AbstimmungMeine erste Wahlerinnerung ist der Esszimmertisch, an dem wir Wahlzettel falteten und in Couverts verpackten, wenn sich unser Vater für die Gemeinde-, Kantonsrats- und einmal für die Nationalratswahlen bewarb. Während die Packerei vor allem wegen des kleinen Zustupfs ans Taschengeld interessant war, versprach der Wahlsonntagsnachmittag im Kreise der Partei eine Menge Drama und Spannung.

In Grenchen versammelten sich die Sozialdemokraten früher im ehemaligen „Volkshaus“ und damaligen Restaurant Touring, um in einer Mischung aus Hoffnung und Aufregung auf die Wahlresultate zu warten. An den Wänden hing Papier, auf dem die Namen der Kandidaten und die derzeit bekannte Stimmenzahl standen. Regelmäßig rief jemand im Stadthaus an, um zu erfahren, was es Neues gab. War die letzte Stimme dann ausgezählt und das Endresultat bekannt, wurde entweder gejohlt oder gejammert, und im Anschluss machten die Parteiverantwortlichen den Kondolenz- oder Gratulationsbesuch bei den anderen Parteien.

An diesen Erinnerungen lässt sich unschwer erkennen, dass ich in einem hochpolitischen Haushalt aufgewachsen und als Tochter zweier feuriger Sozialdemokraten im doppelten Sinn politisch „sozialisiert“ wurde. Den Höhepunkt dieser Identifikation stellt ein Aufsatz dar, den ich an der Kantonsschule schrieb und der den Titel trug: „Warum ich die SP gut finde“. Ich bekam dafür die Höchstnote, bin mir aber bis heute nicht sicher, ob es an meiner schlüssigen Argumentation oder an den allfälligen roten Sympathien meines Deutschlehrers lag.

Folgerichtig trat ich mit zwanzig der Partei bei und erhielt, wie es damals üblich war, ein Parteibüchlein in rot mit aufgedruckter Rose in geballter Faust. Ein letztes Resultat meiner roten Jugend ist zudem mein Vulgo in der Studentenverbindung: nach einem entsprechenden Einstiegsbeitrag meinerseits taufte man mich „Prawda“, Name einer damaligen Moskauer Zeitung und offizielles Sprachrohr der Sowjetführung.

Das ist nun beinahe 25 Jahre her, und seitdem haben sich die Gewichte bei mir etwas verschoben. Ich kann mich immer noch mit vielen Anliegen der SP identifizieren, bin aber kein Parteimitglied mehr und habe auch kein Bedürfnis, mich einer anderen Partei anzuschließen. Da ich die Begabung und Freude an der Politik nicht geerbt zu haben scheine, ist das auch nicht unbedingt notwendig.

Heute suche ich mir meine Kandidaten eher nach der Übereinstimmung in sachpolitischen Fragen aus, was mit Smartvote wunderbar geht. Man muss für das Ausfüllen etwas Zeit aufwenden, bekommt dafür aber eine Liste mit den am besten passenden Parteien und Kandidaten. Bei meiner etwas ungewöhnlichen Weltanschauungsmischung komme ich bei den besten Treffern immerhin noch auf 58% Übereinstimmung.

Obwohl das Wahlmaterial noch nicht eingetroffen ist, nähern wir uns dem Höhepunkt des diesjährigen Wahlkampfs und damit dem Moment, wo einem das Ganze bei aller Freude an der Demokratie langsam auf die Nerven geht. Die hoffnungsvollen Kandidaten, die auf jedem Acker und von jeder Straßenlampe auf einen herunter lächlen und alle regionalen Anlässe bevölkern, die Dauerpräsenz des Themas in den Zeitungen und die ans Idiotische grenzenden Wahlfilmchen strapazieren unsere Geduld. Und egal, wen man wählt, scheint sich in unserer behäbigen schweizerischen Konkordanz nur im Zeitlupentempo etwas zu verändern. Manchmal beschleicht einem das Gefühl, dass am Ende sowieso alles beim Alten bleibt und man sich die Mühe auch sparen könnte.

Auch mir geht es zwischendurch so, und ich gebe zu, dass ich auch schon mal eine Wahl verpasst habe. Dennoch: Je älter ich werde, desto mehr entwickle ich mich zur glühenden Anhängerin einer konsequenten Ausübung unseres Stimm- und Wahlrechts. Sicher hat meine ursprüngliche politische Sozialisierung damit zu tun, zu der auch der sonntägliche Gang ins Wahlbüro mit den Eltern gehörte. Ein weiterer Punkt mag sein, dass mein früherer Pastor einmal sagte, Nichtwählen sei eine Sünde (was er sicher nicht ganz ernst gemeint hat). Vor allem aber finde ich, dass wir ein verdammtes Glück haben und das gefälligst wahrnehmen sollten.

Die Wahlen mögen manchmal nicht viel ändern, und auch Politiker sind nur Menschen mit Schwächen und Fehlern. Aber wir KÖNNEN wählen, und das frei und ohne Bedrohung. Das war selbst in unserem Land nicht immer selbstverständlich. Bei den kantonalen Abstimmungen zur Verfassungsrevision von 1848 hat schon mal ein Luzerner Kommandant entschieden, welche seiner Soldaten Urlaub bekamen und welche nicht (die Liberalen bekamen ihn, die Konservativen nicht), und beim Auszählen im selben Kanton wurden die Nichtstimmenden zu den Ja-Stimmen geschlagen. Vor Abstimmungslokalen kam es zu Bedrohungen gegenüber Konservativen und zu Schlägereien. Von dem, was heute im Rest der Welt an Unterdrückung, Mauscheleien und Betrug abgeht, wollen wir gar nicht reden.

Wahlabstinenz mag keine Sünde sein, aber wer die Möglichkeit hat und nicht hingeht – das meine bescheidene Ansicht – sollte danach bitteschön aufs Maul hocken. In dieser Hinsicht überlege ich mir die Lancierung einer „Maulkorbinitiative“: Wer in diesem Land stimm- und wahlberechtigt ist und nicht wählen geht, verliert für vier Jahre jedes Recht, sich mündlich oder schriftlich zu beschweren. Zuwiderhandlungen werden mit gemeinnütziger Arbeit, im Wiederholungsfall mit einem verordneten Fernsehmarathon aus „Arena“, „Schawinski“ und Wahlfilmchen der SVP bestraft. Wer seine Pflicht tut, darf hingegen, wie es sich gehört, schon am Abstimmungssonntag lauthals feiern oder jammern und dann vier Jahre lang lamentieren, was alles nicht so läuft, wie es sollte. Das allein sollte doch jeden professionellen Stänkerer an die Urne treiben!

Spaß beiseite: Es wäre wirklich wünschenswert, wenn sich wieder mehr Schweizer dazu bewegen ließen, den Weg an die Urne anzutreten. Unter all den Kandidaten hat es sicher genug, die ein aufrichtiges Interesse am Wohl des Landes haben und unter diesem Wohl etwas ähnliches verstehen wie Du oder ich. So sollte jeder und jede in der Lage sein, ein paar Kandidaten zu finden, die er mit Überzeugung auf seinen Zettel schreiben kann.

Warum nicht gleich heute bei Smartvote vorbeischauen, die Fragen beantworten und schauen, wen das Orakel ausspuckt? Ich habe es getan und mich gefreut, dass mein Cousin Matthias Meier-Moreno, der für die CVP in den Ring steigt, es auf Platz drei in meiner Auswahl geschafft hat. Nun habe ich neben dem familiären auch noch einen pragmatischen Grund, den politischen Fackelträger unserer Familie zu wählen und ihm hier – so parteiisch will ich sein – von Herzen Erfolg zu wünschen.

Also Leute, ab an die Urnen – und heute in einem Monat treffen wir uns dann zum ersten hochoffiziellen Jammern, Frohlocken, Leiden und Johlen. Ich freue mich!

Nicht nur an die Schweizer: Wie schaut es aus? Geht Ihr immer an die Urne, selten oder nie? Und warum? Ich freue mich auf Euren Kommentar!

Füsse SprungWer sein Christsein öffentlich und leidenschaftlich lebt, muss mit bestimmten Reaktionen rechnen. In Diskussionen wird man schnell auf all das hingewiesen, was Christen so auf dem Kerbholz haben, und sind die Verbrechen früherer Zeiten abgehandelt, geht es genüsslich weiter mit der Erwähnung derjenigen berühmten Mitchristen, die gerade aus unappetitlichenGründen die Schlagzeilen dominieren. Damit kann ich leben. Allerdings beschäftigt mich das zugrunde liegende Prinzip, wenn ich es auf die persönliche Ebene herunterbreche.

Von hundert Leuten liest einer die Bibel, und neunundneunzig lesen den Christen – so hat es ein Erweckungsprediger einmal ausgedrückt, und das spiegeln auch die obigen Erfahrungen. Was wir tun und lassen, wird von anderen registriert und dem Christentum zum Wohl oder Wehe angerechnet.

