Am 8. Mai jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 70. Mal, und am gleichen Tag erscheint der historische Jugendroman „Gefährliche Zettel – Vom Jungen zum Mann im Dritten Reich“ von Lee Strauss, den ich ins Deutsche übersetzen durfte. Als Auftakt zu dieser Veröffentlichung stelle ich Euch in einigen Posts Menschen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs vor, zu denen ich einen besonderen Bezug habe oder die mich beeindruckt haben.
Der Countdown läuft: am 8. Mai kommt „Gefährliche Zettel“!
Schon wieder sind zwei Monate seit meinem letzten Post vergangen. In dieser Zeit konnte ich schreibtechnisch und musikalisch wieder einige Meilensteine passieren. Ende März habe ich meinen Kürzestkrimi „Ein Gehrock zum Sterben“ für eine Anthologie von Self Publishern abgegeben und bin nun sehr gespannt auf das Endresultat. Die Vorarbeiten für meinen Auftritt an den 1. Christlichen Musiktagen am 6. Juni sind angelaufen, und im März konnte ich im Rahmen meiner musikalischen Zusammenarbeit mit dem Pianisten Jürg M. Rickli erstmals zwei Gottesdienste umrahmen.
Gondeln im Nebel oder wenn die Sonne doch noch kommt
Im Herbst vor neun Jahren stand ich vor wichtigen Entscheidungen: Ich hatte die Möglichkeit, eine neue Arbeitsstelle anzutreten, wusste nicht, ob ich aus einem Verein austreten sollte und fragte mich allgemein, wohin mein Weg führte. Da ich solche Dinge am liebsten in Ruhe und mit mir allein ausmache, entschied ich mich für eine Self-Made-Retraite auf einer Alp.
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Am Freitag packte ich einen Koffer mit Freizeitklamotten, legte Bibel, Notizblock und Schreibzeug dazu, schulterte meine Gitarre und reiste mit dem Zug ins Berner Oberland. Kurz vor fünf erreichte ich die Talstation der Gondelbahn, die von Adelboden auf die Engstligenalp führt, und hob mit einer der letzten Gondeln ab.
Es war eine gespenstische Fahrt. Wie meistens um diese Tageszeit kroch der Nebel in Richtung Tal, und die Drahtseile der Gondel schienen in einem grauen Niemandsland zu verschwinden. Oben war es noch schlimmer: die Hochebene war dick in Watte gepackt, und nur der begrenzte Blick auf drei Meter Schotterweg zeigte mir, in welcher Richtung das Berghaus liegen musste. Ich zog den Koffer hinter mir her und kam schließlich heil im Hotel an.
Nach einem einfachen Abendessen beschloss ich, noch etwas spazieren zu gehen. Ich schritt in meiner winddichten Jacke über die Ebene und sah dabei wieder nichts außer ein paar Metern Boden vor meinen Füssen. Ab und zu machte ich eine Wegkreuzung aus und entschied mich aufs Geratewohl für eine Richtung, während ich mir zu merken versuchte, wie oft ich in etwa rechts und links abgebogen war.
Irgendwie gelangte ich so wieder ins Hotel zurück und machte mich daran, mich auf meine zwei Tage in der Stille vorzubereiten. Das war nötig, denn obwohl ich wusste, worum es mir dieses Wochenende ging, hatte ich keinen blassen Schimmer, wie ich das erreichen sollte. Meine Vorstellungen entsprachen der Witterung auf der Engstligenalp: dicker, weißer Nebel umhüllte alle klaren Konturen, und mittendrin tappte ich unsicher herum.
Ich setzte mich in meinem Zimmer an den einfachen Holztisch, holte Stift und Notizblock hervor, betrachtete die groben, karierten Stoffvorhänge am Fenster und ließ meine Gedanken wandern. Langsam formte sich eine Idee; ich notierte, was mir in den Sinn kam, ließ mich von der Inspiration leiten, strich zusammen, strukturierte. Am Ende hatte ich ein Wochenendprogramm, das alle Fragen behandelte, die mich beschäftigten.
Staunend blickte ich auf dieses Werk, das sich scheinbar aus dem Nichts geformt hatte. Ich wusste nicht, wie ich darauf gekommen war, aber ich war mir sicher, dass die Idee Hand und Fuß hatte. Und als ich am nächsten Morgen aufstand und die groben Vorhänge am Fenster zurückschob, sah ich, dass sich auch das Wetter angepasst hatte: ein strahlend blauer Himmel erhob sich über den grünen Hügeln und grauen Felswänden, die Sonne schien – die Welt war aus den Nebelschleiern wiederauferstanden.
Nach dem Frühstück schulterte ich meinen Rucksack, nahm die Gitarre unter den Arm und wanderte los. Ohne mich an den belustigten Blicken und Bemerkungen der Leute zu stören, suchte ich mir ein stilles, abgeschiedenes Plätzchen und begann mit meinem Programm, das ich „Licht in den Nebel“ nannte. An diesem Vormittag dachte ich über die Werte nach, die mir wichtig waren, und definierte die „Top Three“ meiner Gaben, und am Nachmittag legte ich diese Werte und Gaben wie ein Raster über meine Arbeit, meinen Dienst in der Kirche, meine Beziehungen und meine übrigen Freizeitaktivitäten, um herauszufinden, wo ich diese Werte leben und die Gaben pflegen und fördern konnte. Und wo nicht.
Am Sonntag definierte ich aus diesen Einsichten einige Entscheidungen. Ich beschloss, das Jobangebot anzunehmen und aus meinem Verein auszutreten. Dabei spürte ich deutlich, dass ich für die Entscheidung mit dem Verein momentan noch nicht bereit war. Ich gab mir Zeit bis Ende Jahr und vertraute darauf, dass ich bis dahin die nötige Kraft haben würde.
Wenn ich über dieses Weekend nachdenke, bin ich immer wieder erstaunt und begeistert, wie Gott unverhofft den grauen Nebel verdampfen lässt und einen Weg vor meine Füße legt. Das bestärkt mich darin, dass ich ihm vertrauen kann. Zu wissen, dass ich eine Entscheidung treffen musste, zu der ich noch gar nicht bereit war, war herausfordernd; die innere Spannung war schwer zu ertragen. Aber Gott arbeitete in diesen drei Monaten an meinem Inneren, bis ich Ende Jahr mit Überzeugung und einem ruhigen Herzen meine Entscheidung fällen, mitteilen und leben konnte.
