ehrgeiz„Das klingt ein bisschen gequält.“

Diesen Kommentar meines Mannes bekam ich letztens zu hören, nachdem ich als Vorbereitung auf ein Konzert aus vermeintlich voller Brust einen meiner Songs herausgeschmettert hatte. Im Anschluss leitete er mir freundlicherweise die Tipps seines Chorleiters weiter, wie ich meine Resonanzräume öffnen könne.

Ich gebe es ungern zu, aber im ersten Moment war ich eine winzige Kleinigkeit „angebiselt“. Schliessich bin ICH in unserem Haushalt die semi-professionelle Sängerin und habe jahrelangen Gesangsunterricht genossen. Frei nach Trappatoni: „Was erlauben Mann?“

Ich habe dann der beleidigten Leberwurst in mir mit einem giftigen Kommentar à la „Ach, ein halbes Jahr im Chor und schon der grösste Besserwisser“  Tribut gezollt. Nach dieser kleinen Ventil-Aktion fragte ich aber genauer nach, und es entspann sich eine hilfreiche Diskussion. Ich nahm mir vor, wieder mehr an meiner Technik zu arbeiten – schliesslich will ich noch besser werden.

Abgesehen davon, dass  mir diese heitere Episode gezeigt hat, wie empfindlich man  reagieren kann, wenn man kritisiert wird, hat mich das Ganze zu einer anderen Frage geführt:

Ist es gesund, immer besser werden zu wollen?

Ich glaube, der Drang nach Perfektion und Exzellenz ist dem Menschen von Natur aus gegeben, und wenn man in einem Bereich etwas Besonderes erreichen will, ist eine gewisse Besessenheit ganz nützlich. Dennoch ist dieser Drang ein zweischneidiges Schwert – gerade, wenn der Vergleich hinzukommt.

Die Forderung nach Leistung gehört zu unserer Gesellschaft, und da Erfolg oft mit der „besten Leistung“ gleichgesetzt ist, gerät die Frage nach meiner Leistung in Beziehung zu der von anderen in den Vordergrund. Mir fallen in letzter Zeit zwei entgegengesetzte Philosophien ins Auge, wie man ungesund mit diesem Drang nach Leistung und Vergleich umgehen kann.

Die erste, die Ausweichtaktik, nenne ich nach einer Folge von „How I met your mother“ einmal „Pokale für alle“. Erziehungsphilososophisch wird aus dieser dem olympischen Gedanken abgeguckten Idee, dass mitmachen alles ist, die Haltung, dass schon das Auftauchen belohnt zu werden hat und dass nichts, was ein Kind oder Jugendlicher tut, bewertet werden darf. Was immer es tut, ist toll. Dummerweise läuft es so später nicht. Wenn ich eine Ausbildung abschliessen will, muss ich das vorgegebene Niveau erreichen – schliesslich will niemand einen Arzt oder Handwerker, der herumpfuscht (nicht, dass es das nicht geben würde). Wenn wir Kindern mitgeben, dass jede ihrer Aktionen in sich genial und sie über jeden Zweifel erhaben sind, generieren wir zukünftigen Frust auf allen Seiten. Der Moment wird nämlich kommen, wo es eben nicht reicht, dass sie „da waren“, sondern wo zu Recht eine bestimmte Leistung von ihnen erwartet wird.

Die andere Seite der Medaille ist die Aufzucht von gnadenlosen Konkurrenzkämpfern. In den Augen mancher Eltern genügt es nicht, wenn ihr Kind die Bestnote macht – der Hauptkonkurrent um den Spitzenplatz sollte wenigstens einen halben Punkt darunter liegen oder noch besser die Prüfung versemmelt haben. So ein Kind betrachtet irgendwann alle anderen als Rivalen am Futtertrog und wird erst dann mit sich  zufrieden sein, wenn niemand anderes besser ist. Aber was passiert, wenn so ein Highperformer sein Ziel nicht erreicht,  weil es – seien wir realistisch – immer irgendwo jemand Besseren gibt? Wenn er plötzlich von der Spitze verdrängt wird? In diesem Weltbild ist jeder Abstieg vom höchsten Platz eine schändliche Niederlage und ein vernichtender Stoss. Wenn ich alles, was ich bin, davon abhängig mache, dass ich zuoberst stehe, kann ich nur verlieren.

Das Problem und die Grundlage für beide falschen Philosophien liegt für mich in der Verknüpfung von Leistung und Wert des Menschen.

Wer seinen Wert von seiner Leistung abhängig macht, wird entweder aufgeben, sich jeder Kritik und Konkurrenz entziehen oder ohne Rücksicht auf Verluste verbissen für seinen Erfolg schuften und dabei alle anderen als Konkurrenten sehen und gnadenlos plattwalzen. Diese Verknüpfung kann also nur  Aufgeblasenheit oder Minderwertigkeitsgefühle hervorbringen.

Nur wer seinen Wert aus einer anderen Quelle bezieht, kann befreit nach den Sternen greifen, etwas riskieren und sich Kritik aussetzen, weil er weiss, dass er der gleiche, wertvolle Mensch ist und bleibt – egal, wie gut oder schlecht er mit dem, woran er gerade bastelt, abschneidet. Diesen Wert jenseits meiner Leistung und auch jenseits der Liebe und Anerkennung von anderen Menschen, von der wir uns auch nicht bestimmen lassen sollten, gibt es nur bei Gott. Und wenn ich ihn dort habe, kann mich nicht mehr so viel erschüttern.

Nicht einmal die berechtigte Kritik meines Göttergatten. Deshalb singe ich auch heute wieder befreit vor mich hin – und versuche, meine Resonanzräume mehr zu öffnen.

 

 

 

 

 

Seit ich vor bald drei Jahren mit dem Bloggen angefangen habe, warte ich auf den richtigen Moment für diese Story. Ich werde wohl nie die perfekten Worte finden; trotzdem sollt ihr heute erfahren, warum ich seit 5 Jahren keinen Alkohol mehr trinke.

Die Antwort ist simpel:  Ich trinke nicht, weil ich nicht mit Alkohol umgehen kann. Bis zu dieser Einsicht brauchte ich allerdings 20 Jahre und mehr grenzwertige Erlebnisse, als mir lieb ist.

Dabei begann meine nähere Bekanntschaft mit Alkohol relativ spät: Den ersten Rausch hatte ich kurz nach meinem zwanzigsten Geburtstag an einem so harmlosen Event wie dem Pfadfindermaskenball. An der farbig geschmückten Bar gab es auf die ersten Drinks einen Rabatt, und ich begann die Party fröhlich mit einem Prosecco, gefolgt von einem Eierlikör – das sollte Kennern genug über meinen Greenhornstatus sagen.

Der Abend nahm seinen Lauf, an den ich mich nur verschwommen erinnere, und irgendwann brachte mich ein verantwortungsvoller Pfadfinderkollege nach Hause. Ich verbrachte den nächsten Tag im Bett, unterbrochen mit Abstechern ins Badezimmer und jammervoll-verkaterten Schwüren, dass ich nie mehr so viel trinken würde.

Im Herbst des gleichen Jahres fing ich an der Uni an, und im darauffolgenden Sommer trat ich einer Studentenverbindung bei, bekanntermaßen kein gutes Umfeld für Leute, die mit dem Alkoholkonsum ein Problem haben. Das trinkfreudige Umfeld verschleiert die Grenzen zwischen Leuten, die exzessiv feiern, und latenten Alkoholikern. Und bei mir war es nun mal so, dass ich meistens nicht wusste, wann genug war. Es konnte gut gehen – oder auch nicht.