Was die Furcht vor Meinung und Urteil der Menschen betrifft, habe ich zum Glück festgestellt, dass ich mit fortschreitendem Alter immer unempfindlicher dafür werde. Dennoch beschäftigen mich meine tönernen Füße, und meistens genau dann, wenn ich gefordert bin, mich noch mehr für meinen Glauben zu exponieren. Dann höre ich die Stimme, die Du vielleicht auch schon gehört hast. „Wieso willst ausgerechnet DU mit Deinem [man setze die Schwäche oder das Fehlverhalten ein, das einem am meisten beschämt] anderen erzählen, wie Dein Glaube Dich verändert und befreit hat?“

Wie gehe ich damit um, dass mein Grad an Heiligkeit für andere über die Tauglichkeit des Christentums entscheidet, wo ich doch genau weiß, dass ich trotz aller Bemühungen nie genügen kann?

Mich ermutigt der Gedanke, dass Gott seit jeher normale, fehlbare Menschen für sein Reich eingesetzt hat, die keineswegs immer zur geistlichen Elite gehörten. Als David zum nächsten König bestimmt wurde, war er der Kleinste seiner Familie und hütete Schafe. Einige der Jünger Jesu waren Fischer und vorher sicher nie bei einem Rabbi in der Lehre gewesen. Matthäus war Zöllner und übte damit einen Beruf aus, der einen äußerst schlechten Leumund hatte.

Genauso wenig zeichneten sich die Erwählten durch Fehlerlosigkeit aus: David, Noah und Gideon (um nur drei zu nennen) wirkten Großes für Gott, ließen sich aber auch Ehebruch, Trunkenheit und Feigheit vor dem Feind zuschulden kommen. Und was erfahren wir über das Verhalten der Jünger in Neuen Testament? Hat ihre Erwählung durch Jesus sie so geadelt, dass sie jeden Test bestanden?

Auch sie vollbrachten Großes und scheiterten dennoch immer wieder an sich selbst. Petrus wagte sich zu Jesus aufs Wasser, verlor dann den Mut und ging unter. Er versprach großspurig, für seinen Herrn in den Tod zu gehen, um ihn dann wie alle anderen in der Stunde der Not zu verlassen und zu verleugnen. Die Donnersöhne Johannes und Jakobus stritten sich darum, wer im Reich Gottes neben Jesus sitzen dürfe, und der später berufene Paulus sah es vor seiner Bekehrung in Damaskus als seine Lebensaufgabe an, die Jünger Jesu zu verfolgen und zu vernichten. Er blieb ein streitbarer Geist, obwohl er die meisten Briefe des Neuen Testaments schrieb und trotz seiner Pharisäervergangenheit zu den Nichtjuden geschickt wurde.

Gott beruft nicht die Fähigen – er befähigt die, die er beruft. Und er beruft nicht nur die starken, abgeklärten spirituellen Lehrer in seinen Dienst, sondern mehrheitlich normale, bedürftige Menschen mit Schwächen, die sich von ihm gebrauchen lassen, daran reifen und deren Lebensfrüchte für sich und vor allem für ihn sprechen. Das befreit auch mich darin, für ihn zu wirken. Gott setzt mich für sich ein, obwohl ich nicht perfekt bin.

Dass ich nicht aus mir heraus vollkommen bin, macht mir zudem klar, dass ich Gott brauche, und lässt keinen Platz für übermäßigen Stolz auf meine eigene Leistung. Gleichzeitig wächst mein Bewusstsein dafür, dass ich nur angedockt an ihn in der Lage bin, meine Aufgabe zu erfüllen. Jesus sagt klar, dass wir Reben an seinem Weinstock sind und nur in Verbindung mit ihm tun können, wozu wir bestimmt sind, und lieben können, wie er geliebt hat. Und das ist es, was andere wahrnehmen.

Menschen spüren, ob wir sie als Trophäen in unserem Bekehrungspalmares sehen oder an ihnen als Menschen interessiert sind, ob wir Ruhm und Ansehen für uns anstreben oder unseren Gott groß machen wollen. Und Menschen werden von Menschen berührt – von Echtheit, von Veränderung, von der Liebe, die ihnen entgegengebracht wird. Unsere Aufgabe, Menschen von der Strahlkraft des Evangeliums zu überzeugen, gelingt am besten, wenn in uns das Resultat der erfahrenen Liebe Gottes durchschimmert – in einem befreiten, liebevollen Auftreten und im Bewusstsein, dass ich weiß, wem ich mein Leben und meine Veränderung verdanke. Nicht mir selbst oder irgendwelchen geistlichen Klimmzügen (auch wenn Wille zur Veränderung und Disziplin wichtig sind), sondern zuerst und vor allem Jesus.

Gott gebraucht uns und nimmt uns in seinen Dienst, wie wir sind: Auf dem Weg, entwicklungsfähig, heilungsbedürftig und mit Schwächen behaftet. Er geht mit uns und hilft uns, seinem Sohn, dem menschlichen Abbild seiner selbst, ähnlicher zu werden.

Mich ermutigt das, immer und überall dazu zu stehen, dass ich ein „Work in Progress“ bin. Ich mache Fehler, manchmal kleine, manchmal auch größere, aber aus jedem gehe ich als Mensch hervor, der etwas dazu gelernt hat. Ich werde mein Leben lang den Status „in Bearbeitung“ tragen, aber das ist in Ordnung. Denn ich lebe in der Hoffnung, dass ich mit jedem Tag, an dem ich mich seiner Führung unterstelle, meinem Herrn ähnlicher werde, und in der Gewissheit, dass ich am Tag meines Todes, endlich „vollendet“, in seine Herrlichkeit eingehe.

Wie geht es Dir mit Deinen Schwächen und Unzulänglichkeiten? Lebst Du gemäß der Devise „frisch, fromm, fröhlich, frei“, oder plagen Dich Gedanken, dass Du nicht genügst? Mach Dir bewusst, dass Deine Fehleistungen der Vergangenheit hinter Dir liegen und auch alles Zukünftige bereits vergeben ist. Das meint nicht „billige Gnade“ oder „machen, was immer ich will“, sondern ein befreites Leben im Bewusstsein, dass Jesus nicht für die in ihren Augen „Gesunden“ gekommen ist, sondern für die Menschen, die wissen, dass sie Gott brauchen.

Und er freut sich, dass Du ihn brauchst – zuallererst, damit Du jeden Tag mit dem Bewusstsein beginnen kannst, dass nichts und niemand Dich von der Liebe Gottes trennen kann.

?Nach sieben Tagen Peak District bin ich wieder im Alltag angekommen. Die Zeit in England war entspannend, friedlich und inspirierend – unter anderem haben wir „Stanage Edge“ erklommen und das „Chatsworth House“ besichtigt, Stammsitz der Dukes of Devonshire und Schauplatz von Mr. Darcys „Pemberley“ in „Pride & Prejudice“ 2005. Der aufregendste und anstrengendste Tag war aber der zweitletzte, und das eher zufälligerweise. Alles begann mit einer harmlosen Wanderung.

 

?Wir hatten uns entschlossen, dem „Ladybower Reservoir“ einen Besuch abzustatten – ein Stauseegebiet mit Wäldern und Hügeln, ideal für einen entspannenden Ausflug. Nach etwa anderthalb Stunden Wanderung durch Wälder und Wiesen oberhalb des Seeufers erreichten wir das Ende des Seearms und machten uns auf der anderen Seite auf den Rückweg. Als ein hölzerner Wegweiser einen Hügel hinaufzeigte, beschlossen wir spontan, ihm zu folgen, weil es spannender schien, als auf dem asphaltierten Weg weiterzuwandern.

20150829_111637An dieser Stelle ein kleiner Exkurs und eine Warnung für Schweizer, die in England wandern wollen: Wo bei uns ein leuchtend gelber Wegweiser auf die Minute genau angibt, wie lange man nach Wengen oder aufs Stockhorn braucht, genügt den Engländern ein hölzernes oder metallenes Schild mit der Aufschrift „Public Footpath“, mit viel Glück ergänzt durch zwei Pfeile und eine vage Ortsangabe.                  SO sehen Wegweiser aus!

20150822_142430Aber genug der Tirade: Wir ließen Stausee, Wiesen und Wälder immer weiter unter uns. Es war heiß, und wir gerieten ins Keuchen. Als der Weg sich vom See abwandte, wurden wir unsicher, beschlossen aber weiterzugehen. Die mit Steinen, Schafen und pinken Heidekrautbüschen gesprenkelten Hügel waren verwunschen und malerisch, die Stille und Weite wunderbar.

Dennoch wurden wir nach einiger Zeit durstig und müde. Wir hatten nicht für eine so lange Wanderung eingepackt, und unser Trinkwasservorrat neigte sich dem Ende zu. Außerdem führte der Weg auf einen Hügelkamm, den wir uns nicht mehr antun wollten, und es sah nicht so aus, als ob es eine Alternative gab. Aber es konnte ja nicht so schwierig sein, etwas abzukürzen – oder?

