Kappeli TurmAls ich die Mittelschule besuchte, bestand mein politisches Feindbild aus einem Aufkleber. Er prangte vor allem auf den Ledermappen der Mitglieder einer bestimmten Mittelschulverbindung. Der Kleber zeigte ein hehres Schweizer Kreuz auf rotem Grund und den sagenhaften Satz: „Ich bin stolz, ein Schweizer zu sein.“

Mir ist heute noch schleierhaft, wie man auf etwas stolz sein kann, auf das man erwiesenermassen überhaupt keinen Einfluss gehabt hat. Aber immerhin: es gab Menschen, die so etwas kauften und öffentlich sichtbar herumtrugen, und es gab die Kleber. Einen entsprechenden Kleber für meinen Wohnort Grenchen habe ich bisher erfolglos gesucht.

Das liegt sicher an der öffentlichen Wahrnehmung. Als mein Mann und ich vor etwa vier Jahren in meine alte Heimat zurückgezogen sind, musste er mehrere Gespräche wie dieses führen:

„Ich werde im März umziehen.“
„Wohin zieht Ihr?“
„Nach Grenchen.“
„Wieso DAS denn?!“
„Meine Frau ist dort aufgewachsen.“
„Ach so! Aber trotzdem…“

Nach Grenchen zieht man einfach nicht. Der Steuerfuss ist hoch, und die schöne Barock-Altstadt liegt 15 Kilometer ausserhalb – nach dem blauen Schild mit der Aufschrift „Solothurn“. Und obwohl Grenchen 2008 den Wakker-Preis „für beispielhaften Ortsbildschutz“ gewonnen hat, werden wir das Etikett der „hässlichsten Stadt der Schweiz“ einfach nicht los.

Trotzdem lebe ich gern hier. Grenchen ist Teil meiner DNA, und ich passe hierher. Hier begegnen mir auf Schritt und Tritt meine Wurzeln und die Erinnerungen an meine ersten zwanzig Lebensjahre. Die Kellerdisco, in der ich zum ersten Mal „im Ausgang“  war (liebe Nicht-Schweizer: das hat nichts mit Gefängnis oder Militärdienst zu tun). Das Kino, in dem ich meinen ersten Film gesehen habe (ich glaube, es war „Beverly Hills Cop 1“). All die Schulhäuser, in denen ich ein- und ausgegangen bin. Das riesige Steindenkmal von Hermann Obrecht, dem bisher einzigen Grenchner Bundesrat.

GrenchenMeine Stadt braucht keine alten, schmucken Gebäude, um mein Herz zu gewinnen. Sie war einst ein Bauerndorf, wurde zur Arbeiterstadt und hat sich zu einem Ort entwickelt, an dem es sich gut leben lässt. Und dass andere das fast nicht glauben können, macht es noch lustiger. Gern in Grenchen zu leben ist wider den Zeitgeist – und darin ähnelt es dem Bekenntnis, ein Fundi-Christ zu sein.

Reaktionen auf ein „Bekenntnis der brennenden Nachfolge“ reichen vom erwähnten „Wieso DAS denn?!“ über ein verlegenes Schweigen bis hin zu Sätzen wie: „Zum Glück ist Dein Mann ja vernünftig, dann gleicht sich das aus.“ Oder „Ist ja ok, für Gott zu sein, aber man kann auch völlig abheben und zu viel…“

Kann man nicht.

Natürlich kann ich Fehler machen. Wenn ich etwas mit Leidenschaft tue, kann ich übers Ziel hinaus schiessen oder mich verrennen – solche Beispiele finden sich auch in der Nachfolge in rauen Mengen. Aber Gott zu sehr lieben – das geht nicht. Und mein Massstab, ob ich noch auf Kurs bin, ist neben der Bibel die Liebe, die ich für andere Menschen mitbringe. Solange diese Liebe wächst, ist alles in Butter.

Ich werde nie genug von Gott haben. Und ich möchte noch viel verrückter werden, wenn es um ihn geht – getreu nach dem Motto von John Wimber:

„I’m a fool for Christ – who’s fool are you?”

Und ich hoffe, dass auch in meiner Stadt noch mehr von der verrückten Freiheit sichtbar wird, die das Leben mit Gott bietet. Mein Beitrag dazu ist, dass ich so gut ich kann seine Werte lebe, seine Liebe weitertrage und ihn schamlos bekenne.

Womit ich letzteres getan habe.

Bild Song-Treats kling 3Im Herbst 2000 saß ich das erste Mal in meinem Leben in einem Flugzeug und erblickte nach zehn Stunden Flug die Skyline von Manhattan. Eine Woche lang streifte ich begeistert durch diese neongrelle, lebendige Stadt voller bunter Eindrücke und machte auch einen Abstecher an den Broadway – in ein brandneues Musical, von dem ich noch nie gehört hatte. Der Vorhang öffnete sich, und ich war innert Kürze völlig hingerissen.

Ich hatte „Aida“ nie in der klassischen Version gesehen und begegnete dem Stoff das erste Mal. Erzählt wird die fiktive Liebesgeschichte zwischen Radames, Feldherr des ägyptischen Pharao und Verlobter der Pharaotochter Amneris, und Aida, Tochter des Königs von Nubien, das von den Ägyptern besetzt wurde. Die beiden lernen sich kennen, als Radames Aida gefangen nimmt und sie als Dienstmädchen zu seiner Verlobten Amneris bringt. Während Amneris in Aida eine Vertraute findet, entdecken Radames und Aida ihre Seelenverwandtschaft und ihre Liebe füreinander, die sie vor schwere Entscheidungen stellt.

Das Musical lebt natürlich von der spannenden Geschichte, die Elton John und Tim Rice für den Broadway genial umgesetzt haben. Doch das ganz große Erlebnis war für mich Heather Headley als Aida. Ihr Spiel hatte eine besondere Tiefe, und am meisten berührte mich ihr Gesang im Stück „The Gods love Nubia“. In diesem Song richtet Aida ihr niedergeschlagenes Volk auf, macht ihm Mut und bringt es dazu, wieder an eine Zukunft in Freiheit zu glauben. Ich hatte damals mit Gott nicht viel am Hut, aber dieser Song ging mir durch Mark und Bein.

