Vor kurzem habe ich erfahren, dass der Immobilienmarkt heute mit sogenannten Visualisierungsprogrammen arbeitet. Diese faszinierende Technik, die auch auf Aussenbereiche wie Parks angewendet wird, hat mich von Anfang an begeistert, dann aber noch ganz andere Gedanken in mir ausgelöst.

Was hat es mit dieser Visualisierung auf sich? Vielen Menschen fehlt es an räumlichem Vorstellungsvermögen. Wenn sie sich Bilder einer älteren Immobilie ansehen, können sie den Status quo nicht ausblenden und sehen deshalb die Möglichkeiten nicht, die in der Immobilie stecken. Eine mit Möbeln überfüllte Wohnung verdeckt den grosszügigen Grundriss; in einer anderen hängen dicke, lange Vorhänge vor der breiten Fensterfront.

Während ein Visualisierungsprogramm die Wohnung oder das Haus ins beste Licht rückt, zeigt es gleichzeitig die Veränderungs- und Erneuerungsmöglichkeiten auf. Wie sieht das Wohnzimmer jetzt aus, und wie könnte man es umbauen? Wie könnte eine neue Küche, ein neues Bad in dieser Wohnung aussehen? Welche Räume könnte man umbauen und umnutzen? 360-Grad-Bilder vermitteln einen faszinierenden Eindruck davon, wie beispielsweise aus einer biederen Endachtziger-Wohnung ein lichterfülltes, modernes Apartment entstehen könnte.

Eine vielversprechende Geschäftsidee. Doch in der Idee steckt für mich etwas noch Befreienderes und Hoffnungsvolleres, das sich auf unser Bild von uns selbst und Gottes Bild von uns übertragen lässt.

Oft sehen wir in unserem Leben nur das, was ist und das, was war – ob gut oder schlecht. Wie Kratzer im Parkett oder Flecken an den Wänden registrieren wir die Wunden und Narben, die das Leben uns zugeteilt hat. Die vielen Möbel in unserer Wohnung, die den grossen Grundriss verdecken, sind die (zu) zahlreichen Verpflichtungen oder Projekte, mit denen wir uns verzetteln und überanstrengen, ohne es zu merken. Die Vorhänge können ein Job sein, der gutes Geld bringt, aber eigentlich nicht zu uns passt und uns die freie Sicht auf unsere wahren Wünsche verdeckt. Wir haben Mühe, hinter dem Status quo zu entdecken, was in unserem Leben möglich ist.

Nicht so Gott. Er sieht hier und heute alle Optionen – auch die, die wir uns nie erträumt hätten. Er öffnet unseren Blick für das, was sein könnte, und schenkt uns damit die Kraft, die nötigen Schritte in Angriff zu nehmen. Vielleicht brauche ich eine Weiterbildung, um den Traum der Selbständigkeit zu verwirklichen. Vielleicht brauche ich eine Therapie, um Geschehenes zu verarbeiten. Vielleicht muss ich mich meiner Bitterkeit stellen und Menschen vergeben, um frei zu werden. Gott sieht es und zeigt es mir.

Das bedeutet nicht, dass ich im Status quo nicht genüge. Gott hat ein volles und herzhaftes Ja zu mir, und in diesem Wissen darf ich mich geliebt, angenommen und aufgehoben fühlen. Aber ich darf gleichzeitig glauben, dass ich mich verändern kann und soll – nicht, weil Gott noch nicht zufrieden ist, sondern weil er mich in den Menschen umgestalten will, der ich wirklich bin; in den Menschen, den er sich erdacht hat und den das Leben mit allen Dellen und Schlägen teilweise verformt, verhärtet und verwundet hat.

Gott sieht uns ganz – was war, was ist, was kommt. Er nimmt uns mit in die Zukunft, die er bereithält, wenn wir ihm vertrauen und uns durch ihn und durch die Menschen, die uns begegnen, verändern lassen. Dafür will ich offen sein. Ich entdecke immer wieder Seiten an mir, die noch nicht frei sind; die will ich Gott hinhalten und mich von ihm verändern lassen. Ich vertraue ihm, weil ich in meinem Leben die Kraft der Veränderung erkennen kann, die von ihm kommt.

Und ich will anderen als Geburtshelfer dienen. Auch in unseren Beziehungen konzentrieren wir unseren Blick oft nur auf das, was war, und das, was ist. Das hat eine gute Seite, wenn wir den anderen annehmen, wie er ist, aber es hat auch eine pessimistische. Jeder hat Verhaltensweisen, angeboren oder entstanden durch Verletzungen, die das Zusammenleben erschweren, schädigen und schlimmstenfalls Beziehungen zerstören. Wenn wir diese Verhaltensweisen einfach als gegeben betrachten, schaden wir den Beziehungen untereinander und zementieren den Status quo. Wir resignieren und sagen im Grunde, dass wir dem anderen – und damit auch Gott – nicht zutrauen, sich zu ändern.