Wir riskierten es, verließen den breiten Trampelpfad und stürzten uns in die Heidekrautbüsche. Doch das war anstrengender als gedacht: Unter den struppigen Büschen verbarg sich unebener Boden, und wir mussten die Beine bei jedem Schritt anheben, als ob wir durch kniehohen Schnee stapfen würden. Ab und zu sprang unerwartet ein verschrecktes Schaf blökend hinter einem Strauch hervor, und wir wussten nie, ob wir beim nächsten Schritt in einem Erdloch stecken würden.

20150822_145310Tapfer kämpften wir uns durch die Misere und hofften inständig, dass endlich ein Weg zum Vorschein käme. Fehlanzeige. Irgendwann dämmerte uns leise, dass es bei weitem einfacher und weniger anstrengender gewesen wäre, auf dem Trampelpfad den Hügelkamm zu erklimmen. Nachdem wir uns zu dieser Erkenntnis durchgerungen hatten, änderten wir die Richtung um 90 Grad und kletterten entschlossen bergan. Einige schweißtreibende Minuten später war es geschafft, und die breiten Natursteinplatten, die die Hochebene durchzogen, waren ein exorbitant schöner und erleichternder Anblick.

 

20150822_150459Der Rest der Wanderung war dann weit angenehmer, obwohl langsam ein Gewitter aufzog und wir nicht recht wussten, wie wir von der Höhe wieder zum See herunterkommen sollten, doch schließlich kamen wir wohlbehalten und trocken wieder im Tal an und belohnten uns für die lange Wanderung mit einem Abendessen im Pub. Die einzigen Nachwehen unseres unvorsichtigen Experiments waren Muskelkater und ein verbrannter Nacken, weil wir bei der stressigen „Pfadfinderei“ vergessen hatten, Sonnencreme aufzusprühen.

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Der überraschende, glücklicherweise glimpfliche Ausgang unserer Spontanentscheidung hat mir wieder einmal klar gemacht, dass Abkürzungen in vielen Fällen keine Lösung sind. So ungern wir das hören: Oft ist das Wichtige im Leben nur auf dem längeren und anstrengenderen Weg zu erreichen.

Abkürzungen und Beruf(ung)
Auf meinem steinigen Hike zum ersten Prosawerk fantasiere ich manchmal davon, schon jetzt so schreiben zu können wie Dick Francis, Harper Lee, Elisabeth George oder Stephen King. Aber abgesehen davon, dass ich SO wohl niemals schreiben werde, weil solche Talente dünn gesät sind, weiß ich auch, dass diese Damen und Herren viel Zeit aufgewendet haben, um ihren Stil zu finden und zu perfektionieren. Ich kann den Weg zu meinem eigenen Stil und zur Qualität, die mir vorschwebt, nicht abkürzen: Mir bleibt nichts anderes übrig, als die nötige Zahl Worte zu schreiben, Kurse zu besuchen und Wagenladungen Schweiß (und vielleicht Tränen) zu vergießen.

Abkürzungen und Beziehungen
Das Gleiche gilt für Beziehungen. Auch wenn wir uns mit manchen Menschen rasch und manchmal fast magisch verstehen, braucht es Zeit, bis Freundschaften die Tiefe und Beständigkeit entwickeln, auf der unser Vertrauen wachsen kann. Wird das Vertrauen erschüttert, braucht es Zeit und Geduld, um diese Wunde wieder zu schließen, und dafür braucht es beide Seiten. Das gelingt nich immer, und manchmal müssen wir akzeptieren, dass sich eine Beziehung nicht mehr wiederherstellen lässt.

Abkürzungen bei Gott
Der erste Punkt gilt auch für meine Beziehung zu Gott: Wenn ich mir eine Nähe wünsche, in der ich mich geborgen fühle, muss ich Zeit investieren. Mir hilft Verschiedenes, meine Beziehung zu ihm zu vertiefen und mein Vertrauen wachsen zu lassen: In seinem Wort zu lesen zeigt mir seinen Charakter; zu beten und auf seine Stimme zu horchen fördert meine Feinfühligkeit für sein Reden; ihm zu singen und ihn anzubeten zeigt mir seine Erhabenheit, öffnet mein Herz für Erkenntnisse und verändert mich zu ihm hin, und auf Spaziergängen in seiner Gegenwart, ohne Plan und Wunschliste, lerne ich zu glauben, dass er auch mein Freund und immer nur eine Haaresbreite und ein Gebet von mir entfernt ist.

Doch hier hört die Beziehung zu Gott auf, wie die zu einem Menschen zu sein. Denn während wir bei Menschen nicht immer wissen, woran wir sind, während wir uns missverstehen können und manchmal wankelmütig sind, ist Gott immer der Gleiche. Und der schönste Zug an ihm, den man guten Gewissens von keinem Menschen erwarten kann: Ich kann sein Vertrauen, seine Liebe und sein Wohlwollen nie mehr verlieren. Selbst wenn ich mich daneben benehme, rebelliere und ihn anklage, kann ich jederzeit zu ihm umkehren. Wenn ich einen Fehler gemacht habe, muss ich danach nicht geduldig den verlorenen Boden wieder gutmachen. Gott kennt mich bis auf den tiefsten Grund meines Herzens, und bei ihm kann ich nichts falsch machen.

Diese Heimat bei Gott ist es, die mein Leben leicht und hell macht. Nicht leicht im Sinne von problemlos, nicht hell im Sinne von ohne Schatten und schwere Zeiten. Aber meine Quelle versiegt niemals, und um zu ihr zu gelangen, brauche ich keine Abkürzung – denn der Weg zum Herzen Gottes könnte nicht kürzer sein.

Flugzeug SonneDie offizielle Ferienzeit ist in der Schweiz vorbei – die Urlauber sind braungebrannt zurück im trauten Heim, und auch die an der Heimatfront haben dieses Jahr Farbe bekommen. Während für die Mehrheit der Alltag wieder angefangen hat, bin ich bald am Kofferpacken und freue mich auf ein paar Tage in Englands „Peak District“,  auf den Spuren von Jane Austens „Stolz und Vorurteil“.

Das klingt nach einer lange geplanten Sache, kam aber eher spontan zustande: Erst hing eine Reise nach Galway in der Luft, aber da es keine Flüge mehr gab, verschob ich meine Nachforschungen nach Südengland, wo es zwar Flüge gab, aber nur happig teure. Dann entdeckte ich einen günstigen Flug nach Manchester, schaute mir an, wo man von da aus so hinkönnte, und die literarisch-naturgeprägte Reise war geboren.

Reisen ist im www-Zeitalter eine Wissenschaft geworden: „Last-Minute“ oder doch lieber „Early Bird“? Wer genau weiß, wohin er will, ist meist besser bedient, wenn er rechtzeitig bucht; ist man flexibel und abenteuerlustig, was das „wohin“ angeht, kann man auch mit gepacktem Koffer an den Flughafen fahren und schauen, was grad so an „Last Minute“ zu haben ist.

Meiner Natur gemäß haben diese weltlichen Reisepläne mich zu einem Gedankenspiel über die aktuellen Reisebedingungen in Sachen Glauben geführt: Lohnt sich bei „Christ Travel“ Last Minute, oder gibt es schöne Early Bird-Rabatte?

Jeder kriegt „All Inclusive“
Auf den ersten Blick sieht es für Early-Birder enttäuschend aus. Egal, wann im Leben ich die Einladung annehme: Die Erlösung ist komplett, es gibt für jeden All Inclusive und keine Extras für die, die schon lange dabei sind. Dass dem so ist, erzählt Jesus im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg: Ein Mann wird vom Weinbergbesitzer angeworben, den ganzen Tag für ihn zu arbeiten, und die beiden vereinbaren einen schönen Tageslohn. Aufgrund des hohen Arbeitvolumens stellt der Besitzer fortlaufend Leute an, den letzten eine Stunde vor Feierabend. Als der Arbeiter, der den ganzen Tag geschwitzt und geackert hat, seinen Lohn in Empfang nimmt, freut er sich – aber nur, bis er merkt, dass alle anderen, die nach ihm gekommen sind, gleichviel erhalten.

Die Risiken von „Last Minute“
Diese kommunistisch anmutende Gleichmacherei hält manche Menschen von der Hinwendung zu Jesus ab: Da eine langjährige Mitgliedschaft keinen besonderen Status zur Folge hat, liebäugeln sie mit der Idee, ihre Entscheidung auf den letzten Moment zu verschieben. Aber dieses Last-Minute-Spiel ist gefährlich. Gott wirbt zwar immer wieder geduldig und hartnäckig um uns, in vielen Begegnungen und Momenten, in denen wir spüren, dass wir hier und jetzt eingeladen werden, zu glauben und eine Entscheidung zu treffen. Wenn wir die sanfte Stimme der Wahrheit und die Worte seiner Liebe aber nicht hören wollen und unser Herz Mal um Mal verschließen, laufen wir Gefahr, dass sich dieses Herz verhärtet und irgendwann so undurchdringlich ist, dass wir Gottes Einladung nicht mehr annehmen können.