Ich staune immer wieder über die Kraft, die in der Musik steckt. Feldherren nutzten sie, um ihren Kriegern Kampfeslust einzuimpfen. Als ein böser Geist König Saul in Beschlag nahm, spielte David auf seiner Harfe, und der Geist musste weichen.

Musik weckt die unterschiedlichsten Emotionen in uns. Manche Songs lassen mich tanzen, manche bringen mich zum Lachen oder zum Weinen, andere machen mir Mut oder beruhigen mich. Und während es jedes Jahr hunderte von Songs gibt, die kurz aufleuchten und am Horizont verglühen, entstehen auch immer wieder Kostbarkeiten, die Jahrzehnte und Jahrhunderte überdauern.

Ich denke dabei  – neben den Altmeistern der Klassik – an Stücke wie „Bohemian Rhapsody“ von Queen oder wunderschöne Melodien wie die von Vladimir Cosma. Er komponierte die Titelmusik mehrerer Louis de Funès Filme, den Soundtrack der Romantik-Serie „Die Rosen von Dublin“ und die Titelmusik zu „La Boum – Die Fete“. Eines seiner berührendsten Stücke, das mich immer wieder zum Sehnen und Träumen bringt, ist das Titelstück „David’s Song“ zur Serie „Die Abenteuer des David Balfour“  – hier besonders schön umgesetzt mit Bildern aus Irland (ich könnte schwören, dass ich dieses Schaf letzten Mai auch gesehen habe!)

Woher kommt die Kraft dieser Stücke? Was passiert in unserem Hirn, Herzen, wo auch immer, und fabriziert aus ein paar Tönen eine Emotion – ermutigt, erfreut und berührt uns? Das wissenschaftliche Rätsel der Kraft der Musik bleibt wohl ungelöst – wir können dieses Geschenk einfach geniessen und uns freuen, dass Menschen immer wieder zu neuen Liedern inspiriert werden.

Mich inspiriert es dazu, mir ein musikalisches Notfallpaket für alle Lebenslagen zusammen zu stellen. Unbedingt ins Arsenal gehören sicher:

  • Ein „Da kann ich nicht sitzen bleiben“ Song
  • Ein „Da bleibt kein Auge trocken“ Song
  • Ein „Da werd‘ ich zahm und friedlich“ Song
  • Ein „Das gibt mir neuen Mut“ Song
  • Ein „Da werd‘ ich wieder fröhlich“ Song
  • …to be continued!

Nicht zu vergessen der „Da wird der Atheist zum Christ“-Song – an dem arbeite ich noch ;-). Eine schöne Version hat Heather Headley 2009 auf einer Gospel-CD herausgebracht – so entdeckte ich, dass ihre berührende Performance in „Aida“ einen tieferen Hintergrund hat. Der Titelsong heisst „Redeemed“ – ein wunderschönes Statement.

Damit mache mich an meine Liste, bin aber gespannt auf Eure Songfavoriten für alle Lebenslagen. Wenn Ihr also welche habt – nur her damit!

In meinem ersten Jahrespost habe ich den guten Vorsatz verkündigt, mir dieses Jahr keine Vorsätze zu machen. Seitdem ist gut eine Woche verstrichen – und schon habe ich meine Meinung geändert. Schuld daran ist Anita Mathias mit ihrem „Ein-Wort-Vorsatz“.

In ihrem Post erzählt Anita, wie sie sich dazu entschlossen hat, anstelle von Vorsätzen nur ein Wort als Jahresmotto auszuwählen – sie hat sich nach längerem hin und her für das Wort „Alignment“ (Ausrichtung) entschieden.

Die Idee hat mich fasziniert. Was für ein Wort könnte ausdrücken, mit welcher Haltung ich dieses neue Jahr angehen möchte? Was für Eigenschaften brauche ich, um den Herausforderungen gewachsen zu sein, und was fehlt mir noch?

Ich werde in diesem Jahr in vielerlei Hinsicht Neuland betreten. Einerseits im Zusammenhang mit der neuen Gemeinde, der ich angehöre, vor allem aber bezüglich meines Projekts. Wenn ich mir überlege, was ich für dieses Vorhaben brauche, sieht es nach einer ersten Bilanz nicht schlecht aus: ich glaube, ich habe genug Durchhaltewillen und Disziplin, Geduld, die nötige Portion Demut und Selbstkritik sowie ausreichend Selbst- und Gottvertrauen, um die nötigen Schritte zu tun. Dennoch habe ich bei genauerem Hinsehen eine Eigenschaft ausgemacht, die ich dringend brauchen werde und von der ich noch nicht so viel in mir trage.

Aus diesen Gedanken habe ich mir ein Motto gebastelt, das ich schon einmal in einem Post verwendet habe – es passt nicht in ein Wort, ist aber trotzdem kurz und knackig. Ladies and Gentlemen – I proudly present my „words of the year“:

To boldly go!

Ich werde dieses Jahr Schritte tun, die ich noch nie getan habe und die mich aus meiner Wohlfühlzone hinauskatapultieren. Ich werde – was mein Universum betrifft – in Galaxien vorstossen, die ich nie zuvor gesehen habe. Dafür muss ich den draufgängerischen Teil meiner Persönlichkeit (wo auch immer sich der versteckt) aus dem Schlaf rütteln.

Mein Favorit im Star Trek Universum ist normalerweise Captain Jean-Luc Picard, der zurückhaltende Geschichtsfreund, der gern Earl Grey trinkt und einen hintergründigen Humor hat. Für dieses Jahr werde ich mich einmal am grossen James T. Kirk orientieren, der „Boldness“ – Wagemut, Verwegenheit, Unerschrockenheit und Kühnheit – verkörpert wie kein anderer. Wie er die Grenzen des Universums erobert hat, will ich meine Schritte in eine neue Welt setzen – ohne Angst, mit genug Frechheit und einer Portion Waghalsigkeit.

Ich habe ein Bild von Kirk gesucht, auf dem seine Kirkigkeit so richtig rüberkommt, und habe versucht, mich in diese Haltung hineinzudenken. Anbei das Resultat:

james-t-kirkboldly go Kopf

Wie Ihr seht, brauche ich noch etwas Übung. Die ersten Versuche waren noch schlimmer – da sah ich wie Lieutenant Data aus, und das wäre im Zusammenhang mit meinem Vorhaben nicht ganz der richtige Ansatz. Aber es kann ja noch besser werden.