Es mussten sieben Jahre mit etlichen Beinahekatastrophen (zum Beispiel zwei Rippenbrüchen und eine Gehirnerschütterung) vergehen, bis mir zum ersten Mal dämmerte, dass es eben NICHT geht. 1999 schwor ich dem Alkohol ab, war zweieinhalb Jahre abstinent und fühlte  mich pudelwohl. Dann fanden Freunde, dass ich nach all der Abstinenz mein Problem sicher ausgewachsen hätte und jetzt „normal“ trinken könnte. Ich beschloss, es sei einen Versuch wert, und es ging eine Weile gut. Dann kam irgendwann der erste Ausrutscher, dann weitere, und  innert Kürze war alles wie gehabt.

Dabei trank ich nicht täglich Alkohol, und obwohl ich in Gesellschaft auch aus Schüchternheit gern zu einem beruhigenden Glas griff, konnte ich gut auf Alkohol verzichten. Doch sobald ich welchen trank, war das Ende ungewiss. Viel zu oft schien ein Schalter in meinem Hirn durchzuschmoren, und ich wollte einfach noch ein Glas und noch eins – bis zum bitteren Ende.

Das Schlimmste am Ganzen war für mich und die Menschen, die mir am nächsten standen, dass ich unter Alkoholeinfluss ein anderer Mensch war. Ich war keinem vernünftigen Argument zugänglich, und es war mir plötzlich egal, was ich mir im nüchternen Zustand vorgenommen hatte. Ich war ausgelassen und fröhlich, solange ich weitertrinken konnte, und reagierte giftig und aggressiv, wenn jemand mich daran hindern wollte.  Und wenn die Voraussetzungen ungünstig waren und niemand da war, um mich vor mir selbst zu beschützen, tat ich Dinge, an die ich mich am nächsten Tag kaum erinnern konnte, für die ich mich aber zutiefst schämte.

Als ich gläubig wurde, löste sich das Problem nicht in Luft auf, aber in den folgenden Jahren setzte ich mich intensiv mit der Alkoholfrage auseinander.  Mir wurde immer bewusster, dass ich unter Alkoholeinfluss nicht der Mensch war, der ich sein wollte, und dass mein Trinken diesen Menschen  erstickte und am Blühen hinderte. Zwischen 2004 und 2011 nahm ich deshalb mehrere Anläufe für ein abstinentes Leben, die ich alle wieder abbrach.

Und dann kam der 15. Mai 2011.

Ende Dezember 2010 hatte ich wieder einmal eine abstinente Phase unterbrochen. Am 22. Januar 2011 war ich 40 geworden, und in den Monaten bis zum Mai hatte mein Konsum wieder deutlich zugenommen. An diesem Sonntagnachmittag trank ich in unserem Wintergarten nach einer Musikprobe ein Bier, und als es leer war, packte mich der körperliche Drang zu trinken mit einer Kraft, die mir eine unglaubliche Angst einjagte. Ich ging spazieren, um auf andere Gedanken zu kommen, aber es half nichts. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich das nicht mehr wollte. Nie mehr wollte.

abstinenz 2Ich stellte das Trinken ein und vereinbarte ein Gespräch mit unserem Gemeindeseelsorger. Am 7. Juni 2011 erzählte ich ihm meine Geschichte, und er bestärkte mich in  meinem Entschluss, wofür ich ihm bis heute dankbar bin. Am selben Tag unterzeichnete ich eine Enthaltsamkeitsverpflichtung, die ich seither immer bei mir trage. Sie war meine Art, alle Brücken hinter mir abzubrennen; ein Versprechen an Gott, von dem ich wusste, dass ich es nicht brechen würde.

Trotz fünfjähriger Abstinenz sehe ich mich heute nicht als geheilt an. Das, was die Sucht in mir auslöst, ist wahrscheinlich noch da. Aber ich schäme mich nicht, weil ich nicht trinken kann – entgegen der Annahme derer, die das Problem nicht haben, ist kontrolliertes Trinken in so einem Fall nichts, was man mit Willenskraft hinkriegen kann. Der Alkohol ist mein „Stachel im Fleisch“ – etwas, das ich nicht beherrschen kann und das mich daran erinnert, dass ich in einem bestimmten Punkt schwach bin. Es hat eine Portion Demut gebraucht, mir diese Schwäche einzugestehen, aber gerade aus dieser Demut wächst Freiheit: Die Freiheit, mich für ein Leben „ohne“ zu entscheiden.

Ich bin zutiefst überzeugt, dass Gott jede Krankheit heilen und jede Einschränkung auflösen kann, aber ich habe aufgehört, mir diese Art Befreiung zu wünschen. Ich akzeptiere meinen Stachel in der Gewissheit,  dass es so genau richtig ist. Natürlich wäre es manchmal angenehmer, das tun zu können, was andere tun, und nicht aus dem Rahmen zu fallen. Aber ich sehe es als meine Aufgabe an, offen zu meiner Schwäche zu stehen.

Wir alle haben Beschränkungen – manche werden von der Gesellschaft als Krankheit angesehen, manche nicht; manche werden sogar als Tugenden gefeiert. Doch keine davon sagt etwas darüber aus, wer wir sind und wieviel wir wert sind. Und manchmal verherrlicht sich Gott durch unser Zeugnis, indem wir unseren Stachel tragen, damit zeigen, dass wir in dieser Hinsicht „anders“ oder schwach sind, und uns dennoch geliebt und wertvoll fühlen.

Natürlich ist Abstinenz ab und zu herausfordernd.  Ich kann Stress nicht abdämpfen und kann mich an Events nicht „locker machen“, was für mich früher sehr wichtig war. Und wenn der Pegel an Feuchtfröhlichkeit den Punkt überschritten hat, an dem es auch für Nüchterne lustig ist, kann es nerven. Aber das alles sind Peanuts – ich sehe heute, wie mich die Abstinenz in 5 Jahren verändert und befreit hat, und bin unglaublich dankbar. Ich habe meine Berufung gefunden, lebe ungefährlicher, bin gesünder, ausgeglichener und selbstbewusster.

Italia Pfi 1Dieses Wochenende war ich mit Freunden in Italien. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen, und während die anderen Weingüter besuchten und die aktuellen Ripassos und Amarones testeten, habe ich Spaziergänge durch die wunderschöne Landschaft, ein paar schöne Fotos und bei Bedarf ein Nickerchen im Gras gemacht. Und in den Momenten, wo mich das Ausgeschlossen sein belastet, denke ich an Philipper 4.13.

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„Und auf dass ich mich nicht durch die Überschwänglichkeit der Offenbarungen überhebe, wurde mir ein Dorn für das Fleisch gegeben, ein Engel Satans, auf dass er mich mit Fäusten schlage, auf dass ich mich nicht überhebe. Für dieses flehte ich dreimal zum Herrn, auf dass er von mir abstehen möge. Und er hat zu mir gesagt: Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht. Daher will ich am allerliebsten mich vielmehr meiner Schwachheiten rühmen, auf dass die Kraft des Christus über mir wohne. Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten, an Schmähungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Ängsten für Christum; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“

Italia Pfi 5

Leidest Du auch unter etwas, das Dich einschränkt? Hast Du ähnliche Erfahrungen, die Du teilen möchtest? Dann freue ich mich auf Deinen Kommentar. Und wenn Dich etwas Ähnliches quält, das Du hier nicht ausbreiten möchtest, kannst Du mir auch eine E-Mail schicken.

Heute ist Muttertag, und da ich keinen Anspruch darauf habe, deshalb gefeiert zu werden, stimme ich ein in den Lobgesang auf die Mütter.

Sie haben es nicht leicht – heute genauso wenig oder noch weniger als früher. Von allen Seiten hören sie, wie man es machen sollte, und jeder weiss es besser. Selbst ich als Kinderlose kriege über Posts von befreundeten Bloggerinnen mit, was für Grabenkämpfe ausgetragen werden, und bei all den Ideologien, die da aufeinanderprallen, grenzt es an ein Wunder, dass noch nie ein offener Krieg ausgebrochen ist.