Der wahre „Early Bird“
Wenn ich dieses Risiko nicht eingehen will, tue ich also gut daran, seine Einladung eher früher als später anzunehmen. Und das nicht nur aus diesem Grund: Tatsächlich gibt es einen Early Bird, an dem ich mich seit 11 Jahren erfreue. Es ist das erfüllte, befreite, tiefe und erlöste Leben im Hier und Jetzt. Ein Leben kann ausgefüllt sein, wenn ich es ohne Gott lebe, aber wenn wir, wovon ich überzeugt bin, für die Gemeinschaft mit Gott geschaffen sind, wird uns ohne diese Gemeinschaft etwas fehlen, das wir nirgendwo sonst finden werden.

Ich erlebe es als Glück zu wissen, dass ich eine gewollte, gelungene Schöpfung bin und den kenne, der mich geschaffen hat, als Glück der Freiheit, dass all meine Fehler und Misstritte nicht mehr auf mir lasten und ich jeden Tag neu anfangen kann, als Glück zu entdecken, was Gott alles in mich hineingelegt hat, und so Schritt für Schritt meinen Platz und meine Aufgabe in diesem Leben zu finden, und vor allem als Glück im tiefen Frieden, dass Jesus genügt: Dass ich angenommen und angekommen bin, dass dem Evangelium nichts hinzuzufügen ist und ich mich in dieser Gewissheit entspannen und einfach leben darf.

Keine Angst vor den Reisebedingungen!
Der Zeitgeist will uns glauben machen, dass wir etwas verpassen, wenn wir auf Gott setzen. Unser ängstliches, sich um sich selbst drehendes Ego glaubt, dass das Leben mit Gott grau und langweilig wird, und wir fürchten, dass die Gepäckvorschriften auf dem Flug des Glaubens so restriktiv sind, dass wir etwas zurücklassen müssen, das wir als lebensnotwendig ansehen. Aber das ist eine doppelte Lüge. Zum einen lässt Gott uns mit allem Gepäck einsteigen – auch dem, das uns allenfalls herunterzieht. Er verlangt nicht, dass wir etwas zurücklassen oder uns zum Voraus ändern. Auf dem Flug merken wir mit der Zeit selbst, dass gewisse Gepäckstücke unnötig oder hinderlich sind, und werfen sie nach und nach ab. Und zum zweiten stellen wir erleichtert fest, dass die Anweisungen für die Reise uns weder behindern noch beschneiden, sondern uns gewurzelt im Gebot der Liebe und der Würdigung allen Lebens vor egoistischen Fehlern schützen und damit uns und anderen Leid ersparen können.

This is for you…!
Mir ist klar, dass mein Blog auch von zwei Personengruppen gelesen wird, die mit solchen Inhalten nur begrenzt etwas anfangen können: Den Mitfrömmlern, die das alles schon kennen, und den mir bisher noch halbwegs wohlwollend gegenüberstehenden Areligiösen, die sich allenfalls nach diesem Post wieder überlegen, ob sie sich das noch antun wollen. Trotzdem schreibe ich dieses Post, und zwar für Dich – den einen Leser, den meine Zeilen berührt haben. Dir sage ich noch dies – und wer will, kann weiterscrollen:

Philipper 2 10Ich bin tief davon überzeugt, dass wie in Philipper 2,10 angekündigt der Tag kommen wird, an dem sich jedes Knie vor Jesus beugen und jede Zunge bekennen wird, dass er der Herr ist. Aber nicht alle werden es freiwillig tun. Davon singt auch Brian Doerksen in seinem Klassiker „Come, now ist he time to worship“. Er beendet den Refrain so:

Dennoch bleibt der größte Schatz denen, die ihn jetzt mit Freuden wählen.

Diesen Schatz – das Leben, das ich hier und jetzt im Vertrauen auf meinen Gott führen kann, ganz zu schweigen von der Ewigkeit in seiner Gegenwart – wünsche ich jedem Menschen. Daher schließe ich mit dieser kleinen Werbepersiflage (Claus HiPP möge mir verzeihen):

Wenn sich je ein Angebot in Deinem Leben gelohnt hat,
dann ist es die Reiseofferte Jesu.

Dafür stehe ich mit SEINEM Namen.

baby-428395_1280Das Thema Abtreibung hat schon immer für reichlich rote Köpfe gesorgt, und ich habe mich gern herausgehalten. In den letzten Wochen hat sich die Debatte wegen der amerikanischen Non-Profit-Organisation „Planned Parenthood“ noch verschärft, und der auf meinen Facebook-Feed niederprasselnde Geschützdonner hat mich nun doch hinter dem Busch hervorgeholt.

Für die, die das nicht verfolgt haben: „Planned Parenthood“ bietet in über 700 Kliniken medizinische Dienste vor allem in den Bereichen Sexualmedizin, Gynäkologie und Familienplanung an, und ein Großteil ihrer Arbeit dreht sich um Abtreibungen. Seit einiger Zeit sind Videos im Umlauf, die Abtreibungsgegner heimlich mit einer Mitarbeiterin der Organisation gedreht haben. Sie hatten im Gespräch vorgegeben, am Kauf von Fötus-Organen interessiert zu sein, und im Video hört man die Mitarbeiterin bei einem grünen Salat und einem Glas Wein darüber sprechen, wo man einen Fötus am besten zerdrückt, um die gewünschten Organe unversehrt zu lassen.

Ich habe mir das Video angesehen, und es dreht einem zugegebenermaßen fast den Magen um. Jeder Satz schreit förmlich heraus, wie pervertiert die Sicht unserer Gesellschaft auf das ungeborene Leben ist. Weniges ist bei uns so wert- und schutzlos wie dieses Leben: wie Karen Swallow Prior es in einem exzellenten Post ausgedrückt hat, bezeichnen wir es in grenzenloser Heuchelei als „Babies“, wenn es erwünscht ist, und degradieren es zu einer Sache, wenn es uns gerade nicht in den Kram passt.

Manchmal habe ich den Egoismus, die Gedankenlosigkeit und die Gleichgültigkeit, die aus unserem Umgang mit diesem Leben sprechen, einfach satt. Dann würde ich militanten Befürwortern gern etwas in dieser Währung sagen: „Es ist also DEIN Körper, DEIN Leben. Warum übernimmst Du dann nicht die Verantwortung dafür, BEVOR Du ein Leben erschaffen hast, für das Du dann nicht einstehen willst?“ Und ein paarmal hat mein Finger gezuckt, wenn ein schön plakatives Post in meinem Facebook-Feed aufgetaucht ist. Warum nicht EINMAL der Welt demonstrieren, wie pervers sie doch ist?

Am Ende habe ich keines von beiden getan, und zwar aus gutem Grund: weil ich das Thema nicht nur aus diesem Blickwinkel sehen kann.

Ich halte Abtreibung für falsch und für eine Tragödie. Nach meinem Glaubensverständnis darf weder ich noch sonst jemand entscheiden, ob ein Mensch leben darf oder nicht. Ich darf mir aber als Christ auch nicht den Luxus erlauben, die Welt nur so zu sehen, wie sie sein sollte, während ich geflissentlich Leid, Schmerz und Not ignoriere, die neben Gedankenlosigkeit und Egoismus eben auch hinter solchen Entscheidungen stehen.

Ich würde gern in einer Welt leben, in der es keine Gesetze braucht. In der es weder ein Verbot noch eine Regelung für Abtreibung gibt, weil niemand auf eine solche Idee kommt. Eine Welt, in der Menschen verantwortlich zusammenleben, in der Sex Ausdruck von Liebe in einer verbindlichen Beziehung und die Schwangerschaft ein Geschenk ist, das freudig empfangen wird.

Aber in dieser Welt leben wir nicht. Wir leben in einer gefallenen Welt, in der Gottes Reich zwar immer wieder durchscheint, aber nun einmal noch nicht zum Durchbruch gekommen ist. In dieser Welt gibt es Egoismus, Bösartigkeit, Armut, zerbrochene Beziehungen, und damit gedankenlosen Sex, Vergewaltigungen, finanzielle Not und zerbrochene Familien. Und das alles bringt Situationen hervor, in denen eine Schwangerschaft eine Frau in tiefste Verzweiflung stürzen kann.

Als Christen können wir natürlich für Gesetze kämpfen, die das ungeborene Leben schützen. Meiner Meinung nach sollten wir aber nicht vergessen, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe des Staates ist, Gottes Gesetze durchzudrücken, und wir sollten unsere Energie nicht darauf verschwenden, einen Gottesstaat christlicher Prägung zu errichten. Und genauso wenig sollten wir unserem Zorn und unserem Schmerz dadurch Ausdruck verleihen, dass wir uns in selbstgerechten, verurteilenden Posts abreagieren, wie sie in letzter Zeit meinen News-Feed zumüllen.