Ich werde mir das Kirk-Bild jedenfalls ausdrucken und an die Tür meines Arbeitszimmers hängen. So sehe ich jeden Morgen vor dem Arbeitsbeginn „Jim“, der sein Ding macht, ohne sich darum zu scheren, was andere denken. Die paar Mal, die er übers Ziel hinausgeschossen ist, werde ich einfach ignorieren und mir das Beste aus seiner Haltung zu eigen machen.

In diesem Sinne – to boldly go!

Hat Euch diese „Ein-Wort-Idee“ auch inspiriert? Was sind Eure Pläne für das Jahr, und was für ein Wort würdet Ihr wählen? Ich freue mich auf Euer Feedback!

Jemand sein 2Die Schweiz ist seit Jahrhunderten eine Republik, doch auch bei uns regierten einmal Adelsgeschlechter. Sie verfügten über Mensch und Vieh und stritten miteinander (und mit der Kirche) um Besitz und Herrschaft. Noch vor wenigen Jahrzehnten konnte man in Bern einem Relikt dieser Zeit begegnen – denn für „Madame de Meuron“ hatte die „alte Zeit“ nie aufgehört.

Unzählige Geschichten ranken sich um dieses Berner Original, das mit vollem Namen Louise Elisabeth de Meuron-von Tscharner hiess. Wer ihr vorgestellt wurde, musste die legendäre Frage beantworten, ob er  „jemand sei“ oder ob er Lohn beziehe. Im Original: „Syt der öpper oder nämet der Lohn?“  Als sie als Ehrengast einer Truppeninspektion beiwohnte und ihr – beginnend beim ranghöchsten Offizier –  die Kader des Regiments vorgestellt wurden, schritt Madame de Meuron unbeeindruckt an Obersten, Oberstleutnants und Majoren vorbei, bis die Reihe an Korporal de Riedmatten (oder ähnlich) war. Da hob die adlige Dame das Kinn, blickte dem Unteroffizier ins Gesicht und meinte trocken: „Enfin quelqu’un!“ (Endlich jemand!).

Heute müssen wir  kein „von“ im Namen führen, um jemand zu sein. Aber hat sich wirklich so viel verändert?

In der SMS-Kolumne meiner Regionalzeitung schrieb letzte Woche ein Mann voller Freude, dass ihn eine Firma nach der Probezeit fest angestellt hatte, obwohl er schon 61 Jahre alt sei. Am Folgetag enthielt die Spalte zwei Antworten von Menschen, die sich mit dem Mann freuten und ihm gratulierten. Eine der Antworten beschäftigt mich noch heute.

 „Lieber xxx, ich kenne Dich zwar nicht.
Aber ich kenne das Gefühl, noch einmal jemand sein zu dürfen.“

Wir brauchen heute kein „de“ oder „von“, um jemand zu sein. Was wir brauchen, ist offenbar genau das, was für Madame de Meuron der schlagende Beweis dafür war, ein Niemand zu sein: einen Lohnausweis und damit den Nachweis, dass wir der Gesellschaft einen Nutzen bringen.

Man verstehe mich nicht falsch: in einer Zeit, in der gewisse Menschen unsere Solidargesellschaft und ihre Systeme zu ihrem alleinigen Vorteil ausnutzen, ist es lobenswert und unabdingbar für das Funktionieren dieser Gesellschaft, dass der einzelne sich einbringt und etwas leisten will. Als ich nach einem (zu) langen Studium zum ersten Mal einen Vollzeitjob hatte und meinen ersten Lohnausweis erhielt, empfand ich Freude und Stolz. Nicht so sehr, weil ich endlich Geld verdiente, sondern weil ich mit meiner Arbeit einen Beitrag an etwas Größeres leistete, weil das, was ich tat, gebraucht wurde.

In diesem Zusammenhang verstehe ich auch den obigen Satz nur zu gut. Für mich spricht daraus aber auch eine tiefe Not.

Unser Wirtschaftssystem reduziert den Menschen mehr und mehr auf seine Rolle als Konsument und Beitragsleister zum Bruttosozialprodukt. Die Folge davon ist, dass unser Wert über unsere Leistung und Nützlichkeit für die Gesellschaft und für das System definiert wird.

Susan Kaye Quinn, eine amerikanische Indie-Autorin, hat eine Buchreihe namens „Debt Collector“ (Schuldeneintreiber) herausgegeben. In ihrer Zukunftswelt werden Menschen, deren verbleibende Lebensjahre weniger wert sind,  als sie der Gesellschaft schulden, „ausgetauscht“: die verbleibende Lebensenergie wird aus ihnen herausgesaugt und auf Menschen übertragen, die es „verdienen“, weil sie besonders brillant oder talentiert sind und der Gesellschaft somit mehr einbringen. Eine gruselige und abstruse Vorstellung – aber manchmal fürchte ich, dass wir nicht weit davon entfernt sind.

Bei vielen politischen und gesellschaftlichen Fragen  geht es in irgendeiner Weise auch darum, was der einzelne der Leistungsgesellschaft „nützt“ – ein Beispiel ist die Medizin, wo das Dilemma deutlich wird.  Bis zu welchem Alter „lohnt“ es sich noch, jemandem ein neues Gelenk einzusetzen? Einen größeren Eingriff zu machen? Besteht nicht die Gefahr, dass irgendwann nur noch die Nützlichkeit eines Lebens über seinen Fortbestand entscheidet?

Das Gesundheitswesen mit seinen explodierenden Kosten ist ein komplexer Bereich, und ich maße mir nicht an, eine Lösung zu haben. Für mich sind diese realpolitischen Fragen der Spiegel eines im Ansatz lebensfeindlichen Wertesystems, das sich erfolgreich in uns eingenistet hat.

Ich kann dieses System nicht ändern, aber ich kann ihm ein besseres gegenüberstellen. Es ist viel älter, und es wird noch Bestand haben, wenn sich niemand mehr an das aktuelle erinnert.

In diesem System wird der Preis des Produkts allein durch den Hersteller definiert – und der Hersteller des Produkts „Mensch“ hatte ganz bestimmte Vorstellungen über diesen Wert. Er hat zudem dafür gesorgt, dass diese Vorstellung auch uns zugänglich ist. König David, einst ein Hirtensohn und der kleinste unter seinen Brüdern, hat seine Gedanken über Gott und sich selbst in einem Psalm festgehalten, und diese Gedanken gelten für uns alle.

