earth-1023859_1280Ich stehe gerade mitten in anstrengenden Wochen, jongliere verschiedene Engagements und schreibe gleichzeitig an etwa drei Posts, die noch nicht so sind, wie ich mir das vorstelle. Dann passiert so etwas wie gestern in Paris, und ich frage mich, ob es überhaupt lohnt, irgendetwas zu posten, wenn die Welt von Terror in dieser Größenordnung erschüttert wird.

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Mein Newsfeed auf Facebook quillt über vor lauter Posts zum Thema; zum Glück mehrheitlich Solidaritätsbekundungen und nicht hasserfüllte „Nun seid ihr dran“-Posts. Darüber bin ich froh und fühle mich gleichzeitig nur ohnmächtig.

Gerade als Mensch, der so tief an einen Schöpfer glaubt, schmerzen mich der unweigerliche Aufschrei und die Fragen, die wieder an die Oberfläche kommen: „Genau das kommt heraus, wenn Menschen fanatisch an einen Gott glauben!“ „Es gäbe gar keine Kriege ohne diese radikalen Spinner!“ Und als Sahnehäubchen auf jeder Horrortorte dieser Art: „Wie kann Gott, wenn es ihn denn geben soll, so etwas zulassen?“

Ich will gar nicht erst argumentieren, dass wir Christen schon länger nicht mehr diesen Weg der Gewalt beschreiten, auch wenn es wahr ist. Ich glaube fest an den biblischen Satz „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ und leugne nicht, dass auch der Früchtekorb, den wir Christen der Welt präsentieren, angefaultes Obst und giftige Erzeugnisse enthält.

Was kann ich als gläubiger Mensch tun, wenn diese Fragen kommen? Ist es meine Aufgabe, mich für Menschen zu entschuldigen, die für den Glauben grausamste Verbrechen begehen? Oder erwartet man von mir als halbwegs intelligentem Individuum, dass ich endlich einsehe, dass es Gott nicht gibt und der Glaube an ihn der Welt nichts als Ärger bringt?

Ich glaube, nichts davon ist die Antwort, und was den zweiten Punkt betrifft, habe ich keine Wahl. Ich kann nicht aufhören zu glauben, weil die Menschheit verrücktspielt – das hat sie schon immer getan. Was gerade geschieht, zeigt mir einfach wieder, was für ein Wagnis Gott damit eingegangen ist, uns als Geschöpfe mit freiem Willen zu schaffen. Denn an diesen freien Willen glaube ich.

Gott will, dass wir uns frei entscheiden können und nimmt damit in Kauf, dass wir auch Früchte des Zorns und der Gewalt produzieren. Wir haben jeden Tag die Wahl, was wir aus unserem Leben machen: Wir entscheiden uns zwischen Liebe und Hass, Vergeltung und Versöhnung, Ausharren und Aufgeben, Mut und Angst. Wir formen die kleine Welt um uns herum und manchmal auch die größere. Und als Christen können wir dafür sorgen, dass unser bescheidener kleiner Früchtekorb ein Zeugnis dessen ist, was der Glaube an Gott in unseren Herzen verändert, erzeugt und geschaffen hat.

Ich bin froh, dass mein gestriger Impuls von Wut und Furcht sich nicht weiter in mir ausgebreitet hat. Als ich mir vorhin überlegt habe, was für Entscheidungen wir jeden Tag treffen können, ist mir wieder aufgegangen, dass nicht nur Hass der Gegenpol von Liebe ist. Der wahre Gegenpol von Liebe ist Furcht. Wo Furcht sich ausbreitet, hat Liebe keinen Platz, und wo Liebe herrscht, muss die Furcht weichen.

Dass wir Angst haben, ist zutiefst menschlich – sonst würde im Alten und Neuen Testament nicht so oft „Fürchtet Euch nicht“ stehen. Dass es da so oft steht, zeigt aber auch, wie wichtig es Gott war, dass wir gegen die Furcht angehen, weil sie das Saatkorn des Hasses ist. Wovor ich mich fürchte, das hasse ich, und das zeigt die aktuelle Migrationsdebatte mehr als alles andere.

Am Ende hat Jesus uns auch gezeigt, dass er die Antwort auf unsere Angst ist, als er sagte:

„In der Welt habt ihr Angst, aber ich habe die Welt überwunden.“

Dass er die Welt überwunden hat, befähigt mich, in ihr zu bleiben und mich ihr anzunehmen. Ich muss mich nicht angsterfüllt von der Welt abwenden und mich in ein trostreiches kleines Reservat Gleichgläubiger zurückziehen, in dem wir uns gegenseitig versichern, dass die Welt uns gestohlen bleiben kann. Denn das ist nicht die Idee.

Wenn ich weiß, dass Jesus, der in mir lebt, die Welt überwunden hat, kann ich offenen Auges und ohne Furcht in dieser Welt stehen. Ich kann mich mitten ins Elend stellen – voller Schmerz und Betroffenheit, voller Tränen und Mitgefühl, aber ohne Furcht. Ich kann ein Krieger für das Gute sein.

Ja, Ihr habt richtig gelesen. Ein Krieger.

Vor einiger Zeit habe ich auf Facebook ein Post geteilt, das unter meinen Freunden eine kleine Kontroverse ausgelöst hat. Es bestand aus zwei Fotos mit Überschrift. Das erste trug den Titel „Wie wir uns Kirche vorstellen“ und zeigte eine von warm schimmernden Duftkerzen umgebene Frau im Schaumbad, der das Wort „Wellness“ virtuell auf die Stirn tätowiert war. Das zweite mit dem Titel „Wie Gott sich Kirche vorstellt“ zeigte einen Soldaten in Uniform, der auf seinen Armen ein verletztes Kind aus einem zerbombten Haus trägt.

Nach dem Teilen des Posts haben viele Freunde mir geschrieben, dass das Bild sie abstößt, weil Gott und Krieg nicht zusammengehörten, weil das nicht zur Botschaft von Liebe und Versöhnung und Frieden passe.

Wenn ich mir ansehe, womit wir uns heute auseinandersetzen, stehe ich nach wie vor hundertprozentig hinter diesem Post, und zwar nicht nur wegen der offensichtlichen Bilder des Krieges aus Paris. Das Bild würde auch dann stimmen, wenn die Anschläge nicht stattgefunden hätten. Krieg ist nicht nur Gewehre, Blut und Tote. Krieg ist auch Missbrauch, Armut, seelische Not, Einsamkeit, Manipulation, Lüge. Das alles sind Elemente, gegen die die Kirche und der einzelne einstehen und angehen müssen. Und vielleicht fällt es uns wegen der schmerzhaften, plakativen Bilder in den Medien heute leichter, diese Wahrheit zu sehen:

DAS ist Kirche. Im Trommelfeuer stehen, Menschen die Wunden verbinden und ihnen beistehen, egal, ob es physische oder psychische Wunden sind. Das Elend, das Leid, den Terror sehen. Und dabei – und vielleicht ist das manchmal das Schwerste von allem – dennoch zu sagen: Ja, ich glaube. Ich glaube an einen allmächtigen, liebenden Gott. Auch heute.

Wo die Liebe regiert, hat die Angst keinen Platz;
Gottes vollkommene Liebe vertreibt jede Angst.

1. Johannes 4,18 (Neue Genfer Übersetzung 2011)

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Sprung AbgrundMein letztes Post ist eine Weile her, und das hat vielerlei Gründe: Ich übe gerade für einen örtlichen Theaterauftritt, studiere mit einer kleinen Gospelformation ein paar Songs für unseren Weihnachtsmarkt ein und bereite – last, but not least! – das „Best of Seelensnack“-Büchlein vor. Außerdem war ich letztes Wochenende in München an einem Workshop zum Thema Krimis, Thriller und dergleichen.

Der Kurs war eine tolle Erfahrung – nette Leute, viel Zeit, um  uneingeschränkt über das Schreiben zu reden und Erfahrungen auszutauschen, und unschätzbare Tipps für das eigene Projekt. Daneben waren diese Tage aber auch herausfordernd: Wenn ich meine Texte mit denen erfahrener Autoren vergleiche, deren Projekte schon ausgereifter sind, und mir kritische Bemerkungen über Verkäuflichkeit, Lücken im Plot und anderes anhören muss, lässt das den Kopf schon mal rauchen: Was, wenn ich es nicht draufhabe? Was, wenn meine Idee völlig abstrus oder unsäglich altbacken ist? Wer soll das lesen? Und stemme ich so ein Projekt überhaupt?