Ob, wie lange und wo gestillt wird, ob man zu Hause bleibt oder auch auswärts arbeitet – diese Fragen entscheiden für manche Menschen darüber, ob eine Frau eine gute Mutter ist und ob sie die richtigen Prioritäten setzt. Und wie beim Schweizer Militär, wo sich jeder, der mal Dienst geleistet hat, für einen Experten hält, glaubt auch jeder, zur Erziehung fremder Kinder sein Scherflein beitragen zu können. Jede Mutter wird in der Öffentlichkeit begutachtet und kostenlos, unaufgefordert und aufdringlich beraten.

Aber seien wir mal ehrlich: Was ist wirklich wichtig? Woran erinnern wir uns heute, wenn wir an unsere Mütter denken?

Ich glaube, ich wurde gestillt, aber erinnern kann ich mich daran nicht. Meine Mutter war die ersten Jahre zuhause, und ich fand es schön, dass sie da war, wenn ich nach Hause kam – ausser an dem Tag, als ich auf dem Nachhauseweg getrödelt und mich eine halbe Stunde zum Mittagessen verspätet habe, worauf ich von meiner Mutter, die mich vor ihrem inneren Auge schon unter den Rädern eines Autos gesehen  hatte, ein riesiges Donnerwetter zu hören bekam.

Ich glaube, am Ende zählen diese Fragen weit weniger, als wir uns vorstellen. Wenn ich an das Wichtigste denke, was meine Mutter mir mitgegeben hat, brauche ich nicht lange zu suchen. Es war die eine Gewissheit, die ich aus dem, was sie mir weitergegeben hat, verinnerlicht habe.

Ich bin geliebt. So wie ich bin. Immer.

Hat sich meine Mutter nie über mich aufgeregt? Na und ob! Ich war ein ruhiges, introvertiertes Kind, aber ich hatte ein paar nervöse Ticks auf Lager wie auf den Oberschenkeln herumtrommeln, laut pfeifen und andere Freuden, und ich habe ab und zu den Satz gehört, ich solle doch bitte „normal tun“. Dennoch wusste ich immer, dass sie mich annimmt, wie ich bin. In den kritischen Teenagerjahren, in denen ich so gern super beliebt gewesen wäre und gleichzeitig einfach sein wollte, wie ich bin (was zusammen irgendwie nicht funktionierte), hat sie mir immer wieder geduldig eingetrichtert, dass ich so völlig in Ordnung bin. Dass ich wertvoll bin.

Es gibt, so habe ich auf Facebook gelesen, nur eine Art, eine perfekte Mutter, aber tausende von Arten, eine gute Mutter zu sein. Für mich ist die gute Mutter nicht die, die dies oder jenes tut oder sein lässt. Es ist die, die ihre Kinder spüren lässt, dass sie sie liebt, wie sie sind.

Liebe Mütter, lasst Euch nicht verrückt machen. Ihr tut ein wichtiges Werk; eines der wichtigsten überhaupt. Lasst Euch heute feiern, wenn Ihr könnt. Und wenn Ihr niemanden habt, der Euch heute feiert – feiert Euch selbst und nehmt auch meine guten Wünsche an.

Und liebe „Kinder“ (denn das bleiben wir für unsere Mütter ja immer): Gedenkt heute Euren Müttern. Erinnert Euch an das Wertvolle, an die schönen Erinnerungen, an das, wofür Ihr dankbar seid. Vergebt Ihnen das „andere“. Und wenn Ihr das Glück habt, das Eure Mutter noch lebt: Lasst sie wissen, dass Ihr dankbar seid, am besten persönlich. Ihr wisst nicht, wieviel Zeit Ihr dafür noch habt.

Ich habe geschrieben, Ihr sollt das „andere“ vergeben – im Wissen, dass alle Menschen Fehler machen und jede Kindheit Erfahrungen mit sich bringt, auf die man gern verzichtet hätte. Ich denke daher auch an die unter Euch, die nicht viel haben, für das sie dankbar sind und deren Kindheit vor allem durch negative Erfahrungen geprägt sind: Lasst Euch von diesem Tag nicht niederdrücken, und lasst Euch kein schlechtes Gewissen auferlegen, wenn Ihr nicht (oder noch nicht) vergeben könnt. Streckt Euch danach aus, da Vergeben können vor allem uns selbst befreit; aber nehmt Euch die Zeit, die Ihr dafür braucht.

Beziehungen sind das Salz in unserem Leben, aber auch das, woran wir uns reiben und woran wir geschliffen werden. Sie schenken uns das Gefühl, verstanden und geliebt zu werden, brechen uns aber auch immer mal wieder das Herz; und die Beziehungen in der Familie sind in dieser Hinsicht besonders intensiv. Niemand kann uns mehr verletzen oder ermutigen, keine Bemerkung nehmen wir persönlicher – in positiver wie negativer Art – als eine, die aus der Familie kommt.

Bettina 40 10Ich bin heute dankbar für das, was meine Mutter mir zu Lebzeiten gegeben hat, und danke Gott für all meine Lieben, die ich noch um mich habe. Be all blessed – and take care!

Mösli England links

 

Bild Pa und ig

Wie geht es Dir am Muttertag? Welche Erinnerung an Deine Mutter ist Deine liebste, und welche Eigenschaft an ihr liebst Du besonders? Ich freue mich auf Deinen Kommentar und wünsche Dir einen schönen Muttertag!

In den letzten Wochen hat mich ein vertrautes Gefühl geplagt. Heute möchte ich ihm definitiv den Garaus machen, weil ich glaube, dass es mich lähmt und torpediert. Und wer weiß – vielleicht sitzt irgendwo jemand, der dieses schräge Gefühl kennt und aus meinen Worten etwas mitnehmen kann.

Die ersten vierzig Jahre meines Lebens waren eine Suche nach mir selbst und meinem Platz im Leben. In meinen Dreißigern bin ich so oft umgezogen, dass meine Anschriften nicht in das „Wo-haben-Sie-in-den-letzten-fünf Jahren-gewohnt“-Feld der Sicherheitsprüfung meines damaligen Arbeitgebers passten. Ich begann und beendete Beziehungen, wurde geliebt und verlassen, suchte Sinn und Halt.

Dann begannen sich die Dinge zu beruhigen. Mit 33 fand ich meinen Glauben, mit 37 meinen Mann, mit 39 mein neues Zuhause in der alten Heimat. Mit 40 konnte ich mich von einem persönlichen „Stachel im Fleisch“ befreien, und mit 41 fand ich meine Berufung.

Heute bin ich so glücklich wie noch nie. Ich setze voller Eifer um, was ich als meinen „Auftrag“ ansehe, und genieße mein Leben.

Eigentlich. Wenn da nicht diese Zerrissenheit wäre. Dieses Gefühl des schlechten Gewissens, das anzunehmen, was ich habe, und zu dem zu stehen, was ich bin.

Man muss wohl von besonderer Art sein, wenn man sich für sein Glück schuldig fühlt. Trotzdem empfinde ich oft so, und die national- und geopolitische Lage bietet unzählige Möglichkeiten, mir das Gute, das ich habe, mit innerer Kritik madig zu machen.

Mein Mann und ich leben in einem großen Haus. In unserem geräumigen Musikzimmer kann ich in Ruhe an meinen Texten und meiner Musik arbeiten. Aber ist es nicht dekadent, dass wir zu zweit so viel Platz einnehmen? Was ist mit unserem ökologischen Fußabdruck? Müssten wir nicht anstandshalber das Haus mit Menschen und Aktivitäten füllen?

Außerdem haben wir keine Kinder. Wir haben spät geheiratet, es hat sich nicht ergeben. Jetzt stehen wir in den Mittvierzigern, und das Thema ist durch. Wir leben gern so. Ist das nicht egoistisch?

Weiter arbeite ich zwar auswärts, aber nur halbtags. Bin ich deswegen nicht faul oder zumindest saumäßig verwöhnt, weil wir es nicht nötig haben, beide voll zu arbeiten? Und wenn wir so gut gestellt sind – tun wir dann genug, um diesen Wohlstand zu rechtfertigen?