 „Du hast mich geschaffen – meinen Körper und meine Seele,
im Leib meiner Mutter hast Du mich gebildet.
Herr, ich danke Dir dafür,
dass Du mich so wunderbar und einzigartig gemacht hast.
Großartig ist alles, was Du geschaffen hast – das erkenne ich!

Schon als ich im Verborgenen Gestalt annahm,
unsichtbar noch, kunstvoll gebildet im Leib meiner Mutter,
da war ich Dir dennoch nicht verborgen.
Als ich gerade erst entstand, hast Du mich schon gesehen.
Alle Tage meines Lebens hast Du in Dein Buch geschrieben –
noch bevor einer von ihnen begann!“

Psalm 139,13-16 / Hoffnung für alle

Es kann gerade in unserer leistungsorientierten Gesellschaft herausfordernd sein, diese Sätze für sich in Anspruch zu nehmen. Wir sind selten mit uns zufrieden und definieren uns zusätzlich über die Ansprüche, die diese Gesellschaft an uns stellt. Doch ich kenne Menschen, die es trotz schweren gesundheitlichen Einschränkungen geschafft haben, die Hoffnung auf Heilung nicht aufzugeben und gleichzeitig gewiss zu sein, dass sie unantastbar wertvoll sind – hier und heute und mit allem, was dazu gehört.

Diese Kraft beschämt und ermutigt mich, und ich will mir diese Einstellung noch mehr zu eigen machen. Egal, was mir heute gelingt oder misslingt, egal, wie ich bewertet und beurteilt werde, und egal, ob ich etwas vorweisen kann, das der Gesellschaft nützt:

Meinen Wert bestimmt der Hersteller.
Und der war genial und hat keinen Ausschuss produziert.

Hoffnungsstrahl linksNeujahrsvorsätze haben etwas Neurotisierendes. Macht man keine, fragt man sich, ob man zu wenig Antrieb hat und sich nicht genug Ziele setzt. Macht man welche, fühlt man sich unter Druck und hat Angst zu versagen. Mit dem Versagen kenne ich mich aus – aber auch mit dem Hoffnungsschimmer, der uns manchmal am dunkelsten Punkt überrascht.

Vor etwa drei Jahren war ich mit meinen guten Vorsätzen wieder einmal gescheitert und fühlte mich wie ein Monopoly-Spieler, der die Karte „Zurück auf Start“ gezogen hat. Um auf andere Gedanken zu kommen, startete ich zu einer kleinen Wanderung.

Es war Anfang März, aber von Frühling keine Spur. Nichts hatte Farbe –  ein grauer Himmel hing über dürren, schwarzen Bäumen, die Luft tot und leer. Nach einer halben Stunde in dieser stummen Vorfrühlingswelt machte ich mich über einen steilen Hang auf den Heimweg. Hellbraune, trockene Büschel knirschten unter meinen Füssen. Ich setzte mich für eine kurze Pause an den Abhang und betrachtete das leblose Vorjahresgras.

Plötzlich fielen mir hellgrüne Blitze in der blassen Dürre auf. Von weitem unsichtbar, zeigte sich unter den Büscheln die ersten zarten Grashalme.

Mit einem Mal sah ich meine Kämpfe aus einer neuen Perspektive. Ich konnte keine Entwicklung wahrnehmen, doch das musste nichts heissen. Vielleicht veränderte ich mich doch – unmerklich und unter der Oberfläche  – und irgendwann würde diese Veränderung sichtbar sein.

Ich konnte in diesem Moment nicht sehen, wann und wie ich mein Problem lösen würde. Aber ich vertraute neu darauf, dass ich es schaffen konnte,  dass das Neue bereits angebrochen war und zum Durchbruch kommen würde. Einige Monate danach hat sich diese Hoffnung erfüllt – ich traf eine Entscheidung, die mein Leben umgekrempelt hat. Sie hat Energien freigesetzt und es mir ermöglicht, verschüttete Träume zu neuem Leben zu erwecken.

Unsere tiefsten Wünsche und Träume sterben nicht. Sie schlummern in uns und entwickeln sich, während wir uns mit anderen Dingen beschäftigen und diesen Traum ad acta gelegt haben.

Hoffnungsstrahl 2Am letzten Sonntag wurden wir in der Predigt ermutigt, auf einen Neubeginn und das Wiederentdecken alter Träume zu vertrauen. Diese Ermutigungen gefallen mir besser als ein liebloser Vorsatz, der mich im neuen Jahr in eine Erfüllungszwangsjacke steckt. Deshalb  gebe ich heute keine mühseligen Vorsätze weiter, sondern meine Wünsche und Verheissungen für Dein persönliches 2014. Ich wünsche Dir hiermit:

…ein Déja-vu

Ich wünsche Dir, dass Du etwa wieder entdeckst: eine Freude Deiner Kindheit, ein Hobby oder einen Traum, den Du einmal hattest und an den Du seit Ewigkeiten nicht mehr gedacht hast. Ich wünsche Dir, dass Dich diese Wiederentdeckung beflügelt und motiviert, Neues zu wagen und Deine Grenzen zu testen.

…eine neue Sicht

Oft sind wir in unseren Haltungen so festgefahren, dass wir mit einem Hirn- und Herzfilter durch den Tag stolpern und die Welt nicht wahrnehmen, wie sie wirklich ist. Ich wünsche Dir in einem Bereich Deines Lebens eine brandneue Einsicht, die Dich zum Nachdenken bringt oder Dich motiviert, Deine Haltungen und Glaubenssätze zu hinterfragen.

…das rechte Mass Zufriedenheit

Ich wünsche Dir, dass Du mit Deinem Leben zufrieden bist, ohne Dich mit allem zufrieden zu geben. Dass Du das, was ist, geniessen kannst, ohne Deine Träume zu vergessen. Dass Du schwierige Situationen  ertragen kannst, ohne die Hoffnung auf Veränderung aufzugeben.

…eine gute Portion Jahreslosung 2014

Die Jahreslosung 2014 ist einfach, kurz und prägnant: „Gott nahe zu sein ist mein Glück.“ (Psalm 73, 28) . Sie  motiviert mich, neben all meinen Plänen und Zielen nicht zu vergessen, dass nichts das Glück ersetzen kann, mit Gott Gemeinschaft zu haben. Ich wünsche Dir persönliche Erfahrungen mit dieser Losung – Begegnungen mit Gott, die Dich bereichern, verändern und befreien.