Diese Gefühle haben mich an das Post einer anderen Bloggerin erinnert. Auch sie hat die Gedanken beschrieben, die einen überkommen, wenn man sein großartiges Projekt vor Augen hat und plötzlich die nackte Angst vor dem Scheitern ausbricht. Die Bloggerin hat aus diesen Gedanken ihre Schlüsse gezogen und den Lesern ein Rezept gegen diese Ängste präsentiert, das in Kürze so zusammengefasst werden kann: Mach Dich selbst und das, was du vorhast, klein und unbedeutend. Dann fürchtest Du dich nicht zu scheitern und kannst befreit vor dich hin werkeln.

Ich kann ihre Gefühle nachvollziehen: Mein kleiner „Krimi zu Übungszwecken“ wurde zumindest in der Planung unerwartet zu einer Reihe, und als völliges Prosagreenhorn fürchte ich immer mal wieder, mit fliegenden Fahnen unterzugehen. Dennoch finde ich den Rat der Bloggerin, der aus dieser Angst geboren wurde, falsch. Ihr und allen, die mit solchen Gedanken kämpfen – also auch mir selbst – will ich heute dies zurufen:

Mach dich selbst, deine Träume und Visionen niemals klein! Vertrau dir und deiner Idee. Wenn Du deinen Traum klein machst, läufst du Gefahr, deinem Projekt genau das zu nehmen, was dich daran fasziniert und begeistert und dich letztendlich auch antreibt, über dich selbst hinauszuwachsen.

Fang einfach an. Es ist noch nie etwas Großes erschaffen worden, ohne dass das Scheitern im Raum stand. Und scheitern ist erlaubt – nur aufgeben nicht.

Und für diejenigen unter euch, die an einen Gott glauben, der uns inspiriert, Werke für uns vorbereitet und uns hilft, sie zu vollenden, hier ein zusätzlicher Gedanke: Wenn Du Deine Vision verkleinerst, damit sie für dich machbar wird, läufst Du Gefahr, dein Werk nur aus eigener Kraft anzugehen. Wenn Du hingegen das nimmst, was Dich inspiriert hat, und damit vertrauensvoll startest, entsteht etwas, das über dich und dein Können hinausgeht. Vertrau darauf! Oder wie ich es in einem Tweet formuliert habe:

Mach Deine Träume nicht kleiner, weil Du Angst vor dem Scheitern hast.
Wenn Gott Dich inspiriert, hat er seinen Beitrag mit einkalkuliert!

Gott hat immer wieder Menschen mit Aufgaben betraut, die zu groß für sie waren und sie an sich zweifeln ließen. Mose traute sich die Führung der Israeliten nicht zu und hielt sich für einen schlechten Redner. Gideon bat Gott, ihm durch das Vlies-Orakel eine Antwort zu geben, und als er sie hatte, wiederholte er das Orakel – so groß waren seine Angst zu scheitern und sein Widerwille, sich dem Risiko auszusetzen. Dennoch haben sie und andere es gepackt und sind mit der Hilfe von oben in ihre Aufgabe hinein- und damit über sich hinausgewachsen.

In Indiana Jones und der letzte Kreuzzug muss Indy auf der Suche nach dem Gral verschiedene Tests bestehen, und beim vorletzten wären mir im Bruchteil einer Sekunde alle Haare ausgefallen: Indy steht auf einem winzigen Felsvorsprung und muss einen breiten Abgrund überqueren, über den es scheinbar keinen Pfad gibt. Indy realisiert, dass dies ein Sprung des Glaubens ist, setzt gegen jeden Instinkt den Fuß ins Leere – und tritt auf einen schmalen Pfad, der farblich so geschickt an den Stein angeglichen ist, dass man ihn nicht sehen konnte. Ich glaube, manchmal muss man den ersten Schritt wagen, ohne die weiteren zu sehen. Und mein Vertrauen in einen Gott, der mehr und weiter sieht als ich, hilft mir dabei.

Was ist es bei dir, was du dich nicht zu träumen oder anzufangen traust? Wo denkst du, dass du es nicht schaffst oder deine Vision anmaßend ist? Denk daran, dass jede Vision mit einem ersten Schritt beginnt und dass Gott diesen Schritt mit dir geht. Und vergiss nicht, dass du und das, was du zu geben hast – egal, was genau es ist – nicht klein und unbedeutend ist, sondern einzigartig und wertvoll.

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Der Herbst weckt in mir immer leicht melancholische Gefühle. Vielleicht liegt es an den fallenden Blättern und am Frühfrost, vielleicht daran, dass sich Mitte Oktober der Todestag meiner Mutter jährt, aber die Welt um mich herum mahnt mich mehr als sonst an die Vergänglichkeit des Lebens. Ein leiser Schmerz liegt in der kälter werdenen Luft, und ich gerate in eine wehmütige und nachdenkliche Stimmung.

In dieser Stimmung lasse ich das Jahr, lasse ich die Jahre Revue passieren, und am präsentesten sind mir in diesem Augenblick nicht meine Erfolge und schönen Erinnerungen, sondern all die Momente, in denen ich – vor allem an Menschen – versagt habe. In denen ich Fehler gemacht habe, die tiefe Auswirkungen auf Beziehungen und auf das Leben anderer hatten.

In einem Post hat ein befreundeter Blogger die Frage gestellt, ob wir ein Anrecht darauf haben, dass Menschen uns verzeihen. Diese Frage habe ich mir auch schon gestellt, und in der wehmütigen Herbststimmung, angesichts meiner angehäuften Misstritte und dem daraus resultierenden „Fallout“ bewegt sie mich besonders. Das Bewusstsein, Menschen verletzt oder sogar geschadet zu haben, schmerzt, und die Gewissheit, dass mir verziehen wurde, würde diesen Schmerz entscheidend lindern. Dennoch lautet die Antwort, die ich mir selbst auf die Frage gebe, klar und deutlich „Nein“.

Natürlich dürfen wir hoffen, dass unserer Familie oder unseren Freunden im Fall eines Zwists genug an uns liegt, um wieder auf uns zuzugehen. Dass unser Ehepartner uns vergibt, weil wir uns versprochen haben, in guten und schlechten Zeiten zueinander zu stehen. Natürlich dürfen wir als Christen daran glauben, dass das Gebot Jesu, zu verzeihen, Herzen öffnet, die sich aus Wut und Verletzung gegen uns verschlossen haben. Aber einen Anspruch auf Vergebung haben wir nicht.

Wenn uns verziehen wird, ist es immer ein unverdientes Geschenk. Deshalb müssen wir damit leben, dass Menschen uns nicht vergeben können, selbst wenn sie wollen, andere uns nicht vergeben wollen, auch wenn sie könnten, und andere es weder können noch wollen. Wir können das, was wir anderen willentlich oder unwillentlich angetan haben, weder „gut machen“ noch uns ihre Vergebung erarbeiten oder erkämpfen – es liegt nicht in unserer Macht.

Die Erkenntnis, dass ich jemanden genauso wenig zwingen kann, mir zu verzeihen, wie ich ihn zwingen kann, mich zu lieben, hinterlässt in mir eine Leere, eine schmerzende Wunde und die Frage, ob ich denn gar nichts tun kann. Ich habe aus diesen Momenten die Gewissheit gewonnen, dass es doch etwas gibt, was ich tun kann und sogar tun muss, wenn ich die Zuversicht, das Vertrauen in mich selbst und die Energie für das aufbringen soll, was vor mir liegt.

Ich kann vergeben.
Und zwar mir selbst.

Dabei geht es nicht darum, erst sorglos auf anderen herumzutrampeln und dann fröhlich pfeifend davonzugehen. Wenn ich mir bewusst bin, dass ich mich falsch verhalten habe, sollte mich diese Erkenntnis verändern und mir helfen, es künftig besser zu machen. Doch es ist entscheidend, dass ich mir vergebe und die Last ablege. Wenn ich das nicht mache, sondern in schöner Regelmäßigkeit all meine Fehler, Sünden und Missstritte hervorkrame, werde ich zu meinem eigenen größten Feind und Ankläger.

Wenn wir zu der Sorte Mensch gehören, der es schwerfällt, die eigenen Schwächen und Fehler zu akzeptieren und diese Vergebung für uns selbst auszusprechen, dürfen wir eine Wahrheit in Anspruch nehmen, die auf ewig festgeschrieben ist:

Wenn wir Gottes Angebot der Vergebung annehmen, das er uns in Jesus macht, wird Gott uns vergeben. In seinen Augen werden und bleiben wir makellos, und wenn er in unserem Leben Priorität hat, nimmt seine Vergebung uns die Last von den Schultern – auch dann, wenn wir selbst oder andere uns die Vergebung verweigern.

