In den letzten Wochen waren die Sozialen Medien vor allem eine Arena für die US-Wahlen, und sicher bin ich nicht als einzige erleichtert, dass dieser Zirkus vorbei ist. Was uns dagegen erhalten bleibt, ist die manchmal tröstliche Funktion von Facebook, Twitter und Co. als Echokammer, die uns nur das zeigt, was wir sehen wollen. Ich freue mich zum Beispiel immer, wenn in Gruppen wie „Introvertierte sind der Hammer“ oder „Es ist ok, introvertiert zu sein“ ein treffendes Bildchen mit Spruch in meiner Timeline aufscheint und ich mich für einmal total verstanden fühle. Ja, genau! So bin ich auch! Schöne Sache.
Manchmal überraschen einen aber auch die vermeintlich Gleichgesinnten. So las ich letztens in einer dieser Gruppen den folgenden Satz:
„Ein Freund sorgt dafür, dass Du Dich gut fühlst.“
Ich habe eine ganze Weile über diese Aussage gegrübelt, doch auch nach dieser Weile war meine Antwort dieselbe wie beim ersten Lesen, nämlich:
Eigentlich nicht. Also schon. Aber nicht nur.
Die Aussage hat mit Intro- und Extrovertierten wohl nur beschränkt zu tun, denn es haben sich auch einige dieser besagten Introvertierten mit anderen Meinungen geäussert. Einer der Kommentatoren hat sich in etwa so ausgedrückt.
„Freunde sind dazu da, Dich zu ermutigen und anzufeuern und Dich aufzurichten, wenn es Dir schlecht geht. Sie sind aber auch dazu da, Dich in Liebe darauf hinzuweisen, dass Du hier und heute gerade auf dem falschen Dampfer oder schlicht und einfach ein A*** bist.“
Ich vermute halb, dass der Poster hinter diesem Kommentar wie ich zur sehr seltenen Sorte der INTJ gehört (was es mit diesen Persönlichkeitstypen-Sachen auf sich hat, findet sich unter anderem hier). Ich kann jedenfalls seiner Aussage nur zustimmen, denn auch ich wünsche mir von meinen Freunden beides.
Ich freue mich über Unterstützung und Ermutigung, aber ich will keine ständige Lobhudelei. Wer unreflektiert alles, was ich mache, genial findet, wird für mich unglaubwürdig; schliesslich weiss ich genau, dass ich nicht perfekt bin. Ich brauche Freunde, die mir helfen, der Mensch zu werden, als der ich gedacht bin, und so ein Mensch und Freund will ich auch sein.
Allerdings scheint der Wunsch nach Wohlfühlmach-Freunden, wie sie im ersten Zitat beschrieben werden, doch weit verbreiteter zu sein. In meinem Fall kommt dazu, dass ich auch sonst asozial wirken kann und in seltenen Fällen im Eifer des Gefechts Leute vor den Kopf stosse. Diese Überlegungen und entsprechende Erfahrungen haben mich zeitweise dazu gebracht, an meiner Fähigkeit zu zweifeln, ein guter Freund zu sein. Was, wenn ich Menschen emotional nicht genug unterstütze, alle enttäusche und verletze und irgendwann niemand mehr mein Freund sein will?
Inzwischen glaube ich, dass auch ich ein guter Freund sein kann – allerdings nur für den, der weiss, worauf er sich einlässt. Und damit jeder, der an einer Freundschaft mit einem INTJ interessiert ist, künftig weiss, was ihn erwartet und sich dafür oder dagegen entscheiden kann, präsentiere ich hiermit den INTJ als Freund – mit allem, was dazugehört.
Der INTJ-Freund…
…wird nicht oft und in kurzen Abständen die Initiative für ein Treffen ergreifen, Dich anrufen oder den Kontakt halten – da kann schon mal etwas Zeit verstreichen. In schriftlicher Kommunikation ist er meist besser, aber wenn Du die Tiefe Eurer Freundschaft an der Anzahl Eurer Interaktionen misst, wird es schwierig.
…neigt nicht zur Zurschaustellung von Gefühlen. Das ist nur teilweise gewollt; er kann das einfach nicht so. Das heisst aber nicht, dass er sich nicht freut, wenn es etwas zu freuen gibt. Er freut sich einfach auf seine Art – mit einem dezenten Lächeln und einem dummen Spruch oder einer schönen schriftlichen Nachricht.
…ist nicht sonderlich spontan. Wenn Du ihn fragst, ob er am gleichen Abend Lust auf ein Feierabendbier hat, wird er in 99% aller Fälle nein sagen. Wenn Du ihn aber fragst, ob Ihr Euch in den nächsten zwei Wochen mal verabreden wollt, ist er in der Regel dabei und freut sich auf die Zeit mit Dir.
…kann arrogant wirken und rechthaberisch sein. Er hat einen Instinkt für verborgene Motive und Falschheit und einen höchst empfindlichen Radar für Manipulationsversuche, und er hat keinen schlechten Sinn für Logik. Das alles nährt sein Gefühl, alles zu wissen; aber wenn er etwas reifer ist, weiss er auch, dass er sich irren kann.
…hat manchmal mehr Stolz, als gut für ihn ist. Wenn Du ihm sagst, dass Du ihn nicht mehr sehen willst, wird er das wahrscheinlich hinnehmen und Dich ziehen lassen. Nicht, weil Du ihm nichts bedeutet hast, sondern weil er seine Freundschaft niemandem aufzwingen will.
Das klingt vielleicht wenig berauschend, aber der INTJ hat auch ein paar tolle Eigenschaften, wenn man sie denn mag:
Er ist ehrlich und macht Dir nichts vor.