Ich wünsche Dir ein wunderbares 2014!

Wie hältst Du es mit Vorsätzen – hast Du Dir welche gemacht? Und was sind Deine Herzenswünsche für das neue Jahr? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

Merci 2Die Altjahr-Woche ist wieder im Flug vergangen, und neben der Feierei blieb wenig Zeit, um Atem zu holen. Ein paar Momente des Nichtstuns und Sinnierens waren mir dennoch vergönnt, und in diesen kostbaren Augenblicken habe ich mir überlegt, wie ich 2013 auf einen Punkt bringen könnte. Alles in allem will und darf ich wieder einmal dankbar sein. Hier daher meine fünf grossen MERCI für:

Meine Gesundheit

Meine diesjährigen Arztbesuche galten dem Dermatologen in Sachen  Muttermale und einem lange hinausgeschobenen Termin beim Zahnarzt ohne schlechte Nachrichten. Ich stehe jeden Tag ohne nennenswerte Beschwerden auf (ein gelegentliches „Ziehen im Rücken“ muss man in meinem Alter wohl hinnehmen). Alles in allem war ich ein Jahr lang fit und wohl – Grund zur Freude.

Mit allen Sinnen geniessen

Seit ich so viel schreibe, nehme ich mich selbst, andere Menschen und die Welt um mich herum schärfer wahr. Plötzlich sehe ich nicht nur ein Gesicht, sondern ein Leben,  sehe Freude und Ärger, Facetten der Persönlichkeit – den Reichtum, der in jedem Menschen steckt und eigentlich nicht auf den ersten Blick sichtbar ist.  Unsere Sinne sind ein Geschenk – viele Menschen müssen  auf einen oder mehrere davon verzichten und haben es schwerer, ein unabhängiges Leben zu führen. Ich will auch nächstes Jahr meine Sinne auskosten und mich daran freuen.

Spannende Ziele

Das erste Mal in meinem Leben arbeite ich auf ein Ziel hin, das mich begeistert  und für das ich fast alles tun würde. Das hat eine enorme Energie in mir freigesetzt – es führt mich an meine Grenzen, lässt mich Ängste überwinden und hilft mir, der Mensch zu werden, als der ich gedacht wurde. Ich bin gespannt auf das, was kommt.

Krisen, Frust und Ärger

Ich freue mich nicht über Krisen – aber  sie lehren mich, Entscheidungen zu treffen. Wie reagiere ich in Konflikten? Für welchen Weg entscheide ich mich? Stelle ich mich einer unangenehmen Situation, und bin ich bereit, meinen Anteil daran einzugestehen, oder verhärte ich mich? Wie unangenehm sie auch sein mögen – ich habe aus solchen Situationen viel gelernt und will auch weiter bereit sein, mich Herausforderungen zu stellen.

Meine Lieben

In einem früheren Post habe ich den Soziologen Glen Bateman aus Stephen Kings „Das letzte Gefecht“ zitiert: „Christus hätte sagen sollen: ‚Ja wahrlich, wo zwei oder drei von euch beisammen sind, wird irgendein anderer Typ fürchterlich eins auf die Rübe kriegen.“ Wir wissen alle, dass Gemeinschaft unter Menschen unglaublich herausfordernd sein kann. Ich liebäugle in solchen Situationen mit der einsamen Höhle – aber wie arm wäre mein Leben, wenn ich diesen Fluchttraum umsetzen würde? Und wie viele Menschen haben niemanden, über den sie sich ärgern können? Heute denke ich an all die Menschen, die mich unterstützen, mit mir streiten, mich herausfordern, sich mit mir freuen – und jeden Tag meines Lebens bereichern.

 Meinen Glauben und Gottes Versorgung

Ich bin bezüglich materieller Grundbedürfnisse gut versorgt und musste in diesem Jahr in der Abteilung kein grosses Gottvertrauen beweisen. Aber neben dem Überlebensnotwendigen haben wir alle unsere Wünsche und Sehnsüchte – nach grossen Reisen und schönen Dingen, nach Erfolg, Anerkennung oder Beliebtheit. Ich darf darauf vertrauen, dass Gott mich mit dem versorgt, was ich brauche – genau dann, wenn ich es brauche. Ich tue das, was in meiner Macht steht, und überlasse den Rest Ihm. Nichts ist befreiender.

Meine Dankbarkeit für alles, was ich erleben und erfahren durfte, richtig sich am Ende immer an Gott. Der folgende Text einer alten amerikanischen Hymne drückt dieses Vertrauen aus, das ich mir auch fürs neue Jahr bewahren will.

Merci 1

Bleibend ist Deine Treu, o Gott mein Vater
Du kennst nicht Schatten, noch wechselt Dein Licht
Du bist derselbe, der Du warst vor Zeiten
An Deiner Gnade es niemals gebricht

Bleibend ist Deine Treu, bleibend ist Deine Treu
Morgen für Morgen Dein Sorgen ich seh‘
All meinen Mangel hast Du mir gestillet
Bleibend ist Deine Treu, wo ich auch geh

***

Wie war Euer 2013 – könnt Ihr dankbar zurückblicken, oder denkt Ihr eher „neues Jahr, neues Glück?“

 In jedem Fall  wünsche ich Euch einen tollen Jahresübergang –  egal ob friedlich zu Hause oder lautstark am Feiern. Auf ein Wiederlesen im brandneuen 2014!

Weihnachten 1Heiligabend bedeutet in unseren Breitengraden  Gedränge im Supermarkt, die Jagd nach der letzten Barbiepuppe und ein paar Festmenus  zu viel. In der grauen Vorzeit meiner Kindheit gehörten zu Heiligabend Nachmittagssport, eine verschlossene Tür und eine wunderbare Geschichte.

 

Am 24. Dezember zogen wir uns nach dem Mittagessen warm an, schulterten die Schlittschuhe und marschierten mit unserem Pa Richtung Bahnhof. Dort stiegen wir in den Regionalzug, fuhren bis „Biel Mett“ und wanderten durch frostige Kleingärten zur Bieler Eisbahn, wo wir den Nachmittag mit fröhlichen Jagden bei eisigen Temperaturen, heißer Schokolade und einer heißen Suppe mit Würstchen verbrachten.

