Popcorn-PerlenDer „Hero“, der gegen grösste Widerstände ankämpft und am Ende triumphiert, füllt zuverlässig die Kinosäle. Andy Dufresne, Protagonist in Stephen Kings Kurznovelle „Frühlingserwachen – Pin Up“, ist ein Held der stilleren, tiefer gehenden Art. Die Novelle wurde unter dem Titel „Shawshank Redemption – Die Verurteilten“ verfilmt, und das macht die Geschichte zu einer weiteren „Popcorn-Perle“.

Andys geordnetes Leben als Finanzfachmann wird in einer Herbstnacht ohne Vorwarnung zerstört – seine Frau und ihr Liebhaber werden von einem Unbekannten erschossen, und Andy wird des zweifachen Mordes angeklagt.

Andy bereitet sich auf das Schlimmste vor, solange er noch kann: Er bringt sein Geld in Sicherheit, und ein guter Freund verschafft ihm eine neue Identität. Kurz darauf ist dieses neue Leben Andys einzige Hoffnung, denn das Schlimmste trifft ein: er wird auf der Grundlage von Indizien zu zwei Mal lebenslänglich verurteilt.

Im Knast von Shawshank lernt er Red kennen – den „Mann, der alles besorgen kann“, der über die langen Jahre zu seinem einzigen engen Freund wird. Er lernt auch das grausame Knastuniversum kennen und wird von Vergewaltigungen, Prügel und Demütigung nicht verschont. Doch irgendwie schafft er es, sich seine Würde und seine Hoffnung auf ein anderes Leben zu erhalten.

„Trotz seiner Probleme lebte er sein Leben weiter.
Es gibt Tausende, die das nicht tun oder nicht wollen oder nicht können,
und viele von ihnen sind nicht einmal im Gefängnis.“
Red in „Shawshank Redemption“

Doch auch an Andy nagt der Knastalltag. Er bittet Red, ihm einen Gesteinshammer zu beschaffen, mit dem er kleine Steine aus dem Gefängnishof in Form schleift, um die langen Gefängnisnächte zu überstehen. In einer dieser Nächte kratzt er aus Langeweile in die Gefängniswand, und plötzlich löst sich ein Stück. Weil er sonst nichts zu tun hat, gräbt Andy weiter und beschafft sich von Red ein Pin-Up-Poster, um das Loch zu verbergen. An Ausbruch denkt er nicht – er rechnet sich aus, dass er in 100 Jahren höchstens die Hälfte der Wand schaffen könnte.

In den folgenden Jahren erarbeitet sich Andy im Knastuniversum eine Vertrauensposition. Er wird Leiter der Bibliothek, berät die Aufseher bei ihren Steuererklärungen, setzt Darlehensverträge auf und hilft dem Direktor dabei, Erträge aus zweifelhaften Geschäften vor dem Fiskus zu verstecken.

Ganz plötzlich öffnet sich für Andy ein Fenster der Hoffnung: Aufgrund der Aussage eines neuen Insassen könnte er den Prozess wieder aufrollen und seine Unschuld beweisen. Doch der Anstaltsleiter will Andy und seine nützlichen Fähigkeiten nicht verlieren und bringt den Insassen durch die Versetzung in ein besseres Gefängnis zum Schweigen.

Das bricht Andy fast das Rückgrat – zum ersten und einzigen Mal verlässt ihn seine Zuversicht, und er fällt in eine tiefe Depression. Nach langen und dunklen Monaten fasst er langsam wieder Mut und macht kurz darauf eine unglaubliche Entdeckung.

Während einer seiner nächtlichen Grabungen durchschlägt sein Hammer plötzlich die Wand, und er trifft auf einen offenen Schacht und ein altes Abflussrohr. Er findet heraus, dass sein Zellentrakt noch nicht an das neue Abwassersystem angeschlossen wurde und dass dieses alte Rohr sein Weg in die Freiheit sein könnte – und in sein neues Leben. Denn das Tor zu seiner neuen Identität – ein Schlüssel zu einem Bankschliessfach – schlummert sicher vergraben unter einer Steinmauer, keine dreissig Meilen von Shawshank entfernt.