Wir sind frei. Nicht frei von der Verantwortung für die Konsequenzen, die allenfalls aus unseren Fehlern entstanden sind, aber frei von dem, was wir uns zuschulden haben kommen lassen – sei es ein böses Wort, das verletzt, eine Hinterlist, die Menschen entzweit, oder eine tiefgehendere Sünde, die größere Konsequenzen nach sich gezogen hat.

In der Bibel stoße ich zu diesem Thema auf einen vermeintlichen Widerspruch, was die Vergebung bei Gott betrifft. In der Bergpredigt sagt Jesus:

„Wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, wird euer Vater im Himmel euch auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, wird euer Vater im Himmel euch eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“

Wer Traumatisches erlebt hat, das sich nicht so schnell vergeben lässt, könnte diese Worte als niederdrückenden Zwang zur sofortigen Vergebung interpretieren. Ich glaube, dass Gott weiss, wie lange es dauert, schwere Verletzungen zu vergeben, und uns diese Zeit gewährt. Aber ich sehe die Bibelstelle als Ermutigung, das Gebot, zu verzeihen, ernst zu nehmen.

Persönlich will ich wo immer möglich anderen vergeben, wo sie mich verletzt, mir Unrecht getan oder mich hintergangen haben. Damit bereite ich den Boden dafür, dass auch mir vergeben wird. Und ich betreibe Seelenwellness, indem ich mein Herz immer wieder konsequent von Bitterkeit, Rachsucht und anderen negativen Gefühlen reinige und nicht zulasse, dass solche Gefühle Wurzeln schlagen.

Dies alles macht mir aufs Neue bewusst, dass wir Menschen schwache Gefäße sind – fähig zu allem möglichen Bösen, oft inkonsequent, feig und träge. Wenn ich mir vor Augen führe, wie schnell wir einander wehtun können, scheinen menschliche Beziehungen unglaublich zerbrechlich. Dennoch will ich mir immer wieder das Wunder vor Augen führen, dass wir einander auch tief verstehen können und dass es unter uns Liebe, Gemeinschaft, Unterstützung und auch immer wieder Vergebung gibt.

Menschliche Gemeinschaft wird uns nicht einfach geschenkt. Sie ist riskant, schmerzhaft, herausfordernd. Dass wir in ihr und an ihr immer wieder scheitern, scheint unausweichlich. Und doch ist sie es wert, sein Herz immer wieder zu Markte zu tragen, es zu öffnen und Begegnung zuzulassen. Ich will weder an meinen Fehlern noch an denen der anderen zerbrechen und mich erinnern, dass Beziehungen das sind, was unserem Gott am allerwichtigsten ist. Für unsere Beziehung zu ihm hat er uns seinen Sohn geschickt, und uns Menschen hat er so erschaffen, dass wir einander brauchen und aneinander wachsen.

Und wenn mir das Herz ob meiner Schwächen und der anderer Menschen brechen will, wenn ich verzagen und mich verkriechen will, um keinen Schaden anzurichten und nicht verletzt zu werden, lege ich mir die Worte von C.S. Lewis auf die Brust:

„Lieben heißt verletzlich sein. Liebe irgend etwas, und es wird dir bestimmt zu Herzen gehen oder gar das Herz brechen. Wenn du ganz sicher sein willst, dass deinem Herzen nichts zustößt, dann darfst du es nie verschenken, nicht einmal an ein Tier. Umgib es sorgfältig mit Hobbies und kleinen Genüssen; meide alle Verwicklungen; verschließ es sicher im Schrein oder Sarg deiner Selbstsucht. Aber in diesem Schrein – sicher, dunkel, reglos, luftlos – verändert es sich. es bricht nicht; es wird unzerbrechlich, undurchdringlich, unerlösbar. Die Alternative zum Leiden, oder wenigstens zum Wagnis des Leidens, ist die Verdammung. Es gibt nur einen Ort außer dem Himmel, wo wir vor allen Gefahren und Wirrungen der Liebe vollkommen sicher sind: die Hölle.“

?Ich bin kein ausgeprägter Wandervogel – ich bin zu gern daheim, und viele meiner Reisen finden innerlich statt. Dennoch hab ich meinen kürzlichen Italienaufenthalt sehr genossen. Im Übrigen habe ich wieder ein paar Lektionen gelernt, die ich mir für die nächste Reise hinter die Ohren schreiben will.

Falls bei dir gerade Ferien anstehen, kannst du ja vielleicht etwas mitnehmen…:

Planung ist das halbe Leben!

?Es wirkt hochgradig stressmindernd, wenn man Tickets rechtzeitig besorgt und die eine oder andere Übernachtung schon gebucht hat, gerade, wenn man herumreist. In dieser Hinsicht hatten Lee und ich unsere Hausaufgaben gemacht. Hätten wir uns auch den Weg zu unseren B&Bs etwas genauer angeschaut, wäre uns unter anderem ein schweißtreibendes Rennen durch Roms ellenlange „Via Cavour“ erspart geblieben. Als wir nach 45 Minuten keine Ahnung mehr hatten, wo wir waren, schleppten wir uns erschöpft und hungrig zum nächsten Restaurant und bestellten erst mal Pizza. Nach dem Essen packte ich mein rostiges Italienisch aus, um festzustellen, dass wir in unserer Hektik am B&B vorbeigerannt waren, das sich knapp 100 Meter vom Restaurant entfernt befand.

„Une portion de laisser-faire“

Wie im letzten Post erwähnt, war der Rückflug von Bari oder zumindest das Prozedere davor ein amüsantes Beispiel schweizerischer und italienischer Eigenart. Ich war sicherheitshalber viel früher am Flughafen und wanderte alle 15 Minuten am angegebenen Check-in-Schalter vorbei. Zwei Stunden vor Abflug stellten sich dann die ersten braven Schweizer in die Schlange, aber nichts geschah. Ich ging noch einmal bei einem Bildschirm vorbei, um sicherzugehen, dass ich auch am richtigen Ort wartete, und stand mir mit allen anderen geduldig die Beine in den Bauch, bis eine halbe Stunde später eine Flughafenangestellte herbeihastete und uns an einen anderen Schalter dirigierte.

Das hat mich gelehrt, in Ländern mit einer schwächeren Infrastruktur als unserer (also in so ziemlich allen, because we are the best!) eine Portion „laisser-faire“, Geduld und wenn nötig Fatalismus mitzubringen. Irgendwie lösen sich die Dinge meistens; sich darüber aufzuregen, dass es anders geht als geplant, ist reine Zeitverschwendung und verursacht höchstens Magengeschwüre und Ärgerpickel.

Offen sein für „Anderes“

Frühstück in Bari...!
Frühstück in Bari…!

Wir haben auf unserer Reise in B&Bs übernachtet, und sie waren samt und sonders toll. Die meisten waren auch ernährungstechnisch gut auf internationales Publikum eingestellt. Das letzte in Matera war wunderschön und an einer Toplage, aber hinsichtlich Frühstück traditioneller, wenn man das so sagen kann: auf nebeneinanderliegenden Tellern konnte man zum Frühstück zu Pizzastücken und Schokoladencroissants greifen. Meine Offenheit für Neues ging nicht so weit, dass ich so etwas Fettiges hätte frühstücken wollen, und Gott sei Dank gab es auch Joghurt und Cereals. Ich hätte mir aber garantiert den Urlaub verdorben, wenn ich mit einer festgefahrenen Erwartung, wie ein Frühstück auszusehen hat, in die Ferien gefahren wäre.

Und ein kleiner Nachtrag: im letzten B&B (siehe Bild) gab es selbstgemachtes Cake zum Frühstück, und das haben wir zur Feier des Tages tatsächlich gegessen.

Mit leichtem Gepäck reisen

?Ich habe es bis heute nicht gelernt, mich beim Kofferpacken zu beschränken, und in diesen Ferien habe ich dafür schwer gebüßt: einen sperrigen Koffer im Bahnhof treppauf und –ab zu tragen ist äußerst mühselig, aber noch schlimmer waren die engen Bürgersteige in Florenz, auf denen man sich auf Pflastersteinen zwischen Touristen und Autos durchquetschen musste. Ich habe meinem gebeutelten Rücken und meinen Nerven hoch und heilig versprochen, das nächste Mal einen kleineren Koffer zu nehmen und ein paar T-Shirts zuhause zu lassen.

 

Zuhause ist’s am Schönsten!

?

Ich habe Italien genossen – ich konnte feststellen, dass ich doch noch viel italienisch verstehe und mich leidlich verständigen kann; ich habe endlich den Petersdom gesehen, und das Städtchen Matera mit seinen Restaurants war eine Augen- und Gaumenweide. Dennoch bin ich wieder gern in die Schweiz und in das olle kleine Grenchen am Jurasüdfuß zurückgekehrt – an den Ort, wo ich weiß, wie die Duschen funktionieren und wie sich die Türen öffnen, wo ich alles verstehe und verstanden werde – den Ort, wo ich hingehöre. Sich auf Reisen zu begeben, zeigt einem auch immer, was man hat und sonst für selbstverständlich ansieht, und man bekommt einen neuen Blick und eine neue Dankbarkeit dafür.