Irgendwo tief drin glaubt ein Teil von mir, dass ich das alles nicht verdient habe und nicht genießen darf. Dieser Teil meiner Persönlichkeit hat lieber weniger als andere, weil er lieber bedauert oder belächelt als beneidet wird. Er scheut sich, etwas für sich in Anspruch zu nehmen, und hat lieber nichts als etwas, das jemand anderes auch wollen könnte.

Unsere Schweizer „Champignon-Mentalität“ unterstützt dieses Gefühl noch. Wir wachsen mit der Lehre auf, dass man den Kopf besser nicht zu weit herausstreckt, weil er einem sonst abgeschnitten wird. Wenn ich mich auf meine Vision ausrichte, kann ich nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch Missgunst und Neid erregen. Lieber halte ich den Ball flach, stelle mein Licht unter den Scheffel und mache mich klein.

Diese Einstellung kann edel, gut und selbstlos wirken und einem als Bescheidenheit angerechnet werden, aber in Wahrheit ist es ein verletzter, verformter und verdrehter Teil von mir, der mich daran hindert, befreit und zielgerichtet mein Leben zu leben.

Wir alle sind einzigartig. Dort, wo wir unsere Talente haben und ein Segen für andere sein können, stechen wir heraus und werden sichtbar, und so soll es sein. Wenn wir aus Angst vor dieser Sichtbarkeit oder ihren Folgen die Köpfe einzuziehen, verstecken wir das, was uns ausmacht und wofür wir geschaffen wurden.

Wenn ich meiner Berufung gerecht werden will, muss ich das, was ich habe und wie ich lebe, annehmen und selbstbewusst beanspruchen. Ich muss aufhören, mich klein zu machen und meine Lebenssituation zu hinterfragen.

Beim Nachdenken über diese Gefühle der Angst und  Zerrissenheit hörte ich plötzlich eine leise Stimme in meinem Herzen. Sie sagte mir, ich solle meine Hand auf alles legen, was mein Leben ausmacht, und ein einziges Wort aussprechen.

MEINS.

Ich sträubte mich.

Sehr.

„Meins“ klingt nach „Sofort-alles-haben-will“-Gesellschaft, nach „Ich-komme-zuerst-uns-dann-ganz-lange-niemand“. Heißt es nicht, wir sollen uns selbst verleugnen? Kann ich nicht einfach „Oh Herr, ich will nichts, von dem Du nicht willst, dass ich es habe“  sagen und mich ergeben zurücklehnen? Das liegt mir so viel besser!

Aber Gott ließ nicht locker. Und falls Du manchmal auch so verdrehte Gedanken hast, sagt er das Folgende auch zu Dir.

„Nimm es in Besitz. Beanspruche es. Leg Deine Hand auf alles:
Deine Berufung, Deine Lebensumstände.
Und dann sag es. Sag MEINS.“

 „Aber ich habe so viel – ist das gerecht?
Mache ich genug, und mache ich das Richtige?“

„Glaub mir, Du machst genug.
Und was das Richtige angeht: Wir wissen beide, dass Dich bestimmte Aktionen innert Kürze in den Wahnsinn treiben und Dir jede Energie für Deine Aufgaben rauben würden. Dein Lebensstil bietet ideale Voraussetzungen, um das zu tun, was Du tun musst. Bist Du noch nie auf den Gedanken gekommen, dass ich das so WILL?“

„Aber mein Leben gehört Dir, und alles, was Du mir gegeben hast, auch!“

„Natürlich ist es am Ende meins, aber es ist auch DEINS.
Ich habe es Dir geschenkt, und NUR DIR.
Ich will, dass Du es voll auskostest und damit arbeitest.
Natürlich sollst Du es weiterschenken,
aber  ich übergebe DIR die Verantwortung dafür.
Niemand anderes hat Anspruch darauf,
und niemand anderes hat darüber zu bestimmen,
was Du damit machst und wie Du es machst.
Es ist DEINS.
Also los. Sag es.“

„Na gut…wenn Du willst…“

Zögernd streckte ich meine Hand aus.

„Meins.“

 „Ich habe nichts gehört.“

 Ich räusperte mich.

„MEINS.“

 „Ist das alles? Wo bleibt Deine Begeisterung?“

 „Also gut!“

Dieses Mal holte ich die Luft aus dem Zwerchfell, und dann schmetterte ich es heraus, dass es über den Bucheggberg bis nach Bern und über die Jurahügel bis nach Basel rollte.

„Meins. MEINS! MEEEEEEINS!“

Meine Füße begannen zu zucken, und ehe ich wusste, was mir geschah, tanzte ich ausgelassen herum. Ich strich mit der Hand liebevoll über all das Schöne und Kostbare,  während mir Tränen über die Wangen strömten und ich nicht aufhören konnte zu lächeln.

Auch Gott lächelte.

„Freut mich, dass es Dir gefällt. Viel Spaß damit!“

„Den habe ich!“

Den habe ich. Tatsächlich.

Ich liebe mein Leben, ich umarme es, ich freue mich daran, und ich bin dankbar.

Und jetzt höre ich auf zu schwafeln und tue endlich, was ich tun muss.

Scheust Du Dich auch manchmal, „Meins“ zu sagen? Oder fragst Du Dich gerade, was für abartige Probleme manche Leute sich konstruieren? In jedem Fall freue ich mich auf Deinen Kommentar!

Letzten Freitag war ich in meiner Funktion als Vorstandsmitglied des Kleintheaters Grenchen wieder mal an der Kleinkunstbörse in Thun. Dieser mehrtägige Anlass ist einer der Höhepunkte des Kleinkunstjahres: Fast rund um die Uhr laufen Kurzpräsentationen von Künstlern, die Menschen sind guter Dinge, überall hat es Essens- und Getränkestände. Nach einem Tag an der Börse bin ich übersättigt mit Kaffee, Snacks, Menschen, Geräuschen und Bildern, aber vollauf zufrieden.

Die Bandbreite der Künstler reicht von Tanz über Spoken Word, Musikkabarett, Wortkabarett bis zum Puppentheater und zur Akrobatik, und obwohl ich meine Vorlieben habe, lasse ich mich gern überraschen und verzaubern. Dieses Jahr durfte ich unter anderem erstaunliche Akrobatik erleben, spannend verpackt in eine kleine Liebesgeschichte. Allerdings ist mir beim Anblick des mit fünf Bällen jonglierenden Künstlers kurz etwas anders geworden, weil er mich an meinen Kampf mit der lieben Zeit erinnert hat.

Obwohl ich mich leidlich bemühe, mich an den Grundsatz „eines nach dem anderen“ zu halten oder, wie ich so schön als Jahresmotto festgehalten habe, „im Jetzt zu leben“, neige ich dazu, mir all meine verschiedenen Hüte gleichzeitig aufzusetzen. Die Folge davon ist, dass ich nichts mehr sehe und mir der Schädel brummt, anders gesagt: Dass ich an ALL DEM, was ich noch machen sollte, verzweifle. Dabei wäre das gar nicht nötig.

Zwar habe ich tatsächlich viele Engagements, und manchmal fällt vielleicht etwas zeitlich zusammen, aber meistens geht doch alles aneinander vorbei – nur eben nicht in meinem Kopf. Da türmt es sich auf, ich kriege Atemnot und frage mich, wie ich das jemals auf die Reihe kriegen soll.

Ich habe bisher noch kein Rezept gegen die zwischendurch aufkeimende Panik gefunden. Eines ist mir aber klar geworden: dass meine Angst mit einem gewissen Misstrauen einhergeht – einem Misstrauen gegenüber Gott und seiner Versorgung.