Doch zwischen Andy und seinem neuen Leben stehen noch einige Kubikmeter Stein und die Gefahr, entdeckt zu werden. Über den Zeitraum von weiteren acht Jahren vergrössert Andy Nacht für Nacht das Loch in der Wand. Den Schutt bindet er in Säckchen in seine Hosenbeine und lässt ihn im Gefängnishof auf den Boden rieseln.

In der Nacht auf den 12. März 1975 gelingt Andy die Flucht – durch ein enges, stinkendes Rohr voller Exkremente kriecht er über die Länge von fünf Fussballfeldern in die Freiheit. Ein halbes Jahr später sendet er seinem Freund Red eine unsignierte Karte aus Texas, wo er die Grenze nach Mexiko überschreitet, um sich sein neues Leben aufzubauen.

Was mich an dieser Geschichte bewegt, ist Andys nicht zu tötende Hoffnung im Angesicht des Tornados, der sein Leben zertrümmert hat, aber auch seine Ruhe, Gelassenheit und Zuversicht inmitten dieses Spagats aus Hoffnung und Angst.

Wie hat dieser Mann das ausgehalten? Zu wissen, dass ein neues Leben auf ihn wartet, aber nicht zu wissen, ob das Stück Land, das diesen Schatz verbirgt, in der Zwischenzeit überbaut wird? In seiner Zelle einen Tunnel zu graben und zu fürchten, dass man ihn plötzlich in eine andere Zelle versetzt? Und was wäre gewesen, wenn man ihn wegen guter Führung entlassen – und bei der Zellenräumung das Loch in der Wand entdeckt hätte? Und was, wenn Andy nach endlosem Kriechen durch das Abflussrohr hätte feststellen müssen, dass das Ende mit einem Draht verschlossen ist?

Andys Umgang mit seinem Schicksal macht ihn zu einem anrührenden, fassbaren Helden. Er ist beinahe zerbrochen, aber er hat sich wieder aufgerappelt. Er hat all die „Was-Wenns“ ertragen und hat in diesem widerlich stinkenden Rohr sein Leben riskiert – um frei zu sein.

Diese Entschlossenheit und Andys unerschütterliche Hoffnung und Gelassenheit fordern mich heraus. Jeden Tag scheitere ich aufs Neue an kleinen und grösseren Alltagsfrüstchen und ärgere mich über Dinge, die nicht so sind, wie ich sie will, über volle Züge und laute Menschen, über Unzulänglichkeiten und Missgeschicke. Was würde ich erst tun, wenn ich eine Herausforderung dieser Kragenweite bewältigen müsste?

Eigentlich brauche ich nicht einmal auf das fiktive Schicksal von Andy zurückzugreifen – ich kenne genug Menschen, die mich in ihrem Umgang mit Schicksalsschlägen tief beeindrucken.

In meinem Freundes- und Bekanntenkreis haben mehrere Frauen eine Brustkrebsdiagnose erhalten. Eine von ihnen hat Operation und Chemotherapie schon länger hinter sich, eine andere ist dieses Jahr operiert worden, und die dritte wird den Eingriff in wenigen Wochen durchstehen müssen. Alle drei Frauen haben diesen Mut und die Entschlossenheit, nicht aufzugeben und an das Leben – ihr Leben – zu glauben. Ich ziehe meinen Hut vor ihnen, und ihr Vorbild beschämt mich.

Aber es ist eine gute Scham – eine, die mich motiviert und inspiriert, meine Haltung zu überdenken und mich neu zu entscheiden, wie ich mit den grossen und kleinen Unebenheiten auf meinem Lebensweg umgehen will:

Ich will mein Leben als Geschenk sehen und mich nicht mehr von Kleinigkeiten runterziehen lassen. Beim nächsten Frustmoment denke ich an die einzigartigen, wertvollen Dinge, die man sich nicht kaufen kann und die ich immer wieder geniessen darf. Gesund sein. Ein schöner Sommertag. Familie und Freunde, die einen inklusive aller Verrücktheiten lieben. Ein „Magnum“ nach dem Mittagessen und eine Tüte Popcorn zur DVD-Nacht. Lachen mit Freunden, auf dem Sofa ein Nickerchen machen. Schreiben und singen dürfen und anderen damit Freude machen – grosse und kleine Segenshappen, die alle Widrigkeiten des Alltags überstrahlen.