Unsere Abwesenheit diente neben dem Spaß an der Freude einen bestimmten Zweck: Unsere Ma hatte die Wohnung für sich und konnte in Ruhe alles für das Fest vorbereiten. Wenn wir rotwangig und kaltnasig von der Schlittschuhbahn zurückkamen, lag eine erwartungsvolle Stille über unserem Daheim. Von der geschlossenen Wohnzimmertür ging ein geheimnisvoller Zauber aus.

Wenn die Tür aufging, brannten die Kerzen am Tannenbaum, die Kugeln blitzten, goldenes Lametta glitzerte zwischen farbigen Schokotannzapfen, und die Kerzen warfen ein warmes Licht ins Wohnzimmer.

Doch das war noch nicht der Moment, in dem es Weihnacht wurde. Es wurde auch nicht Weihnacht, wenn wir das erste Geschenk öffnen oder den ersten Schokozapfen vom Baum reissen durften. Weihnacht wurde es, wenn  wir uns alle aufs Sofa setzten und unser Pa begann, Tazewells Geschichte vom „Kleinsten Engel und dem Weihnachtsstern“ vorzulesen.

Weihnachten 2Dieser „kleinste Engel“ ist ein Junge, der vor seiner Zeit zum Engel wurde und sich in den himmlischen Gefilden einfach nicht zurechtfindet. Er kann nichts anfangen mit Harfe spielen, verliert ständig seinen Heiligenschein und bringt viel Unruhe in die heiligen Hallen. Irgendwann stellt sich heraus, dass der kleine Engel einfach Heimweh hat: er vermisst seine Freunde, das Spielen am Bach und all das, was das Leben eines kleinen Jungen ausmacht.

Die Lösung ist rasch gefunden: die Engel bringen dem Jungen die Schachtel, in der er alle Schätze seines kurzen Lebens aufbewahrt hatte, und endlich fühlt sich der kleinste Engel im Paradies zuhause.

Eines Tages erfahren die Engel, dass der Sohn Gottes in Bethlehem geboren werden soll. Der ganze Himmel ist in Aufruhr, während alle fieberhaft überlegen, was sie dem Gotteskind schenken könnten. Der kleinste Engel ist weder musikalisch noch schriftstellerisch oder handwerklich begabt, aber er hat eine wunderbare Idee: er wird dem Gotteskind all die Schätze schenken, die ihm als Kind so viel Freude bereiteten.

Doch als er seine Schachtel zwischen all den prächtigen Geschenken sieht, wird ihm mulmig zumute. Sieht sein Geschenk nicht unsagbar schäbig aus? Was hat er sich nur dabei gedacht? Er muss die Schachtel schleunigst entfernen! Doch es ist zu spät – die Hand Gottes schwebt über den Geschenken, hält inne und senkt sich auf die Schachtel. Sie wird geöffnet, und alle sehen, was er dem Jesuskind schenken wollte.

Einen Schmetterling, den er in den Bergen gefangen hat.
Ein himmelblaues Ei aus einem Vogelnest.
Zwei weisse Steine vom Flussufer, an dem er mit seinen Freunden gespielt hat.
Das zerbissene Halsband seines Hundes.

Der kleine Engel schämt sich in Grund und Boden. Er läuft davon, stolpert, fällt und landet als Häufchen Elend vor dem Thron Gottes. Doch noch während er weint, fängt Gott an zu sprechen.

Er teilt den Himmelsbewohnern mit, dass ihm diese Schachtel von allen Geschenken am besten gefällt, weil sie Dinge der Erde und der Menschen enthält. Denn auch Sein Sohn wird all dies kennen, lieben und trauernd zurücklassen, wenn Seine Aufgabe auf Erden vollendet ist.

Plötzlich erstrahlt die Schachtel in gleißendem Licht und wird zu einem strahlenden Stern. Der Stern fliegt davon und kommt schließlich zum Stillstand – an dem Ort, wo der Sohn Gottes geboren wird. Und so kennt man ihn heute als „Leitstern von Bethlehem.“

Bei uns zuhause haben alle nahe am Wasser gebaut, und wenn mein Vater fertig gelesen hatte, war kein Auge mehr trocken. Und noch heute berührt mich die Geschichte.

Ich kann mich gut mit dem kleinen Engel identifizieren, der seine schäbige Schachtel inmitten der prächtigen Geschenke sieht und sich entsetzt fragt, wie er dieses Ding nur so wundervoll hat finden können – wie er hat glauben können, dass der Gottessohn diese nutzlosen Dinge lieben würde.

Egal, ob gegenüber Gott oder Menschen – ich denke viel zu oft, dass das, was ich zu geben habe, nicht genügt. Heute will ich mich daran erinnern, dass mein Herz, meine Gaben und das, was ich zu bieten habe, nur ich geben kann. Es mag nicht das Beste sein und in keiner Kategorie den Publikumspreis gewinnen – aber es ist einmalig und einzigartig. Und ich will immer wieder den Mut haben, es hinzulegen – egal, was für glitzernde Päckchen daneben liegen.

Weihnachten 3

Ich will mich heute aber auch an das Geschenk erinnern, das ich an Weihnachten erhalten habe (eine Warnung – wir verlassen damit glaubenstechnisch die neutrale Zone. Aber schließlich ist heute Weihnachten). Es ist dieses geheimnisvolle, völlig unlogische und unglaubliche Ereignis, das wir heute feiern – so schwierig es auch nachzuvollziehen ist.

Gott wurde Mensch.
Er wurde erfahrbar, erlebbar und berührbar.

Er hat es für uns getan und hat damit Seinen Erlösungsplan für die ganze Schöpfung eingeleitet; eine Erlösung, die diese Welt und jeder von uns – ob wir es nun wahrhaben wollen oder nicht – so dringend braucht. Aber wenn ich an die Geschichte vom „Kleinsten Engel“ denke, bin ich sicher, dass Gott es auch für Sich selbst getan hat.

Ich glaube, dass Gott Sich danach gesehnt hat, als einer von uns unter uns Menschen zu leben. Er wollte lachen und weinen, sich freuen und leiden und so am eigenen Leib erfahren, was es heißt, Mensch zu sein.

Sonne auf der Haut.
Ein Bad im frischen Bach.
Sich ein Knie aufschlagen und getröstet werden.
Mit Freunden lachen und streiten.