Ich bin in der Regel entspannt, wenn es um die Frage geht, ob ich „genug“ von etwas habe, und bisher habe ich mich in dieser Hinsicht mit einer gewissen (Selbst-)Zufriedenheit betrachtet. Zwar geht es mir heute auch in vielerlei Hinsicht gut, aber das Gefühl von „genug haben“ hatte ich schon immer, und auch dort, wo ewas nicht so ist, wie ich es mir wünsche, vertraue ich darauf, dass Gott für mich sorgen wird. Nur wenn es um die Zeit geht, bin ich plötzlich voller Panik.

Natürlich kann man argumentieren, dass die Zeit, die jeder von uns hat, tatsächlich begrenzt ist. Ebenso ist klar, dass der weise Umgang mit meiner Zeit genau so sehr in meiner Verantwortung liegt wie der weise Umgang mit meinen Finanzen. Vertrauen in Gottes Versorgung bedeutet nie, es einfach „lo tschädere“, aber manchmal hilft es mir, wenn ich mich daran erinnere, dass ich nicht allein bin in meinem Kampf mit der Zeit. Und ein besonderes Geheimnis liegt im Kreislauf der Grosszügigkeit.

Es erscheint logisch, dass wir dort mit unserem Besitz geizen, wo wir uns unterversorgt fühlen, vor allem, wenn es tatsächlich ein begrenztes Gut wie Zeit ist. Meine Angst, all mein Zeug nicht zu schaffen, führt oft dazu, dass ich erst einmal  nein sage, wenn ein neuer Termin „droht“. Dennoch erlebe ich, dass Grosszügigkeit und die Bereitschaft, jemandem meine Zeit zu schenken – auch und gerade, wenn ich mir davon nichts erhoffe – mir etwas zurückgibt. Kein zusätzliches Zeitkontinuum, das ich dann wieder einsetzen kann, aber ein Gefühl der Freiheit und der Versorgung. Schenken zu können ist selbst ein Geschenk und führt dazu, dass wir uns reich fühlen – ganz egal, was wir gerade verschenkt haben.

Dieser Kreislauf ist etwas Wunderschönes, und das Beste daran ist, dass jeder etwas verschenken kann: Zeit für einen Kaffee und ein offenes Ohr, einen finanziellen Zustupf, Hilfe beim Lernen, beim Kochen oder Putzen – wir haben alle etwas zu geben, und so kitschig es klingen mag – es kommt zu uns zurück.

Wenn mir wieder alles über den Kopf wächst, will ich an dieses geheimnisvolle Prinzip denken und – wer weiss – vielleicht „antizyklisch“ reagieren und mir überlegen, wem ich etwas Zeit schenken könnte. Mal schauen, was passiert!

Und Ihr so? Kennt Ihr diese Zeitpanik auch, oder seid Ihr da ganz entspannt im Hier und Jetzt? Habt Ihr andere Themen, bei denen es Euch manchmal die Luft abschnürt, und was sind Eure Strategien? Habt Ihr den Kreislauf des Schenkens auch schon erleben dürfen? Ich freue mich auf Euren Kommentar!

 

Bild Claudia Zeitung V3Manchmal frage ich mich, ob ich zuviel überlege, bevor ich poste und ob es nicht authentischer wäre, aus dem Bauch heraus ein paar enthusiastische, empörte, weinerliche oder aggresive Sätze in die Blogossphäre zu schleudern.

Denn obwohl ich genug von jeder Sorte auf Lager hätte, um das hinzukriegen, tue es in der Regel dann doch nicht.

Ein Grund dafür ist, dass ich ja nicht nur für mich selbst schreiben will. Aber wer sich ständig fragt, was seine Leser denn interessieren könnte, schreibt vielleicht nicht mehr das, was er sollte, weil er Angst hat, dem einen auf den kleinen Zeh zu treten und den anderen zu langweilen. Und vielleicht sollte man manchmal einfach seine rohen Gedanken in die Welt posten. Mein heutiges frisch-drauflos-getippt Post ist deshalb Experiment, Mini-Rant und Eingeständnis in einem:

An manchen Tagen lautet meine Botschaft an die Welt, frei nach meinem eigenen Lied „Ich lasse los“, schlicht und einfach „Ich hab genug“, gefolgt von einem schweizerischen „I ma nümm.“

Manchmal – ja, auch und gerade jetzt – geht mir die Welt um mich herum so dermassen auf den Senkel.

Die Amerikaner und Trump – ist das Euer Ernst?

Der Händeschüttelskandal von Therwil – Lord, have mercy!

Die Flüchtlingskrise – für neue EU-Ankündigungen habe ich nur noch ein desillusioniertes Lächeln übrig.

Die Panama Papers (na gut, DAS überrascht mich jetzt so gar nicht).

Der Umgang der Menschen miteinander, vor allem online.

Das dumpfe Gefühl, dass wir fröhlich die Ressourcen dieser Erdkugel pulversieren.

Die widerwärtigen Kreisläufe von Waffenlieferungen, Krieg, Flüchtlingselend und Fremdenhass.

Und neben dem, was es zu beklagen gibt, beelenden mich die Reaktionen der Menschheit auf welches Problem auch immer: Die einen machen sich alles so einfach, dass es für jede Krise auf der Welt den einen und einzigen „BöFei“ gibt, den man nur an die Wand nageln oder aus dem Land jagen muss, damit „alles wieder gut“ wird. Für die anderen ist alles so komplex, dass man den Finger nirgends drauflegen kann und jede Verantwortung sich in der Masse der beteiligten Faktoren auflöst, weshalb praktischerweise alles so bleiben darf, wie es ist.

Die Welt kommt mir immer verrückter vor, und mein Glaube an die Fähigkeit der Menschheit, das wieder hinzubiegen, bewegt sich momentan auf bescheidenem Niveau.

Als überzeugter „Fool for Christ“ könnte ich einfach den Kopf nach hinten legen, gen Himmel schauen und die Worte „Herr, komm bald“ in den Äther schallen lassen, und ich würde lügen, wenn ich behaupten wollte, ich hätte es noch nie getan. Was aber kann ich sonst tun gegen diese Anwandlung von Nihilismus, die mein verstorbener Schwager oft mit den Worten „Het doch ke Wärt“ umschrieben hat?

Einerseits ist da zugegeben die Hoffnung auf das, was einmal kommen wird, egal, wie dumm sich die Menschheit anstellt. Für die Atheisten unter Euch: meine theologischen Weltflucht- und „alles-wird-gut“-Träume, die mir das Überleben im Chaos dieser Welt erlauben. Das (und dies ist für die Frommen unter Euch) Wissen darum, dass auch diese Erde und alles, was darauf lebt, einen Neuanfang, eine Neuschöpfung erleben wird.

Doch ich habe noch ein anderes Rezept Phone Number Trace , das mir im Falle eines solchen „Weltenjammers“ hilft. Es ist genauso wichtig wie der Glauben an das, was kommen wird. Es ist das Prinzip „Jetzt erst recht“ und der feste Wille, mich nicht von dem runterziehen zu lassen, was mich beelendet, sondern auf das zu schauen, was ich selbst ändern kann.

Ich will meinen Alltag so nachhaltig wie möglich leben – auch wenn ich es nicht perfekt mache, und auch wenn es angesichts der Zustände „ke Wärt“ zu haben scheint.

Ich will allen Menschen offen begegnen und jedem eine Chance geben, auch wenn Vorurteile im Moment Hochkonjunktur haben.

child-990368_1280Ich will mit dem, was ich tue, Hoffnung verbreiten, obwohl sie mir manchmal selbst kurzfristig abhanden kommt.

 

 

 

Mir hat mein Experiment gut getan.
Und was macht Ihr gegen Weltenjammer?
Ich freue mich auf Euren Kommentar!

Das Osterwochenende hat begonnen, und ich gestehe: Ich habe meine Vorsätze für die Fastenzeit nicht ganz eingehalten. Ich wollte meine Erfahrungen mit der Lukas- und Johannes-Evangeliums-Lektüre mit Euch teilen, und nun ist der Ostertag schon da, ohne dass ich darüber gepostet habe.