Ich brauche Gottes Visualisierungsprogamm für mich selbst und für meine Mitmenschen. Ich will diese neue Sicht, will das, was durch ihn möglich ist, in mir und anderen Menschen sehen und an diesem Bild festhalten. Ich will andere Menschen durch mein hoffnungsvolles Bild ermutigen und freisetzen. Denn wir alle brauchen Menschen, die uns zwar annehmen, wie wir sind, die aber auch sehen, was noch werden kann.

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„Power of Hope“, Katja Reinhard

Vor einiger Zeit habe ich ein Post über Veränderung geschrieben. Dabei habe ich den klemmenden Panzer erwähnt, der uns in solchen Zeiten auch Schmerzen bereiten kann. Inzwischen glaube ich, dass große, bahnbrechende Veränderungen in unserem Leben oft von Krisen und Schmerzen begleitet werden. Das Wissen, dass diese Phase auch ein Ende haben wird, geht dabei schon mal verloren.

 

Letzte Woche habe ich an ein und demselben Tag in zwei Posts befreiende, tröstende Gedanken von insgesamt drei Frauen gelesen. Es sind kostbare Erkenntnisse für dunkle Stunden, die ich heute mit Euch teilen möchte.

Wir dürfen dem Steuermann vertrauen
Der Steuermann weiß, in welche Gewässer er uns führt. Andrea Lucado erinnert in ihrem Post an die bekannte Szene im Neuen Testament, in der Jesus und die Jünger mit dem Boot auf dem See sind und in ein Unwetter geraten. Die Jünger haben Todesangst und wecken Jesus, der das Unwetter mit einem Winken seiner Hand besänftigt und sie daraufhin für ihren kleinen Glauben scheltet. Doch Andrea Lucado weist auf das hin, was vorher passiert: darauf, dass es Jesus war, der vorgeschlagen hatte, im Boot über den See zu fahren.

Jesus war Mensch, aber auch Gott. Genau so wie er wusste, wie sein Auftrag auf Erden lautete und wohin er führen würde, wusste er auch, dass ein Sturm aufziehen würde. Er hat seine Jünger bewusst auf das Boot und in diesen Sturm geführt.

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„Tiefe Ruhe“, Katja Reinhard

Wenn wir in stürmische Gewässer kommen, neigen manche von uns dazu, sich zu fragen, wo sie „den Fehler gemacht haben“. Als Christen fragen wir uns vielleicht, ob wir unbewusst gesündigt oder nicht richtig auf die Stimme des heiligen Geistes gehört haben. Beides kann vorkommen – aber manchmal ist der Sturm nicht unsere Schuld. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Jesus das Steuer in der Hand hält und den Sturm beruhigen wird, bevor wir über Bord gehen.

Transformation heißt, den Schmerz zu begrüßen
Die Schmerzen, die große Veränderungen mit sich bringen können, sind manchmal genau so unangenehm wie körperlicher Schmerz. Deshalb versuchen wir, diesem Schmerz ausweichen. Sarah Bessey erinnert daran, dass der Zyklus aus Angst, Anspannung und Schmerz bei der Geburt den Zyklus aus Angst, Anspannung und Schmerz wiederspiegelt, den wir inmitten solcher Veränderungen erleben. So sehr es gegen unsere Intuition gehen mag: wir müssen uns in den Schmerz hineinlehnen und ihm vertrauen. Denn der Schmerz lehrt uns, dass dahinter das Leben auf uns wartet und dieser Gang durch den Schmerz ein vertrauenswürdiger Pfad zur Befreiung ist.

Wenn wir glauben, wir können nicht weiter, ist es fast geschafft
Bei der Geburt, so schreibt Sarah, kommt ein Moment, in dem du nicht mehr weiter kannst. Diesen Moment kennen wir aus größeren Projekten, aber auch in persönlichen Veränderungen und Krisen. Und genau dieser Moment, wenn wir aufgeben und die Niederlage akzeptieren wollen, markiert die Wende. Unser Wunsch und Verlangen, aufzugeben, ist das Zeichen, nachdem wir uns sehnen – das Zeichen, dass es fast vorbei, dass es fast geschafft ist.