Mit dem heutigen Palmsonntag beginnt die Karwoche. Sie findet ihren ersten Höhe- oder besser Tiefpunkt am Karfreitag, dem „Darkest Day“, dem ultimativen Ausdruck des Nirgendwo: Jesu Tod am Kreuz. Ihm folgt Ostersamstag, und danach dürfen wir die Auferstehung feiern. Ich freue mich dieses Jahr besonders darauf, weil ich ab und an Nebelerfahrungen mache und mehr als sonst auf Gott vertrauen muss. Doch darin liegt zugleich ein Segen – der Segen der Nähe zu Gott, die nie grösser ist als dann, wenn wir akzeptieren, dass wir aus uns heraus nicht viel zustande bringen und uns mit offenem, bereitem Herzen auf ihn ausrichten.
Eines der Dinge, die ich in letzter Zeit zustande gebracht habe, ist ein Gedicht, das ich Euch gern in diese Karwoche mitgebe. Vor allem der letzte Satz hat es mir angetan, und ich will ihn mir für alle weiteren Dürre-, Nebel- oder Notzeiten in mein Herz schreiben.
Gott vertrauen
So einfach, wenn der Weg gerade, die Sicht so gut, die Sonne mild
Doch trügerisch
Denn nach und nach vertrau ich mir – es geht ja gut.
Gott vertrauen
Wenn Nebel mir die Sicht verschleiert
Der Weg sich krümmt und Falten wirft, es waagrecht schneit
So hart und schmerzlich
und doch so schön.
Denn wenn ich keinen Schimmer habe, leuchtet Er.
Als Gott mich nicht aussprechen ließ oder: Gottes Liebe „reloaded“
Vor ziemlich genau vier Jahren hat Gott mir auf einem Spaziergang seine Liebe offenbart. Vor mir lag der Rand des Lengnauer Wäldchens, als die Spätnachmittagssonne durch die Tannenwipfel brach und mit ihren sanften Strahlen ein wunderbar überirdisches Licht auf die Hügel legte. Ich hob das Gesicht in die Sonne, und es war, als ob Gottes Liebe mich mit diesen wärmenden Strahlen bis ins Mark durchdringen würde.
Dieser Moment war der Auftakt zu einem wichtigen Prozess. Ich konnte Entscheidungen treffen, die auch meine kreative Berufung freisetzten. Was ich nicht wusste, war, dass dieses Bewusstsein für seine Liebe noch viel tiefer in mein Herz dringen musste.
Mitte dieser Woche nahm ich mir wieder einmal Zeit, um spazieren zu gehen. Ich war auf dem Weg nach Hause, als ich wie vor vier Jahren die warme Sonne auf der Haut spürte und an mein Erlebnis erinnert wurde. Erneut spürte ich die Sehnsucht nach Gottes Liebe. Als ich ihn bat, mich seine Liebe erfahren zu lassen, beschenkte er mich weit darüber hinaus. Ich begann zu verstehen, WIE seine Liebe ist, und was sie NICHT ist – und wie befreiend dieses Wissen sein kann.
Sie ist konstant und unveränderlich
Gottes Liebe für uns verhält sich nicht wie eine Aktie an der Börse. Sie schnellt nicht nach oben, wenn wir es „gut machen“, und sie sackt nicht ins Bodenlose, wenn wir Schlechtes denken, uns lieblos verhalten oder das Falsche tun. Sie ist immer gleich groß – wirklich und wahrhaftig immer.
Sie kennt kein Maß
Gottes Liebe lässt sich nicht mit einem Wert auf einer Skala bemessen, weil sie jede Skala sprengt. Sie ist maßlos, unendlich und überfließend. Sie ist wie Wasser, das aus einem sprudelnden, niemals versiegenden Bach in einem Kelch läuft, der ständig überfließt, weil so viel gar nicht hineingeht. Wir müssen keine Angst haben, diese Liebe aufzubrauchen, wenn wir uns bedürftig fühlen: dieses Fass wird niemals leer.
Sie ist zuallererst zweckfrei
Gottes Liebe ist kein zweckgebundener Budgetposten. Liebe ist Gottes Wesen, und wir sind unter anderem dazu bestimmt, von ihm geliebt zu werden. Natürlich bewirkt seine Liebe etwas in uns: Sie heilt unsere Herzen, bewegt uns dazu, anderen Liebe zu schenken, befeuert uns, für Gott einzustehen, ihm zu folgen und seinen Geboten zu gehorchen. Aber das ist nicht ihr erster Zweck, denn der liegt in der Liebe selbst.
Ich musste vor allem diesen letzten Punkt hören, und das hat Gott mir auf überraschende Art gezeigt. Als ich ihn bat, mich seine Liebe spüren zu lassen, war gerade niemand in der Nähe, und so fühlte ich mich frei, die Worte laut auszusprechen. Aber ich konnte meinen Satz nicht beenden. Ich begann mein Gebet in etwa so:
„Mein Gott, bitte übergieß mich mit Deiner unendlichen, bedingungslosen Liebe. Lass sie mich bis ins Innerste meines Herzens spüren, damit…“
Hier hat Gott sich eingemischt und salopp ausgedrückt in etwa folgendes gesagt:
„Hör endlich mit Deinem „damit“ auf.
Verstehst Du nicht, dass ich Dir meine Liebe einfach so schenke?
Wenn Du sie nur als Mittel ansiehst, um ein besserer Mensch zu werden, der das Richtige tut, oder um Heilung zu erfahren, dann hast Du mein Wesen und das Wesen meiner Liebe für Dich nur zu einem Bruchteil begriffen.
Vergiss für den Moment Deine aktuellen Kämpfe, denn darum geht es heute nicht.
Es geht um Dich und um mich.“
Gottes „Selfie“
Gott hat mir klar gemacht, dass es für unsere Beziehung wichtig ist, dass ich seiner Liebe für mich wirklich vertraue und sie verstehe. Sie ist zuerst einmal weder ein Medikament noch ein geistliches Aufputschmittel, sondern das Abbild seines Wesens. Ein modernes Gleichnis bezeichnet Jesus als Gottes „Selfie“ – das Bild, das er von sich gemacht und in unsere Herzen gelegt hat. Und auch die konstante, unwandelbare, bedingungslose, überfließende und zweckfreie Liebe ist ein solches Selfie.