In den Tagen vor diesem Osterwochenende haben sich die „wann hab‘ ich mal wieder ein bissel frei“-Gefühle genauso gehäuft wie die Kleider, die ich vor dem Duschen einfach im Gang vor dem Badezimmer auf den Boden werfe – ein sicheres Indiz dafür, dass es mir gerade schwerfällt, meine kleinen und grösseren Alltagspflichten wahrzunehmen.

Dennoch bin ich in den letzten Wochen auf eine „Osterbotschaft“ gestossen – sie stammt weder aus Lukas noch aus Johannes, sondern aus Markus, und ich habe sie im Post eines anderen Bloggers gefunden. Es handelte von einem einzelnen Wort, das Jesus gesagt hat, aber am Ende beantwortet es die Frage, was Ostern eigentlich ist.

Diese Frage beantwortet heute jeder etwas anders. Für Menschen, die nicht an Gott glauben, heisst Ostern ein paar freie Tage aufgrund eines alten Irrglaubens; für Menschen, die nach eigener Aussage „schon irgendwie an etwas Höheres glauben“, ist die Ostergeschichte oft ein Ärgernis offener Fragen, die man sich lieber nicht so genau stellt.

Für Christen meiner Frömmigkeitsstufe ist der Fall eigentlich klar: Christus starb am Kreuz für unsere Sünden und wurde am dritten Tag von Gott auferweckt.

Aber warum musste er sterben?

Die offizielle Lesart lautet oft: Gott, der Heilige und Gerechte, will mit uns zusammen sein (schöner Gedanke). Weil wir, um in seiner Gegenwart überleben zu können, erst wieder heilig gemacht werden müssen, fordert Gott ein Blutopfer (nicht so schöner Gedanke) und hat dafür seinen eigenen Sohn kreuzigen lassen (gruseliger Gedanke).

Gott hat demnach dieses Blutopfer gefordert. Ist das wirklich wahr?  Ich habe es lange so gesehen, bis ich Benjamin Coreys Post über das besagte eine Wort im Markus-Evangelium gelesen habe. Corey hat sich auf der Suche nach Antworten wie ich die Frage gestellt, was Jesus genau zum Thema gesagt hat. Dabei ist er auf diese Stelle gestossen:

Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse,
sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele. (Mk 10,45)

Nicht als Opfer – als Lösegeld.

Dieses eine Wort scheint nicht so wichtig zu sein, aber ob wir von Lösegeld oder von Opfer sprechen, macht eine Menge aus.

Wer bezahlt normalerweise das Lösegeld?
Die Eltern oder nächsten Angehörigen dessen, für den das Lösegeld verlangt wird.

Und wer verlangt das Lösegeld?
Der Verbrecher, der die Person in seiner Gewalt hat.

Was heisst das, wenn wir es auf das Evangelium, auf uns übertragen?

Wer ist die Geisel?
Wir sind es – gefangen durch die Sünde, die wir in unserem Stolz, ohne Gott leben zu wollen, selbst über uns gebracht haben.

Wer ist der Geiselnehmer, der das Lösegeld verlangt?
Satan. Wir haben ihm durch unser Handeln ein Recht über uns gegeben. Er hält uns in Gewahrsam und fordert das Opfer.

Und wer zahlt das Lösegeld?
Gott, unser Vater – durch Jesus.

Jesus hat sich für uns in die Gewalt des Feindes begeben, und Gott hat das Opfer bezahlt. Er hat es nicht gefordert; er hat eine Forderung des Feindes erfüllt. Diese Tat widerlegt die Vorstellung des blut- und rachedürstenden Gottes.

Ich hatte immer meine Mühe mit dieser Vorstellung, und ich habe diese Mühe im Blick auf das Alte Testament noch immer. Umso froher macht es mich, dass mir das Neue Testament einen anderen Blick auf Gott und auf das erlaubt, was vor so vielen Jahren in Jerusalem geschah. Das, was am Karfreitag geschah – und noch viel mehr das, was wir am Sonntag feiern.

Der Tod von Jesus am Kreuz hat dem Bösen einen Moment des Triumphes verliehen – aber es war ein kurzer Moment. Drei Tage darauf hat Gott Jesus wieder zum Leben erweckt und ihn in Fleisch und Blut auferstehen lassen.

Wenn ich am Ostersonntag sage: „Jesus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden“, dann ist das eine Bekräftigung dessen, was ich im Innersten meines Herzens glaube: Dass Jesus, der sowohl ganz Mensch als auch ganz Gott war, heute lebt. Er regiert zur Rechten des Vaters, und er lebt im Herzen eines jeden, der ihm sein Leben geschenkt hat.

Ich werde dieses Wochenende mit meiner Familie verbringen – meinem Vater, meinem Mann, meiner Schwester und ihrer Familie. Wir werden nicht in die Kirche gehen, aber wir werden uns zusammen etwas Zeit nehmen, um an das Wunder zu denken, das vor rund 2000 Jahren auf dieser Erde geschehen ist.

Jesus ist…

…alive and kicking!

In diesem Sinne: allen frohe Ostern!

Clod lach schneidLetzten Mittwoch habe ich mich ein klein wenig in unseren Bundespräsidenten verliebt.

 

Nicht wegen seines medialen Desasters vor zwei Wochen, sondern wegen dem, was an einer Verhandlung des Nationalrats zur Unternehmenssteuerreform passierte. Aber rekapitulieren wir kurz die Events der Schmach und Schande und der zumindest in meinen Augen wundersamen Auferstehung des Johann Schneider-Ammann.

Am 6. März hat sich unser Bundespräsident in der ganzen Welt einen Namen gemacht, als er am Tag der Kranken mit steinerner Miene darüber sprach, dass Lachen gesund sei. Dabei vergaß er auch nicht, in prophetischer Voraussicht zu erwähnen, dass das Lachen über andere nicht zu den guten Sorten des Lachens gehörte.

Die Videobotschaft verbreitete sich innert Kürze auf allen Kanälen und sorgte weltweit für Erheiterungsstürme, bis sogar die bekannte US-Talkshow Last Week Tonight mit Showmaster John Oliver unserem Bundespräsidenten ein paar Minuten Sendezeit widmete. Unerwartet waren Schneider-Ammanns 15 Minuten des Ruhms angebrochen – aber kaum so, wie er sich das vorgestellt hatte (wobei ich sowieso bezweifle, dass er es auf Ruhm in Form von öffentlicher Bewunderung abgesehen hat).

In den darauffolgenden Tagen wurde überall diskutiert, wie es zu dieser Kommunikationspanne kommen konnte, dann schlief das Ganze langsam ein. Herr Schneider-Ammann äußerte sich meines Wissens nicht zu dem Ganzen – bis zu jener Szene im Parlament. (Siehe Video – lässt sich leider nicht anders darstellen).

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Was war geschehen? Schneider-Ammann referierte zur Unternehmensreform, als plötzlich sein Mikro versagte. Er sah erst etwas irritiert in die Runde, dann lachte er. Das wieder zum Leben erwachende Mikrofon fing die letzten Lacher auf, worauf er trocken bemerkte: „Ça me donne la chance de rire.“ Es folgten Gelächter und Applaus im Saal, worauf er anfügte“…et ça au moment juste“. Noch mehr Applaus. Mit dem Satz „Okay. C’était une autre affaire“ schloss er das Thema ab und fuhr dann in gewohnt trockener Manier mit dem traktandierten Geschäftspunkt fort.

Ich fand das Ganze so sympathisch und gut getimt, dass ich mich kurz fragte, ob es vielleicht orchestriert war – aber wirklich nur sehr kurz, denn ich bin sicher, dass er es geplant nie so hingekriegt hätte. Diesen Moment, in dem er über sich selbst lachen konnte und damit die Sympathien auf seiner Seite hatte, habe ich Schneider-Ammann von Herzen gegönnt.