Wir brauchen Stille und Ruhe in Zeiten der Verwandlung
Sarah schreibt, dass sie sich in den Wochen vor der Geburt oft zurückzieht von allem, was „stört“. Wenn wir um unsere „Neugeburten“ kämpfen, können wir auch das Bedürfnis haben, uns vor Fremden, vor dem grellen Licht und dem Lärm, vor dem Ungewohnten und Unvertrauten zurückzuziehen. Vielleicht sollten wir diesem Bedürfnis dann so gut wie möglich nachgeben. Dann – wie Sarah schreibt – schwebt der Geist über unserer Dunkelheit und bringt neues Leben dazu, sich von diesem Platz der Stille zu erheben. Unaufhaltsam, unerbittlich, heilig.

Der Glaube ist eine Hebamme und keine Rückenmarkspritze
Gerade in schwierigen Zeiten wünschen wir uns, dass der Glaube wie eine Rückenmarkspritze wirkt, unseren Schmerz wegnimmt und die ganze Prozedur an Veränderung zu einer leichten Angelegenheit macht. Aber so ist Glaube nicht. Glaube ist, so sagt es Brené Brown, wie eine Hebamme, die uns ins Ohr flüstert: „Presse! Es wird ein bisschen wehtun, aber du hast es fast geschafft.“

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„Er durchbricht die Dunkelheit“, Katja Reinhard

Heute beginnt die Fastenzeit. Es ist die Zeit des metaphorischen Dunkels, die Zeit der Grabkammer und des Leichentuchs. Aber an ihrem Ende steht der Triumph neuen Lebens, der Auferstehung, der neuen Schöpfung. Ich spreche Dir und mir daher für diese Fastenzeit – egal, in welcher Form Du sie gerade persönlich erlebst – diese Zusagen aus, die ich dem bunten Strauß aus wertvollen Gedanken entnehme:

 

Dass ich im Unwetter stehe, heißt, nicht, dass ich etwas falsch gemacht habe:
ich darf meinem Steuermann vertrauen.
Ich weiche dem Schmerz nicht aus, weil er der Weg zur Befreiung und Veränderung ist.
Ich glaube, dass der Moment, wo ich aufgeben will, der Moment der Wende ist,
und ich weiß, dass mein Glaube mir in diesem Moment die Kraft gibt,
diesen entscheidenden Moment nicht nur zu überstehen,
sondern aktiv daran zu arbeiten,
dass ich den Übergang schaffe und zum neuen Leben durchbreche.

Wie sehr Gott an unserer Seite ist, wenn wir durch Transformation oder Krisen gehen, ist mir heute einmal mehr aufgefallen. Als ich gestern auf Pixabay nach einem passenden Bild für dieses Post suchte und nichts fand, fiel mir meine Freundin Katja Reinhard ein, die wunderschöne Akrylbilder malt. Ich besuchte ihre Website und entdeckte dabei das folgende Bilder-Duo, das es besser ausdrückt, als ich es mit Worten hätte sagen können.

Mit diesem Bild wünsche ich Euch eine gesegnete Fastenzeit!

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„Veränderung“, Katja Reinhard

Quelle der Bilder: www.katja-bilder.ch

WasserherzDie Weihnachtswoche ist vorbei, und das Leben driftet langsam wieder in ruhigere Gefilde. Das ist ganz gut so: nach Tagen ausgiebiger Esserei und geselligen Zusammenkünften sehne ich mich programmgemäß nach Ruhe und danach, Körper und Seele eine Pause zu gönnen.

Bildquelle: Pixabay

 

Die Weihnachtsfeier bei meiner Schwiegerfamilie hat mich netterweise mit den perfekten Utensilien für diesen Zweck ausgestattet: mit einem schönen Bad aus Meersalz und Rosenblüten sowie einem Detox-Tee aus Grüntee, Mate und Grapefruit. Und während ich mich innerlich auf ein paar ruhige und reinigende Tage für meinen Körper freue, spüre ich leise, dass nicht nur er diese Prozedur nötig hat: auch mein Herz verlangt danach.

Doch bis ich seinen Ruf wahrnehme, dauert es immer etwas länger. Gerade wenn in meinem Leben viel läuft und ich von einer zu bewältigenden Aufgabe zur nächsten hetze, realisiere ich manchmal zu spät, wenn ich es schwächenden oder zerstörerischen Gedanken und Gefühlen ausgesetzt habe.

Darum möchte ich diese freien Tage nutzen, um mein Herz wieder einmal Gottes TÜV zu unterziehen. Er soll es prüfen und mir zeigen, „wie ich es meine“, mir meine wahren Motive und Gedanken vor Augen führen, damit ich die Konsequenzen ziehen kann. Ablegen, was abgelegt werden muss. Das Herz mit dem füllen, was Leben bringt.