In letzter Zeit sehe ich mich oft mit den Begrenzungen meines Herzens konfrontiert. Mein Unvermögen, manchmal sogar Unwillen, das Richtige zu tun, lastet auf mir, und manchmal bin ich voller Angst, dass ich Gottes Pläne torpediere. Dieser Prozess ist noch im Gang, aber auf diesem Spaziergang hat Gott mir klar gemacht, dass er die Stürme in unserem Leben aus verschiedenen Gründen zulässt und uns manchmal etwas anderes damit offenbaren will, als wir erwartet haben.
Ich dachte, dass ich schon alles über Gottes Liebe weiß. Aber ich musste einsehen, dass ich in den Zeiten, in denen alles läuft, schnell auf den Pfad des Sich-Liebe-Verdienens und der Self-Made-Erlösung zurückkehre. Erst die Erkenntnis, dass ich es allein doch nicht schaffe, lässt mich begreifen, dass Gott das längst weiß und mich dennoch liebt, weil er Liebe IST.
Er schenkt uns diese Liebe, ohne dafür etwas zu erwarten, weil er uns zuerst einmal einfach lieben will. Und er hat durch Jesus alles Nötige unternommen, damit wir in Beziehung zu ihm leben können, obwohl wir mit unseren Unzulänglichkeiten kämpfen. Wir können jederzeit zu ihm kommen und uns von seiner Liebe berühren lassen.
Und wenn wir das tun und seine Nähe suchen, müssen Angst und Furcht weichen. Sie können nicht an einem Ort überleben, der von seiner Liebe erfüllt ist.
„Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht hat Pein. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht völlig in der Liebe.“
1. Johannes 4, 18
Fällt es Dir leicht, Gottes Liebe anzunehmen? Oder überlegst Du auch oft, was für einen Output Du jetzt produzieren solltest, und bist versucht, sie nur als geistliches Aufputschmittel anzusehen, das Dir eine Motivationsspritze verleiht? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!
Leben in Freiheit versus süße Ketten oder: Fastenzeit, die zweite
Unsere Gemeinde hat gerade einen Kurs namens „Leben in Freiheit“ gestartet, an dem viele Gemeindemitglieder teilnehmen. In der Vorbereitung auf diesen Kurs fanden einige Predigten statt. Wir erfuhren, dass wir im Kurs unser „Originaldesign“ neu entdecken und uns bewusst werden sollen, welche negativen Verhaltensweisen und dahinter verborgenen Prägungen und „Festungen“ uns hindern, es zu leben.
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Von kranken Wurzeln
Diesen Festungen und Prägungen liegen kranke Wurzeln wie erlebte Ungerechtigkeit oder Liebesdefizit zugrunde, und aus ihnen resultieren faule Früchte, die sich in falschen, zerstörerischen Verhaltensweisen offenbaren. Und wie ein Baum nur gute Früchte tragen kann, wenn die Wurzel gesund ist, nützt es nichts, wenn wir nur an unserem Verhalten herumdoktern: das, was unserem Verhalten zugrunde liegt, muss ans Tageslicht gebracht werden.
Nach einer dieser Vorbereitungspredigten war ich hochmotiviert in Vorfreude auf den Kurs und darauf, endlich auszumerzen, was mir das Leben schwer macht. Wir nahmen das Abendmahl und sangen im Anschluss einige Lieder. Eines davon war „Amazing Grace“ in der Version von Chris Tomlin, und ich sang bewegt mit – bis dieser besondere Teil des Liedes an der Reihe war:
My chains are gone, I’ve been set free
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Nach diesem Satz habe ich mich statt zu singen aufs Weinen verlegt.
Nicht, weil ich mir der Ketten bewusst wurde, die noch vorhanden sind – die kannte ich bereits. Auch nicht, weil ich Gott nicht zutraue, diese Ketten zu lösen – denn das tue ich. Sondern weil ich realisiert habe, dass ein Teil von mir die Ketten gar nicht loswerden will.
Ketten können süß sein und sich schmeichelnd und fast angenehm an uns schmiegen. Sie wirken weich und bekannt und reden uns ein, dass wir mit unseren falschen Verhaltensweisen etwas bekommen, das Gott uns nicht geben kann oder geben will. Aber diese Verheißungen sind eine Lüge, und wenn wir dem Übel nicht auf den Grund gehen und an diesen Lügen festhalten, sind wir dazu verdammt, immer wieder am selben Punkt festzustecken. Wir laufen Gefahr, uns selber zu torpedieren und unser wahres Potential nicht leben zu können.
Meine Ketten, Deine Ketten
Diese Ketten und Festungen können ganz verschieden aussehen. Vielleicht fühlten wir uns als Kind unbeachtet und hatten das Gefühl, nicht so geliebt zu werden wie unsere Geschwister und versuchen heute, uns auf andere Weise abzuheben oder andere durch Manipulation zu zwingen, uns Zuneigung und Wertschätzung zu schenken. Vielleicht hat uns ein Elternteil mit Gefühlen und Problemen belastet, die wir nicht wirklich verdauen und tragen konnten, und wir haben das Gefühl, für das Wohlergehen aller zuständig zu sein. Vielleicht wurden wir auch so schwer verletzt, dass wir jedes Vertrauen verloren haben und versuchen, die Menschen um uns herum zu kontrollieren und zu beherrschen, damit uns nie mehr jemand verletzen kann.
Es scheint undenkbar, dass wir freiwillig in so einem Käfig bleiben – und doch ist es oft so. Wir haben Angst, weil die Welt außerhalb der Gitterstäbe neu und unbekannt ist. Weil wir eine Vorstellung oder eine Gewohnheit aufgeben müssen, die uns getröstet hat – einen sicheren und bewährten Umgang mit unserem verborgenen Schmerz. Aber dieser Weg ist gefährlich. Denn je näher wir dem kommen, was Gott für uns geplant hat, desto katastrophaler kann sich eine solche Festung auswirken.
„Widerborst“ in Gottes Hand
Wenn Gott seine Pläne mit uns vorantreibt und wir uns dem Punkt nähern, an dem wir für sein Reich den größten Segen und Nutzen bringen können, wird sein Gegenspieler alles unternehmen, um zu verhindern, dass wir dort ankommen. Wenn wir diese Festungen in unserem Leben nicht angehen, geben wir ihm ein wunderbares Werkzeug in die Hand, um das, was Gott so sorgfältig vorbereitet hat, zu zerstören.
Ich kenne meine zerstörerischen Verhaltensweisen und teilweise auch meine Festungen, und ich habe eine vage Vorstellung, was sie verursacht haben könnte. Manchmal finde ich es fast unmöglich, nicht zu verzweifeln oder mich zu Hause in einer Ecke zu verkriechen, damit ich keinen Schaden anrichten kann. Und wenn ich realisiere, dass ein Teil von mir sich hartnäckig weigert, frei zu werden, frage ich mich, wie es jemals gut kommen soll.