Ich verstehe Euch ja: Euer Blut kocht, und es tut Euch in der Seele weh, wenn ungeborenes Leben wie Abfall behandelt wird. Aber wir sollten nie vergessen, dass wahrscheinlich nur eine Minderheit leichtfertig abtreibt. Und selbst wenn es mehr sind: versetzen wir uns nur einmal in die Lage einer Frau, die sich in seelischer Not befindet und keinen Ausweg weiß. Die es wegen Familie und Umfeld nicht wagt, das Kind zu behalten oder es auszutragen und zur Adoption freizugeben. Wir sollten uns fragen, ob wir in ihrer Lage, ohne unseren Weg, der uns auch den Wert des ungeborenen Lebens bewusst gemacht hat, vielleicht die gleiche Entscheidung gefällt hätten. Und dann sollten wir unser Post noch einmal anschauen und uns fragen, ob wir damit irgendetwas besser machen. In der Regel nicht, denn hartherzige Egozentriker erreichen wir damit sowieso nicht. Aber wir versetzen einer solchen Frau einen zusätzlichen Stich in eine blutende Wunde un verhindern damit zuverlässig, dass jemals eine Frau in Not auf uns zukommt.

Doch genau hier wäre unser Platz. Anstatt unsere Wut in Posts abzulassen, könnten wir konkret für das ungeborene Leben einstehen. Aber wie?

Akzeptieren wir, dass wir in dieser gefallenen Welt leben.
Ich wiederhole mich, weil es zwar schmerzlich, aber dennoch wahr ist: Menschen haben nicht nur Sex, wenn sie verheiratet sind und Kinder wollen. Menschen sind unvorsichtig, Frauen werden ungewollt schwanger. Frauen werden vergewaltigt, Frauen leben in Armut und haben Angst; Frauen glauben, dass sie es nicht schaffen, weil sie keine verbindlichen Beziehungen haben, auf die sie bauen können. Diese Welt gibt es, und sie verschwindet nicht auf einen Schlag. Leben wir darin, wie es unsere Aufgabe ist. Sehen wir hin, auch wenn es weh tut.

Schaffen wir ein „Pro-Life“-Umfeld, indem wir uns um das GEBORENE Leben kümmern
Als Christen können wir ein Umfeld schaffen, in dem Menschen den Wert des Lebens kennen, schätzen und respektieren, wenn sie durch uns Wertschätzung am eigenen Leib erleben. In meiner Gemeinde wurde eine junge Frau schwanger, ihre Beziehung zerbrach. Ich habe ihren Entscheidungsprozess nicht erlebt, aber ich habe mitbekommen, wie sie unterstützt wurde und wie sehr ihr die eigene Familie beigestanden ist. Sie hat inzwischen erfolgreich ihre Ausbildung abgeschlossen, und ihre Eltern zeigen jeden Tag, wie stolz sie sind und wieviel Freude sie an ihrer Enkeltochter haben.

Stehen wir mutig zu unserer Sicht
Nur, weil der Staat etwas erlaubt und es somit legal ist, muss es nicht in Ordnung sein. Kein Mensch kann sagen, wann die Seele in den Menschen kommt und das Leben anfängt, aber niemand wird bestreiten, dass es vor der Geburt beginnt. Erinnern wir daran, dass eine Abtreibung gewaltsam ein Leben beendet. Wenn wir Abtreibung verharmlosen oder dazu schweigen, entwerten wir nicht nur das ungeborene Leben: wir tun auch den Frauen keinen Gefallen, die vor dieser Entscheidung stehen. Viele Frauen, die sich für eine Abtreibung entscheiden, leiden später darunter, und ich glaube, das hat mit diesem beendeten Leben zu tun. Einer der Gründe, warum das „Planned Parenthood“-Video so an die Nieren geht, ist, dass die Mitarbeiterin einzelne Organe benennt. Damit widerspricht sie ungewollt dem oft verwendeten Bild vom „Zellhaufen“ und sagt, worum es sich wirklich handelt: um Organe eines lebenden menschlichen Wesens. Wenn sich uns eine Frau in ihrer Not anvertraut, sollten wir ihr einfühlsam beistehen, ihr aber auch diese Sicht zumuten – nicht nur zum Schutz des ungeborenen Lebens, sondern zu ihrem eigenen Schutz im Entscheidungsprozess.

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Abtreibung ist ein schmerzliches, grausames und unerträgliches Brandzeichen unserer gefallenen Welt. Sie muss, nein, sie darf uns nicht gefallen. Tun wir, was in unserer Macht steht, um ungeborenes Leben zu retten.

Schaffen wir ein Umfeld, das Menschen in Not anzieht. Stehen wir denjenigen bei, die in solchen Situationen stehen und keinen Ausweg wissen.

Sehen wir es als Aufgabe, Abtreibung weder schönzureden noch zu versachlichen, sondern klar darzulegen, was es ist, und Menschen dennoch mit Mitgefühl und Barmherzigkeit zu begegnen.

Und vergessen wir in unserem Zorn und unserem Schmerz nicht, dass das Auslöschen eines Lebens bei einer Abtreibung Gott zwar niemals gefallen wird, dass seine Barmherzigkeit aber grösser ist – und unsere es auch sein sollte.

Schirm SchweizDer Nationalfeiertag ist auch für Schweizer etwas Schönes. Bitter zwar, wenn er wie dieses Jahr auf einen Samstag fällt – dafür kann ich als Entschädigung zwei weitere Highlights feiern!

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Heute vor zwei Jahren habe ich mit „Seelensnack“ angefangen. Seitdem sind mit dem heutigen Post 111 Beiträge erschienen (passend zur Solothurner Zahl 11!), und das Bloggen macht mir immer noch eine Menge Spass. Feiern werde ich dieses Jubiläum wie bereits angekündigt mit der Publikation der schönsten Beiträge von „Seelensnack“ in einem handlichen Taschenbuch. Es soll rechtzeitig vor Weihnachten erscheinen, und schon bald erfahrt Ihr, welche Beiträge es in das Büchlein schaffen werden.

Das weitere Highlight: heute habe ich meine Website „Klare Töne“ mit neuem Look veröffentlicht und dazu auch das Design von „Seelensnack“ entsprechend angepasst. Es ist noch nicht alles perfekt – warum der Titel in dieser sagenhaften Grösse angezeigt wird, hat sich mir beispielsweise noch nicht erschlossen. Aber ich hoffe, Ihr mögt es; I’ll keep working on it!

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Heute bleibe ich kurz und geniesse den Nationalfeiertag. Der Blog würde aber seinem Namen nicht gerecht werden, wenn ich nicht auch noch ein paar kleine Gedanken dazu teilen würde:

Ich freue mich heute über 724 Jahre Eidgenossenschaft, auch wenn mir klar ist, dass unser Staat in seiner jetzigen Form eher 1848 aus der Taufe gehoben wurde. Ich bin stolz auf mein Land, obwohl es auch seine Mängel hat, aber ich bin vor allem dankbar. Dankbar, dass ich unverdientermassen in einem Staat aufwachsen darf, in dem ich weder für meine Meinung noch für meinen Glauben verfolgt werde, indem ich mich ausbilden und mein Glück suchen kann und nicht die schlechteste Chance haben, es zu finden.

Ich leugne nicht, dass die Zuwanderung für uns alle eine Herausforderung ist, aber ich will nicht vergessen, dass auch unser Land andere Zeiten kannte: Zeiten, in denen sich Katholische und Reformierte aufs Blut hassten, Zeiten, in denen sich Menschen auf den Weg nach Amerika machten, um – Überraschung – ein besseres Leben zu finden. In der „Aargauer Zeitung“ von gestern hat Journalist Benno Tuchschmid eine Hommage an „Flüchtlinge“ geschrieben, die unser Land geprägt und weitergebracht haben – ein lesenwerter Artikel, der mich daran erinnert, dass wir viel Gutes in unserem Land nicht zuletzt der Inspiration „von aussen“ verdanken.

Ich glaube nicht, dass Gott seine Vorlieben für Nationen im politischen Sinn hat, und der Gedanke, das es so sein könnte, war schon immer der Anfang gefährlicher Entwicklungen. Aber ich freue mich, dass unsere Verfassung mit der Präambel „Im Namen Gottes des Allmächtigen“  beginnt, und daran, dass sich unsere „fromme, spiessige“ Nationalhymne bisher behaupten konnte – trotz aller laufenden Bestrebungen für eine modernere Variante. Freuen wir uns noch ein bisschen daran, und wer mag, denkt heute an die letzten beiden Zeilen der ersten Strophe:

Wenn der Alpenfirn sich rötet, betet, freie Schweizer betet
Eure fromme Seele ahnt Gott im hehren Vaterland!

Allen hiezulanden und ausserhalb einen wunderbaren 1. August!

