Vor etwas mehr als zwei Wochen habe ich zusammen mit meinem Mann und meinem Vater an einem Samstag meine drei Neffen und meine Nichte beaufsichtigt – Einzelheiten können im „Ritigampfi-Post“ nachgelesen werden. An diesem Abend drückte mir meine Schwester kurz vor der Rückfahrt ein hübsches hellblaues Buch in die Hand und meinte: „Falls Du überhaupt noch von Hand schreibst und nicht nur virtuell…!“

Bild ErmutigungIch nahm das Geschenk erfreut entgegen und verstaute es in meinem Rucksack, und wir machten uns auf den Heimweg. Am nächsten Tag holte ich das Buch hervor, um es mir etwas genauer anzusehen – und stellte fest, dass es weit mehr war als ein Tagebuch. In Händen hielt ich ein wundervoll gestaltetes Hilfsmittel fürs Songwriting.

Auf der ersten Seite waren ein Quintenzirkel und ein Transkriptionsschlüssel abgebildet, un auf jeder Doppelseite ein Psalm, dazu abwechselnd eines von fünf hebräischen Worten für Lobpreis (für Worshipper und Interessierte: Tehillah, Barak, Zamar, Yadah, Hallal – aber davon vielleicht ein anderes Mal).

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Dieses Geschenk hat mich unglaublich berührt. Ohne Worte hat mich meine Schwester spüren lassen, dass sie an mich glaubt, an meinen Plänen und Träumen Anteil nimmt und mich unterstützt.

Ich habe das Buch aufgeschlagen und gleich einen ersten Eintrag gemacht: den Entschluss, diesem Geschenk ein Post zu widmen, um mich daran zu erinnern, wie unverzichtbar und wertvoll Ermutigung und Wertschätzung sind.

Ein aufbauendes Feedback motiviert mich und gibt mir einen Extraschub Energie, um an meinen Plänen dranzubleiben – und nichts berührt und ermutigt mich so sehr wie eine positive Reaktion aus meinem engsten Umfeld. Das heisst nicht, dass ich die Verwirklichung meiner Träume von der Meinung anderer abhängig mache. Aber mir wird mehr und mehr bewusst, wie viel eine ermutigende Geste im richtigen Moment ausmacht.

Dieses Erlebnis hat mich auch inspiriert, über meine eigene Rolle im Leben anderer nachzudenken. Bin ich mir dieser Rolle bewusst, und setze ich meinen Einfluss mit Bedacht ein? Gerade in unseren engsten Beziehungen haben Feedbacks grosse Macht: Sie können uns aufbauen, können uns aber auch am meisten verletzen, wenn sie negativ sind oder ganz ausbleiben. Ermutige ich meine Familie und meine nächsten Freunde – oder vergesse ich es, ohne zu merken, wie abwertend das wirken kann?

Bin ich mir auch darüber im klaren, was für einen Einfluss ich auf Menschen in meinem Bekanntenkreis und meiner Umgebung habe? Oder behalte ich meine Meinung für mich, weil ich nicht glaube, dass sie jemanden interessiert und weil ich mich auf keinem Gebiet als „Autorität“ sehe? Damit schätze ich meine Talente gering und verpasse die Gelegenheit, jemanden auf seinem Weg zu ermutigen.

Ich werde mir auch neu bewusst, wie aufbauend solche Feedbacks im Alltag wirken. Jeder Mensch möchte in dem, was er tut, wahrgenommen werden. Mit einem kleinen Funken der Wertschätzung kann ich genau heute dem Tag vieler Menschen einen kleinen Glanz verleihen.

Ich will meinen Einfluss auf andere nicht mehr unterschätzen und diese Verantwortung wahrnehmen. Ich will mehr ermutigen und gezielt nach Gelegenheiten suchen, wie ich anderen Wertschätzung entgegen bringen kann. Und ich will nicht vergessen, dass sich auch Menschen, die es in meinen Augen nicht mehr nötig haben, über positive Feedbacks freuen.

Das Geniale daran ist im Übrigen, dass diese Wertschätzung zurückkommt. Ich nenne das den „Kreislauf der Wertschätzung“ – im Gegensatz zum „Kreislauf des Anschreiens“ aus „How I Met Your Mother“, der leider auch funktioniert. Wenn ich andere aufbaue, färbt etwas von dieser Anerkennung auf mich ab – und sei es nur das Bewusstsein, jemandem eine Freude gemacht zu haben.