Etwas sagt mir, dass ein wichtiges Jahr vor mir liegt – eines, in dem Weichen gestellt, Projekte vorbereitet und ausgestaltet werden, vielleicht bereits zum Abschluss kommen. Auf geheimnisvolle Art werfen diese Projekte ihre Schatten voraus, und ich spüre, dass ich das reine Herz mehr brauche als je zuvor.

Meine Pläne können noch so ausgefeilt, meine Projekte noch so sinnreich und richtig sein: wenn ich mein Herz nicht bewahre, wird nichts Gutes entstehen. In den Sprüchen heißt es, dass vom Herz das Leben ausgeht, und bei Matthäus, dass aus dem Mund fließt, was im Herzen ist. Der Schatz in unserem Herzen mündet in unsere Handlungen, und aus einem bösen Schatz kann nichts Gutes entstehen. Aus verunreinigtem Boden wächst keine gute Frucht.

Ich bin darauf angewiesen, dass Gott mir immer wieder liebevoll aufzeigt, wenn mein Herz Reinigung braucht, damit ich das, was er an Werken vorbereitet hat, nicht torpediere. Und ich rufe mir dankbar meinen Tauferneuerungsspruch in Erinnerung: er enthält ein Versprechen und eine Verheißung, in die ich mein Vertrauen setze:

„Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand,
du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich endlich in Ehren an.“
Psalm 73, Verse 23-24

Diese Zeilen ermutigen mich noch mehr, wenn ich die paar davor hinzufüge. In ihnen spricht der Autor davon, dass er sich Gott gegenüber manchmal so störrisch wie ein Maultier benimmt – und dennoch lässt Gott ihn nicht los.

Wenn ich längere Zeit in ruhigen Gewässern dahinschippere und alles wie von selbst zu gehen scheint, vergesse ich gern, dass das neben all meinem guten Willen und meinen Anstrengungen auch Gnade ist. Ich nehme es als selbstverständlich hin, dass ich fokussiert und voller Energie meine Pläne umsetze, das Gute und Richtige tue und gefährliche Strudel meide. Erst, wenn mich unvorbereitet eine Welle trifft, wird mir bewusst, wie schwach mein Gefäss ist und wie sehr ich von Gott abhängig bin.

Wenn ich an meine Pläne denke und mir dieses angreif- und verletzbare Gefäss mit seinen Wunden und Defiziten vor Augen halte, wird mir manchmal angst und bange. Ich kenne mich selbst nur zu gut – ich weiß, wo meine Schwachstellen sind und kann Gefahrenherde mit einer Intuition voraussehen, die mir manchmal selbst unheimlich ist. Dann frage ich mich, wie in aller Welt ich auf Kurs bleiben und mich auf die wichtigen Dinge konzentrieren soll.

Während mich diese Frage umgetrieben hat, bin ich auf folgende Bibelstelle gestoßen:

„Wenn Du versucht wirst, wird er Dir einen Ausweg zeigen,
so dass Du standhalten kannst.“
1. Korinther 10, Vers 13

Ich habe mich daraufhin nicht zum ersten Mal gefragt, ob Versuchung auch von Gott kommen kann – in der obigen Bibelübersetzung kommt das nicht klar heraus. Dann habe ich mein „Konkordantes Neues Testament“ zu Hilfe genommen, das zwar nicht leserfreundlich, dafür aber sehr eng am Originaltext gehalten ist. Hier heißt es wörtlich:

Und Gott ist getreu,
der euch nicht über das hinaus anfechten lassen wird, wozu ihr befähigt seid,
sondern zusammen mit der Anfechtung wird Er auch einen Ausgang schaffen,
so dass ihr sie überstehen könnt.“

Dieser kleine, aber feine Unterschied in der Formulierung bedeutet für mich, dass Gott uns nicht selbst versucht, aber zulässt, dass wir geprüft und wenn nötig geläutert werden. Und er sorgt dafür, dass es in jeder Prüfung einen Ausweg gibt.

Ich weiß, dass Gott mich für meine Schwächen nicht anklagt oder verurteilt – und weil ich das glauben kann, bin ich bereit, die dunklen Stellen meines Herzens vor ihm auszubreiten und ihn um Hilfe zu bitten. In diesen Tagen tue ich das mit meiner Version von Brian Doerksens „To the River“ und vertraue in all meiner Sorge ob meiner Unzulänglichkeiten auf seine Treue.

 

Und so kann das neue Jahr kommen.
Mit all seinem Potential und all dem, was hinter der nächsten Kurve wartet.