Wenn Ihr Euch verabredet, ist er da. Wenn er ja sagt, meint er ja und bleibt dabei.
Er macht Freundschaft nicht von Weltanschauungen abhängig, sondern von Charaktereigenschaften und Persönlichkeit. Du musst nicht alles gut finden, was er gut findet, musst nicht an denselben Gott glauben, nicht die gleiche Musik mögen und nicht die gleiche Partei wählen, und es ist ihm egal, was Du isst und was nicht.
Er macht vielleicht nicht viele Worte, aber wenn Du ihn wissen lässt, dass es Dir schlecht geht und Du ihn brauchst, dann schwingt er sich auf seinen Gaul und kommt angerauscht, um für Dich da zu sein.
Und hier der last – but not least. Das, was ich am INTJ als Freund am wertvollsten finde, vielleicht, weil ich mir das auch am meisten von einem Freund wünsche:
Als Freund eines INTJ musst du ihm nichts „nützen“ oder irgendwelche emotionale oder andere Leistungen bringen, denn der INTJ ist im Grunde auch allein glücklich. Das ist für manche Menschen der Abturner schlechthin, aber es hat eine andere Seite: Wenn Du ihm am Herzen liegst, dann Deinetwegen und nicht wegen etwas, das er durch Dich erreichen oder von Dir lernen kann (obwohl ihn die Menschen am meisten faszinieren und inspirieren, die ihm etwas voraushaben). Du bist für ihn kein Instrument – der INTJ ist Dein Freund, weil Du DU ist. Es ist sein Wunsch, Dich zu verstehen, Deine Träume, Deine Wünsche, Deine Ängste und Deine Ansichten zu kennen. Wenn er Dein Freund ist, freut er sich über nichts mehr als darüber, dass Du Deine Flügel ausbreitest und Dein Leben in Fülle lebst.
Falls Du das jetzt gar nicht so übel findest, fragst Du Dich vielleicht, was Du mitbringen musst, damit eine Freundschaft mit dem INTJ gelingen kann. Hier meine Hinweise:
Du solltest ehrlich sein und Ehrlichkeit aushalten.
Du solltest bereit sein, auch Deine eigenen Schwächen zu anerkennen und zu zeigen.
Du solltest bereit sein, Dich zu hinterfragen, denn wie der INTJ sich selbst ständig hinterfragt, hinterfragt er auch andere. Wenn Du ihm wichtig bist, will er Dich verstehen. Wenn er Dich nicht versteht, wird er nachhaken. Und wenn er glaubt, dass Du Dir nicht gerecht wirst oder gerade Mist baust, wird er es sagen.
Ich weiss inzwischen, dass es Leute gibt, die den INTJ schätzen und die gemerkt haben, dass auch ich kein gefühlskaltes Monster bin. Die Art, in der ich dieses Post geschrieben habe, zeigt mir aber auch, dass es mich immer noch quält, wenn mich jemand für dieses Monster gehalten hat. Auf meine Weise habe ich inzwischen Frieden gemacht mit meinem Wesen und der Art Freundschaft, die ich bieten kann, und ich bemühe mich auch um diesen Frieden mit meinem Versagen und mit den Fehlern, die ich begangen habe und die mich Beziehungen gekostet haben. Und als Teil meines inneren Friedenmachens präsentiere ich einen letzten Hinweis auf den INTJ, der zumindest für mich wahr und wichtig ist.
Der INTJ findet nicht oft Menschen, zu denen er tiefen Zugang hat, mit denen er über Gott, die Welt und sich selbst reden und gleichzeitig über alles Mögliche lachen kann. Wenn Du einem INTJ so ein Freund warst, wird er Dich niemals vergessen. Und selbst wenn Ihr im Streit auseinander gegangen seid: Wenn du nicht gerade zu einem Monster mutiert bist (und zumindest ich habe unter meinen früheren Freunden keine solchen), dann will er auch nach Eurer Freundschaft noch, dass es Dir gut geht. Er wird sich immer wünschen, dass Du das Leben lebst, das Dich erfüllt. Und er wird Dich (wenn er zu den noch selteneren frommen INTJs gehört) weiterhin segnen, in seine Gebete einbeziehen und Dir das Beste wünschen.
Was sagt Dir das alles, wenn Du keiner von dieser seltsamen Sorte bist? Ganz einfach: Wenn selbst der manchmal hochmühsame INTJ Freunde finden kann, die ihn schätzen und lieben für das, was er ist, dann kannst DU, Mensch einer weniger sperrigen Sorte, das mit Sicherheit, und zwar ohne dass Du Dich verbiegen musst. Es gibt Menschen, die DICH suchen, wie Du bist, und die von genau den Eigenschaften in Dir beschenkt werden, die für andere ein No-Go sind.
Das heisst nicht, dass wir nicht dazu aufgefordert sind, uns ab und zu zu hinterfragen. Wenn wir eine blutige Spur von Streitereien hinter uns her ziehen, kann es sinnvoll sein, wenn wir uns fragen, was unser Teil an der Sache gewesen sein könnte, und ob wir bestimmte Charakterzüge an uns etwas bearbeiten sollten. Aber es den Kern unseres Wesens müssen wir deshalb nicht verändern.
Aus einem bestimmten Grund hat Dich einer so gemacht – also steh dazu. Oder anders gesagt: Sei Du selbst, alle anderen gibt’s schon.
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Liebe fellow INTJs: Seid ihr ähnlich drauf, oder bin ich schon fast zu weich für einen echten INTJ? Und liebe andere: Was erwartet IHR von Euren Freunden? Was für ein Freund seid IHR? Ich freue mich auf Eure Kommentare…!
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