Es gibt zu diesem Phänomen einen alten, unglaublich kitschigen Spruch, der nach meinen Recherchen Goethe zugeschrieben wird. Meine Patentante hat ihn mir vor 21 Jahren ins Poesiealbum geschrieben – und heute passt er einfach. In diesem Sinne:

Willst Du glücklich sein im Leben
Trage bei zu andrer Glück
Denn die Freude, die wir geben
Kehrt ins eigne Herz zurück

Hast Du den Eindruck, dass es niemanden interessiert, was Du denkst? Glaubst Du, Dein Feedback kannst Du Dir sparen, oder weisst Du gar nicht, wen, wie und wo Du ermutigen könnest?

Unterschätze weder Deinen Einfluss noch Deine Möglichkeiten – der Alltag bietet dutzende von Gelegenheiten, andere aufzubauen. Sei es im Supermarkt, im Restaurant, in der Arbeit – sogar zu Hause am Computer (ja, genau jetzt!) kannst Du jemandem mit einem Kommentar, einem „like“ oder einer Mail eine Freude machen (zum Beispiel mir – also nichts wie ran :-)!).

Leg los, und tritt ein in den Kreislauf der Wertschätzung – Erfahrungsberichte erwünscht!

An meinem Arbeitsplatz hängt eine altmodische Postkarte mit Holzschnitt-Motiv, darauf ein kleiner Junge mit einem riesigen Grinsen auf dem sommersprossigen Gesicht. Das Motto der Karte lautet:

„Ich freue mich immer, wenn schlechtes Wetter ist.
Denn wenn ich mich nicht freue, ist trotzdem schlechtes Wetter.“

Mitte Mai hätte ich das Ding am liebsten inklusive Grinsen von der Wand gerissen, um genüsslich darauf herum zu trampeln.

Der Frühling hatte uns offensichtlich vergessen. Seit einem winzigen Gastauftritt im März wurde er nicht mehr gesichtet; was blieb, waren Temperaturen unter zehn Grad und, fast noch schlimmer, eine konstante Wolkendecke ohne ein Fitzelchen Sonne. Es wurde April, es wurde Mai, und nichts änderte sich.

Das Phänomen war nicht auf die Schweiz beschränkt; ganz Westeuropa litt darunter. Auf Facebook erschienen Kommentare wie dieser:

„Habe heute einen seltsamen, leuchtenden gelben Ball gesehen; was das wohl war?
Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein: die Sonne!“

Wenn eine Schlechtwetterperiode so lange anhält, zweifeln wir irgendwann daran, dass es je wieder besser wird. Noch schlimmer – wir vergessen fast, was schönes Wetter überhaupt ist. Irgendwann machen wir morgens den Rollladen hoch und erwarten nichts anderes als Nebel, einen Wolkendeckel und frostige Temperaturen.

Heute Morgen habe ich mit Freuden und leicht ungläubig aus dem Fenster gesehen. Blauer Himmel, Sonne, Wärme – und das seit über einem Monat. Offenbar revanchiert sich das Wetter für den – mit Verlaub – beschissenen Frühling, und man würde es nicht für möglich halten: auf dem Höhepunkt der Hitzewelle letztes Wochenende  häuften sich Kommentare, es solle doch endlich mal wieder regnen. So schnell haben wir vergessen, wie uns die grauen Wochen zusetzten und wie sehr wir uns nach Sonne und Wärme sehnten.

Mir zeigt das, wie wählerisch unser Erinnerungsvermögen ist. Und diese schönen Wochen machen mir eines klar: dass die Sonne auch dann existiert, wenn wir uns kaum mehr an sie erinnern können.

Vielleicht erlebst Du im Moment trotz des Wetterhochs ein Tief von der hartnäckigen Sorte, das einfach nicht verschwinden will. Kein Lichtblick, keine Wärme – eine konstante Wolkendecke über Deinem Kopf und in Deinem Herzen. Ein Tief, dass schon so lange dauert, dass Du gar nicht mehr weisst, wie es ist, sich gut zu fühlen, und langsam die Hoffnung verlierst, dass es jemals wieder aufwärts geht. Du zweifelst daran, dass es so etwas wie gute Zeiten überhaupt gibt – und wenn, dann offenbar nur für die anderen.

Doch egal, wie dick die Wolkendecke aussieht und wie lange Du die Sonne nicht gespürt hast: sie ist da und wird sich auch Dir wieder zeigen. Und vielleicht geht es  Dir dann wie dem Facebook-User, der sich zuerst fragt, was dieser komische gelbe Ball soll. Aber wenn Du die Wärme spürst, wirst Du wissen, dass es endlich aufwärts geht.

Und solange das Dunkel anhält: häng ein Bild auf, das diese guten Zeiten verkörpert und Dir Kraft gibt. Mach Dir am besten ein paar Kopien. Wenn Dich der Frust packt, kannst Du auch mal eins von der Wand reissen und darauf herumtrampeln – und dann weitermachen. Im Wissen, dass auch die dickste Wolkendecke ein Ende hat.