Ich will bereit sein, auch härtere Schläge zu ertragen und nie die Hoffnung verlieren. Ich wünsche mir keine Katastrophe, um meinen Durchhaltewillen beweisen zu können. Aber wenn etwas auf mich zukommt, das mich herausfordert, hoffe ich, dass ich es würdig tragen kann, den Kampf nicht aufgebe und meinen Glauben an das Schöne im Leben, an das Gute in der Welt und an einen allmächtigen, liebenden, Gott niemals verliere.

Ich will für das kämpfen, was mir am Herzen liegt. Unser Leben auf dieser Erde ist kurz. Ich bin 42 Jahre alt, und vielleicht habe ich noch einmal gleich viel Zeit. Vielleicht ist es auch morgen vorbei. Ich will mich auf die Dinge konzentrieren, die wirklich wichtig sind, auf das, wofür mein Herz brennt und zu dem ich mich berufen fühle, damit ich an diesem letzten meiner Tage auf dieser Welt nichts bereuen muss. Oder wie Henry David Thoreau in „Club der toten Dichter“ so schön zitiert wird: „damit ich nicht, wenn es zum Sterben ginge, einsehen müsste, dass ich niemals gelebt habe.“ (aber den Film sparen wir uns für ein anderes Mal).

„Hoffnung ist etwas Schönes, Red, vielleicht das Schönste, was es gibt,
und Schönes stirbt nie.“

Wer inspiriert Dich mit seinem Verhalten? Wofür schlägt Dein Herz? Ich freue mich über Deinen Kommentar!

Crazy Urz 3Einige  Menschen sind genauso, wie sie aussehen – was draufsteht, ist auch drin. Doch meistens enthüllt der zweite und dritte Blick einige Überraschungen. Unerwartete Eigenschaften, skurrile Charakterzüge – und manchmal schlicht und einfach Zeug, das nicht zusammenpasst.

Ich gehöre definitiv zur zweiten Kategorie. Das wird noch dadurch verstärkt, dass ich so gar nicht danach aussehe.

Gerade jetzt freue ich mich, dass Ihr dieses Post lesen werdet, und habe deswegen leichte Schweissausbrüche. Aber das ist erst der Anfang.

Ich bin eine gute Organisatorin und lebe öfters in einem unglaublichen Chaos.

Ich bin ruhig und beherrscht, und in mir brodelt es oft gewaltig.

Ich bin ein optimistischer Mensch und frage mich manchmal, was „das alles“ soll.

Ausserdem leide ich am „alles oder nichts“-Phänomen. Ich setze mir in einem Zustand grenzenloser Energie die ehrgeizigsten Ziele und trällere frohlockend, wie schön es ist, aktiv zu sein und alles im Griff zu haben. Gefühlte Sekunden später sehe ich den gigantischen Berg an Aufgaben vor meinem inneren Auge sich erheben, und jede Freude an meinen Plänen  zerbröselt zu Staub. Was bleibt, ist dieser Druck auf die Hirnschale und der dringende Wunsch, sich irgendwo hin zu flüchten, um nichts zu tun ausser schlafen, fernsehen, andere Blogs lesen und im Web herumsurfen.

Und ich bin eine Teilzeitmenschenhasserin. Das klingt schlimm – aber frei nach Shakespeare sage ich lieber die Wahrheit und beschäme den Teufel. Wohlverstanden – meine Mitmenschen interessieren mich sehr, ich freue mich an ihnen, und man attestiert mir ein umgängliches Wesen und Temperament. Aber fast jeden Tag gibt es diese Momente, in denen ich jedem im Umkreis von zehn Metern mit Freuden den Kopf abreissen oder ihn so lange anstarren möchte, bis er in Flammen aufgeht (kennt  jemand den Film „Carrie“?).

Früher habe ich mir wegen dieser „Dr. Jekyll und Mr. Hide“-Anflüge Vorwürfe gemacht. Ich habe mir gewünscht, dass dieses Auf und Ab einer wohltemperierten Geschäftigkeit weicht und sich alle Aggressionen und negativen Gefühle in Minne und Menschenliebe auflösen.