Was geht Dir in diesen letzten Altjahrestagen durch Kopf und Herz? Und worauf freust Du Dich?
Ich freue mich auf Deinen Kommentar – und ich wünsche Dir schon jetzt von Herzen ein spannendes, echtes, lebendiges und segensreiches 2015!

Schaf Needful

In meiner Heimatstadt fand früher jedes Jahr eine Weihnachtsausstellung statt. Die örtlichen Gewerbetreibenden und auswärtige Kunsthandwerker boten ihre Waren an, und für uns Kinder waren all die Stände mit ihrem Schmuck aus Tannenzweigen und brennenden Kerzen ein wunderbarer Vorgeschmack auf Weihnachten.

 Als ich als an einem unserer Besuche die Auslagen bestaunte,  fiel mir plötzlich eine kleine Schale aus rauem Glas auf. Ihre wunderschönen, ineinanderfließenden Farben faszinierten mich, und so kaufte ich sie mir von meinem Taschengeld. Die Schale bekam einen Ehrenplatz in meinem Zimmer, und ich liebte sie heiß und innig –  bis sie mir nach einem Besuch bei meiner besten Freundin in der Wohnung über uns im Treppenhaus aus der Hand fiel und in tausend Stücke zerbrach.

Ich war untröstlich. Weihnachten war lange vorbei, und ich hatte keine Chance, mir die Schale neu zu kaufen. Und überhaupt – es wäre nicht das gleiche gewesen.

Heute staune ich darüber, wie leidenschaftlich wir als Kinder an Gegenständen hingen und wie sehnsüchtig wir uns diese Dinge wünschten.Ob Stoffschaf, Barbiepferd oder Rosenquarz: Wir wollten „es“ unbedingt haben, und wenn wir es in Händen hielten, waren wir für einen Moment am Ziel unserer Träume. Wenn wir als Erwachsene etwas kaufen, erstehen wir oft mehr als das Produkt: Wir kaufen einen Traum, wir glauben insgeheim, dass das Produkt einen Mangel füllt und ein Ergebnis produziert, das mit dem Produkt selbst nicht immer etwas zu tun hat.

Im Stephen Kings Roman „Needful Things“ eröffnet ein fremder Geschäftsmann einen neuen Laden in einer Kleinstadt. Der gleichzeitig charmante und irgendwie unheimliche Ladenbesitzer verkauft rasch mit Erfolg die unterschiedlichsten Waren, und oft schließt er Geschäfte der besonderen Art ab: Jeder Kunde, der bei einem solchen Handel ein Produkt kauft, hat das Gefühl, seinen persönlichen „heiligen Gral“ gefunden zu haben. Doch zur gleichen Zeit, wie das Geschäft zu brummen beginnt, häufen sich in der Stadt seltsame Vorfälle. Erst sind es harmlose Geplänkel, doch dann nehmen die Konflikte zwischen Einwohnern eine neue Schärfe an und entladen sich in Gewalt. Der Sheriff der Stadt erkennt schließlich, dass die brummenden Geschäfte und seine aus den Fugen geratene Stadt zusammenhängen: der seltsame Ladenbesitzer hat seinen Kunden die Ware zu einem zweiteiligen Preis verkauft. Neben dem Geldpreis bezahlten sie mit einer Tat, die wie ein harmloser Streich aussah. Doch mit Hilfe dieser „Streiche“ wurden Menschen, deren Konflikte schon länger auf niedrigem Feuer köchelten, gegeneinander aufgehetzt, bis sich diese Streitigkeiten in einem grausigen Feuerwerk der Gewalt entluden und die Stadt beinahe zerstörten.

Der unheimliche Geschäftsmann wusste genau, was die Leute sich wünschen, und er hatte es scheinbar parat. Doch die Produkte erfüllten ihre Versprechen nicht – es waren Illusionen und Lügen, die ihren Einfluss auf die Menschen schleichend vergrößerten. Das Leben der Käufer drehte sich mehr und mehr nur noch um ihren „Schatz“ – sie fürchteten, er könnte gestohlen werden, saßen am liebsten nur damit herum und sorgten sie sich, er könnte kaputt gehen. Habgier, Eifersucht und Misstrauen nehmen einen immer größeren Platz in ihren Herzen ein, bis sie sich an die Gurgel gingen. Der Sheriff stellt schließlich den Geschäftsmann, der sich als eine Art Dämon entpuppt. Der Handlanger des Bösen muss das Weite suchen und die Seelen der Menschen, die er mit seinem Handel an sich binden wollte, zurücklassen.