Genau dann denke ich daran, dass unser Gott grösser ist als alles, was mich behindern will, dass er den Tod überwunden und damit die Niederlage des Feindes längst besiegelt hat. Die unglaubliche Auferstehungskraft, die an Ostern offenbar wurde, schlummert in jedem, der sein Leben Christus anvertraut hat. Und Gott wird nicht ruhen, bis alles ausgerottet ist, was uns an einem freien Leben hindert.
Er kann!
Unter alldem, was mir an mir noch nicht gefällt, finde ich die eine Eigenschaft, für die ich Gott so dankbar bin: dass ich ihn selbst in meinen rebellischsten Momenten niemals bitte, mir die Qual der Zerrissenheit zu ersparen oder mich in Ruhe zu lassen. Dass ich immer wieder bete, dass er mich eben NICHT lässt – dass er nicht aufgibt, mir die Wahrheit ins Gesicht schleudert, mir meine niedrigen Motive vor Augen hält und mir die Abgründe meiner Seele präsentiert. Es ist ein erlesener Schmerz, aber ich begrüße ihn, weil ich mich nur angesichts eines solchen Schmerzes wirklich verändern will. Und dank Gott kann ich es auch.
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Im Gegensatz zum Song von Chris Tomlin ist das obige Lied nicht ganz auf der Höhe aktueller Worshipsongs – es ist eine Vineyard-Kamelle aus den Achtzigern. Aber es ist eines der Lieder, das mich sehr berührt hat, als ich frisch zum Glauben kam. Ich habe es damals mit Inbrunst und aus gutem Grund gesungen, und obwohl ich ein „Widerborst“ war, hat Gott nicht losgelassen. So singe ich diesen Song auch heute im Wissen, dass er nicht loslässt und mein Herz verändern kann – und wird.
Bist Du auch manchmal ein „Schelm“ und „Widerborst“ vor Gott? Was hilft Dir immer wieder unter seine Flügel und vor sein Angesicht zu treten? Und zur allgemeinen Erheiterung trotz Fastenzeit: Wer als erster in die Kommentare schreibt, aus welchem Film ich „Schelm“ und „Widerborst“ zitiert habe, bekommt eine Gratis-MP3 nach Wahl aus meiner CD!
Kommunikation – Glückskeks mit unbekanntem Inhalt
Kürzlich habe ich auf Facebook ein berührendes Video entdeckt. Es porträtiert einen tauben 15jährigen Jungen aus Uganda, der die Zeichensprache erlernt und dadurch erstmals mit anderen Menschen kommunizieren kann.
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Die Verwandlung eines „Incommunicado“
Am Anfang sitzt Patrick apathisch und mit abwesendem Blick zuhause. Die einzige Art, auf die sein Vater mit ihm kommuniziert, ist ein Handzeichen, wenn Patrick mit der Heugabel auf dem Feld arbeiten soll. Sonst sitzt er herum und nimmt an nichts Anteil. Wie sollte er auch? Er ist, wie Stephen King Nick Andros im Buch „Das letzte Gefecht“ beschreibt, „incommunicado“: er kann sich nicht mitteilen.
Dann besucht Patrick seine erste Lektion in Zeichensprache. Der Lehrer zeigt der Klasse Bilder von Tieren und gibt jedem ein Zeichen. Die Dinge erhalten einen Namen, und die Welt um Patrick erhält Sinn und Bedeutung. Am Ende der Lektion erhält Patrick einen besonderen Namen, den er mit seinen Klassenkameraden teilt.
Während Patrick die Bilder betrachtet und die Namen der Dinge „hört“, verwandelt er sich auf ergreifende und berührende Art. Sein Gesicht, erst staunend, dann voller Verständnis, beginnt zu leuchten und zu strahlen, als er begreift, dass jemand zu ihm spricht und er ihn verstehen kann.
Wenn ich die Ergriffenheit und Freude auf Patricks Gesicht sehe, wird mir bewusst, was für ein Geschenk es ist, dass wir mit der Welt um uns herum in Verbindung treten können – und wie einsam und verloren man sich fühlen muss, wenn man diese Möglichkeit nicht hat.
Der Schmerz, nicht verstanden zu werden
Wir können uns nicht vorstellen, wie es in dieser Welt des „incommunicado“ aussieht. Es ist eine Welt, in der die Dinge keine Namen haben, weil niemand sie uns sagt. Eine Welt, in der wir uns nicht mitteilen können, weil wir nicht wissen, wie man sich anderen verständlich macht. Wo wir keine Fragen stellen und anderen unsere Gefühle nicht begreiflich machen können, weil wir keine gemeinsame Sprache haben.
Wir können Patricks Elend nicht wirklich nachvollziehen. Trotzdem kennen wir das Problem.
Wie oft wollten wir jemanden an unserer Freude teilhaben lassen, und unser ganzer Enthusiasmus fiel in sich zusammen, weil unser Gegenüber uns nur verständnislos angesehen und dann ein lauwarmes „ach ja, schön“ von sich gegeben hat? Wie oft wollten wir unseren Schmerz ausdrücken und mussten feststellen, dass unsere Worte nicht wirklich ankamen, weil unser Gegenüber so einen Schmerz vielleicht gar nicht kennt?
Und es tat weh.
Oft stehen wir auch auf der anderen Seite, wenn wir es verpassen, auf andere einzugehen. Vielleicht hat uns ein Freund etwas Schönes erzählt, und wir haben nur einen witzigen Spruch gemacht, anstatt uns richtig mit ihm zu freuen. Oder wir haben uns den Schmerz eines Menschen angehört und lauter weise Ratschläge formuliert, anstatt den anderen einfach zu umarmen.
„Wir sind alle total verschieden!“
Wer schuld am Missverständnis ist, lässt sich nicht so einfach beantworten. Oft sind wir einfach verschieden gestrickt: ein anderer, der uns sein Problem schildert, wünscht sich wirklich eine praktische Antwort und würde irritiert zurückzucken, wenn wir ihn in den Arm nehmen wollten. Für den einen ist „coole Sache“ eine vollständig akzeptable Reaktion auf eine Freudenbotschaft, während ein anderer mindestens einen Luftsprung von einem halben Meter und einen Indianertanz erwartet.