 

Wenn ich meine Reiseerkenntnisse anschaue, stelle ich fest, dass sie sich auch wunderbar auf das Leben an und für sich übertragen lassen. In knackig kurzer Form mache ich mir daraus…

…meine fünf neuen Wegweiser für die Reise durchs Leben!

Ich will planen, was sich planen lässt, und mich weder von anderen noch vom Geschehen treiben lassen. Nur ich kann wissen, wohin ich will, und es ist an mir, das Nötige dafür zu tun, damit ich dort ankomme. Ich will dieses einmalige Leben auf Erden so gestalten, dass ich „quantum in me fuit“(ich habe mein Bestes gegeben) auf meinen Grabstein schreiben kann.

Ich will mir eine große Portion „laisser-faire“, Gottvertrauen und Gelassenheit bewahren, da sich nun mal nicht alles planen lässt. Ich will mich von kleinem Unbill nicht irritieren lassen, weil es sich nicht lohnt, und die großen Schläge will ich hinnehmen und darauf vertrauen, dass auch das vorbei geht.

Ich will offener sein für Neues, für das, was mich herausfordert oder mich aus meiner Komfortzone holt.  Ich will ab und zu eingefahrene Wege verlassen und mir die Demut bewahren, dass es andere Sichtweisen und Erfahrungen als die meinen gibt.

Ich will mit leichtem Gepäck reisen. Das heißt, dass ich keinen unnötigen Besitz anhäufe, sondern mir überlege, was es wirklich braucht. Es heißt aber auch, dass ich emotionalen Ballast – sei es Schuld, Zorn oder Bitterkeit – ablege. Das ist manchmal schwieriger als der Umgang mit Besitz, aber fast noch wichtiger.

Ich will dankbar sein und mich auf „Zuhause“ freuen.

?Dankbar sein für alles Schöne, was mir in diesem Leben begegnet, aber auch dafür, dass nach meiner Reise durch dieses Leben ein ewiges Zuhause wartet; der Ort, an dem ich zutiefst erkannt und geliebt bin. Ich weiß zwar nicht, wie dort die Duschen funktionieren, aber darauf lasse ich es ankommen!

In manchen Punkten bin ich schon gut unterwegs; andere wie das „offen sein“ fallen mir mitunter schwerer. Aber ich bleibe dran. Wie ist es mit Dir – kannst du meinen Vorsätzen etwas abgewinnen? Und was fällt dir schwer? Ich freue mich auf deinen Kommentar!

Rom 2015Letzte Woche war ich auf Italienreise: nach Stationen in Florenz und Rom nahm ich am Women’s Fiction Festival in Matera teil und fuhr dann nach Bari, worauf auch schon die Rückreise nahte.

Mein Flug ging um halb acht mit Swiss ab Bari nach Zürich. Nach der Italia-mäßig chaotischen Check-in-Phase, bei der die lange Schlange pflichtgetreuer Schweizer im letzten Moment noch an einen anderen Schalter umgeleitet wurde, fuhr uns ein Bus zu unserer Maschine. Ich suchte meinem Platz und stellte kurz darauf erfreut fest, dass der Sitz neben meinem frei blieb und ich ans Fenster rücken konnte. Dann kam auch schon der Abflug. Das Flugzeug beschleunigte und hob in den schwarzen Nachthimmel ab, und wie immer auf den ersten Minuten eines Fluges fühlte ich mich seltsam verletzlich.

Wie sicher war ich in dieser kleinen Blase funktionierenden Lebens? Nur ein paar Zentimeter Metall und zwei funktionierende Triebwerke lagen zwischen mir und der schwarzen Nacht. Das Leben war in der Tat eine rasch verdorrte Blume, ein abgeschnittenes Gras – zart und zerbrechlich.

Nach kurzer Zeit waren wir auf Flughöhe. Das Flugzeug glitt gleichmäßig durch die Nacht, Dunkelheit hinter der runden Luke, in der Kabine Ruhe. Ich entspannte mich etwas und dachte an meinen ersten Flug mit Swiss, der mein erster Flug überhaupt gewesen war. Er fand kurz vor meinem 30. Geburtstag statt und führte mich nach New York. Als die Stadt in Sicht kam und die Türme Manhattans in der Sonne blitzten, stieg mir ein Kloß im Hals hoch; das gewaltige, ungewohnte Bild trieb mir Tränen in die Augen.

In Gedanken bei diesem wunderbaren Moment, erinnerte ich mich plötzlich an ein Foto aus der Woche in New York. Es war an einem Ort aufgenommen worden, der zehn Monate später nur noch aus Rauch und Trümmern bestand: im Aussichtsrestaurant des World Trade Centers.

Da war sie wieder, die Zerbrechlichkeit meines Lebens. Und nach den wunderbaren Tagen in Matera stand sie in einem  schmerzlichen, spannungsgeladenen Gegensatz zu meinem wachsenden Drang, die Bücher zu schreiben, für die – wie ich glaubte – Gott den inspirativen, kreativen Funken geliefert hatte. Die Bücher, die nur ich schreiben konnte.

Was, wenn dieser Flug sein Ziel nicht erreichte? Wenn die Bücher, von denen ich überzeugt war, dass ich sie schreiben sollte, nicht geschrieben würden? Was sagte es über Gott aus, wenn er mir Ideen schenkte, die auch andere Menschen berühren und ermutigen sollten, und dann vielleicht zuließ, dass mein Leben hier und heute endete?

Ich wusste sehr wohl, dass die Welt nicht untergehen würde, wenn ich meine Bücher nicht schrieb. Dennoch brachte mich der Gedanke an den Punkt, der alle, die an einen souveränen Gott glauben, immer wieder aufs Neue herausfordert.

Warum müssen Menschen in der Blüte ihrer Jahre oder noch früher sterben, manche auf sinnlose, manche auf unerträglich qualvolle Weise? Wo bleibt die Gerechtigkeit? Wo bleibt sie nach der 45. verheerenden Schießerei in Amerika in Oregon, wo bleibt sie, wenn Menschen krank werden und wir nur hilflos zusehen können?

Am Ende bleibt mir auch jetzt, wenn ich an diesen Moment zurückdenke, nur das Wissen, dass ich keine Antwort habe, die mich oder andere zufriedenstellen kann. Mir bleibt der Glaube daran, dass Gott trotz allem mein Leben und das aller Menschen in der Hand hat und dass am Ende, wie Jesus es verheißen hat, in seiner ewigen Gegenwart alle satt werden, die hungern und dürsten nach dieser Gerechtigkeit.

Bis es soweit ist, stehe ich in der Spannung und im Schmerz, dass Gottes Reich schon da, aber noch nicht ganz da ist. Dass es immer wieder durchbricht in gelebter Nächstenliebe, Wundern und Heilungen, dass aber Hass, Krieg, Elend und Krankheit noch Teil dieser Welt sind. Dass es sinnlosen Tod gibt, auf den niemand eine Antwort hat. Dass daneben Leben gerettet wird. Hell und Dunkel, Leben und Tod, Liebe und Hass – sie sind alle noch hier. Aber am Ende sind Glaube, Liebe, Hoffnung, und die Liebe ist die größte unter ihnen. Und für diese Zwischenzeit hier und jetzt weiß ich, dass Gott auch da ist, wo wir leiden, im bittersten Schmerz, in der größten Verzweiflung, und dass es bei ihm immer weiter geht.

london-810750_1280Der Flug ging seinem Ende zu, und ich sah aus dem Fenster auf die majestätischen, geheimnisvoll leuchtenden orangen Linien, die unsere Städte und Dörfer verbanden.

Die Landung nahte und damit die Phase, in der mir meistens wieder etwas anders wird. Ich merkte auch dieses Mal, wie schwer es mir fiel, diesen Moment Gott anzuvertrauen und nicht bei jedem Wackeln Stoßgebete abzusetzen.

Und doch hielt ich mich damals und halte ich mich jetzt wieder an dem einen Gedanken fest: Wo auch immer ich hinfalle – heute, morgen, irgendwann – ich falle nicht tiefer als in seine Hand.

AbstimmungMeine erste Wahlerinnerung ist der Esszimmertisch, an dem wir Wahlzettel falteten und in Couverts verpackten, wenn sich unser Vater für die Gemeinde-, Kantonsrats- und einmal für die Nationalratswahlen bewarb. Während die Packerei vor allem wegen des kleinen Zustupfs ans Taschengeld interessant war, versprach der Wahlsonntagsnachmittag im Kreise der Partei eine Menge Drama und Spannung.