Obwohl ich gegen Kaufgelüste nicht immun bin, habe ich mit der Jagd nach der nächsten Trophäe meistens kein Problem. Aber als ich mir die Geschichte von „Needful Things“ noch einmal in Erinnerung rief, fiel mir auf, dass auch die Einwohner von Castle Rock sich zuerst gar nicht nach dem Produkt sehnten, sondern nach dem, was sie damit verbanden. Da ist der Alkoholiker Hugh Priest, der mit seinem verkorksten Leben hadert. Der Fuchsschwanz im Schaufenster erinnert ihn an die Zeit, als er noch nicht süchtig war, und Hugh verknüpft mit ihm die Hoffnung auf einen Neuanfang. Cora Rusk will ihrem Leben entfliehen, das sie als langweilig und unbefriedigend empfindet, und die vermeintliche Elvis-Sonnenbrille entführt sie in einer Phantasiewelt, in der sie mit ihrem Idol vereint ist. Sally Ratcliffe wünscht sich eine tiefe religiöse Erfahrung und kauft ein Stück versteinertes Holz, das von  der Arche Noah stammen soll und in ihr eine seltsame Ekstase auslöst. Alan Pangborn leidet unter dem Verlust seiner Frau und seines Sohnes, die bei einem nie ganz aufgeklärten Autounfall ums Leben gekommen sind. Er kauft ein Videoband, das dieses Rätsel endlich lösen soll.

Wenn ich mir diese Liste anschaue, finde ich auch bei mir immer wieder Sehnsüchte oder Gedanken, die sich den ersten Platz in meinem Herzen erschleichen wollen. Das können durchaus löbliche Dinge sein – gesund essen, nicht zu viel Geld ausgeben, meine Fähigkeiten entwickeln. Aber wenn ich so etwas ins Zentrum stelle, laufe ich Gefahr, davon besessen zu sein und die Prioritäten falsch zu setzen. Im Moment muss ich meine Gedanken oft gewaltsam von meinen Schreibprojekten losreißen. Ich sehe ständig, was ich alles tun sollte, am liebsten schon vorgestern, und kann mich nicht mehr erholen, weil ich mich in einem gedanklichen Hamsterrad drehe.

Ich habe mir für die paar freien Tage deshalb vorgenommen, nicht zu viel zu wollen und die Zeit zu genießen, abzuschalten und aufzutanken. Mich zu fragen, welche Prioritäten ich im Moment habe, und ob sie so noch gesund und sinnvoll sind. Und mich regelmäßig daran zu erinnern, dass weder materielle noch ideelle Ziele jemals den ersten Platz in meinem Herzen verdienen – sondern allein Gott. Er ist auch der einzige, der meine tiefste Sehnsucht stillen kann.

Kennst Du auch solche „Drehmomente“, wo alles um ein Thema kreist, das Du nicht loslassen kannst? Was für Rezepte hast Du, um Dich davon zu lösen? Ich freue mich auf Dein Feedback!

PICT2431Letzten Freitag habe ich mich mit einer guten Freundin zum Mittagessen getroffen. Wir gehen meist in die Teigwarenfabrik Bern und tauschen über einem Teller Pasta aus, was sich in den letzten Monaten bei uns getan hat. Diese Treffen sind irgendwie immer zu kurz, aber auf eine gute Art – wir lachen, essen, teilen Freud und Leid und verabschieden uns anschließend mit einem Gefühl der Vorfreude aufs nächste Mal.

Ich weiss ziemlich gut, warum ich mich in ihrer Gesellschaft so wohl fühle: Unsere ähnlichen Vorstellungen von Beziehung entspannen ungemein. Wir können den Termin am selben Tag noch absagen, ohne das die andere eingeschnappt ist, weil wir beide das Gefühl kennen, dass einem selbst ein so erfreuliches Treffen zu viel sein kann. Wenn wir ein Mail nicht gleich beantworten, ist niemand beleidigt – dauert es sehr lange, macht sich die andere höchstens Sorgen und fragt nach, ob alles in Ordnung ist. Wir manipulieren einander nicht, benutzen einander nicht und lassen uns gegenseitig Raum.

Jeder braucht solche „Wohlfühlbeziehungen“, um sich entspannen und auftanken zu können, und könnten wir wählen, würden wir uns wünschen, dass all unsere Beziehungen so einfach sind. Im Job, in der Familie, in der Kirche oder beim Ausüben unseres Hobbys treffen wir täglich auf Menschen, die politisch, glaubenstechnisch, ernährungsphilosophisch, musikalisch oder einfach von ihrer Persönlichkeit her nicht ganz auf unserer Linie liegen und uns darum herausfordern. Die einen machen uns ungeduldig, andere nerven mit Schwarzmalerei oder mit ewiger Unzufriedenheit, und manche Menschen drücken gewollt oder ungewollt genau die Knöpfe in uns, die wir lieber nicht drücken lassen.