Ich gehöre zu den reservierteren Naturen, und meine persönliche Rettung ist oft das geschriebene Wort – eine Eigenschaft, die ich sowohl mit meinem Vater als auch mit meiner Schwester teile (obwohl Schwester etwas emotionaler geprägt ist). Im persönlichen Umgang sind wir alle eher zurückhaltend, und wenn wir sicher sein wollen, dass jemand den vollen Gehalt unserer Wertschätzung und Freude erfasst, greifen wir zum Stift oder zur Tastatur.
Das hilft, aber es ist nicht immer die beste Lösung. Wenn etwas im Argen liegt, können geschriebene Worte den Schaden vervielfachen, weil das Gegenüber oft nur das wahrnimmt, was es sowieso schon denkt. Ich kenne das, weil ich selbst ein Meister in der Kunst des paranoiden Hineinlesens bin. „Wie könnte xy diesen banalen Satz auch noch gemeint haben, wenn ich dazu Vorfall und Aussage a, b und c nehme und versuche, daraus einen Sinn zu basteln?“ In Konfliktsituationen ist es besser, sich Auge in Auge gegenüberzustehen und sich das, was man loswerden will, ins Gesicht zu sagen.
Geteilte Verantwortung
Ich glaube, die Verantwortung bei der Kommunikation tragen Sender und Empfänger zu gleichen Teilen, was uns gleichzeitig entlastet und verpflichtet. Wenn ich will, dass andere mich verstehen, muss ich mich auf sie einstellen. Ich spreche oder schreibe selten zum ganzen Globus, sondern zu einer ausgesuchten Gruppe oder einer einzelnen Person. Wenn ich berücksichtige, was ich über eine Gruppe oder einen Menschen weiß, kann ich mich eher so auszudrücken, dass ich verstanden werde. Wenn jemand ellenlange Monologe nicht schätzt, kann ich ihm das, was mir wichtig ist, in etwas kürzerer Form mitteilen. Wenn mein Gegenüber emotionaler ist als ich, wird er meinen Schmerz nicht verstehen, wenn ich ihn zu trocken rüberbringe. Das habe ich im übrigen vom Lektor meines Buchs gelernt: ich hatte einige schmerzhafte Stationen meines Lebens in meiner üblichen sachlichen Art beschrieben und wurde angehalten, meine Gefühle etwas direkter zum Ausdruck zu bringen, damit sie auch bei den Lesern ankommen.
Irgendwo hört aber sowohl unsere Verantwortung als auch unsere Macht auf. Wir können nicht mehr tun, als zu versuchen, auf unser Gegenüber einzugehen und Worte zu wählen, die er oder sie verstehen kann. Was er oder sie dann am Ende daraus macht, liegt nicht mehr in unserer Hand. Und das gilt auch umgekehrt: wenn jemand uns etwas mitteilt, das uns auf 180 bringt, können wir, bevor wir eine wutentbrannte Replik formulieren, vom Grundsatz des Wohlwollens ausgehen und überlegen, ob es vielleicht gar nicht „so“ gemeint war. Wir können uns fragen, wie dieser Mensch normalerweise kommuniziert, oder wir können zurückfragen, was er uns wirklich sagen will.
Mit Patricks Geschichte im Kopf will ich es nicht mehr als selbstverständlich ansehen, dass ich mich anderen mitteilen kann, dass ich gehört und verstanden werde. Und ich will das meinige tun, um Menschen in meinem Umfeld den Schmerz zu ersparen, wenn sie das Gefühl haben, mich nicht zu erreichen oder sich mir nicht verständlich machen zu können.
Wie geht es Dir so mit der Kommunikation? Kennst Du das Gefühl, wenn Du Dich fragst, ob Du vielleicht eine unbekannte Sprache sprichst, weil Dein Gegenüber Dich verständnislos ansieht? Oder hast Du mehr Mühe, die kryptische Sprache anderer zu entziffern? Ich freue mich auf Deinen Kommentar – und daran, dass wir miteinander kommunizieren können!
„Men in Black“, die Gnade der Unwissenheit und die Magie eines Kokons
Ich bin bekennender Trekkie und der Science Fiction auch sonst nicht abgeneigt, und neben allen Erscheinungsformen von Star Trek habe ich besonderen Gefallen an der „Men in Black“-Serie gefunden. Das liegt einerseits am zerknautscht-faltigen Gesicht und der lakonischen Art von Tommy Lee Jones, der mich in der gespielten Figur „K“ sowohl optisch als auch charakterlich an unseren legendären Schweizer FDP-Politiker Franz Steinegger erinnert, andererseits aber auch daran, dass ich in diesen witzigen Filmen auch immer ein Quentchen Philosophisches finde, das mich zum Nachdenken bringt.
Die Serie von aktuell drei Filmen beginnt mit dem jungen Polizisten James Edwards (gespielt von Will Smith), der einen seltsamen Verbrecher durch News Yorks Straßen jagt und dabei die Aufmerksamkeit einer geheimen Behörde auf sich zieht. Die Organisation der „Men in Black“ kümmert sich um die Einreise, die Ausreise und den Aufenthalt von Außerirdischen auf der Erde. 1947 statteten diese der Erde erstmals einen Besuch ab und baten um politisches Asyl, und seitdem nutzen sie den Planeten als neutrales Gebiet, sozusagen ein „Casablanca ohne Nazis“, wie Agent K bemerkt. James‘ Interesse ist geweckt. Er lässt sein altes Leben hinter sich, wird zu J und macht sich zusammen mit seinem meist miesepetrigen Kumpel K erfolgreich auf die Jagd nach Aliengangstern. Hier zum Eingewöhnen ein kleiner Clip:
Die Filme leben von den lustigen, bizarren Außerirdischen, vom ewigen Geplänkel zwischen den beiden Hauptdarstellern und von spannenden Stories. Ein besonderes Highlight sind die Überwachungsbildschirme, auf denen man sieht, welche irdischen Berühmtheiten in Wahrheit Außerirdische sind (zum Beispiel Silvester Stallone, Lady Gaga, Bill Gates und Justin Bieber). Natürlich fällt auch Elvis unter diese Kategorie, oder wie K es ausdrückt: „Nein, Elvis ist nicht tot. Er ist nur wieder nach Hause gegangen.“
Im dritten Film taucht außerdem Andy Warhol als verdeckt operierender „Man in Black“ namens „W“ auf, der von seinem eigenen sphärischen Geschwätz fast Pickel bekommt. Daneben geht es um den Bösewicht Boris die Bestie, den K seinerzeit ins Gefängnis gebracht hat und der nach seinem gelungenen Ausbruch versucht, per Zeitreise die Erde zu unterjochen. J reist in die Vergangenheit und nimmt gemeinsam mit dem jungen K den Kampf gegen die Bestie auf – natürlich erfolgreich.