In letzter Zeit irritieren mich diese Anflüge nicht mehr so stark. Ich bin zur Einsicht gelangt, dass vermeintliche Widersprüche schlicht zu meiner Persönlichkeit gehören – und eigentlich ganz unterhaltsam sind. Diese Spannungen halten mich wach und lebendig, und sie treiben mich an, mich selbst zu hinterfragen und nicht so ernst zu nehmen. Ausserdem: Wie hätte ich sonst dieses Post schreiben sollen?

Ich entdecke in diesem entspannten Umgang mit Widersprüchen auch viel Wertvolles für mein Glaubensleben. Auch das Christentum kennt irritierende, sich scheinbar widersprechende Aussagen über Gott und den Glauben – Gott ist unfassbar, und Er ist mir unglaublich nahe. Sein Reich ist schon angebrochen, und gleichzeitig warten wir noch darauf. Wenn ich alle Spannungen entferne, die eine Aussage ignoriere oder uminterpretiere, unterschlage ich herausfordernde Wahrheiten und mache es mir zu leicht.  – Zu diesem Thema empfehle ich übrigens das inhaltlich dichte, humorvoll und exzellent geschriebene Buch von FEG-Pastor Christof Lenzen: „Lass Dich fallen und flieg!“.

Neben dieser geistlichen Ebene wirkt sich mein neues Verständnis für eigene Verrücktheiten positiv auf den zwischenmenschlichen Alltag aus: Es fällt mir leichter, anderen ihren Anteil an Schrägheit, Unstimmigkeiten und nervenden Auf und Abs nachzusehen, weil ich weiss, dass ich im gleichen schwankenden Boot sitze. Ich glaube inzwischen, dass uns das Akzeptieren unserer eigenen Widersprüchlichkeit dabei helfen kann, anderen liebevoller, toleranter und geduldiger zu begegnen.

Und überhaupt: Gibt es etwas Langweiligeres als Menschen, bei denen man immer im Voraus weiss, was sie denken, sagen oder tun werden? Freuen wir uns doch einfach, dass das bisschen Verrücktheit in uns selbst und in anderen unseren täglichen Begegnungen Würze und Pfeffer verleiht!

Welche Widersprüche entdeckst Du in Dir?
Hast Du Dich mit ihnen angefreundet, oder wünschst Du Dir immer noch, der Reihe nach hundert zu sein? Share a little craziness!

Popcorn 25%Seelensnacks verstecken sich an den unterschiedlichsten Orten – ich finde meine unter anderem in meiner DVD-Sammlung. In diesen schlichten Silberscheiben verbergen sich oft wahre Kostbarkeiten, die nur auf einen Entdecker warten.

Eine besondere Perle ist die warmherzige und tiefsinnige Komödie „Und täglich grüsst das Murmeltier“. Sie dreht sich um den griesgrämigen, egozentrischen Wettermoderator Phil Connors, der für seinen Lokalsender zum siebten Mal in Folge den „Murmeltiertag“ im Kaff Punxsutawney kommentieren muss. An diesem Volksfest muss das dorfeigene Murmeltier am Morgen des 2. Februar den Einwohnern prophezeien, wie das Wetter in den kommenden sechs Wochen wird – was davon abhängt, ob das Tier seinen Schatten sieht oder nicht.

Nach einem mittelmässigen Drehtag unter nervigen Hinterwäldlern müssen Phil, seine Produktionsleiterin Rita und Kameramann Larry wegen eines Schneesturms eine weitere Nacht in Punxsutawney verbringen – was Phil in Verbindung mit der Tatsache, dass es in ganz P. kein heisses Wasser zum Duschen gibt, fast in den Wahnsinn treibt.

Doch es kommt noch schlimmer. Als Phil am nächsten Morgen aufwacht, stellt er fest, dass wieder Murmeltiertag ist – nur ist er der einzige, der gestern schon dabei war.

Das Phänomen wiederholt sich auch am nächsten Tag, und am nächsten – Phil muss feststellen, dass er in einer Zeitschleife feststeckt. Nach einigen Panik- und Frustattacken entdeckt er die Möglichkeiten, die sich hinter der Frage „Was wäre, wenn es kein Morgen gäbe“ verstecken: Er stopft sich täglich den Bauch voll, beklaut die lokale Sparkasse und vergnügt sich mit der ehemaligen Dorfschönheit.