Und mir ist wieder einmal klar geworden, wie wichtig es ist, über sich selbst lachen können, und wie viel diese Fähigkeit oder Unfähigkeit über uns aussagt.

Wer über sich lachen kann, beweist, dass er sich nicht für den Nabel der Welt hält und sich nicht zu ernst nimmt. Er verfügt über eine gesunde Portion Demut, geboren aus dem Wissen, dass er nicht alles kontrollieren kann, nicht perfekt ist und es auch nicht sein muss. Aus all dem spricht Bescheidenheit, Realitätssinn und gleichzeitig ein geerdetes Selbstvertrauen.

Das Unvermögen, über sich selbst zu lachen, kann verschiedene Gründe haben. Manche Menschen sind tief traumatisiert und haben das Lachen an sich verlernt, und anderen fehlt diese gesunde Portion Selbstvertrauen. Sie fürchten das Urteil anderer, haben Angst davor, ausgelacht zu werden und sehen jedes kleine Missgeschick als Katastrophe an, über die sie beim besten Willen nicht lachen können.

Viel öfter aber  sind Unfähigkeit und Unwille, über sich selbst zu lachen, meiner Ansicht nach ein Zeichen von Stolz, Arroganz und Dünkel. Wenn wir nicht über uns lachen können, nehmen wir uns zu ernst, halten uns für etwas Besseres und wollen jeden um uns herum kontrollieren. Wer nicht über sich lachen kann, neigt auch eher dazu, eigene schlechte Eigenschaften oder Fehler zu verleugnen.

Wenn ich mir diese Liste von Eigenschaften ansehe, wird mir klar, wie wichtig es ist, dass Personen mit Macht und Führungsverantwortung, wie begrenzt sie auch sein mag – über sich lachen können. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger möchte ich jemanden an der Spitze meines Landes, meiner Region, meiner Kirche oder meines Vereins haben, der nicht über sich lachen kann. Wer sich selbst für perfekt hält und wem die Demut fehlt, eigene Schwächen zu erkennen und dazu zu stehen, der sollte meiner Meinung nach nicht führen.

Führungsverantwortung ist eine ernste Angelegenheit. Wer führt, übernimmt in erster Linie eine Bürde – ihm wird das Wohlergehen einer bestimmten Anzahl Menschen anvertraut, und damit einher gehen Autorität und Macht über diese Menschen. Ein Leiter kann und muss  Entscheidungen treffen, die das Leben anderer beeinflussen. Als Vorgesetzter muss ich jemanden entlassen, wenn er seine Arbeit nicht macht und damit nicht nur dem Geschäft schadet, sondern seinen Arbeitskollegen Mehrarbeit aufbürdet. Als Leiter eines Teams muss ich mir das Mitglied zur Brust nehmen, das das Klima vergiftet. Gleichzeitig muss ich bereit sein, mich selbst zu reflektieren. Ich darf  meine Stellung nicht dazu missbrauchen, nur meine eigenen Wünsche durchzusetzen, sondern muss  immer das Wohl des Ganzen im Auge behalten. Ohne eine Mischung aus gesundem Selbstvertrauen und Demut geht das nicht.

Wenn ich in diesen Tagen einen Blick über den Atlantik werfe, beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Irgendwie erweckt keiner der Frontrunner im amerikanischen Wahltheater den Eindruck, dass er oder sie wirklich über sich selbst lachen kann, und in Anbetracht der einflussreichen Stellung, die die USA immer noch haben, bete ich zu Gott, dass er die Wahl eines machtverliebten, narzisstischen US-Oberhaupts irgendwie abwendet.

Führe ich mir unter diesem Aspekt unseren Bundespräsidenten und den Rest der schweizerischen Regierungsmannschaft vor Augen, stimmt mich das ganz zuversichtlich. Unser politisches System bringt offensichtlich keine Narzissten und Despoten hervor, sondern pragmatische Menschen, die ihr Amt als Verantwortung und nicht als Machtstellung betrachten, die mit anderen im Team arbeiten  und – wie gerade bewiesen – über sich selbst lachen können.

Lachen ist gesund und befreit, und das Lachen über sich selbst ist etwas vom Befreiendsten, was es gibt. In diesem Sinne: Weiter so, Herr Bundespräsident!

 

gold-bear-318359_1920 kleinIn letzter Zeit grassieren auf Facebook ominöse Tests, die alle etwas gemeinsam haben. Egal, ob es um Geografie, Sichtstärke, analytisches Denken oder Intelligenz per se geht –  die Test fangen alle  mit dem gleichen Satz an:

„Nur 4 (oder 1, 2, 3) Prozent der Bevölkerung kann diese Fragen richtig beantworten.“

Seltsamerweise gehören alle meine Facebookfreunde zu dieser Gruppe, und – Überraschung – ich selbst auch. Denn ich gebe es zu: Ich konnte auch nicht widerstehen. Ich habe den Sichttest gemacht und erfahren, dass ich Pilotin werden könnte, was mich einen winzigen Moment stolz gemacht hat (ich kann ab und zu etwas beschränkt sein). Doch je mehr sich diese Tests häufen, desto klarer wird jedem, dass es nur darum geht, möglichst viele Leute auf die Seite zu locken und sie dazu zu bringen, das Zeug weiter zu verteilen.

Und an welche Eigenschaft des Menschen appelliert man da am besten?
Eitelkeit, Stolz und das Verlangen, etwas Besonderes zu sein.
Besser als die anderen. Zu einer Elite zu gehören.

Und es funktioniert bestens: Die Ansage „nur x Prozent…“ macht uns neugierig. Gehöre ich dazu? Wir füllen das Ding aus, und oh Wunder: Wir sind dabei! Ist es nicht genial? Und sofort teilen wir das phänomenale Resultat (vielleicht noch mit einem verspielt-bescheidenen „hätte ja nicht gedacht, dass ich…“), damit die Welt weiss, dass wir zur Spitzengruppe gehören.

Der Mensch ist ein seltsames Wesen: Er will dazu gehören, Teil der Meute sein, will aber auch herausragen, und er versucht mit allen Mitteln, das irgendwie zu schaffen. Geld, Kleidung, Erfolg, Partner, Erleuchtung – die Möglichkeiten sind grenzenlos. Nur: Nichts davon wird mir letztlich die Gewissheit geben, wirklich „besonders“ zu sein, und alle diese Errungenschaften stehen auf wackligen Füssen.

Dabei brauchen wir diese Tests alle nicht, um zu wissen, dass wir besonders sind. Wir sind alle besonders, und das ist vielleicht der Grund, warum das vielen von uns nicht schmeckt.

Wenn Gott bei Buzzfeed einen Test anbieten würde, würde da stehen:
100% der Bevölkerung, die den Test machen, haben sich als einzigartig, wunderbar und etwas Besonderes erwiesen.“

Das hört sich lahm an. Was soll besonders daran sein, wenn alle es haben können? Wenn wir den Inhalt und die Wahrheit dieser Aussage erfassen wollen, müssen wir unseren Stolz ablegen – diese Eitelkeit, die nicht nur „besonders“ sein will, sondern „besonderer als alle andern“.

Wenn wir erkennen und bis ins Innerste unserer Persönlichkeit begreifen, wie besonders, wie geliebt, wie einzigartig wir wirklich für Gott sind, erkennen wir schlagartig, wie nichtig all die anderen Contests, Tests, „Wer hat und ist mehr“-Wettbewerbchen wirklich sind.

Und wir werden frei, einfach zu sein. Unser Leben zu leben, anderen zu begegnen, ohne ständige Vergleiche anzustellen, einander einfach für das zu schätzen, was wir sind. Menschen mit einer einmaligen Mischung aus Stärken und Schwächen, mit einer einzigartigen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Geliebt von Gott.