Ich hasse es zum Beispiel wie die Pest, manipuliert zu werden  und habe wahrscheinlich genau deswegen für solche Ansinnen ein extrem fein eingestelltes  Radargerät. Oder ist es umgekehrt, und fühlen sich die Manipulationsversuche wegen des feinen Radars einfach schlimmer an? Wann immer jemand so etwas probiert, stellen sich bei mir alle Stacheln auf, auch und gerade, wenn es unterschwellig passiert.

Die Krux ist, dass es uns kaum gelingt, Menschen auszuweichen, die uns herausfordern – manchmal scheinen wir sogar genau diejenigen anzuziehen. Aber vielleicht ist es gar keine Krux. Nach längerem Nachdenken über dieses Phänomen bin ich heute ganz froh, dass in meinem Umfeld und sogar in meinem Freundeskreis nicht alle Leute deckungsgleich sind.

Ich habe Freunde und Bekannte, die Gott nicht sonderlich interessant finden oder gar nicht an ihn glauben. Manchen gefällt meine Musik nicht besonders, weil sie andere Stile mögen. Einige sind politisch weiter links, andere weiter rechts angesiedelt. Die meisten haben – wie ich selbst – die eine oder andere nervende Eigenschaft. Trotzdem sind es Freunde, und dass sie anders sind, tut mir gut.

Sie fordern meine Weltsicht heraus. Sie zwingen mich dazu, mich in sie einzufühlen oder etwas anders herüberzubringen, damit wir einander verstehen. Und wenn sie meine Geduld oder meine Nerven strapazieren, kann ich mich in einigen der christlichen Tugenden üben und betrübt feststellen, dass ich an Nächstenliebe und Ausgeglichenheit durchaus noch zunehmen kann.

PICT2588Mein Schwager hat unser persönliches Umfeld kürzlich mit einem kleinen Gewässer verglichen, und mir gefällt dieses Bild. Ein Biotop ist etwas Lebendiges, es ist angewiesen auf die Zufuhr von frischem Wasser. Wenn kein Austausch stattfindet, kippt das Biotop, und bald ist es nur noch ein fauliger Tümpel.

 

Wenn wir uns nur mit Menschen umgeben, die alles so sehen wie wir, wenn weder neue Anregungen, noch Konflikte, noch neue Sichtweisen unser Leben aufmischen, werden wir nicht zum Wachsen herausgefordert. Und wenn ich jedes Mal ausweiche, wenn ich herausgefordert bin, gehe ich vielleicht einer notwendigen Entwicklung aus dem Weg. Die Zufuhr an frischen Ideen und anderen Sichtweisen versickert, bis ich in einem fauligen Gewässer sitze. Das kann nicht gesund sein.

Darum freue ich mich an meinem bunten Umfeld. Ich wachse dadurch, dass meine Ecken und Kanten an anderen geschliffen werden, ohne dass eine amorphe Masse entsteht. Wenn mich etwas an meinem Gegenüber nervt, will ich die Herausforderung annehmen. Wenn mich jemand kritisiert, will ich seine Worte prüfen und es als Gelegenheit sehen zu wachsen.

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Und wenn der Wellengang im Teich mal zu ruppig wird, kann ich mich ja für kurze Zeit in das warme Solebad meiner Wohlfühlbeziehungen zurückziehen und mich etwas aufpäppeln lassen – solange ich daran denke, das Bad zu verlassen, bevor ich schrumpelig an Körper, Geist und Seele bin.

Gehst Du mit mir einig, oder umgibst Du Dich lieber nur mit Menschen, die die Dinge gleich sehen wie Du? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

 

Garten 2Seit mein Mann und ich unser renoviertes Haus mit eigenem Umschwung bezogen haben, habe ich die Gartenarbeit neu entdeckt. Es bereitet mir Freude, im eigenen Boden zu buddeln und meine Pflanzen zu pflegen, auch wenn nicht jede Arbeit gleich viel Spaß macht. Bei Licht besehen, fordern viele Gartenaktivitäten ein bisschen Überwindung und Geduld.

 

Mit dem Jäten fängt es an, dieser wahren Sisyphus-Arbeit. Egal, wie oft ich lästiges Unkraut ausgrabe, erscheint es an der gleichen Stelle ein paar Wochen später wieder, als wäre nichts gewesen. Das reziproke Gartenprinzip sorgt zudem dafür, dass sich das am schnellsten verbreitet, was man am wenigsten brauchen kann. Ein Rätsel von mystischem Ausmaß sind die Steine im Blumenbeet: jedes Jahr klaube ich sie mühseligst kübelweise aus der Erde, und trotzdem  liegen sie im nächsten Jahr wieder da. Jedes Umgraben und jeder Regenguss fördern eine neue Ladung zutage – so geheimnisvoll wie die biblische Brotvermehrung, aber bei weitem nicht so amüsant.

