Garten 2Seit mein Mann und ich unser renoviertes Haus mit eigenem Umschwung bezogen haben, habe ich die Gartenarbeit neu entdeckt. Es bereitet mir Freude, im eigenen Boden zu buddeln und meine Pflanzen zu pflegen, auch wenn nicht jede Arbeit gleich viel Spaß macht. Bei Licht besehen, fordern viele Gartenaktivitäten ein bisschen Überwindung und Geduld.

 

Mit dem Jäten fängt es an, dieser wahren Sisyphus-Arbeit. Egal, wie oft ich lästiges Unkraut ausgrabe, erscheint es an der gleichen Stelle ein paar Wochen später wieder, als wäre nichts gewesen. Das reziproke Gartenprinzip sorgt zudem dafür, dass sich das am schnellsten verbreitet, was man am wenigsten brauchen kann. Ein Rätsel von mystischem Ausmaß sind die Steine im Blumenbeet: jedes Jahr klaube ich sie mühseligst kübelweise aus der Erde, und trotzdem  liegen sie im nächsten Jahr wieder da. Jedes Umgraben und jeder Regenguss fördern eine neue Ladung zutage – so geheimnisvoll wie die biblische Brotvermehrung, aber bei weitem nicht so amüsant.

Besser gefällt mir das Zuschneiden der Sträucher. In unserem Garten wachsen unter anderem Sommer- und normaler Flieder, Hortensien, Forsythien, ein Goldregen und eine Magnolie, und jede Sorte hat so ihre Tücken. Manche Sträucher müssen radikal zurückgeschnitten werden, weil sie sonst in den Himmel wachsen, bei anderen muss man behutsam ans Werk gehen. Beim Zuschneiden erlebe ich immer wieder, wie sich mein Blick schärft. Erst sehe ich nur ein Gewimmel von Ästen. Ich fange an, schneide einen verdorrten Ast heraus und arbeite mich weiter vor. Je länger ich arbeite, desto schneller sehe ich,  wo ein abgestorbener oder verkümmerter Ast einem gesunden den Platz wegnimmt oder eine schräge Richtung eingeschlagen hat.

Zur Schwerstarbeit gehört das Entfernen von alten Brombeerranken. Wenn mir die Zeit fehlt oder ich keine Lust habe, schneide ich die Ranken nur ab, doch dann ist innert Kürze wieder alles beim Alten – man verheddert sich in Dornen, was gefährlich für die Kleider und manchmal sogar für Hände in Handschuhen ist. Um das Zeug wirklich loszuwerden, muss man tief graben, und die Wurzel herausholen.

Seit ich mehr schreibe, ist die Gartenarbeit als kreativer Ausgleich in den Hintergrund gerückt, aber ich schätze sie immer noch sehr: ich bewege mich an der frischen Luft, die ich als Schreibsler und Stubenhocker gut brauchen kann, und ich sehe nach einem Nachmittag im Garten, was ich geschafft habe. Vor allem aber inspiriert  mich diese Arbeit auf besondere Weise und schenkt mir einen neuen Blick auf meinen Alltag und darüber hinaus.

Wenn ich die ollen Steine aus der Erde pulle und den gefühlt tausendsten Löwenzahn ausgrabe, fallen mir all die Situationen ein, in denen ich einfach treu tue, wonach mir gerade nicht ist. Im Job, im Haushalt und in meinen Beziehungen stehe ich jeden Tag vor wiederkehrenden, manchmal mühseligen Aufgaben. Wenn ich sie tue, ernte ich den wunderbaren Lohn in guten Beziehungen, einem aufgeräumten Haus, in dem man wirklich auftanken kann, und in der Zufriedenheit, wenn ich nach getaner Arbeit nach Hause gehe.

Wenn ich an einer Hortensie herumschnipple, muss ich daran denken, dass auch mein Leben und mein Charakter von Zeit zu Zeit einen Rückschnitt brauchen. Wenn ich mich verzettle, muss ich etwas herausschneiden, damit anderes Platz zum Wachsen hat. Wenn ein Charakterzug nur Negatives hervorbringt, muss ich ihn radikal entfernen. Und mit der Zeit erkenne ich schneller, wo etwas zurechtgeschnitten werden muss.

Wenn ich im Schweiße meines Angesichts versuche, an die elenden Brombeerwurzeln heranzukommen, fallen mir Verletzungen und Fehler aus der Vergangenheit ein. Manchmal muss ich harte Arbeit investieren, um loszulassen oder mir selbst zu vergeben. Doch es ist Arbeit, dies ich lohnt: wenn ich Vergangenes wirklich loslassen kann, lebe ich freier und bewusster.

Wie ich in einem anderen Post geschrieben habe, übersteigen diese inneren Reinigungs- und Aufräumungsprozesse manchmal meine Fähigkeiten: Was muss raus, was soll wachsen? Und wie schaffe ich es, Vergangenes loszulassen, ohne es einfach herunterzudrücken und mit ein bisschen Erde zuzudecken? Ich bin froh, dass ich diesen Prozess mit Gott angehen kann,  und vertraue darauf, dass Er mir zeigt, wo ich ansetzen muss.

Und wenn all diese Arbeiten getan sind, kommt im Garten wie im Leben immer wieder ein Moment, wo ich ernten kann. Wo ich mich auf meine Bank setze und die Blumenpracht genieße, und wo ich in der Rückschau erkennen darf, dass sich ein paar richtige Entscheidungen letztlich gelohnt und Früchte getragen haben.

Wie stehst Du zur Gartenarbeit – top oder Flop? Bei welcher profanen Tätigkeit überfallen Dich tiefe Einsichten? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!