 

Spazgang GottHeute ist selbst ernannter „schräger Sonntag“, darum einmal eine ganz besondere Geschichte. Das Folgende hat sich exakt so zugetragen – die Hand drauf…

Kürzlich befand ich mich bei wieder einmal angenehmen Temperaturen auf meinem neu eingeführten „strammen Abendspaziergang“. Ich war bereits auf dem Weg nach Hause und wie immer, wenn niemand in der Nähe ist, im hörbaren Gespräch mit Gott. Wie so oft redete ich mit ihm über die Menschen in meinem Leben und über alles, was mir sonst so auf dem Herzen liegt. Es hörte sich gerade so an:

„Herr, bitte sei xy in den nächsten Wochen nahe. Schenk mir Weisheit, wenn es darum geht, ob ich über Dich sprechen und was ich sagen soll. Ich vertraue Dir, dass Du mir die richtigen Worte eingibst und mir sagst, wann ich mich zurückhalten soll. Und hilf Du mir und den Menschen, die ich liebe, immer näher an den Ort zu kommen, an dem wir unsere, Deine ganze Kraft entfalten und Dein Reich weitertragen können. Ich vertraue Dir, dass Du mich zurüstest und bewahrst.“

In diesem Moment hörte ich die Stimme aus dem Off, und es entspann sich folgendes Gespräch.

„Ich glaube, das reicht für heute, meinst Du nicht?“

„Wer spricht da?“

„Genug gearbeitet. Lass uns etwas chillen.“

„Herr???“

„Wer sonst? Und jetzt zur Sache: Dein Auftrag in Ehren – glaub mir, ich nehme ihn sehr ernst. Ich helfe Dir, öffne Dir die Türen, das volle Programm. Aber jetzt will ich einfach ein bisschen mit Dir zusammen sein.“

„Oh…! Ehrlich, es entlastet mich zu wissen, dass Du Dich um alles kümmerst, was außerhalb meiner Macht liegt. Und es berührt mich, dass Du einfach meine Gesellschaft willst.“

„So ist es. Und wie wäre es, wenn Du mir jetzt diesen Joplin-Song singst?“

„Joplin? Welchen denn?“

„Na den mit dem Auto und dem Fernseher!“

„Doch nicht „Mercedes Benz“?

„Genau den! Ich liebe ihn.“

Aber er ist völlig respektlos und ketzerisch!“

„Ach was. Erstens sage ich hier, was ketzerisch ist, und zweitens singt Janis doch nur ein satirisches Lied auf all diejenigen, die mich als Gebetserfüllungsautomaten sehen und neben materiellen Gelüsten nicht wissen, was wirklich wichtig ist. Das müsste Dir doch gefallen, als ursprünglicher Sozi! Also mach mal.“

„Na gut. (Räusper)

Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz?
My friends all drive Porsches, I must make amends.
Worked hard all my lifetime, no help from my friends,
So Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz?

Oh Lord, won’t you buy me a color TV?
Dialing For Dollars is trying to find me.
I wait for delivery each day until three,
So oh Lord, won’t you buy me a color TV?

Oh Lord, won’t you buy me a night on the town?
I’m counting on you, Lord, please don’t let me down.
Prove that you love me and buy the next round,
Oh Lord, won’t you buy me a night on the town?

Everybody!
Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz?
My friends all drive Porsches, I must make amends,
Worked hard all my lifetime, no help from my friends,
So oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz?

“Na also – hat doch gar nicht wehgetan! Das war toll.“

„Danke Dir! Aber dass Du dieses Lied wolltest, und von Joplin…es gibt doch so viele schöne Worshipsongs!“

„Na klar, aber auch viele andere gute Musik! Ich liebe Janis auch – und sie war so begabt. Es bricht mir das Herz, dass sie sich so zugrunde gerichtet hat.“

„Dein Herz ist einfach unsagbar gross…Du bist Hammer, Herr!“

„Ich weiss. Du aber auch – schliesslich weiss ich, was ich mache. Und nächstes Mal singst Du mir dieses lustige Lied aus „Meaning of life“ mit den vielen Kindern.“

„Herr – das kann unmöglich Dein Ernst sein!“

„Hehe – nur ein kleiner Scherz am Rande. Übertreiben wollen wir es nicht; ich habe ja einen Ruf zu verlieren oder so.“

„Das beruhigt mich! Aber das bisschen göttlicher Spass hat gut getan – jetzt kann ich mich wieder meinen Aufgaben widmen.“

„Tu das. Aber vergiss nicht zu chillen und ab und zu einfach so mit mir Zeit zu verbringen. Das hat mein Sohn auch immer getan, als er bei Euch unten war, und das wünsche ich mir am allermeisten. Mit Dir zusammen zu sein.“

„Danke, das werde ich.“

„Und lass ein bisschen lockerer, ok? Du kannst nicht alles kontrollieren. Und ich bin ja auch noch da.“

„Ich weiss. Danke Vater.“

„Gern geschehen.“

In diesem Sinne allen einen schönen Sonntag mit vielen himmlischen Begegnungen der besonderen Art…!

SteilwandIch weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich bin selten zufrieden mit dem, was ich gesanglich, schreibtechnisch, organisatorisch oder zwischenmenschlich hinkriege – es geht immer noch besser. Das stresst mich in der Regel nicht, solange ich mir eine Portion gesunden Realismus bewahre.

Damit kann ich einschätzen, ob ich die „Mängel“ mit mehr Übung oder gutem Willen hätte beheben können oder ob es einfach das Beste war, was ich momentan schaffe. Solange ich diese Unterscheidung mache, kann ich motiviert nach meinem Ideal streben und das Potential anzapfen, das in mir schlummert.

Drifte ich aber in Richtung Perfektionismus ab, wird es gefährlich.

Wenn ich Lee Harpers „Wer die Nachtigall stört“, einen Krimi von Dick Francis oder einen Thriller von Stephen King lese, weiß ich, dass ich genau so schreiben möchte. Mir ist aber klar, dass noch ein langer Weg vor mir liegt und ich das hier und heute nicht so hinkriegen werde. Wenn ich versuche, einen Song von Eva Cassidy detailgetreu nachzusingen, spornt mich das an, und ich habe so schon viel gelernt. Wenn ich aber erwarte, dass ich mich jetzt so anhöre wie sie und das Gefühl habe, versagt zu haben, wenn dem nicht so ist, gebe ich vielleicht auf – oder ich rede mir ein, dass ich genauso klinge und alles super ist.

Wenn er uns dazu verführt, aufzugeben oder unsere Leistung schönzureden, kann der Drang nach Perfektion paradoxerweise gerade verhindern, dass wir uns entwickeln und unser Potential ausschöpfen. Und während das bei unseren Talenten schon sehr schade ist, hat es verheerende Folgen, wenn es um unseren Charakter geht.

Wir haben alle noch eine Menge Luft nach oben. Die einen gehen Konflikten gern aus dem Weg, andere neigen zu Ungeduld und Unbeherrschtheit oder dazu, abfällig über andere zu sprechen. An diesen Neigungen können wir arbeiten, uns verändern und verändern lassen. Wenn wir von uns aber Perfektion erwarten und uns bei jedem Ausrutscher das Gefühl beschleicht, versagt zu haben, laufen wir Gefahr, unsere Augen vor diesen Schwächen zu verschließen. Damit verweigern wir uns dem Wachstum und kommen vielleicht nie an den Ort, den Gott für uns vorgesehen hat – oder wir kommen unvorbereitet dort an und produzieren am Ende mehr Schaden als Gutes.

Wie kommen wir aus der Perfektionsmusfalle heraus? Ein Schlüssel für mich war die erstaunliche Veränderung des Hitzkopfs Petrus.

Als er Jesus auf dem See Genezareth begegnete, hatte Petrus gerade eine Nacht lang erfolglos versucht, Fische zu fangen. Jesus wies ihn an, die Netze noch einmal am selben Ort auszuwerfen, und obwohl Petrus sich nicht viel davon versprach, tat er es. Als die Netze sich daraufhin zum Bersten füllten, war er tief erschüttert.

„Als aber Simon Petrus das sah, fiel er zu den Knien Jesu und sprach: ‚Herr, gehe von mir hinweg, denn ich bin ein sündiger Mensch.’“ (Lukas 5,8)

Der Anblick dieses Wunders machte Petrus klar, dass Jesus kein gewöhnlicher Rabbi, sondern, wie er später zu Jesus sagte, „Der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ war. Und die Vorstellung, mit all seinen Schwächen und seiner Sündhaftigkeit dem Heiligen so nahe zu sein, entsetzte ihn.

Am Ende des Neuen Testaments begegnen wir einem völlig anderen Petrus. Nach der Auferstehung Jesu fischten die Jünger wieder am See Genezareth und fingen einmal mehr gar nichts. Da rief ihnen Jesus vom Ufer aus zu, die Netze auszuwerfen. Die Jünger erkannten den Auferstandenen nicht, aber sie gehorchten und sahen auch dieses Mal, wie sich die Netze füllten und zu reißen drohten. Daraufhin erkannte Johannes Jesus und sagte zu Petrus, dass es der Herr sei. Und was tat Petrus?

