„Was soll’s“ statt „To do“ – wie ich die Adventszeit überlebe

Ich habe eine Weile nichts gepostet, und der Vorentwurf dieses Posts war eine echte Jammertirade. Die erspare ich Euch nun und lasse Euch stattdessen spontan an einigen neu gewonnenen Weisheiten bezüglich Advents- und anderem Stress teilhaben. (Disclaimer: Dies ist ein Spontandirektpost mit original schweizerischen Doppel-s; die grammatik-affinen deutschen Leser mögen mir verzeihen).

Ich weiss nicht, wie es Euch geht, aber sicher stimmt Ihr darin mit mir überein: Die Adventszeit hat es in sich, und es scheint von Jahr zu Jahr schlimmer zu werden. Ob die Menschen vor hundert oder zweihundert Jahren auch schon solche Probleme hatten? Der Puls der Zeit schlägt immer schneller, die Restenergien verbrennen in alarmierendem Tempo, und dann ist da die Liste der Dinge, die man unbedingt noch bewältigen muss. Geschenke einkaufen. Das Haus weihnachtlich schmücken. Weihnachtsdaten koordinieren. In meinem Fall kommt dazu: Gospelkonzert üben, Buchaktionen planen, was Schönes zu Weihnachten bloggen. Und daneben läuft das „real life“ erbarmungslos weiter und forderte seinen Tribut.

In den letzten Wochen habe ich mit einigen Überlastungssymptömchen gekämpft: Kopfschmerzen, Schulterschmerzen, plötzlich – immer mal was Neues! – Kreuzschmerzen, daneben Müdigkeit, Reizbarkeit und ein Gefühl von „will und kann nicht mehr“. Und während man einen Teil dieser Symptome auch unter „sieh es ein: auch Du wirst älter“ abhaken kann, hat mir meine finstere Stimmungswolke in der lichtvoll gedachten Adventszeit doch zu denken gegeben.

Was läuft hier falsch? Sollte ich mich nicht auf das Weihnachtsfest freuen? Warum geht das, was wir feiern, mehr und mehr unter?

Natürlich ist ein Teil davon wirtschaftssystemisch bedingt und gewollt: Jetzt ist die Zeit, in der viele Geschäfte das herausholen, was sie durchs Jahr nicht verdienen. Die Werbung wird  intensiver, wir sehen überall nur noch Spielsachen, Parfums, Juwelen und was weiss ich nicht was, das wir weder brauchen noch wirklich wollen. Daneben aber und vielleicht schlimmer: Wir denken, dass wir irgend einen Standard erfüllen müssen, und das in Bereichen, die uns vielleicht einfach nicht liegen.

Tischschmuck made by Tante Brigitte
Tischschmuck made by Tante Brigitte

Mir hat eine Bemerkung meines Schwagers vom letzten Sonntag die Augen geöffnet und mir eine Last vom Herzen genommen. Wir feierten den 70. Geburtstag meines Pa, und ich bewunderte die selbst gemachte Tischdekoration meiner Tante: ein gesteckter Kranz aus getrockneten Hortensienblüten, dessen Erschaffung sicher viel Geschick und Geduld erfordert hat (sii Piggtschaa!). Ich fragte laut, warum wohl niemand in unserer Familie solche Künste geerbt hat (wobei das eine falsche Frage war, da meine beiden so begabten Tanten NICHT aus dem Meierclan stammen), und mein Schwager sagte nur : „Du schreibst Bücher, schreibst Lieder, bloggst und singst. Warum in aller Welt hast du das Gefühl, dass du das auch noch können solltest?“

Leute: Er hat recht.

Ich muss nicht alles können, und ich muss nicht überall top sein. Konkret heisst das für mich: Ich mache mir kein schlechtes Gewissen mehr, weil ich keine super Weihnachtsdeko gemacht habe und Zuhause öfters gegen das Chaos ankämpfe (und meistens verliere). Und in Phasen wie der Adventszeit, wo ich noch Konzerte vorbereite, lasse ich einfach mal locker und versetze etwas von der „To do“ auf die „Was soll’s“-Liste. Wen juckt’s? Wen geht es etwas an, wenn ich ausser einem normierten Coop-Adventskranz noch keine Weihnachts-Utensilien in der Wohnung aufgestellt habe? Solange es meinen Mann und mich nicht stört, sollte uns der Rest egal sein.

Ich werde mich trotzdem weiter bemühen, meinen Haushalt einigermassen in Ordnung zu halten – im Grunde mag ich es ja auch lieber, wenn es sauber und aufgeräumt ist und man das Handy oder die Socken zum Anziehen nicht erst eine Viertelstunde suchen muss. Aber wenn viel läuft und ich an meine Grenzen komme, gebe ich mir die Erlaubnis, auch mal die Füsse hochzulegen und nix zu tun.

Gerade jetzt sollte ich waschen, bügeln oder staubsaugen (also eigentlich alles davon). Trotzdem habe ich mir die Zeit für dieses Post herausgenommen und werde mich nach der Veröffentlichung (hoffentlich) mit einer frischen Portion Energie an den Haushalt machen. Und das Schreiben hat gut getan.

Versucht es in der zweiten Halbzeit des  Advents vielleicht auch mal: Denkt daran, dass ihr nicht alles müsst, dass es neben den zwingenden „To Do’s“ auch eine ganze Menge Kandidaten für die „Was soll’s“-Liste gibt. Und dass Ihr nicht alles können müsst. Wir haben alle unsere Begabungen und Stärken, aber auch Bereiche, in denen wir nicht brillieren und es auch nicht müssen. Vielleicht können wir etwas einfach sein lassen, oder wir können jemanden um Hilfe bitten, der darin besser ist als wir.

Das menschliche Zusammenleben ist so gedacht: Wir sollen einander mit unseren individuellen Gaben unter die Arme greifen. Wenn jeder alles können und machen will, machen wir uns vor allem fertig und treiben Raubbau mit unserern physischen und psychischen Gesundheit. Wenn wir aber aufeinander zugehen, um Hilfe bitten oder sie auch mal anbieten, haben alle etwas davon.

Also: Wem kann ich helfen, ein schönes Weihnachtskärtchen zu schreiben? Ein Brief an einen Freund, dem ihr schon lange etwas Wichtiges sagen wolltet? Das Angebot ist ernst gemeint, und ihr müsst dafür nicht bei mir bügeln kommen (ausser natürlich, ihr wohnt in der Nähe und habt Lust dazu…!).

In diesem Sinne wünsche ich uns allen noch eine stressarme Adventszeit, in der wir nicht vergessen, dass wir etwas Schönes zu feiern haben: Gottes Geschenk an unsere Welt, an uns Menschen. Licht und Liebe, Frieden und Freude (Eierkuchen? Warum nicht – solange ich ihn nicht selber backen muss…!)

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