Doch nach dem tausendsten Mal wird alles langweilig, und Phil sucht eine neue Herausforderung: Er beschliesst, die hinreissende Rita zu verführen. Mit Hilfe der Zeitschleife entlockt er ihr all ihre Wünsche und Träume und tüftelt an der perfekten Strategie, um sie ins Bett zu kriegen. Aber egal, wie raffiniert er vorgeht – der Tag endet immer gleich: mit einer schallenden Ohrfeige für ihn, weil Rita trotz des minutiös geplanten Traumtages voller tiefsinniger Gespräche nicht gleich mit ihm im Bett landen will.

Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht, und Phil hat endgültig genug von diesem verrückten Karussell. Er entführt das Murmeltier als vermeintlichen Verursacher seines Elends und rast mit einem Auto in eine Kiesgrube. Doch vergeblich: Am nächsten Morgen erwacht er ohne einen Kratzer in seiner Frühstückspension. Und so endet jeder weitere kreative Versuch, dieses Theater zu verlassen.

In seiner Verzweiflung vertraut er Rita sein Dilemma an. Er muss sie erst von dieser wahnwitzigen Geschichte überzeugen; dann aber rät sie ihm, das Positive, die Chancen und Möglichkeiten in dieser verrückten Situation zu entdecken.

Obwohl Phil zuerst darüber lacht, berühren ihn Ritas Gedanken, und ohne dass er es weiss, hat die Wende in seinem Leben begonnen. Als er am nächsten Morgen erneut am Murmeltiertag aufwacht, beschliesst er, Klavier spielen zu lernen – und die Welt einfach ein bisschen besser zu machen. Über viele weitere Murmeltiertage wird aus dem arroganten Einzelgänger ein zupackender, hilfsbereiter, humorvoller Mann, der es schliesslich schafft, sich an einem einzigen Tag in der ganzen Stadt zum Helden zu machen, mit Rita die Frau seines Lebens für sich zu gewinnen und wieder aus der Zeitschleife ins richtige Leben zurückzukehren – als neuer Mensch.

Wir können keine Zeitschleife konstruieren, um uns selbst neu zu erfinden. Aber auch wir können uns verändern, alte Gewohnheiten ablegen und Neues lernen, und zwar ganz egal, wie alt wir sind. Das heisst – wenn wir es wagen, daran zu glauben.

Ich kenne zu viele Menschen, die den Satz „Ich kann und will mich nicht ändern“ zu ihrem persönlichen Glaubensbekenntnis erhoben haben. Das ist in meinen Augen unglaublich traurig und zerstörerisch, denn so falsch diese Annahme auch ist, kann sie doch zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden: Wer sich lange genug einredet, dass er sich nicht ändern kann, wird es irgendwann wirklich nicht mehr können.

Ich weiss dabei sehr wohl, wie schwierig es sein kann, schlechte Gewohnheiten loszuwerden und eingebrannte Verhaltensmuster zu ändern. Oft genug erlebe ich das am eigenen Leib: Ich weiss genau, dass mein Verhalten irrational ist und nichts Gutes hervorruft – und trotzdem kann ich nicht anders. Dass ich nicht aufgebe, liegt einzig daran, dass ich die Wende auch schon erlebt habe – dass ich schlechte Angewohnheiten hinter mir lassen und befreiende Veränderung erfahren durfte.

Allerdings gilt für mich, dass ich es nicht allein geschafft hätte. Ich weiss seit neun Jahren, dass es einen Gott gibt, der mich dazu bestimmt hat, frei zu sein, der Wunden heilen und Verformungen wieder gerade biegen kann. Dieses Wissen ermutigt mich, auch hartnäckige Verhaltensmuster zu bekämpfen und dabei nicht aufzugeben.

Auch wenn Du es vielleicht nicht so mit Gott hast: Veränderung ist immer möglich. Nicht alle Eigenschaften, die Du unter „so bin ich halt“ etikettiert hast, müssen Dir bis ans Lebensende anhaften. Wahrscheinlich bist Du selbst Dein härtester Gegner.

Wenn Du selbst glaubst, dass Du Dich ändern kannst, setzt Du damit die nötige Energie für Deinen Aufbruch frei. Jeder neue, kleine Schritt wird Dich auf diesem Weg ermutigen, bis Du nach einiger Zeit einen Blick zurück wirfst und ganz erstaunt feststellst, wie weit Du schon gekommen bist.