In Grenchen versammelten sich die Sozialdemokraten früher im ehemaligen „Volkshaus“ und damaligen Restaurant Touring, um in einer Mischung aus Hoffnung und Aufregung auf die Wahlresultate zu warten. An den Wänden hing Papier, auf dem die Namen der Kandidaten und die derzeit bekannte Stimmenzahl standen. Regelmäßig rief jemand im Stadthaus an, um zu erfahren, was es Neues gab. War die letzte Stimme dann ausgezählt und das Endresultat bekannt, wurde entweder gejohlt oder gejammert, und im Anschluss machten die Parteiverantwortlichen den Kondolenz- oder Gratulationsbesuch bei den anderen Parteien.

An diesen Erinnerungen lässt sich unschwer erkennen, dass ich in einem hochpolitischen Haushalt aufgewachsen und als Tochter zweier feuriger Sozialdemokraten im doppelten Sinn politisch „sozialisiert“ wurde. Den Höhepunkt dieser Identifikation stellt ein Aufsatz dar, den ich an der Kantonsschule schrieb und der den Titel trug: „Warum ich die SP gut finde“. Ich bekam dafür die Höchstnote, bin mir aber bis heute nicht sicher, ob es an meiner schlüssigen Argumentation oder an den allfälligen roten Sympathien meines Deutschlehrers lag.

Folgerichtig trat ich mit zwanzig der Partei bei und erhielt, wie es damals üblich war, ein Parteibüchlein in rot mit aufgedruckter Rose in geballter Faust. Ein letztes Resultat meiner roten Jugend ist zudem mein Vulgo in der Studentenverbindung: nach einem entsprechenden Einstiegsbeitrag meinerseits taufte man mich „Prawda“, Name einer damaligen Moskauer Zeitung und offizielles Sprachrohr der Sowjetführung.

Das ist nun beinahe 25 Jahre her, und seitdem haben sich die Gewichte bei mir etwas verschoben. Ich kann mich immer noch mit vielen Anliegen der SP identifizieren, bin aber kein Parteimitglied mehr und habe auch kein Bedürfnis, mich einer anderen Partei anzuschließen. Da ich die Begabung und Freude an der Politik nicht geerbt zu haben scheine, ist das auch nicht unbedingt notwendig.

Heute suche ich mir meine Kandidaten eher nach der Übereinstimmung in sachpolitischen Fragen aus, was mit Smartvote wunderbar geht. Man muss für das Ausfüllen etwas Zeit aufwenden, bekommt dafür aber eine Liste mit den am besten passenden Parteien und Kandidaten. Bei meiner etwas ungewöhnlichen Weltanschauungsmischung komme ich bei den besten Treffern immerhin noch auf 58% Übereinstimmung.

Obwohl das Wahlmaterial noch nicht eingetroffen ist, nähern wir uns dem Höhepunkt des diesjährigen Wahlkampfs und damit dem Moment, wo einem das Ganze bei aller Freude an der Demokratie langsam auf die Nerven geht. Die hoffnungsvollen Kandidaten, die auf jedem Acker und von jeder Straßenlampe auf einen herunter lächlen und alle regionalen Anlässe bevölkern, die Dauerpräsenz des Themas in den Zeitungen und die ans Idiotische grenzenden Wahlfilmchen strapazieren unsere Geduld. Und egal, wen man wählt, scheint sich in unserer behäbigen schweizerischen Konkordanz nur im Zeitlupentempo etwas zu verändern. Manchmal beschleicht einem das Gefühl, dass am Ende sowieso alles beim Alten bleibt und man sich die Mühe auch sparen könnte.

Auch mir geht es zwischendurch so, und ich gebe zu, dass ich auch schon mal eine Wahl verpasst habe. Dennoch: Je älter ich werde, desto mehr entwickle ich mich zur glühenden Anhängerin einer konsequenten Ausübung unseres Stimm- und Wahlrechts. Sicher hat meine ursprüngliche politische Sozialisierung damit zu tun, zu der auch der sonntägliche Gang ins Wahlbüro mit den Eltern gehörte. Ein weiterer Punkt mag sein, dass mein früherer Pastor einmal sagte, Nichtwählen sei eine Sünde (was er sicher nicht ganz ernst gemeint hat). Vor allem aber finde ich, dass wir ein verdammtes Glück haben und das gefälligst wahrnehmen sollten.

Die Wahlen mögen manchmal nicht viel ändern, und auch Politiker sind nur Menschen mit Schwächen und Fehlern. Aber wir KÖNNEN wählen, und das frei und ohne Bedrohung. Das war selbst in unserem Land nicht immer selbstverständlich. Bei den kantonalen Abstimmungen zur Verfassungsrevision von 1848 hat schon mal ein Luzerner Kommandant entschieden, welche seiner Soldaten Urlaub bekamen und welche nicht (die Liberalen bekamen ihn, die Konservativen nicht), und beim Auszählen im selben Kanton wurden die Nichtstimmenden zu den Ja-Stimmen geschlagen. Vor Abstimmungslokalen kam es zu Bedrohungen gegenüber Konservativen und zu Schlägereien. Von dem, was heute im Rest der Welt an Unterdrückung, Mauscheleien und Betrug abgeht, wollen wir gar nicht reden.

Wahlabstinenz mag keine Sünde sein, aber wer die Möglichkeit hat und nicht hingeht – das meine bescheidene Ansicht – sollte danach bitteschön aufs Maul hocken. In dieser Hinsicht überlege ich mir die Lancierung einer „Maulkorbinitiative“: Wer in diesem Land stimm- und wahlberechtigt ist und nicht wählen geht, verliert für vier Jahre jedes Recht, sich mündlich oder schriftlich zu beschweren. Zuwiderhandlungen werden mit gemeinnütziger Arbeit, im Wiederholungsfall mit einem verordneten Fernsehmarathon aus „Arena“, „Schawinski“ und Wahlfilmchen der SVP bestraft. Wer seine Pflicht tut, darf hingegen, wie es sich gehört, schon am Abstimmungssonntag lauthals feiern oder jammern und dann vier Jahre lang lamentieren, was alles nicht so läuft, wie es sollte. Das allein sollte doch jeden professionellen Stänkerer an die Urne treiben!

Spaß beiseite: Es wäre wirklich wünschenswert, wenn sich wieder mehr Schweizer dazu bewegen ließen, den Weg an die Urne anzutreten. Unter all den Kandidaten hat es sicher genug, die ein aufrichtiges Interesse am Wohl des Landes haben und unter diesem Wohl etwas ähnliches verstehen wie Du oder ich. So sollte jeder und jede in der Lage sein, ein paar Kandidaten zu finden, die er mit Überzeugung auf seinen Zettel schreiben kann.

Warum nicht gleich heute bei Smartvote vorbeischauen, die Fragen beantworten und schauen, wen das Orakel ausspuckt? Ich habe es getan und mich gefreut, dass mein Cousin Matthias Meier-Moreno, der für die CVP in den Ring steigt, es auf Platz drei in meiner Auswahl geschafft hat. Nun habe ich neben dem familiären auch noch einen pragmatischen Grund, den politischen Fackelträger unserer Familie zu wählen und ihm hier – so parteiisch will ich sein – von Herzen Erfolg zu wünschen.

Also Leute, ab an die Urnen – und heute in einem Monat treffen wir uns dann zum ersten hochoffiziellen Jammern, Frohlocken, Leiden und Johlen. Ich freue mich!

Nicht nur an die Schweizer: Wie schaut es aus? Geht Ihr immer an die Urne, selten oder nie? Und warum? Ich freue mich auf Euren Kommentar!

Füsse SprungWer sein Christsein öffentlich und leidenschaftlich lebt, muss mit bestimmten Reaktionen rechnen. In Diskussionen wird man schnell auf all das hingewiesen, was Christen so auf dem Kerbholz haben, und sind die Verbrechen früherer Zeiten abgehandelt, geht es genüsslich weiter mit der Erwähnung derjenigen berühmten Mitchristen, die gerade aus unappetitlichenGründen die Schlagzeilen dominieren. Damit kann ich leben. Allerdings beschäftigt mich das zugrunde liegende Prinzip, wenn ich es auf die persönliche Ebene herunterbreche.

Von hundert Leuten liest einer die Bibel, und neunundneunzig lesen den Christen – so hat es ein Erweckungsprediger einmal ausgedrückt, und das spiegeln auch die obigen Erfahrungen. Was wir tun und lassen, wird von anderen registriert und dem Christentum zum Wohl oder Wehe angerechnet.