Besonders angetan hat es mir in diesem Film ein Außerirdischer, dem J und K auf ihrem Feldzug gegen Boris begegnen: Griffin ist ein Archanier – der letzte seiner Rasse – und hat die Fähigkeit, in die Zukunft zu blicken.
Mehr noch: er hat die Gabe (oder den Fluch, wie man es sehen will), alle überhaupt möglichen Zukunftsszenarien gleichzeitig zu sehen und erkennt bei jeder kleinen Handlung oder Entscheidung sofort, welche Realität sich nun manifestieren wird. So sitzt er am Schluss des Films an einer Kaffeetheke, sieht J und K das Lokal verlassen und bemerkt, dass kein Kleingeld auf Ks Unterteller liegt. Entsetzt realisiert er, dass in diese Fall ein Asteroid auf die Erde stürzen und alles Leben vernichten wird. Zu seiner immensen Erleichterung geht die Tür auf, K kommt zurück und legt einen Schein auf den Unterteller. Das Universum ist noch einmal davongekommen.
Ich kann mir beim Ansehen dieser Szenen lebhaft vorstellen, dass das Jonglieren mit so vielen möglichen Realitäten den armen Kerl fast in den Wahnsinn treibt. Dann bin ich dankbar, dass unsere eigene Wahrnehmung in diesem Punkt begrenzt ist und wir uns die „was wäre wenn damals“-Fragen nicht stellen müssen. Egal, ob für Gott Zeit irrelevant ist oder alles gleichzeitig stattfindet: wir leben in unserer einen Realität und Gegenwart. Sie gründet sich auf unserer Vergangenheit – auf Umständen, die uns prägten und die wir nicht beeinflussen konnten, aber auch auf Entscheidungen, die wir getroffen haben. Wo und wer wir jetzt sind, ist ein Resultat dieser Umstände, unserer Entscheidungen, und – zumindest bei mir sehe ich das – Gottes Gnade, die manchmal auch aus kläglichen Entscheidungen und Fehlern noch etwas Gutes machen kann.
Somit haben wir die Freiheit, sogar die Pflicht und Aufgabe, unser Leben allein aus unserer jetzigen Realität heraus zu leben und unsere Zeit nicht mit unnützen Spekulationen zu vergeuden.
Natürlich wären wir keine menschlichen Wesen, wenn wir es nicht dennoch täten und in schwierigen Zeiten alles rückwärts analysieren, um herauszufinden, was wir hätten anders machen sollen. Doch das raubt uns die Energie, uns der Gegenwart zu stellen und das Beste aus ihr zu machen.
Was kann uns helfen, von diesen nutzlosen Überlegungen Abstand zu nehmen? Mir hilft vor allem der Gedanke, dass Gott einen guten Plan mit uns hat und souverän ist. Egal, wie verkorkst oder schwierig meine Situation gerade ist: er hat sie im Griff. Ich stand schon öfters an Punkten, an denen ich unter selbst- oder fremdverschuldeten Umständen gelitten habe und mir nicht vorstellen konnte, wie es wieder gut werden kann. Das Wissen um den Einen, der einen guten Plan und die Souveränität hat, ihn in meinem Leben zu verwirklichen, hat mir die Kraft gegeben, die Zeit zu überstehen. Manchmal war es ein „jeden Tag einzeln hinter sich bringen“-Gefühl, aber irgendwann haben sich Situationen verändert, konnte Neues entstehen und konnten alte Wunden heilen.
Hast Du das auch erlebst und kannst das glauben?
Oder erlebst Du gerade eine Realität, die grauer Melasse gleicht – klebrig, unansehnlich und schwer und in der Lage, Dir jede Energie aus dem Körper und der Seele zu ziehen, Dich unbeweglich zu machen?
Mich ermutigt in diesen Situationen das Bild der sich verpuppenden Raupe. Ich stelle mir vor, dass dieses Tier, das gerade noch friedlich über die Erde gekrochen ist und sich genüsslich durch Blätter gefressen hat, erst nicht weiß, wie ihm geschieht. Plötzlich kann es sich nicht mehr richtig bewegen und wird in seiner Freiheit immer mehr eingeschränkt. Alles wird dunkel und still, und die Raupe denkt, das sei das Ende, weil sie sich schlicht nicht vorstellen kann, dass eine neue Existenz auf sie wartet, die die Grenzen ihres bisherigen Lebens sprengt und sie die Welt mit neuen Freiheiten erleben lässt.
Wenn Du gerade in der Melasse steckst, ist sie vielleicht Teil eines Kokons, den Du bald verlassen wirst – mit farbenfrohen Flügeln, die Dich an Orte tragen werden, die Du Dir nicht im Traum vorgestellt hast.
Aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft,
dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden,
dass sie wandeln und nicht müde werden.
Jesaja 40,31
Geburt, Transformation und der Trost eines guten Steuermannes: Gedanken zur Fastenzeit
Vor einiger Zeit habe ich ein Post über Veränderung geschrieben. Dabei habe ich den klemmenden Panzer erwähnt, der uns in solchen Zeiten auch Schmerzen bereiten kann. Inzwischen glaube ich, dass große, bahnbrechende Veränderungen in unserem Leben oft von Krisen und Schmerzen begleitet werden. Das Wissen, dass diese Phase auch ein Ende haben wird, geht dabei schon mal verloren.
Letzte Woche habe ich an ein und demselben Tag in zwei Posts befreiende, tröstende Gedanken von insgesamt drei Frauen gelesen. Es sind kostbare Erkenntnisse für dunkle Stunden, die ich heute mit Euch teilen möchte.
Wir dürfen dem Steuermann vertrauen
Der Steuermann weiß, in welche Gewässer er uns führt. Andrea Lucado erinnert in ihrem Post an die bekannte Szene im Neuen Testament, in der Jesus und die Jünger mit dem Boot auf dem See sind und in ein Unwetter geraten. Die Jünger haben Todesangst und wecken Jesus, der das Unwetter mit einem Winken seiner Hand besänftigt und sie daraufhin für ihren kleinen Glauben scheltet. Doch Andrea Lucado weist auf das hin, was vorher passiert: darauf, dass es Jesus war, der vorgeschlagen hatte, im Boot über den See zu fahren.