Mein Gott kennt jede Freude, jeden Schmerz und jede Versuchung, die ich durchlebe. Und darum darf ich in all meinen Kämpfen, Freuden und Leiden wissen, dass Gott ganz genau weiß, was ich gerade erlebe – weil er es am eigenen Leib erfahren hat.

Wenn ich heute mit meinem Vater, meinem Mann, meiner Schwester und ihrer Familie unter dem Weihnachtsbaum sitze, feiere ich die Ankunft meines Gottes in dieser Welt. Ich feiere ein Geschenk und ein Opfer, und ich feiere Seine Freude, endlich unter Seinen Menschen leben zu können – und in ihnen, wenn sie Sein Angebot annehmen.

Ich wünsche Euch allen besinnliche Tage, Stunden der Gemeinschaft und ein gesegnetes Fest.

Merry Christmas!

blessun 5Vor dreissig Jahren haben meine Schwester Bettina und ich mit dem Reiten angefangen: nach dem Lesen unzähliger Ponybücher und vielen Stunden vor dem Fernseher mit den „Mädels vom Immenhof“ haben wir unsere Eltern so lange bestürmt, bis sie kapitulierten und uns erlaubten, im nahe gelegenen Reitstall Stunden zu nehmen.

 

Ich liebte Pferde und war mit zwölf Jahren im typischen Pferdealter. Ein paar Jahre lang war ich mit Feuer und Flamme dabei, aber mein Respekt vor diesen Tieren war immer etwas grösser als meine Leidenschaft. So flachte meine Begeisterung fürs Reiten mit der Zeit ab und wurde vom nächsten Hobby ersetzt.

Blessun 7Anders Bettina. Sie schien sich nie zu fürchten, besass eine natürliche Autorität und schon immer einen starken Drang, sich durchzusetzen. Im Umgang mit den Pferden blühte sie auf, und bald begeisterte sie sich für Islandpferde. Sie verbrachte fast ein Jahr in Island und arbeitete auf verschiedenen Gestüten, um alles über ihre geliebten Tiere zu lernen.

Einer dieser Jobs führte sie ins aargauische Kaisten, wo sie den Mann ihres Lebens kennenlernte. Mit 24 Jahren heiratete sie ihn und gründete eine Familie von achtbarem Format: sie hat in den letzten fünfzehn Jahren vier Kinder geboren. Inzwischen ist mein Patensohn fünfzehn und der jüngste viereinhalb Jahre alt.

Meine unternehmungslustige Schwester hatte  auch in dieser intensiven Familienzeit viele Interessen und Engagements – trotzdem rückten die Pferde und der Reitsport notgedrungen etwas in den Hintergrund. Erst war es eine logische Folge der Anforderungen, welche die Familie stellte, doch mit den Jahren schien es, als wäre ihre Leidenschaft für die Pferde verschüttet oder als hätten andere Interessen ihren Platz eingenommen.

blessun 6In den  letzten zwei Jahren wurde das Thema Pferde wieder aktueller. Bettinas Tochter Ailish begann mit dem Reiten, und so tauchten öfters Facebook-Bilder der beiden hoch zu Ross auf. Diesen Sommer hatte Bettina dann eine zündende Idee. Und  ganz im Stil ihres Temperaments entwickelte sich diese Idee in einem halben Jahr zu einem handfesten, inspirierenden Projekt.

Blessun 3Letzten Sonntag lud Bettina mit einem Benefizanlass zur Eröffnung ihrer kleinen Islandpferdereitschule „Blessun“ nach Olsberg. Mann und Kinder standen hinter der Theke und schenkten fleissig Kürbissuppe und selbst gemachte, köstliche Heissgetränke aus  – ein tolles Bild.

 

 

Doch am meisten hat es mich berührt, Bettina im Element zu erleben – begeistert von ihrem Projekt und ganz an dem Ort, wo sie sein will. Es hat mich ermutigt und mir einmal mehr bewusst gemacht, dass sich uns  immer wieder Chancen eröffnen – eine Botschaft, die wir alle irgendwann brauchen können.

Wenn Jahre vergehen, in denen wir notgedrungen oder willentlich einen Traum aufgeben und uns anders orientieren, fangen wir an zu glauben, dass unsere alten Leidenschaften eines natürlichen Todes gestorben sind. Oder wir fürchten, dass unsere Träume so lange verschüttet waren, dass wir sie unmöglich wieder zum Leben erwecken können. Manchmal fällt es uns auch einfach schwer, Ideen oder Projekte langsam wachsen zu lassen, und am schwersten ist es,  darauf zu vertrauen, dass etwas wächst, wenn wir noch nichts davon sehen können.

Solche Wartezeiten stellen unsere Geduld auf die Probe. Wir wollen etwas erreichen, wollen zeigen, was wir können, wollen uns beweisen. Unsere Hochleistungs- und Hochgeschwindigkeitsgesellschaft lässt uns nicht viel Zeit, um Erfolg aufzubauen. Die heutigen Stars und Sieger werden immer jünger, die Zeit des Ruhms ist immer kürzer, und wir fühlen uns schon am Start unter Druck. Wenn wir mit dreissig noch keine glanzvollen Resultate präsentieren können, fühlen wir uns als Versager.

Dabei vergessen wir, dass wir für manche Erfolge oder Projekte mehr brauchen als praktische Erfahrungen, technisches Knowhow oder erlernbares Wissen. Wir müssen unseren Charakter entwickeln, bestimmte Lebenserfahrungen machen, an Reife gewinnen.

Blessun 10Bettina hat vielleicht schon früher von einem Projekt dieser Art geträumt. Stattdessen hat sie in den vergangenen  15 Jahren einen der wichtigsten Jobs auf diesem Planeten gemacht. Sie hat ihre Kinder grossgezogen und dabei eine ganze Menge gelernt und in ihr Leben integriert: Menschenkenntnis, Managementtalente, Geduld (auch wenn sie von letzterem sicher gern noch mehr hätte).

Vieles kann sie nun in ihr Kleinunternehmen einbringen. Ausserdem ist sie seit über zehn Jahren flammende Christin und hat dadurch gelernt, auf Gott zu vertrauen, ohne dabei die Verantwortung für das eigene Leben abzugeben.