Schlüsselherz kleinIch hatte schon früh eine innige Beziehung zum geschriebenen Wort. Als kleiner Knopf sah ich meiner Mutter dabei zu, wie sie diese faszinierenden Zeichen in die Schreibmaschine tippte. Ich wollte genau wissen, was es damit auf sich hatte, und sie hat geduldig meine Fragen beantwortet und mir das „Mami-M“, den „Papi-P“ und all die anderen erklärt, bis ich schließlich mein erstes selbst gelesenes Wort aussprach. Es war „Thomy“ von Thomy-Senf, und ich las es mit vier Jahren von einer Plastiktüte.

Es folgten Jahrzehnte, in denen ich jedes greifbare Wort verschlang, angefangen mit „Dominik Dachs“ über „Fünf Freunde“, „Die Schwarze Sieben“, „Geheimnis um…“ „Die drei ???“, tonnenweise Pferdebücher, „Hanni und Nanni“, „Dolly“, „Die Kinder von Bullerbü“, „Karlsson vom Dach“, „Die unendliche Geschichte“, „Mio mein Mio“ und fast alles von Federica de Cesco. Nach einer hormonell bedingten „Sweet Dreams“-Kitsch-Phase kamen die damals verfügbaren Stephen Kings, daneben die humorigen Geschichten von Erma Bombeck und Mary Scott und natürlich Krimis, angefangen bei Agatha Christie über Martha Grimes zu Elisabeth George und Dick Francis.

Geschrieben habe ich damals auch, aber ausschließlich Tagebücher, die ich mit den Lamenti eines schüchternen, introvertierten Teenagers füllte. Dann ging ich Geschichte studieren, danach zog es mich zuerst hobbymäßig, dann halbprofessionell zum Gesang. Vor vier Jahren landete ich unverhofft über ein paar Lieblingssongs wieder beim Schreiben, und heute geht es mir damit wie Tim Ekaterin in Dick Francis‘ Banker-Krimi nach seinen ersten drei Monaten bei der Bank: Man müsste mich mit der Brechstange loseisen. Im Januar und Februar habe ich den Plot für mein erstes Prosabuch erarbeitet, nächsten Mittwoch fange ich mit dem Rohentwurf an, und ich freue mich darauf wie ein kleines Kind, das vor der Wohnzimmertür steht und durch die Glastür die flackernden Kerzen am Weihnachtsbaum sieht. Dass das Schreiben meine Berufung ist, steht für mich außer Zweifel.

Aber wie erkennt man, was Berufung ist? Wie findet man als Mensch mit vielen Interessen und verschiedenen Talenten heraus, wo man sich investieren soll?

Ich habe im Prozess, der mich zum Schreiben geführt hat, verschiedene Kennzeichen ausgemacht, die auf der Suche nach Berufung vielleicht weiterhelfen.

Sie macht Freude
Simpel, aber wahr! Das Schreiben macht mir praktisch immer Spaß. Zwar verfolge ich mit meinem Schreiben auch einen Zweck, und dieser Zweck gehört zur Berufung, aber das Schreiben begeistert mich auch an und für sich. Ich kann mich dabei total vergessen und tauche in eine andere Welt ein, bin eins mit mir selbst. Wenn wir das tun, was uns in die Wiege gelegt ist, sind wir in einem ganz besonderen „Flow“, einem Fluss, der uns trägt und uns Energie schenkt.

Sie lässt Dich nicht los
Ich denke ständig über das Schreiben nach, lese Blogposts und Bücher darüber, lebe darin. Ich freue mich an dem, was ich schon zustande bringe, aber das reicht mir noch lange nicht. Ohne mich mit ihnen zu vergleichen, lasse ich mich von Vorbildern inspirieren, um mich weiterzuentwickeln und so gut zu werden, wie ich kann. Unsere wichtigsten Gaben packen uns mit einer Kraft, der wir uns nur schwer entziehen können – und das ist gut so.

Sie dient anderen
Die Feedbacks, die ich über die Jahre schon erhalten habe, zeigen mir, dass sich beim Schreiben neben der Freude an der Sache mein Herzenswunsch erfüllt: Ich erreiche andere Menschen und gebe ihnen etwas weiter. Die Ausübung unserer Gaben soll uns Freude machen, aber sie ist auch so konzipiert, dass sie anderen dient.

Sie braucht keinen Anstoß von außen – und kein Publikum
Als ich die Idee für „Hier will ich bleiben“ hatte, war mir erst einmal völlig egal, ob ich für das Buch einen Verlag finden und ob es ein Beststeller werden würde – ich wusste nur, dass ich das schreiben und veröffentlichen will, und alles andere zählte nicht. Natürlich brauchen Bücher Leser, um ihren Sinn zu erfüllen, aber im ersten Moment war diese Frage nicht wichtig. Vielleicht machst Du etwas, das der Öffentlichkeit verborgen bleibt und dennoch Deine Berufung ist. Wenn Du in einem kleinen Kreis das tust, was „Deins“ ist, bereicherst und beschenkst Du viele Menschen, ohne dass das über Dein Dorf, Deine Kirche oder Deinen Verein hinausgehen muss.

Sie blüht zur rechten Zeit
Manchmal wünsche ich mir, ich hätte das professionelle Schreiben früher entdeckt, aber im Grunde weiß ich, dass es so genau richtig ist. Ich wäre früher nicht so zielgerichtet gewesen, und ich hätte nicht das zu sagen gehabt, was ich heute sagen will. Wenn Du also dreißig bist und Dich fragst, warum Du „das“ noch nicht gefunden hast, dann entspann Dich – vielleicht musst Du einfach noch ein paar Erfahrungen machen, die Dir den Weg ebnen werden. Es ist nie zu spät.

Sie hat ein Was, ein Wozu und ein Wo
Berufung setzt sich aus drei Zweigen zusammen. Ich schreibe (Was), weil ich damit Menschen ermutigen, berühren, herausfordern und ihnen Gott näherbringen will (Wozu). Und das will ich in der säkularen Literaturszene tun (Wo). Ich könnte meine Schreibe für das Verfassen von Werbetexten einsetzen oder Bücher über das christliche Leben für Christen schreiben, aber beides würde mich nur begrenzt erfüllen. Ich will Menschen mit meinen Geschichten berühren, begeistern und ihnen erfahrbar machen, dass hinter dem seelenbetäubenden Lärm von Karriere, Konsum und Konkurrenz eine tiefere Wahrheit liegt – befreiende Werte, die jedes Leben bejahen und nicht nur dasjenige, das am meisten zum Bruttosozialprodukt beiträgt und dem gerade gängigen, so flüchtigen gesellschaftlichen Ideal entspricht. Wenn Du Dich also fragst, worin Deine Berufung liegt: Vergiss nicht, dass die Gabe an sich nur ein Teil davon ist. Wenn Du Dein Talent einsetzt und Dich das nicht erfüllt, liegt es vielleicht daran, dass Du Deine Gabe nicht für ein Ziel einsetzt, dass Dich wirklich begeistert.

Hast Du Deine Berufung schon gefunden? Falls nicht, bringen Dich meine Gedanken vielleicht dem Ziel etwas näher. Falls ja: Warte nicht auf eine Einladung oder darauf, dass Du „entdeckt“ wirst. Wenn es das ist, was Dich wirklich erfüllt, brauchst Du weder einen Vertrag noch einen Job noch Ruhm noch Geld, um es zu tun. Vielleicht hast du noch viel Zeit, vielleicht nicht. Egal, was zutrifft: Stell Dir einen Moment lang vor, du hättest nur noch ein paar Jahre zu leben. Was würde Dir auf dem Herzen brennen? Ein Buch, eine CD? Ein Missionstrip? Ein Gassenrestaurant?

Egal, was es ist: Go for it –
für Dich und für die Menschen, die Du damit beschenken wirst.