Jesus war Mensch, aber auch Gott. Genau so wie er wusste, wie sein Auftrag auf Erden lautete und wohin er führen würde, wusste er auch, dass ein Sturm aufziehen würde. Er hat seine Jünger bewusst auf das Boot und in diesen Sturm geführt.
Wenn wir in stürmische Gewässer kommen, neigen manche von uns dazu, sich zu fragen, wo sie „den Fehler gemacht haben“. Als Christen fragen wir uns vielleicht, ob wir unbewusst gesündigt oder nicht richtig auf die Stimme des heiligen Geistes gehört haben. Beides kann vorkommen – aber manchmal ist der Sturm nicht unsere Schuld. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Jesus das Steuer in der Hand hält und den Sturm beruhigen wird, bevor wir über Bord gehen.
Transformation heißt, den Schmerz zu begrüßen
Die Schmerzen, die große Veränderungen mit sich bringen können, sind manchmal genau so unangenehm wie körperlicher Schmerz. Deshalb versuchen wir, diesem Schmerz ausweichen. Sarah Bessey erinnert daran, dass der Zyklus aus Angst, Anspannung und Schmerz bei der Geburt den Zyklus aus Angst, Anspannung und Schmerz wiederspiegelt, den wir inmitten solcher Veränderungen erleben. So sehr es gegen unsere Intuition gehen mag: wir müssen uns in den Schmerz hineinlehnen und ihm vertrauen. Denn der Schmerz lehrt uns, dass dahinter das Leben auf uns wartet und dieser Gang durch den Schmerz ein vertrauenswürdiger Pfad zur Befreiung ist.
Wenn wir glauben, wir können nicht weiter, ist es fast geschafft
Bei der Geburt, so schreibt Sarah, kommt ein Moment, in dem du nicht mehr weiter kannst. Diesen Moment kennen wir aus größeren Projekten, aber auch in persönlichen Veränderungen und Krisen. Und genau dieser Moment, wenn wir aufgeben und die Niederlage akzeptieren wollen, markiert die Wende. Unser Wunsch und Verlangen, aufzugeben, ist das Zeichen, nachdem wir uns sehnen – das Zeichen, dass es fast vorbei, dass es fast geschafft ist.
Wir brauchen Stille und Ruhe in Zeiten der Verwandlung
Sarah schreibt, dass sie sich in den Wochen vor der Geburt oft zurückzieht von allem, was „stört“. Wenn wir um unsere „Neugeburten“ kämpfen, können wir auch das Bedürfnis haben, uns vor Fremden, vor dem grellen Licht und dem Lärm, vor dem Ungewohnten und Unvertrauten zurückzuziehen. Vielleicht sollten wir diesem Bedürfnis dann so gut wie möglich nachgeben. Dann – wie Sarah schreibt – schwebt der Geist über unserer Dunkelheit und bringt neues Leben dazu, sich von diesem Platz der Stille zu erheben. Unaufhaltsam, unerbittlich, heilig.
Der Glaube ist eine Hebamme und keine Rückenmarkspritze
Gerade in schwierigen Zeiten wünschen wir uns, dass der Glaube wie eine Rückenmarkspritze wirkt, unseren Schmerz wegnimmt und die ganze Prozedur an Veränderung zu einer leichten Angelegenheit macht. Aber so ist Glaube nicht. Glaube ist, so sagt es Brené Brown, wie eine Hebamme, die uns ins Ohr flüstert: „Presse! Es wird ein bisschen wehtun, aber du hast es fast geschafft.“
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Heute beginnt die Fastenzeit. Es ist die Zeit des metaphorischen Dunkels, die Zeit der Grabkammer und des Leichentuchs. Aber an ihrem Ende steht der Triumph neuen Lebens, der Auferstehung, der neuen Schöpfung. Ich spreche Dir und mir daher für diese Fastenzeit – egal, in welcher Form Du sie gerade persönlich erlebst – diese Zusagen aus, die ich dem bunten Strauß aus wertvollen Gedanken entnehme:
Dass ich im Unwetter stehe, heißt, nicht, dass ich etwas falsch gemacht habe:
ich darf meinem Steuermann vertrauen.
Ich weiche dem Schmerz nicht aus, weil er der Weg zur Befreiung und Veränderung ist.
Ich glaube, dass der Moment, wo ich aufgeben will, der Moment der Wende ist,
und ich weiß, dass mein Glaube mir in diesem Moment die Kraft gibt,
diesen entscheidenden Moment nicht nur zu überstehen,
sondern aktiv daran zu arbeiten,
dass ich den Übergang schaffe und zum neuen Leben durchbreche.
Wie sehr Gott an unserer Seite ist, wenn wir durch Transformation oder Krisen gehen, ist mir heute einmal mehr aufgefallen. Als ich gestern auf Pixabay nach einem passenden Bild für dieses Post suchte und nichts fand, fiel mir meine Freundin Katja Reinhard ein, die wunderschöne Akrylbilder malt. Ich besuchte ihre Website und entdeckte dabei das folgende Bilder-Duo, das es besser ausdrückt, als ich es mit Worten hätte sagen können.
Mit diesem Bild wünsche ich Euch eine gesegnete Fastenzeit!
Quelle der Bilder: www.katja-bilder.ch
Mein integrales Leben und das „Jane Austen Drinking Game“
Wie dem regelmäßigen Leser vielleicht schon aufgefallen ist, habe ich neben einer sehr ernsthaften Ader auch eine alberne Seite. Kürzlich habe ich auf Youtube einen Sketch gesehen, der sich „Jane Austen Drinking Game“ nennt und bei mir gleich zweifach gezündet hat.
Bildquelle: Pixabay
Zum einen habe ich einige ihrer Bücher mehrfach gelesen und die Filme dutzendfach geschaut und liebe sie einfach. Zum anderen ist da das Trinkspiel. Ich trinke heute gar keinen Alkohol mehr, bin aber seit meiner Zeit an der Universität Mitglied einer Studentenverbindung und habe daher noch eine nostalgische Affinität zu solchen Regeln.