Besser gefällt mir das Zuschneiden der Sträucher. In unserem Garten wachsen unter anderem Sommer- und normaler Flieder, Hortensien, Forsythien, ein Goldregen und eine Magnolie, und jede Sorte hat so ihre Tücken. Manche Sträucher müssen radikal zurückgeschnitten werden, weil sie sonst in den Himmel wachsen, bei anderen muss man behutsam ans Werk gehen. Beim Zuschneiden erlebe ich immer wieder, wie sich mein Blick schärft. Erst sehe ich nur ein Gewimmel von Ästen. Ich fange an, schneide einen verdorrten Ast heraus und arbeite mich weiter vor. Je länger ich arbeite, desto schneller sehe ich,  wo ein abgestorbener oder verkümmerter Ast einem gesunden den Platz wegnimmt oder eine schräge Richtung eingeschlagen hat.

Zur Schwerstarbeit gehört das Entfernen von alten Brombeerranken. Wenn mir die Zeit fehlt oder ich keine Lust habe, schneide ich die Ranken nur ab, doch dann ist innert Kürze wieder alles beim Alten – man verheddert sich in Dornen, was gefährlich für die Kleider und manchmal sogar für Hände in Handschuhen ist. Um das Zeug wirklich loszuwerden, muss man tief graben, und die Wurzel herausholen.

Seit ich mehr schreibe, ist die Gartenarbeit als kreativer Ausgleich in den Hintergrund gerückt, aber ich schätze sie immer noch sehr: ich bewege mich an der frischen Luft, die ich als Schreibsler und Stubenhocker gut brauchen kann, und ich sehe nach einem Nachmittag im Garten, was ich geschafft habe. Vor allem aber inspiriert  mich diese Arbeit auf besondere Weise und schenkt mir einen neuen Blick auf meinen Alltag und darüber hinaus.

Wenn ich die ollen Steine aus der Erde pulle und den gefühlt tausendsten Löwenzahn ausgrabe, fallen mir all die Situationen ein, in denen ich einfach treu tue, wonach mir gerade nicht ist. Im Job, im Haushalt und in meinen Beziehungen stehe ich jeden Tag vor wiederkehrenden, manchmal mühseligen Aufgaben. Wenn ich sie tue, ernte ich den wunderbaren Lohn in guten Beziehungen, einem aufgeräumten Haus, in dem man wirklich auftanken kann, und in der Zufriedenheit, wenn ich nach getaner Arbeit nach Hause gehe.

Wenn ich an einer Hortensie herumschnipple, muss ich daran denken, dass auch mein Leben und mein Charakter von Zeit zu Zeit einen Rückschnitt brauchen. Wenn ich mich verzettle, muss ich etwas herausschneiden, damit anderes Platz zum Wachsen hat. Wenn ein Charakterzug nur Negatives hervorbringt, muss ich ihn radikal entfernen. Und mit der Zeit erkenne ich schneller, wo etwas zurechtgeschnitten werden muss.

Wenn ich im Schweiße meines Angesichts versuche, an die elenden Brombeerwurzeln heranzukommen, fallen mir Verletzungen und Fehler aus der Vergangenheit ein. Manchmal muss ich harte Arbeit investieren, um loszulassen oder mir selbst zu vergeben. Doch es ist Arbeit, dies ich lohnt: wenn ich Vergangenes wirklich loslassen kann, lebe ich freier und bewusster.

Wie ich in einem anderen Post geschrieben habe, übersteigen diese inneren Reinigungs- und Aufräumungsprozesse manchmal meine Fähigkeiten: Was muss raus, was soll wachsen? Und wie schaffe ich es, Vergangenes loszulassen, ohne es einfach herunterzudrücken und mit ein bisschen Erde zuzudecken? Ich bin froh, dass ich diesen Prozess mit Gott angehen kann,  und vertraue darauf, dass Er mir zeigt, wo ich ansetzen muss.

Und wenn all diese Arbeiten getan sind, kommt im Garten wie im Leben immer wieder ein Moment, wo ich ernten kann. Wo ich mich auf meine Bank setze und die Blumenpracht genieße, und wo ich in der Rückschau erkennen darf, dass sich ein paar richtige Entscheidungen letztlich gelohnt und Früchte getragen haben.

Wie stehst Du zur Gartenarbeit – top oder Flop? Bei welcher profanen Tätigkeit überfallen Dich tiefe Einsichten? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!