„Als nun Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er das Obergewand um sich, denn er war nur im Untergewand, und warf sich in den See.“ (Johannes 21, 7)

Die anderen Jünger fuhren mit dem Schiff zum Ufer, aber Petrus konnte nicht warten. Der Mann, der sich einst für seine Sündhaftigkeit geschämt und Jesus gebeten hatte, sich von ihm zu entfernen, warf sich voll bekleidet ins Wasser, um seinem Freund und Herrn so schnell wie möglich wieder nahe zu sein.

Wie war dieser Wandel möglich? Hatte Petrus in den paar Jahren bewiesen, dass sein Charakter ohne Fehl und Tadel war und er es sich verdient hatte, in Jesu Nähe zu sein? Eher nicht. Tatsächlich hatte Petrus erst vor ein paar Tagen ein vollmundiges Versprechen ewiger Treue geleistet und gleich darauf schändlich versagt.

Nach dem letzten gemeinsamen Mahl hatte Jesus seine Jünger damit konfrontiert, dass sie ihn alle verlassen würden. Petrus widersprach heftig und beteuerte, er würde Jesus auch ins Gefängnis und in den Tod folgen, worauf Jesus erwiderte, bevor der Hahn krähe, werde ihn Petrus nicht nur einmal, sondern gleich dreimal verleugnen.

Jesus sollte recht behalten. Als Petrus mit ansehen musste, wie man seinen Herrn abführte und die Option „Gefangennahme und Tod“ plötzlich real wurde, schrumpften all seine heißblütigen Beteuerungen in sich zusammen. Bevor er wusste, was passiert war, hatte er dreimal behauptet, Jesus nicht zu kennen. Der Hahn krähte, Petrus realisierte seinen Verrat – und weinte bitterlich.

Diese Ereignisse sind noch frisch, als Petrus Jesus am See begegnet, und dennoch versteckt er sich nicht voller Scham, sondern stürzt sich kopfüber in die Fluten, um bei Jesus zu sein. Was war geschehen?

Ich glaube, mit der Auferstehung Jesu wurde Petrus klar, dass Jesus durch seinen Tod und seine Auferstehung Sünde und Tod endgültig besiegt und damit jeden Menschen mit sich selbst und mit Gott versöhnt hat. Petrus begriff, dass ihn nun keine Charakterschwäche und kein Fehlverhalten mehr von seinem Gott trennen konnten, weil sein Herr all das mit ans Kreuz genommen hat. Ihm wurde klar, dass an diesem Kreuz auch sein altes Ich gestorben und er selbst als neuer Mensch auferstanden war – als Mensch, der nach wie vor gegen Schwächen kämpft, der aber nicht mehr danach handeln muss und ungeachtet seines täglichen „Erfolgs“ auf ewig erlöst ist.

Gott weiß, dass ich Luft nach oben habe. Dennoch nimmt er mich im aktuellen, verbesserungswürdigen Zustand uneingeschränkt an. Das hilft mir, mutig auf meine Schwächen zu blicken und nicht daran zu verzweifeln. Es ermöglicht mir, einem vielleicht unerreichbaren Ziel nachzueifern, daran zu wachsen und dennoch jeden Tag mit dem zufrieden zu sein, was ich schon erreicht habe.

Und so macht mir Wachsen und Lernen Freude – und sogar das Straucheln wird zu einer zwar nicht angenehmen, aber doch erhellenden Erfahrung, die mich der Erkenntnis, dass ich Gott brauche, und damit Gott selbst immer näher bringt.

Wie geht es Dir mit dem Thema Perfektion? Bist Du da „voll easy“ und entspannt, oder erwartest Du immer sehr viel von Dir? Und was hilft Dir, loszulassen?

Snacks PottMeine Schwester hat viele Talente: neben dem Reiten, Singen und Unterrichten hat sie das Flair, in ihrem Heim eine tolle Atmosphäre zu schaffen. Wenn sie eine Party oder ein Hauskonzert schmeißt, serviert sie die tollsten Getränke und Snacks und richtet alles so schön her, dass man sich sofort wohl fühlt und es sich gut gehen lässt.

Ich habe von diesem Erbe meiner Mutter nicht so viel abgekriegt; dafür bin ich in anderen Dingen nicht unbegabt. Das Schreiben geht mir prinzipiell leicht von der Hand, und Mailantworten rassle ich normalerweise in Lichtgeschwindigkeit runter. Die erstaunte Reaktion meines Mannes beweist mir, dass es nicht allen so geht, aber ich selbst finde das nicht besonders erwähnenswert.

Und hier liegt das Problem – das Du vielleicht auch kennst. Oft stellen wir unsere eigenen Fähigkeiten zu Unrecht in den Schatten. Wenn andere uns für unsere Gaben loben, entgegnen wir: „Das ist doch nichts Besonderes!“ Wir nehmen sie nicht wirklich wahr, und das hat gleich zwei negative Folgen: Wir schätzen unsere Talente gering und provozieren Konflikte mit anderen. Wie reagiere ich, wenn andere sich mit etwas schwertun, das mir leichtfällt? Wenn ich nicht nachvollziehen kann, wieso jemand eine Riesensache aus einem Mail macht, ist meine übliche, leicht ungeduldige Reaktion: „Kann es denn wirklich so schwer sein….?“ Eine Frage, die den anderen zu Unrecht herunterzieht, denn die Antwort heißt: Ja, es kann – wenn man die Begabung dafür nicht hat.

Geschenke 1Wir tun auch aus anderen Gründen gut daran, das, was wir können, nicht für selbstverständlich zu halten: In den Dingen, die wir gern tun und die uns leicht von der Hand gehen, liegt oft der Schlüssel für unsere Berufung. „Gabe/Begabung“ heißt auf Englisch „Gift“ und bedeutet auch Geschenk, und ich stelle mir unsere Begabungen gern wie einen Riesenhaufen Geschenke vor, den unser Schöpfer liebevoll für uns zusammengestellt hat.

Geschenke 2Und was tun wir damit – packen wir alle Geschenke aus? Wissen wir, was wir können, oder liegt hinter einem grossen Paket vielleicht ein kleines, unauffälliges, in dem etwas ganz Besonderes darauf wartet, ausgepackt und eingesetzt zu werden?

 

Oft bewegen wir uns in den Gaben, die uns in der Gesellschaft am weitesten bringen oder dem Lebensunterhalt dienen. Gerade letzteres ist grundsätzlich nichts Schlechtes und oft einfach notwendig, aber wenn wir unsere Gaben nur aus dieser Sicht betrachten, verpassen wir vielleicht das Wichtigste und Wertvollste. Um dieses Besondere zu entdecken, müssen wir uns andere Fragen stellen als die, die wir normalerweise für nützlich halten. Wir sollten nicht fragen, ob etwas opportun, konservativ, liberal, revolutionär oder spießig ist – das sind Wertungen des Zeitgeistes, und der kann morgen wieder anders sein. Stattdessen sollten wir uns fragen: „Ist es das Richtige für mich – für meine Neigungen, meine Begabungen? Kann ich damit das tun, was mein Herz zum Brennen bringt?“

Manchmal hilft es auch, wenn ich mich frage, was ich tun würde, wenn jemand von heute an all meine aktuellen Lebenshaltungskosten übernehmen und allfällige Investitionen in eine neue Berufung finanzieren würde. Was würde ich mit meiner Zeit anfangen, wenn ich nicht mehr von Geld abhängig wäre und frei entscheiden könnte?

Aktuell quetsche ich meine Berufung neben die Erfordernisse, einen bescheidenen Beitrag an unser Budget zu leisten und auf sehr tiefem Niveau meinen Haushalt zu führen, aber ich weiss ziemlich genau, wie mein Traumleben aussieht: ich würde jemanden für den Haushalt, die Website, Buchungen und das Marketing engagieren und selbst nur noch Bücher und Blogbeiträge schreiben, singen, Kurse und Konferenzen besuchen sowie Lesungen und Konzerte abhalten. YAY!

Diese Gedankenspiele sind keineswegs egozentrisch. Jeder von uns einzigartige Gaben erhalten hat, um einen ganz bestimmten Platz auszufüllen, und wenn wir diesen Platz nicht einnehmen, bleibt er leer. Das wäre schade, denn es ist der Ort, an dem wir für andere der größte Segen sind und selbst die größten Entfaltungsmöglicheiten haben. Das sollten wir nicht verpassen.

Vielleicht denkst Du, für solche Ideen sei es schon zu spät – aber das ist es nie. Ich habe mit 40 herausgefunden, was ich wirklich will, und andere Menschen waren noch älter und haben grössere Risiken getragen – und es dennoch gewagt.

