Als ich mein diesjähriges Motto „JETZT ist die Zeit“ kreierte, hatte ich definitiv ein prophetisches Highlight. Ein halbes Jahr ist um, und eines der Dinge, die mir am meisten zu schaffen machen, ist das Gefühl, nicht genug Zeit für alles zu haben, immer „hingedri“ zu sein und demzufolge überall ausser in der Gegenwart zu sein. Kennt das jemand?
Ich glaube, der Umgang mit dieser Sache fällt mir so schwer, weil ich früher nicht sehr viel Antrieb hatte. Ich ging arbeiten, hatte ein paar Hobbies, und das war’s. Heute? Ich bin in Gedanken überall gleichzeitig – bei meinem Buchprojekt, bei meinen Verantwortlichkeiten in der Kirche, bei meinem Haushalt und meinem Mann, beim Rest meiner Familie – und es hört nicht auf.
Wenn ich dann anfange, eine Liste meiner Prioritäten der Woche aufzustellen und sie länger und länger wird, stellt sich in meiner vorderen Hirnregion so ein Druck ein, der sich von dort durch den Körper verbreitet. Wie soll das alles gehen? Ich sollte noch ein Post schreiben. Ich sollte fünf Mails verschicken. Einen Bericht schreiben. Ein Protokoll. Wieder mal staubsaugen und Hosen bügeln. Und eigentlich möchte ich nur an meinem Buch arbeiten. Um es mit den Worten von Bridget Jones in der deutschen Buchversion von „Schokolade zum Frühstück“ zu sagen: GAAAAH!
Normalerweise passiert dann bei mir irgendwann das, was beim Fahrrad passiert, wenn der Gang herausspringt: In meinem Hirn beschleunigt sich alles, bis das Hirn und ich merken, dass ich mich so fertig mache. Dann fahre ich innerlich alles herunter und beschliesse, dass ich hier und jetzt NICHTS muss. Ich nehme mich sozusagen aus der Zeit heraus und sage mir ganz langsam und deutlich, dass ich jetzt einfach SEIN darf. Das mache ich dann, bis ich mich erholt habe, und dann geht es wieder von vorne los.
Das Phänomen hat, wie ich seit kurzem weiss, sogar einen Namen. Letztens habe ich über einen Freund aus der Kirche das erste Mal von den fünf inneren Antreibern des Zeitmanagements gehört, die einem einerseits helfen, seine Ziele und Aufgaben zu erreichen, einen andererseits aber auch sehr belasten können. Sie heissen unter anderem „Sei perfekt!“, „Streng dich an!“ und „Sei stark!“. Während ich nicht überrascht war, dass bei mir der vierte Antreiber „Mach es allen recht!“ ziemlich dominant ist, wurde mir beim Lesen der Eigenschaften des „Sei schnell!“-Antreibers rasch klar, woher der Wind weht.
Dass es einen Namen hat, ist beruhigend und gibt mir Hoffnung, dass ich lernen kann, es anders zu machen – denn das muss ich. Heute ist Sonntag, es ist wunderbares Wetter, und ich möchte an etwas anderes denken als an all die Dinge, die noch nicht gemacht sind und die ich abarbeiten muss. Ich möchte die freie Zeit geniessen können, und ich möchte zu einem Umgang mit meiner Zeit kommen, die nicht nur zwischen „Vollgas“ und „Kette raus“ oszilliert.
Im Gegensatz zu meinen sonstigen, mit einer klaren Erkenntnis endenden Posts habe ich heute kein Rezept, auf das ich schon gekommen bin. Ich hoffe, ich finde es noch, und wer weiss? Vielleicht hat jemand von Euch ja eine Antwort – ich wäre ein dankbarer Abnehmer. Und versuche heute, mich auf die Veranda zu setzen, den Bienen und Schmetterlingen zuzusehen, die sich an unserem Sommerflieder laben, und das Leben zu geniessen.
Carpe diem und schönen Sonntag Euch!
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