Ich vertraue darauf, dass ich auf meiner Suche nach meinem Platz und meiner Berufung nicht allein bin, und ich will die nötige Geduld aufbringen – im Wissen, dass der Weg dahin auch dazu gehört. Und überzeugt, dass Gott das beste Timing hat und genau weiss, wann wir reif für unsere Erfolge sind.

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Hast Du auch alte Träume, die Dich immer mal wieder beschäftigen? Oder bist Du gerade auf dem Weg, sie zu verwirklichen? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

Popcorn-PerlenAn den letzten beiden Wochenenden habe ich mir die „Herr der Ringe“-Filme und den ersten Teil der „Hobbit“-Trilogie angesehen, ohne zu realisieren, dass genau heute der zweite „Hobbit“-Teil startet. Jetzt bin ich voll im Tolkien-Groove und widme deshalb dieses Popcorn-Post dem ersten Teil der Trilogie – und den Hobbits. Dieses Volk fasziniert mich, weil ich selbst ein halber Hobbit bin.

Schon optisch gibt es zwischen mir und den Hobbits gewissen Parallelen: wir sind a) klein und kriegen b) unsere Frisur selten richtig auf die Reihe, was c) auch an den etwas markanten Ohren liegen könnte (Anschauungsfotos werden nicht geliefert; es möge jeder seine Fantasie benutzen). Hingegen sind meine Füße mit Schuhgröße 35/36 definitiv NICHT groß und eindeutig NICHT behaart.

Neben dem Aussehen teile ich mit den Hobbits auch die Liebe zum trauten Heim. Bei mir läuft immer viel, und das ist ok, aber nur Zuhause kann ich wirklich auftanken, mich ausstrecken und die Seele baumeln lassen. Und das Hobbit-Zuhause, das „Auenland“, hat es mir natürlich auch angetan: die grünen, sanften Hügel und das währschafte Völklein, das gern im Pub sitzt und zur Fiddle tanzt – es fällt nicht schwer, den Ursprung von Tolkiens Inspiration für die Hobbits zu erraten. Wenn ich mir das Auenland vorstelle oder mir einen der Filme ansehe, bin ich wieder in meiner Herzensheimat Irland, über die ich auch schon geschrieben habe.

Vor allem bewundere und liebe ich die Hobbits für ihren Charakter, von dem ich mir gern eine Scheibe abschneiden würde. Sie sind demütig und bescheiden und werden oft unterschätzt, zeichnen sich aber durch Hingabe, Loyalität und einen ungeheuren Mut aus. Und sie geben niemals auf.

Bilbo, der Held des „Hobbit“-Films, war in „Herr der Ringe“ nicht mein Lieblings-Hobbit. Doch im ersten Teil der Trilogie lernen wir den jungen Bilbo kennen und müssen ihn einfach lieben.

Erst ist er ein typischer Vertreter seines Volks, sitzt am liebsten zu Hause am warmen Herd und liebt sein bequemes, sicheres Leben. Darum lehnt er Gandalfs Angebot ab, der ihm ein Abenteuer vorschlägt. Damit ist die Sache aber nicht ausgestanden: Bilbo traut seinen Augen nicht, als unverhofft eine Horde Zwerge auftaucht und sich in seinem Haus breit macht. Er kann nur entsetzt zusehen, wie sie seine Vorräte verschlingen, sein Geschirr in der Luft herumwerfen und lautstark feiern. Als ihm der Anführer Thorin vorschlägt, die Zwerge im Kampf um ihre alte Heimat Erebor zu unterstützen, reizt ihn das schon – aber es fällt ihm zu schwer, das sichere Heim zu verlassen, und so sagt er ab. Am nächsten Tag wacht er auf und stellt erleichtert fest, dass seine Gäste abgereist sind. Endlich allein, endlich Frieden – sein Haus gehört wieder ihm! Doch er findet keine Ruhe, tigert im Haus herum – und rennt schließlich mit gepacktem Bündel aus der Tür und in wildem Tempo über die sanften Hügel, um die Truppe einzuholen. Er hat seine Angst überwunden und sich für das Abenteuer entschieden.

Doch damit fangen seine Herausforderungen erst an. Die Zwerge – allen voran Thorin – haben nicht sonderlich viel Vertrauen in den Hobbit: er ist kein erfahrener Krieger, ist klein und unscheinbar. Und auch Bilbo selbst ist mehrmals versucht, aufzugeben und nach Hause zu fliehen. Den größten Konflikt erlebt er, nachdem er von den Gefährten getrennt wird: mit Hilfe des Rings kann er aus dem Berg und vor Gollum fliehen und holt die Truppe ein. Doch bevor er seine Gefährten erreicht hat, hört er Thorin sagen, dass er ihm nie getraut hat und wusste, dass er nicht zurückkommen wird.

Unsichtbar für ihre Augen steht Bilbo hinter einem Baum und fragt sich, was er tun soll. Warum nicht einfach umkehren und nach Hause gehen? Aber er  entscheidet sich anders, tritt hervor und schliesst sich seinen Kameraden wieder an. Kurz darauf hat er Gelegenheit, allen zu zeigen, wie es um sein Herz bestellt ist: als Thorin vom fahlen Ork Azor bedroht wird, stellt er sich der Bestie mutig in den Weg und rettet Thorins Leben.

Aus Bilbos Verhalten sprechen Demut und eine innere Kraft, die aus seinen tiefen Wurzeln genährt wird. Seine Heimat versorgt ihn auch in der Ferne mit Mut und Durchhaltewillen, und sie inspiriert ihn letztlich, den Zwergen beizustehen: er erkennt, wie kostbar es ist, eine Heimat zu haben, und will das seine beitragen, damit auch die Zwerge ihr Zuhause zurückbekommen.

Mein Zuhause ist die Gewissheit, bei Gott angekommen und angenommen zu sein. An diesen Ort kann ich jederzeit zurückkehren, und dort spielt es keine Rolle, ob ich mit meinen Plänen Erfolg habe und ob ich alle meine Ziele erreiche. Und genau das gibt mir die Kraft, neue Wege zu wählen und Risiken einzugehen.

Und so bald wie möglich führt mich meine Reise ins Kino und zu Bilbos zweitem Abschnitt auf seinem Abenteuer.

Wie stehst Du zu „Herr der Ringe“ – bist Du auch ein Fan? Und: hast Du einen Lieblingshobbit, oder eine andere Lieblings-Figur? Ich freue mich auf Dein Feedback!