diesen knackigen Ausdruck hat die Schweizer Armee vor vielen Jahren geprägt – ich verwende ihn hier als kleine Hommage an meine zehn Jahre im VBS (für Nicht-Schweizer: Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport), aber auch, weil er für mich stimmt – und gut klingt.

Was passiert, wenn niemand die Verantwortung trägt? Entweder setzt sich ein Alphatier durch, reisst das Ganze an sich und gibt dem Team eine Richtung, die nicht zwingend die beste sein muss. Sucht niemand die Führung, werden meiner Erfahrung nach die problematischen Themen nicht angesprochen. Ausserdem werden Entscheidungsprozesse langfädig und prägnante Entwicklungen verhindert.

Natürlich ist es gut, Ziele und Strategien gemeinsam zu erarbeiten, und idealerweise findet das Team die beste Lösung. Aber Menschen sind verschieden und haben unterschiedliche Ansichten, und totale Demokratie in kleinen Teams verlangsamt und verwässert den Prozess. Es ist eine Illusion zu glauben, wenn  man lange genug über etwas redet, werden irgendwann alle zufrieden sein. Was bei solchen „Lösungen“ oft herauskommt, ist eine undefinierbare Pampe, die niemandem richtig schmeckt.

Wir sollten bereit sein, uns einem Leiter unterzuordnen und ihm das Vertrauen zu schenken, auch wenn er nicht alles weiss und alles am besten kann. In Teams im kirchlichen Umfeld sollten wir zusätzlich darauf vertrauen, dass unser Leiter Führung von oben erhält. Ich rede dabei nicht von Autoritätsgläubigkeit und schon gar nicht von einer Diktatur: Wir haben Massstäbe, an denen wir unsere Leiter messen können und sollen, und wir müssen reagieren, wenn sie sich falsch verhalten. Aber ich bin überzeugt, dass das Bekenntnis zur Leiterschaft eine Gruppe voranbringt, die Richtung eines Projekts klärt und die Vision für das Team schärft.

Ich möchte diese beiden Grundsätze künftig ernster nehmen und in allen Teams dazu beitragen, dass wir unsere Energie in die Verwirklichung unserer Projekte und die Erfüllung unserer Aufgaben stecken können und nicht auf Nebenschauplätzen unsere Kräfte verschleissen.

Und ich glaube weiterhin an die menschliche Gemeinschaft. Im Eingangszitat, das aus „Das letzte Gefecht“ von Stephen King stammt, habe ich den letzten Satz bewusst weg gelassen. Er lautet wie folgt:

„Der Mensch mag nach Gottes Ebenbild erschaffen worden sein, die menschliche Gesellschaft aber ganz sicherlich nach dem Ebenbild seines Gegenspielers, und sie will immer wieder nach Hause.“

Manchmal kommt mir das Zitat ziemlich realistisch vor – aber eigentlich weiss ich, dass das nicht wahr ist. Menschliche Gemeinschaft ist genauso von Gott gestiftet und geschaffen wie der Mensch selbst. Aus diesem Wissen nehme ich den Auftrag, anderen mit Ehrlichkeit, Liebe und Wertschätzung zu begegnen. Und als Christin füge ich dem Johannes Kap. 17 Vers 20ff. bei – den Auftrag, untereinander „eins zu werden“, damit die Welt erkennt, wer Jesus ist.

Was für Erfahrungen hast Du mit Gemeinschaft und in der Teamarbeit gemacht? Kennst Du diese „Aus-der-Haut-fahren-und-den-Bettel-hinschmeissen-wollen“-Momente?

Welche Grundsätze sind Dir wichtig geworden, und teilst Du meine Schlüsse – oder siehst Du es völlig anders? Ich freue mich auf Dein Feedback!