„Irgendwas ist anders.“ „Gut oder schlecht?“ „Alles, was anders ist, ist gut.“

Nicht alles, was „anders“ ist, muss gut sein. Aber sich selbst zu glauben, dass man auch anders kann, ist der erste Schritt zur Veränderung.

An meinem Arbeitsplatz hängt eine altmodische Postkarte mit Holzschnitt-Motiv, darauf ein kleiner Junge mit einem riesigen Grinsen auf dem sommersprossigen Gesicht. Das Motto der Karte lautet:

„Ich freue mich immer, wenn schlechtes Wetter ist.
Denn wenn ich mich nicht freue, ist trotzdem schlechtes Wetter.“

Mitte Mai hätte ich das Ding am liebsten inklusive Grinsen von der Wand gerissen, um genüsslich darauf herum zu trampeln.

Der Frühling hatte uns offensichtlich vergessen. Seit einem winzigen Gastauftritt im März wurde er nicht mehr gesichtet; was blieb, waren Temperaturen unter zehn Grad und, fast noch schlimmer, eine konstante Wolkendecke ohne ein Fitzelchen Sonne. Es wurde April, es wurde Mai, und nichts änderte sich.

Das Phänomen war nicht auf die Schweiz beschränkt; ganz Westeuropa litt darunter. Auf Facebook erschienen Kommentare wie dieser:

„Habe heute einen seltsamen, leuchtenden gelben Ball gesehen; was das wohl war?
Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein: die Sonne!“

Wenn eine Schlechtwetterperiode so lange anhält, zweifeln wir irgendwann daran, dass es je wieder besser wird. Noch schlimmer – wir vergessen fast, was schönes Wetter überhaupt ist. Irgendwann machen wir morgens den Rollladen hoch und erwarten nichts anderes als Nebel, einen Wolkendeckel und frostige Temperaturen.

Heute Morgen habe ich mit Freuden und leicht ungläubig aus dem Fenster gesehen. Blauer Himmel, Sonne, Wärme – und das seit über einem Monat. Offenbar revanchiert sich das Wetter für den – mit Verlaub – beschissenen Frühling, und man würde es nicht für möglich halten: auf dem Höhepunkt der Hitzewelle letztes Wochenende  häuften sich Kommentare, es solle doch endlich mal wieder regnen. So schnell haben wir vergessen, wie uns die grauen Wochen zusetzten und wie sehr wir uns nach Sonne und Wärme sehnten.

Mir zeigt das, wie wählerisch unser Erinnerungsvermögen ist. Und diese schönen Wochen machen mir eines klar: dass die Sonne auch dann existiert, wenn wir uns kaum mehr an sie erinnern können.

Vielleicht erlebst Du im Moment trotz des Wetterhochs ein Tief von der hartnäckigen Sorte, das einfach nicht verschwinden will. Kein Lichtblick, keine Wärme – eine konstante Wolkendecke über Deinem Kopf und in Deinem Herzen. Ein Tief, dass schon so lange dauert, dass Du gar nicht mehr weisst, wie es ist, sich gut zu fühlen, und langsam die Hoffnung verlierst, dass es jemals wieder aufwärts geht. Du zweifelst daran, dass es so etwas wie gute Zeiten überhaupt gibt – und wenn, dann offenbar nur für die anderen.

Doch egal, wie dick die Wolkendecke aussieht und wie lange Du die Sonne nicht gespürt hast: sie ist da und wird sich auch Dir wieder zeigen. Und vielleicht geht es  Dir dann wie dem Facebook-User, der sich zuerst fragt, was dieser komische gelbe Ball soll. Aber wenn Du die Wärme spürst, wirst Du wissen, dass es endlich aufwärts geht.

Und solange das Dunkel anhält: häng ein Bild auf, das diese guten Zeiten verkörpert und Dir Kraft gibt. Mach Dir am besten ein paar Kopien. Wenn Dich der Frust packt, kannst Du auch mal eins von der Wand reissen und darauf herumtrampeln – und dann weitermachen. Im Wissen, dass auch die dickste Wolkendecke ein Ende hat.