Der Großvater meines CD-Produzenten Norm Strauss war 46 Jahre alt, als er mit Frau und vier Kindern von Deutschland nach Kanada ausgewandert ist. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verließ er sein Heimatland an einem kalten Oktobermorgen und reiste per Schiff vierzehn Tage über den Atlantik, um sich ein neues Leben aufzubauen – ohne Sicherheit, aber mit einem Traum und einer beträchtlichen Portion Gottvertrauen. In Norms wunderbarem Song „Immigrant“, den er als Hommage an seinen Großvater geschrieben hat, singt er im Refrain die magischen Worte, die ich Dir auf die Suche nach „Deinem“ Ort mitgeben möchte:

„Follow your heart – even to unfamiliar places“
Folge Deinem Herzen – auch an unbekannte Orte

Und das wünsche ich Dir: Dass Du unerschrocken aufbrichst an den Ort, den – um in Trekkianisch zu sprechen -„noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat“!

Hast Du Deine Geschenke alle ausgepackt? Was ist Dir eingefallen bei den Gaben, die Du als selbstverständlich ansiehst? Und was würdest Du tun, wenn Geld und Lebenskosten keine Rolle spielen würden? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

Holy Duck!
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Mein Glaube hat mich in 11 Jahren auf schwindelnde Höhen und durch dunkle Täler geführt. Wie die meisten Menschen kenne ich Momente des Zweifels, und nicht all meine Fragen sind beantwortet. Dennoch habe ich keinen Moment ernsthaft daran gedacht, meinen Glauben aufzugeben – und der Grund dafür ist, dass ich auf die Frage, warum ich glaube, Antworten habe, die mich bestärken.

 

Und das sind sie.

GNADE – Weil Gott mich hingeführt hat
Das wäre der fromme Teil in aller Kürze: Meine frisch gläubige Schwester und ein berührender Gottesdienst haben mich immer näher an die zentrale Frage herangeführt, wer Jesus ist. Nach der Lektüre verschiedener Bücher, viel innerem Kampf und einer kräftigen Dosis Heiliger Geist kam ich an den Punkt, wo ich zu dem, was Jesus selbst über sich gesagt hat, ja sagen musste. Also tat ich das für mich einzig Logische – und bekehrte mich.

WHO I AM – Weil ich „Ich“ werden und sein darf
„Fromm“ zu werden hat auf geistlicher Ebene sofort alles verändert. Auf der Menschlichen dauert es etwas länger, aber seit 11 Jahren darf ich unter sanfter Führung Schritt für Schritt ablegen, was mich behindert – Lügen über mich selbst, schlechte Angewohnheiten und zerstörerische Denkmuster. Nach und nach hat sich herausgeschält, wer ich wirklich bin. Ich durfte meine Berufung entdecken und erkennen, dass selbst meine Schwächen in Gottes Plänen Sinn machen und Gutes hervorbringen können.

FREEDOM – Weil das Leben so viel freier und reicher geworden ist
Früher habe ich mich ständig gefragt, was ich tun muss, damit andere mich mögen. Ich wollte alles gut und ja keinen Fehler machen, wollte „passen“. Gleichzeitig wollte ich nie das, was „man“ gemeinhin so wollen soll – Karriere, Ansehen, Erfolg. Hinter meiner äußeren Angepasstheit und Korrektheit verbarg sich eine Künstlernatur, und so war ich nie richtig glücklich, weil ich so, wie ich eigentlich war – leicht exzentrisch, kreativ, intensiv – nicht zu sein wagte. Heute schere ich mich einen Deut um das, was gerade angesagt ist, und fühle mich frei, der komische Typ zu sein, der ich eben bin. Ich tue, was ich für richtig halte, solange es den Werten entspricht, die mein Glaube mir gibt. Die Werte unserer Gesellschaft ändern sich ständig und pressen Menschen in Formen, die ihnen manchmal überhaupt nicht entsprechen, doch der unerschütterliche Wert, den ich bei Gott habe, hat diese Form gesprengt und lässt mich genau der Mensch sein, der ich sein will und soll.

WIN WIN – Weil auch andere mehr von mir haben
Als ich meinen Wert davon abhängig machte, ob ich gemocht werde und „man“ gut findet, was ich mache, war ich auf andere Menschen fixiert, ohne mich wirklich für sie zu interessieren. Ich achtete peinlichst auf alles, was sie sagten und mit ihrer Mimik ausdrückten, aber es ging nur um mich. Mag er mich? Missbilligt sie meine Meinung? Finden sie mich „daneben“? Heute kann ein befremdeter Blick mich nicht mehr erschüttern, und gleichzeitig gehe ich ganz anders auf Menschen zu: Ich interessiere mich für mein Gegenüber, seine Meinung und sein Leben und habe keine Angst vor dem, was er sagt oder denkt – es ändert ja nichts an dem, was ich bin und glaube. Andere Interessen und ein anderer Glaube sind keine Bedrohung für mich. Ich kann andere annehmen, wie sie sind, und ihnen die Wertschätzung geben, die ich selber von Gott erhalte.

A NEW DAY: Weil ich immer wieder neu anfangen kann
Wir sind, sobald wir uns zu Gott bekehren, bekanntlich Heilige, aber wir können noch Fehler machen und nutzen die Gelegenheit leider auch. Gott weist mich immer wieder darauf hin, dass ich noch „Luft nach oben“ habe. Gerade realisiere ich, dass ich mich trotz meines eher stoischen Temperaments nicht immer im Griff habe, wenn ich herausgefordert werde, und dass meine Gabe, mich pointiert auszudrücken, unter diesem Einfluss zu einem Instrument werden kann, das andere verletzt. So eine Erkenntnis tut weh, und die Konsequenzen aus falschen Handlungen lassen sich nicht immer umkehren. Doch ich weiß, dass meine Fehler von gestern, heute und morgen bei Gott vergeben sind und ich jeden Tag eine neue Chance erhalte, zu lernen, zu wachsen und es besser zu machen. Die Dankbarkeit gegenüber dieser unverdienten Gnade befeuert mich und stärkt meinem Willen, mich in sein Bild verändern zu lassen.

LIVE NOW – Weil im Jetzt Leben „Hammer“ ist
Dieses Wissen hat mich auch mit meiner Vergangenheit versöhnt und nimmt mir die Angst vor der Zukunft. Ich bin frei, im Heute zu leben – dem einzigen Ort, an dem ich etwas bewirken und zugleich der einzige Ort, an dem ich Gott wirklich erleben kann. Anstatt mich zu fragen, was ich tun soll, wenn X oder Y eintrifft, mit dem zu hadern, was ist oder meine Energie auf „wenn ich dann einmal…“ zu verschwenden, lebe ich jetzt. Ich entscheide heute, was ich tun kann, um mein Leben zu verändern und dahin zu kommen, wohin ich will. Und mit Gott als Führung weiß ich, ob ich in die richtige Richtung gehe.

JUST JESUS – Weil Jesus real und wunderbar ist
Die Gegenwart Gottes ist nicht jeden Tag gleich spürbar, aber manchmal, wenn ich am Morgen einen Song anstimme und mein Herz auf ihn ausrichte, spüre ich seine Gegenwart auf eine Art, die mir die Tränen in die Augen treibt, mein Herz öffnet und weich macht und mich tief verändert. Sie führt mich zur Buße, wenn ich es nötig habe. Sie vergrößert meine Liebe für andere Menschen. Und sie lässt mich erkennen, dass all das, was hier auf Erden abgeht, nur ein Abklatsch von dem ist, was wir eines Tages erleben werden. In Jesus habe ich einen Gott, der mir so nahe ist wie niemand sonst, weil er mich als Gott durch und durch kennt und zugleich Mensch war.
Dieser „abscheuliche Vorteil des Feindes“, wie es der Oberteufel Screwtape in C.S. Lewis‘ „Dienstanweisung für einen Unterteufel“ nennt, dass er weiß, wie es ist, ein Mensch zu sein, ist das tröstlichste, wunderbarste und unfassbarste an meinem Gott – neben seiner unglaublichen Liebe für seine Geschöpfe. Die Teufel bei C.S. Lewis kommen trotz tausendjähriger Forschungen nicht dahinter, was Gott wirklich von uns, diesen „erbärmlichen Zwittern aus Fleisch und Geist“ will, und warum er uns geschaffen hat, weil sie das Konzept der Liebe nicht verstehen und es für einen Vorwand halten. Deshalb werden sie nie verstehen, was uns zu Gott zieht.

NO TURNING BACK!
Für mich gibt es kein Zurück, auch wenn ich nicht rund um die Uhr Hosianna und Halleluja schmettere. Doch durch jeden Tag zieht sich die Freude an seiner Gegenwart in meinem Leben, seiner Führung in allem, was ich tue, und die Aussicht auf eine Zukunft bei ihm, die alles übersteigt, was wir uns vorstellen können.

Um es in den Worten von Hiob zu sagen:
„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“

Was ist die grösste Freude, die Du aus Deinem Glauben ziehst? Es muss natürlich nicht der gleiche Glaube sein. Ich freue mich auf Deinen Kommentar!