In meiner Kindheit sassen wir Samstags bei Suppe und Wienerli vor dem Fernseher, und die Piste runter donnerten Conradin Cathomen, Peter Müller, Erika Hess und Vreni Schneider. Diese Zeiten sind lange vorbei. Trotzdem hat mich nach den ersten spektakulären Erfolgen der Schweizer in Sotschi der Kampf um die güldenen Ringlein gepackt. Ein paar besondere Highlights aus diesen Tagen sind mir immer noch präsent.
Die Goldmedaillen von Sandro Viletta und Dominique Gisin zum Beispiel – zwei Athleten, die jahrelang unter Verletzungspech litten und doch nicht aufgegeben haben. Wenn dieser Kampf mit einem solchen Triumph belohnt wird, macht das einfach Freude und ermutigt einen, den eigenen Weg weiter zu verfolgen und auch Hindernisse mit Kampfgeist und Hartnäckigkeit zu nehmen.
Genauso schön war es, sich mit anderen zu freuen – zum Beispiel mit den kanadischen Hockeyanern in ihrem „Sudden Death“-Sieg gegen die USA. Wenn ein Team von Nachrichtensprechern erst in professioneller Coolness über den Stand referiert und urplötzlich in wilde Tänze und Jubel ausbricht, bleibt kein Auge trocken. Wer es noch nicht gesehen hat, guckt hier (das oberste Video):
Ich staune auch immer wieder über die vielfältigen und faszinierenden Begabungen der Athleten – die grazilen Eiskunstläufer, die jeden Muskel unter Kontrolle haben und immens harte Arbeit leisten, damit ihre Sprünge und Schwünge so leicht aussehen. Junge Abfahrtsspezialistinnen, die mit über hundert Stundenkilometern eine steile Piste hinunterdonnern und offenbar keine Angst kennen, sondern für dieses Tempo leben.
Vor allem sind wir hautnah dabei, wenn andere auf dem schmalen Grat zwischen totalem Triumph und bitterer Niederlage schweben. Wir vergiessen eine Träne mit Dominique Gisin, wenn sie ihre Grossmutter anruft und vor lauter Freude und Rührung kaum sprechen kann, und wir fühlen mit Simon Ammann, der trotz seiner vielen Erfolge noch bitter enttäuscht ist, weil er seine eigenen Erwartungen nicht erfüllt hat.
Was mich fasziniert, ist weder der Ruhm, noch der Nervenkitzel, und ich möchte auch nicht an ihrer Stelle stehen – wenn ich die Abfahrtspiste aus einer Helmkamera sehe, wird mir schon ganz anders. Mich bewegt die Leidenschaft und Zielgerichtetheit, mit der diese Athleten ihre Träume verfolgen. Sicher werden nicht wenige von ihrem Umfeld getrieben, aber genauso vielen merkt man an, wie sehr sie ihren Sport lieben. Diese Leidenschaft wünsche ich mir für mein Leben, und ich will alles daran setzen, den Ort zu finden, an dem ich meine Gaben, Talente und Berufungen leben kann.
Der Vergleich mit Olympia könnte in diesem Zusammenhang frustrieren – schliesslich zählt am Ende doch nur die güldene Scheibe. Und auch unsere Gesellschaft ist geprägt vom Wettkampf, sei es im realen Leben oder in all den TV-Live-Shows, in denen immer nur einer gewinnen kann – Frauen buhlen um den Bachelor, Sänger treten in Battles gegeneinander an, und am Schluss will jeder das goldene Matterhorn nach Hause tragen.
Wenn das meine Vorstellung von Erfolg ist, werde ich wohl nie zufrieden sein. Gibt es nicht immer jemanden, der es noch ein bisschen besser kann? Und wenn es ihn heute nicht gibt, wird es ihn mit hundertprozentiger Sicherheit morgen oder übermorgen geben. Wenn ich meinen Begabungen folge und das finde, was mich begeistert, und wenn es mein Ziel ist, mein Bestes zu erreichen, kann ich nicht verlieren. Dann muss ich andere auch nicht als Bedrohung sehen, sondern kann von ihnen lernen.
Am Ende gilt der olympische Gedanke „Dabei sein ist alles“ für das ganze Leben. Und „Dabei sein“ heisst mehr als „körperlich anwesend sein“. Es heisst: ich mache mit und bin Teil des Ganzen, ich wähle den Weg, den ich gehen will, und verfolge ihn bis zum Ende. Wenn ich das begriffen habe, bin ich frei für ein leidenschaftliches Leben, das mir entspricht.
Was war Dein schönster Olympiamoment? Und was begeistert Dich?
Ich freue mich auf Dein Feedback!
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