Das Resultat dieser Kombi aus Jane Austen und Trinkspiel waren drei Typen, die sich „Sinn und Sinnlichkeit“ ansehen und sich beim Auftauchen bestimmter Dinge einen Schluck genehmigen mussten. Solche Dinge waren (Aufzählung unvollständig!) Klavierspiel, kleine Hunde, Rezitation von Poesie, weinen, Ausdrücke wie „esteem“ und „regard“ oder „spontane Reiterei“ (gilt nicht für Kutschen, sondern nur für Männer auf Pferden, die spontan herbeigaloppieren). Natürlich waren die Herren schon nach kurzer Zeit nicht mehr so gut beisammen, und der Schlusskommentar des einen war: „Wenn es Dir jetzt schon so geht, wirst Du ‚Stolz und Vorurteil‘ nicht überleben!“
Nachdem ich mich wie Bolle köstlich amüsiert hatte, likte ich das Filmchen auf Youtube, um kurz darauf zu sehen, dass jemand, den ich gar nicht kenne, auf Twitter einen Tweet von mir favorisiert hat. Ich konnte mich allerdings nicht erinnern, dass ich etwas getweetet hatte. Tatsächlich war es so, dass mein „Like“ auch auf Twitter kommuniziert wurde, weil ich auf Youtube eine Verlinkung zu Twitter und Google-Plus habe. Das hat mich weiter nicht gestört, aber es hat mir gezeigt, wie verzahnt all die Online-Plattformen sind. Fazit: wer heute verschiedene Seiten seiner selbst auseinanderhalten will, muss sich Online sehr in Acht nehmen.
Zum Glück will ich das nicht. Ich möchte überall derselbe Mensch sein, selbst wenn ich den einen oder anderen damit irritiere – und das ist gut möglich. Ich bin erst vor 11 Jahren zu einer glühenden Christin geworden, und manche Freunde und Bekannte aus früheren Zeiten reagieren vielleicht immer noch überrascht auf meine frommeren Facebook-Posts. Andererseits habe ich seit jeher den schrägen Humor, der auch vor Filmen wie „Life of Brian“ nicht Halt macht. Das kann dann wiederum meine Christenfreunde leicht verunsichern.
Natürlich sage und poste ich nicht ungefiltert alles, was mir einfällt. Ich sehe es als mein Recht, wenn nicht sogar meine Pflicht an, zu entscheiden, was ich öffentlich präsentiere und was nicht, und mir auch vorher Gedanken darüber zu machen, was für einen Effekt das allenfalls haben könnte. Ich lege es auch nicht darauf an, Menschen vor den Kopf zu stoßen. Aber ich möchte, dass der Mensch, der ich bin, überall erkannt wird. Ich will online, in der Kirche, in der Arbeit und Zuhause der gleiche Mensch sein – ich führe EIN Leben.
Das heißt nicht, dass ich in meinem Büro ein Riesenposter mit „Jesus liebt auch DICH“ hängen habe, sondern dass ich im Büro ein Verhalten an den Tag legen möchte, das für meinen Glauben spricht und im Einklang mit seinen Prinzipien steht. Es heißt auch nicht, dass ich meinen nicht frommen Freunden in epischer Breite von der neuen Worship-CD erzähle, die ich mir gekauft habe, aber dass sie wissen, dass mein Glaube integraler Bestandteil meines Lebens ist.
Das „Integrale“ geht natürlich auch in die andere Richtung. Es ist mir wichtig, in der Kirche auch den Menschen mitzubringen, als der ich groß geworden bin. Jeder Christ, egal, woher er kommt und wie lange er schon im Glauben unterwegs ist, bringt eine einzigartige Mischung mit. Zu meiner gehört eben, dass ich in einer Studentenverbindung bin, dass ich mir gerne „Star Trek“, Krimis und lustige Serien anschaue, dass ich einen schwarzen und manchmal albernen Humor habe, dass ich ein Eigenbrötler sein kann und meine Haushaltsführung sehr abenteuerlich ist.
Dieses „All in One“-Leben löst manchmal Fragen aus. Vielleicht steht auf jemandes „Was ein Christ lassen sollte“ etwas, das ich tue, und er wird mich deswegen als leicht zweifelhaft ansehen. Ein anderer ist vielleicht der Überzeugung, dass ein aufgeklärter, intelligenter Mensch sich nicht so absolut einem Glauben an Gott ausliefern kann. Aber für mich ist das „integrale Leben“ der einzige Weg. Ich kann und will nicht mehrere Menschen sein, und ich empfinde es als bereichernd, wenn andere auch die verschiedenen Aspekte ihrer Persönlichkeit in all ihre Beziehungen hineinlegen.
Wenn ich es aus dem Blickwinkel des Glaubens ansehe, wird es ganz einfach: meine Aufgabe als Christ ist es, Gott anzubeten. Und Anbetung heißt nicht Lieder singen oder ein Kreuz am Revers tragen: es heißt, dass mein Lebensstil auf Gott hinweist. Im Guten wie im Schlechten ist das, was bei anderen Menschen am meisten Resonanz findet und am lautesten für oder gegen den Glauben spricht, die Art, wie ich mein Leben führe.
Das wiederum kann mich einschüchtern, wenn ich mir wie so oft meine eigenen Kämpfe, Unzulänglichkeiten und Schwächen vor Augen führe. Aber Gott durch mein Leben anbeten heißt zum Glück nicht, krampfhaft zu versuchen, perfekt zu sein. Gott liebt mich auch in dem „unfertigen“ Zustand, den er jetzt vor Augen hat, und darum sollte man mir auch ansehen, dass ich mich trotz all dem, was ich selbst gegen mich ins Feld führe, geliebt fühle. Hier, jetzt, jeden Tag.
Und um das noch kurz und knackig und witzig auszudrücken, hier mein Slogan für Dich (ausgeliehen von Eckart von Hirschhausen per Facebook):
Sei wie Du bist – irgendwann kommt es sowieso raus.
P.S.: Aus meiner angeborenen Rücksicht habe ich das Video des „Jane Austen Drinking Game“ nur verlinkt. Wenn Du es Dir angesehen hast und es auch lustig fandest: vorhin habe ich noch den „Jane Austen’s Fight Club“ entdeckt. Wem’s gefällt!
Wie geht es Dir mit dem „integralen Leben“? Findest Du es schwierig, oder lässt bewusst bestimmte Aspekte Deiner Persönlichkeit „draußen“, je nachdem, wo Du bist? Oder bist Du überall „gleich, mit Schattierungen“? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!
Busy Times…!
Hinter mir liegen ein paar spannende und intensive Wochen! Der Januar stand ganz im Zeichen von „Playing with Matches“, dem historischen Jugendroman von Lee Strauss, den ich ins Deutsche übersetzt habe. Gestern konnten wir die letzten Fragen klären, und nun geht das Buch bald ins Lektorat. Das Buch erzählt die Geschichte eines deutschen Teenagers, der in Nazi-Deutschland aufwächsst, und es soll auf den 70. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai erscheinen. Ich freue mich sehr darauf! Continue reading
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