Was die Furcht vor Meinung und Urteil der Menschen betrifft, habe ich zum Glück festgestellt, dass ich mit fortschreitendem Alter immer unempfindlicher dafür werde. Dennoch beschäftigen mich meine tönernen Füße, und meistens genau dann, wenn ich gefordert bin, mich noch mehr für meinen Glauben zu exponieren. Dann höre ich die Stimme, die Du vielleicht auch schon gehört hast. „Wieso willst ausgerechnet DU mit Deinem [man setze die Schwäche oder das Fehlverhalten ein, das einem am meisten beschämt] anderen erzählen, wie Dein Glaube Dich verändert und befreit hat?“

Wie gehe ich damit um, dass mein Grad an Heiligkeit für andere über die Tauglichkeit des Christentums entscheidet, wo ich doch genau weiß, dass ich trotz aller Bemühungen nie genügen kann?

Mich ermutigt der Gedanke, dass Gott seit jeher normale, fehlbare Menschen für sein Reich eingesetzt hat, die keineswegs immer zur geistlichen Elite gehörten. Als David zum nächsten König bestimmt wurde, war er der Kleinste seiner Familie und hütete Schafe. Einige der Jünger Jesu waren Fischer und vorher sicher nie bei einem Rabbi in der Lehre gewesen. Matthäus war Zöllner und übte damit einen Beruf aus, der einen äußerst schlechten Leumund hatte.

Genauso wenig zeichneten sich die Erwählten durch Fehlerlosigkeit aus: David, Noah und Gideon (um nur drei zu nennen) wirkten Großes für Gott, ließen sich aber auch Ehebruch, Trunkenheit und Feigheit vor dem Feind zuschulden kommen. Und was erfahren wir über das Verhalten der Jünger in Neuen Testament? Hat ihre Erwählung durch Jesus sie so geadelt, dass sie jeden Test bestanden?

Auch sie vollbrachten Großes und scheiterten dennoch immer wieder an sich selbst. Petrus wagte sich zu Jesus aufs Wasser, verlor dann den Mut und ging unter. Er versprach großspurig, für seinen Herrn in den Tod zu gehen, um ihn dann wie alle anderen in der Stunde der Not zu verlassen und zu verleugnen. Die Donnersöhne Johannes und Jakobus stritten sich darum, wer im Reich Gottes neben Jesus sitzen dürfe, und der später berufene Paulus sah es vor seiner Bekehrung in Damaskus als seine Lebensaufgabe an, die Jünger Jesu zu verfolgen und zu vernichten. Er blieb ein streitbarer Geist, obwohl er die meisten Briefe des Neuen Testaments schrieb und trotz seiner Pharisäervergangenheit zu den Nichtjuden geschickt wurde.

Gott beruft nicht die Fähigen – er befähigt die, die er beruft. Und er beruft nicht nur die starken, abgeklärten spirituellen Lehrer in seinen Dienst, sondern mehrheitlich normale, bedürftige Menschen mit Schwächen, die sich von ihm gebrauchen lassen, daran reifen und deren Lebensfrüchte für sich und vor allem für ihn sprechen. Das befreit auch mich darin, für ihn zu wirken. Gott setzt mich für sich ein, obwohl ich nicht perfekt bin.

Dass ich nicht aus mir heraus vollkommen bin, macht mir zudem klar, dass ich Gott brauche, und lässt keinen Platz für übermäßigen Stolz auf meine eigene Leistung. Gleichzeitig wächst mein Bewusstsein dafür, dass ich nur angedockt an ihn in der Lage bin, meine Aufgabe zu erfüllen. Jesus sagt klar, dass wir Reben an seinem Weinstock sind und nur in Verbindung mit ihm tun können, wozu wir bestimmt sind, und lieben können, wie er geliebt hat. Und das ist es, was andere wahrnehmen.

Menschen spüren, ob wir sie als Trophäen in unserem Bekehrungspalmares sehen oder an ihnen als Menschen interessiert sind, ob wir Ruhm und Ansehen für uns anstreben oder unseren Gott groß machen wollen. Und Menschen werden von Menschen berührt – von Echtheit, von Veränderung, von der Liebe, die ihnen entgegengebracht wird. Unsere Aufgabe, Menschen von der Strahlkraft des Evangeliums zu überzeugen, gelingt am besten, wenn in uns das Resultat der erfahrenen Liebe Gottes durchschimmert – in einem befreiten, liebevollen Auftreten und im Bewusstsein, dass ich weiß, wem ich mein Leben und meine Veränderung verdanke. Nicht mir selbst oder irgendwelchen geistlichen Klimmzügen (auch wenn Wille zur Veränderung und Disziplin wichtig sind), sondern zuerst und vor allem Jesus.

Gott gebraucht uns und nimmt uns in seinen Dienst, wie wir sind: Auf dem Weg, entwicklungsfähig, heilungsbedürftig und mit Schwächen behaftet. Er geht mit uns und hilft uns, seinem Sohn, dem menschlichen Abbild seiner selbst, ähnlicher zu werden.

Mich ermutigt das, immer und überall dazu zu stehen, dass ich ein „Work in Progress“ bin. Ich mache Fehler, manchmal kleine, manchmal auch größere, aber aus jedem gehe ich als Mensch hervor, der etwas dazu gelernt hat. Ich werde mein Leben lang den Status „in Bearbeitung“ tragen, aber das ist in Ordnung. Denn ich lebe in der Hoffnung, dass ich mit jedem Tag, an dem ich mich seiner Führung unterstelle, meinem Herrn ähnlicher werde, und in der Gewissheit, dass ich am Tag meines Todes, endlich „vollendet“, in seine Herrlichkeit eingehe.

Wie geht es Dir mit Deinen Schwächen und Unzulänglichkeiten? Lebst Du gemäß der Devise „frisch, fromm, fröhlich, frei“, oder plagen Dich Gedanken, dass Du nicht genügst? Mach Dir bewusst, dass Deine Fehleistungen der Vergangenheit hinter Dir liegen und auch alles Zukünftige bereits vergeben ist. Das meint nicht „billige Gnade“ oder „machen, was immer ich will“, sondern ein befreites Leben im Bewusstsein, dass Jesus nicht für die in ihren Augen „Gesunden“ gekommen ist, sondern für die Menschen, die wissen, dass sie Gott brauchen.

Und er freut sich, dass Du ihn brauchst – zuallererst, damit Du jeden Tag mit dem Bewusstsein beginnen kannst, dass nichts und niemand Dich von der Liebe Gottes trennen kann.

?Nach sieben Tagen Peak District bin ich wieder im Alltag angekommen. Die Zeit in England war entspannend, friedlich und inspirierend – unter anderem haben wir „Stanage Edge“ erklommen und das „Chatsworth House“ besichtigt, Stammsitz der Dukes of Devonshire und Schauplatz von Mr. Darcys „Pemberley“ in „Pride & Prejudice“ 2005. Der aufregendste und anstrengendste Tag war aber der zweitletzte, und das eher zufälligerweise. Alles begann mit einer harmlosen Wanderung.

 

?Wir hatten uns entschlossen, dem „Ladybower Reservoir“ einen Besuch abzustatten – ein Stauseegebiet mit Wäldern und Hügeln, ideal für einen entspannenden Ausflug. Nach etwa anderthalb Stunden Wanderung durch Wälder und Wiesen oberhalb des Seeufers erreichten wir das Ende des Seearms und machten uns auf der anderen Seite auf den Rückweg. Als ein hölzerner Wegweiser einen Hügel hinaufzeigte, beschlossen wir spontan, ihm zu folgen, weil es spannender schien, als auf dem asphaltierten Weg weiterzuwandern.

20150829_111637An dieser Stelle ein kleiner Exkurs und eine Warnung für Schweizer, die in England wandern wollen: Wo bei uns ein leuchtend gelber Wegweiser auf die Minute genau angibt, wie lange man nach Wengen oder aufs Stockhorn braucht, genügt den Engländern ein hölzernes oder metallenes Schild mit der Aufschrift „Public Footpath“, mit viel Glück ergänzt durch zwei Pfeile und eine vage Ortsangabe.                  SO sehen Wegweiser aus!

20150822_142430Aber genug der Tirade: Wir ließen Stausee, Wiesen und Wälder immer weiter unter uns. Es war heiß, und wir gerieten ins Keuchen. Als der Weg sich vom See abwandte, wurden wir unsicher, beschlossen aber weiterzugehen. Die mit Steinen, Schafen und pinken Heidekrautbüschen gesprenkelten Hügel waren verwunschen und malerisch, die Stille und Weite wunderbar.

Dennoch wurden wir nach einiger Zeit durstig und müde. Wir hatten nicht für eine so lange Wanderung eingepackt, und unser Trinkwasservorrat neigte sich dem Ende zu. Außerdem führte der Weg auf einen Hügelkamm, den wir uns nicht mehr antun wollten, und es sah nicht so aus, als ob es eine Alternative gab. Aber es konnte ja nicht so schwierig sein, etwas abzukürzen – oder?

Wir riskierten es, verließen den breiten Trampelpfad und stürzten uns in die Heidekrautbüsche. Doch das war anstrengender als gedacht: Unter den struppigen Büschen verbarg sich unebener Boden, und wir mussten die Beine bei jedem Schritt anheben, als ob wir durch kniehohen Schnee stapfen würden. Ab und zu sprang unerwartet ein verschrecktes Schaf blökend hinter einem Strauch hervor, und wir wussten nie, ob wir beim nächsten Schritt in einem Erdloch stecken würden.

20150822_145310Tapfer kämpften wir uns durch die Misere und hofften inständig, dass endlich ein Weg zum Vorschein käme. Fehlanzeige. Irgendwann dämmerte uns leise, dass es bei weitem einfacher und weniger anstrengender gewesen wäre, auf dem Trampelpfad den Hügelkamm zu erklimmen. Nachdem wir uns zu dieser Erkenntnis durchgerungen hatten, änderten wir die Richtung um 90 Grad und kletterten entschlossen bergan. Einige schweißtreibende Minuten später war es geschafft, und die breiten Natursteinplatten, die die Hochebene durchzogen, waren ein exorbitant schöner und erleichternder Anblick.

 

20150822_150459Der Rest der Wanderung war dann weit angenehmer, obwohl langsam ein Gewitter aufzog und wir nicht recht wussten, wie wir von der Höhe wieder zum See herunterkommen sollten, doch schließlich kamen wir wohlbehalten und trocken wieder im Tal an und belohnten uns für die lange Wanderung mit einem Abendessen im Pub. Die einzigen Nachwehen unseres unvorsichtigen Experiments waren Muskelkater und ein verbrannter Nacken, weil wir bei der stressigen „Pfadfinderei“ vergessen hatten, Sonnencreme aufzusprühen.

***

Der überraschende, glücklicherweise glimpfliche Ausgang unserer Spontanentscheidung hat mir wieder einmal klar gemacht, dass Abkürzungen in vielen Fällen keine Lösung sind. So ungern wir das hören: Oft ist das Wichtige im Leben nur auf dem längeren und anstrengenderen Weg zu erreichen.

Abkürzungen und Beruf(ung)
Auf meinem steinigen Hike zum ersten Prosawerk fantasiere ich manchmal davon, schon jetzt so schreiben zu können wie Dick Francis, Harper Lee, Elisabeth George oder Stephen King. Aber abgesehen davon, dass ich SO wohl niemals schreiben werde, weil solche Talente dünn gesät sind, weiß ich auch, dass diese Damen und Herren viel Zeit aufgewendet haben, um ihren Stil zu finden und zu perfektionieren. Ich kann den Weg zu meinem eigenen Stil und zur Qualität, die mir vorschwebt, nicht abkürzen: Mir bleibt nichts anderes übrig, als die nötige Zahl Worte zu schreiben, Kurse zu besuchen und Wagenladungen Schweiß (und vielleicht Tränen) zu vergießen.

Abkürzungen und Beziehungen
Das Gleiche gilt für Beziehungen. Auch wenn wir uns mit manchen Menschen rasch und manchmal fast magisch verstehen, braucht es Zeit, bis Freundschaften die Tiefe und Beständigkeit entwickeln, auf der unser Vertrauen wachsen kann. Wird das Vertrauen erschüttert, braucht es Zeit und Geduld, um diese Wunde wieder zu schließen, und dafür braucht es beide Seiten. Das gelingt nich immer, und manchmal müssen wir akzeptieren, dass sich eine Beziehung nicht mehr wiederherstellen lässt.

Abkürzungen bei Gott
Der erste Punkt gilt auch für meine Beziehung zu Gott: Wenn ich mir eine Nähe wünsche, in der ich mich geborgen fühle, muss ich Zeit investieren. Mir hilft Verschiedenes, meine Beziehung zu ihm zu vertiefen und mein Vertrauen wachsen zu lassen: In seinem Wort zu lesen zeigt mir seinen Charakter; zu beten und auf seine Stimme zu horchen fördert meine Feinfühligkeit für sein Reden; ihm zu singen und ihn anzubeten zeigt mir seine Erhabenheit, öffnet mein Herz für Erkenntnisse und verändert mich zu ihm hin, und auf Spaziergängen in seiner Gegenwart, ohne Plan und Wunschliste, lerne ich zu glauben, dass er auch mein Freund und immer nur eine Haaresbreite und ein Gebet von mir entfernt ist.

Doch hier hört die Beziehung zu Gott auf, wie die zu einem Menschen zu sein. Denn während wir bei Menschen nicht immer wissen, woran wir sind, während wir uns missverstehen können und manchmal wankelmütig sind, ist Gott immer der Gleiche. Und der schönste Zug an ihm, den man guten Gewissens von keinem Menschen erwarten kann: Ich kann sein Vertrauen, seine Liebe und sein Wohlwollen nie mehr verlieren. Selbst wenn ich mich daneben benehme, rebelliere und ihn anklage, kann ich jederzeit zu ihm umkehren. Wenn ich einen Fehler gemacht habe, muss ich danach nicht geduldig den verlorenen Boden wieder gutmachen. Gott kennt mich bis auf den tiefsten Grund meines Herzens, und bei ihm kann ich nichts falsch machen.

Diese Heimat bei Gott ist es, die mein Leben leicht und hell macht. Nicht leicht im Sinne von problemlos, nicht hell im Sinne von ohne Schatten und schwere Zeiten. Aber meine Quelle versiegt niemals, und um zu ihr zu gelangen, brauche ich keine Abkürzung – denn der Weg zum Herzen Gottes könnte nicht kürzer sein.

Flugzeug SonneDie offizielle Ferienzeit ist in der Schweiz vorbei – die Urlauber sind braungebrannt zurück im trauten Heim, und auch die an der Heimatfront haben dieses Jahr Farbe bekommen. Während für die Mehrheit der Alltag wieder angefangen hat, bin ich bald am Kofferpacken und freue mich auf ein paar Tage in Englands „Peak District“,  auf den Spuren von Jane Austens „Stolz und Vorurteil“.

Das klingt nach einer lange geplanten Sache, kam aber eher spontan zustande: Erst hing eine Reise nach Galway in der Luft, aber da es keine Flüge mehr gab, verschob ich meine Nachforschungen nach Südengland, wo es zwar Flüge gab, aber nur happig teure. Dann entdeckte ich einen günstigen Flug nach Manchester, schaute mir an, wo man von da aus so hinkönnte, und die literarisch-naturgeprägte Reise war geboren.

Reisen ist im www-Zeitalter eine Wissenschaft geworden: „Last-Minute“ oder doch lieber „Early Bird“? Wer genau weiß, wohin er will, ist meist besser bedient, wenn er rechtzeitig bucht; ist man flexibel und abenteuerlustig, was das „wohin“ angeht, kann man auch mit gepacktem Koffer an den Flughafen fahren und schauen, was grad so an „Last Minute“ zu haben ist.

Meiner Natur gemäß haben diese weltlichen Reisepläne mich zu einem Gedankenspiel über die aktuellen Reisebedingungen in Sachen Glauben geführt: Lohnt sich bei „Christ Travel“ Last Minute, oder gibt es schöne Early Bird-Rabatte?

Jeder kriegt „All Inclusive“
Auf den ersten Blick sieht es für Early-Birder enttäuschend aus. Egal, wann im Leben ich die Einladung annehme: Die Erlösung ist komplett, es gibt für jeden All Inclusive und keine Extras für die, die schon lange dabei sind. Dass dem so ist, erzählt Jesus im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg: Ein Mann wird vom Weinbergbesitzer angeworben, den ganzen Tag für ihn zu arbeiten, und die beiden vereinbaren einen schönen Tageslohn. Aufgrund des hohen Arbeitvolumens stellt der Besitzer fortlaufend Leute an, den letzten eine Stunde vor Feierabend. Als der Arbeiter, der den ganzen Tag geschwitzt und geackert hat, seinen Lohn in Empfang nimmt, freut er sich – aber nur, bis er merkt, dass alle anderen, die nach ihm gekommen sind, gleichviel erhalten.

Die Risiken von „Last Minute“
Diese kommunistisch anmutende Gleichmacherei hält manche Menschen von der Hinwendung zu Jesus ab: Da eine langjährige Mitgliedschaft keinen besonderen Status zur Folge hat, liebäugeln sie mit der Idee, ihre Entscheidung auf den letzten Moment zu verschieben. Aber dieses Last-Minute-Spiel ist gefährlich. Gott wirbt zwar immer wieder geduldig und hartnäckig um uns, in vielen Begegnungen und Momenten, in denen wir spüren, dass wir hier und jetzt eingeladen werden, zu glauben und eine Entscheidung zu treffen. Wenn wir die sanfte Stimme der Wahrheit und die Worte seiner Liebe aber nicht hören wollen und unser Herz Mal um Mal verschließen, laufen wir Gefahr, dass sich dieses Herz verhärtet und irgendwann so undurchdringlich ist, dass wir Gottes Einladung nicht mehr annehmen können.

Der wahre „Early Bird“
Wenn ich dieses Risiko nicht eingehen will, tue ich also gut daran, seine Einladung eher früher als später anzunehmen. Und das nicht nur aus diesem Grund: Tatsächlich gibt es einen Early Bird, an dem ich mich seit 11 Jahren erfreue. Es ist das erfüllte, befreite, tiefe und erlöste Leben im Hier und Jetzt. Ein Leben kann ausgefüllt sein, wenn ich es ohne Gott lebe, aber wenn wir, wovon ich überzeugt bin, für die Gemeinschaft mit Gott geschaffen sind, wird uns ohne diese Gemeinschaft etwas fehlen, das wir nirgendwo sonst finden werden.

Ich erlebe es als Glück zu wissen, dass ich eine gewollte, gelungene Schöpfung bin und den kenne, der mich geschaffen hat, als Glück der Freiheit, dass all meine Fehler und Misstritte nicht mehr auf mir lasten und ich jeden Tag neu anfangen kann, als Glück zu entdecken, was Gott alles in mich hineingelegt hat, und so Schritt für Schritt meinen Platz und meine Aufgabe in diesem Leben zu finden, und vor allem als Glück im tiefen Frieden, dass Jesus genügt: Dass ich angenommen und angekommen bin, dass dem Evangelium nichts hinzuzufügen ist und ich mich in dieser Gewissheit entspannen und einfach leben darf.

Keine Angst vor den Reisebedingungen!
Der Zeitgeist will uns glauben machen, dass wir etwas verpassen, wenn wir auf Gott setzen. Unser ängstliches, sich um sich selbst drehendes Ego glaubt, dass das Leben mit Gott grau und langweilig wird, und wir fürchten, dass die Gepäckvorschriften auf dem Flug des Glaubens so restriktiv sind, dass wir etwas zurücklassen müssen, das wir als lebensnotwendig ansehen. Aber das ist eine doppelte Lüge. Zum einen lässt Gott uns mit allem Gepäck einsteigen – auch dem, das uns allenfalls herunterzieht. Er verlangt nicht, dass wir etwas zurücklassen oder uns zum Voraus ändern. Auf dem Flug merken wir mit der Zeit selbst, dass gewisse Gepäckstücke unnötig oder hinderlich sind, und werfen sie nach und nach ab. Und zum zweiten stellen wir erleichtert fest, dass die Anweisungen für die Reise uns weder behindern noch beschneiden, sondern uns gewurzelt im Gebot der Liebe und der Würdigung allen Lebens vor egoistischen Fehlern schützen und damit uns und anderen Leid ersparen können.

This is for you…!
Mir ist klar, dass mein Blog auch von zwei Personengruppen gelesen wird, die mit solchen Inhalten nur begrenzt etwas anfangen können: Den Mitfrömmlern, die das alles schon kennen, und den mir bisher noch halbwegs wohlwollend gegenüberstehenden Areligiösen, die sich allenfalls nach diesem Post wieder überlegen, ob sie sich das noch antun wollen. Trotzdem schreibe ich dieses Post, und zwar für Dich – den einen Leser, den meine Zeilen berührt haben. Dir sage ich noch dies – und wer will, kann weiterscrollen:

Philipper 2 10Ich bin tief davon überzeugt, dass wie in Philipper 2,10 angekündigt der Tag kommen wird, an dem sich jedes Knie vor Jesus beugen und jede Zunge bekennen wird, dass er der Herr ist. Aber nicht alle werden es freiwillig tun. Davon singt auch Brian Doerksen in seinem Klassiker „Come, now ist he time to worship“. Er beendet den Refrain so:

Dennoch bleibt der größte Schatz denen, die ihn jetzt mit Freuden wählen.

Diesen Schatz – das Leben, das ich hier und jetzt im Vertrauen auf meinen Gott führen kann, ganz zu schweigen von der Ewigkeit in seiner Gegenwart – wünsche ich jedem Menschen. Daher schließe ich mit dieser kleinen Werbepersiflage (Claus HiPP möge mir verzeihen):

Wenn sich je ein Angebot in Deinem Leben gelohnt hat,
dann ist es die Reiseofferte Jesu.

Dafür stehe ich mit SEINEM Namen.

Schirm SchweizDer Nationalfeiertag ist auch für Schweizer etwas Schönes. Bitter zwar, wenn er wie dieses Jahr auf einen Samstag fällt – dafür kann ich als Entschädigung zwei weitere Highlights feiern!

Bild: Pixabay

Heute vor zwei Jahren habe ich mit „Seelensnack“ angefangen. Seitdem sind mit dem heutigen Post 111 Beiträge erschienen (passend zur Solothurner Zahl 11!), und das Bloggen macht mir immer noch eine Menge Spass. Feiern werde ich dieses Jubiläum wie bereits angekündigt mit der Publikation der schönsten Beiträge von „Seelensnack“ in einem handlichen Taschenbuch. Es soll rechtzeitig vor Weihnachten erscheinen, und schon bald erfahrt Ihr, welche Beiträge es in das Büchlein schaffen werden.

Das weitere Highlight: heute habe ich meine Website „Klare Töne“ mit neuem Look veröffentlicht und dazu auch das Design von „Seelensnack“ entsprechend angepasst. Es ist noch nicht alles perfekt – warum der Titel in dieser sagenhaften Grösse angezeigt wird, hat sich mir beispielsweise noch nicht erschlossen. Aber ich hoffe, Ihr mögt es; I’ll keep working on it!

Headerbild

Heute bleibe ich kurz und geniesse den Nationalfeiertag. Der Blog würde aber seinem Namen nicht gerecht werden, wenn ich nicht auch noch ein paar kleine Gedanken dazu teilen würde:

Ich freue mich heute über 724 Jahre Eidgenossenschaft, auch wenn mir klar ist, dass unser Staat in seiner jetzigen Form eher 1848 aus der Taufe gehoben wurde. Ich bin stolz auf mein Land, obwohl es auch seine Mängel hat, aber ich bin vor allem dankbar. Dankbar, dass ich unverdientermassen in einem Staat aufwachsen darf, in dem ich weder für meine Meinung noch für meinen Glauben verfolgt werde, indem ich mich ausbilden und mein Glück suchen kann und nicht die schlechteste Chance haben, es zu finden.

Ich leugne nicht, dass die Zuwanderung für uns alle eine Herausforderung ist, aber ich will nicht vergessen, dass auch unser Land andere Zeiten kannte: Zeiten, in denen sich Katholische und Reformierte aufs Blut hassten, Zeiten, in denen sich Menschen auf den Weg nach Amerika machten, um – Überraschung – ein besseres Leben zu finden. In der „Aargauer Zeitung“ von gestern hat Journalist Benno Tuchschmid eine Hommage an „Flüchtlinge“ geschrieben, die unser Land geprägt und weitergebracht haben – ein lesenwerter Artikel, der mich daran erinnert, dass wir viel Gutes in unserem Land nicht zuletzt der Inspiration „von aussen“ verdanken.

Ich glaube nicht, dass Gott seine Vorlieben für Nationen im politischen Sinn hat, und der Gedanke, das es so sein könnte, war schon immer der Anfang gefährlicher Entwicklungen. Aber ich freue mich, dass unsere Verfassung mit der Präambel „Im Namen Gottes des Allmächtigen“  beginnt, und daran, dass sich unsere „fromme, spiessige“ Nationalhymne bisher behaupten konnte – trotz aller laufenden Bestrebungen für eine modernere Variante. Freuen wir uns noch ein bisschen daran, und wer mag, denkt heute an die letzten beiden Zeilen der ersten Strophe:

Wenn der Alpenfirn sich rötet, betet, freie Schweizer betet
Eure fromme Seele ahnt Gott im hehren Vaterland!

Allen hiezulanden und ausserhalb einen wunderbaren 1. August!