Vor einigen Tagen ist der Schauspieler Alan Rickman gestorben, und wie viele andere hat mich sein Tod getroffen. Ich habe nicht nur den Darsteller, sondern viele Filme, in denen er spielte, und die Personen, die er verkörperte, sehr geliebt: Ich schätzte die reservierte und doch tief empfindende, loyale Persönlichkeit Colonel Brandons in Sense and Sensibility, und ich empfand erst Abneigung und dann Hochachtung und Mitgefühl für den Potions Master Severus Snape auf der Reise durch die Harry-Potter-Filme.
Die heutige Popcorn-Perle, die ich zu Ehren von Rickman präsentiere, handelt von einem weiteren Film, den nicht so viele Leute kennen, der aber auch zu meinen „All Favorites“ gehört und die Kraft von Geschichten beleuchtet: Tim Allens schräge Sci-Fi-Parodie Galaxy Quest.
Der Film erzählt die Story eines in die Jahre gekommenen Schauspielerteams, dessen Sci-Fi-Serie Galaxy Quest vor fast 20 Jahren ein Renner war und das heute nur noch auf Fan-Conventions auftritt. Der arrogante Captain Jason Nemith, gespielt von Tim Allen, ist ein Egomane, der sich ständig in den Vordergrund drängt, weshalb der Rest der Crew die Nase voll von ihm hat. Ganz besonders trifft dies auf Alexander Dane zu (gespielt von Rickman). Er, der einst – und das erwähnt er in seiner traditionellen Krise vor jedem Fan-Auftritt – „einmal ein Schauspieler war“ und „als Henry III. fünf Vorhänge bekam“, wird als Dr. Lazarus von seinen Fans nur für einen Satz geliebt, den er bei jeder Gelegenheit zitieren soll.
„Bei Grabthars Hammer, bei den Söhnen von Warvan, du wirst gerächt werden!“
Er hasst den Satz wie die Pest, aber er wird seine Meinung im Verlauf der Geschichte noch ändern – denn etwas gänzlich Unerwartetes kommt auf die Truppe zu. An einer Convention trifft der „Captain“ auf ein paar seltsame Männer, die behaupten, sogenannte Thermianer zu sein, die ihn in einer „Angelegenheit von größter Wichtigkeit“ sprechen müssen. Er hält das Ganze für ein Amateurprojekt und sagt scherzhaft zu, worauf sie ihn am nächsten Morgen abholen. Als er auf dem Rücksitz einer Limousine verkatert ein Nickerchen macht, beamen sie sich mitsamt Auto auf ihr Raumschiff. Nesmith wacht auf und hält erst alles für Staffage. Auch als sie ihn über einen Bildschirm mit ihrem Kriegsgegner, einem humanoiden Reptilienwesen namens General Sarris, in Verbindung setzen, damit er für sie verhandelt, hält er das für ein Spiel. Er lässt ein paar Torpedos abfeuern und will dann nach Hause. Daraufhin wird er in einer Art durchsichtigem, geleeartigen Kokon auf die Erde gebeamt und stellt entsetzt fest, dass alles real war.
Kurz darauf kommen die Thermianer zurück und brauchen erneut seine Hilfe. Nesmiths Crew wird in die Sache hineingezogen: Es stellt sich heraus, dass die Thermianer, eine friedliche und naive Spezies, in ihrer Ecke des Universums die Live-Ausstrahlungen von Galaxy Quest empfangen konnten, und weil sie keine Vorstellung von Fiktion haben, hielten sie die Sendungen für historische Aufzeichnungen. Sie begannen, ihre Gesellschaft nach dem Vorbild der Serie aufzubauen und die vermeintlichen technischen Errungenschaften nachzubauen. Als sie in Not gerieten, wandten sie sich an die vermeintlichen Helden und waren sicher, dass die Crew ihnen rettend beistehen würde.
Der Echtkampf im All in der eigenen Rolle fordert allen Crewmitgliedern eine Menge ab, aber sie lernen auch etwas dazu und entwickeln sich weiter. Der Captain muss einsehen, dass er auf die anderen angewiesen ist und sich ihr Vertrauen erst verdienen muss. Alexander Dane versöhnt sich mit seiner Rolle als Dr. Lazarus. Und obwohl Mathesar, der Anführer der Thermianer, irgendwann erfährt, dass die Geschichten um Galaxy Quest erfunden waren, finden auch die Thermianer die Kraft, weiterzukämpfen, und besiegen am Ende den Bösewicht.
Abgesehen davon, dass der Film das ganze Star Trek Universum herrlich veralbert und ein köstlicher Spaß ist, fasziniert mich der darin enthaltene Gedanke, dass Geschichten eine gewaltige Kraft entwickeln können.
Wenn wir uns auf ein Buch oder einen Film einlassen, leben wir für eine bestimmte Zeit in einer anderen Welt. Auch wenn unser Verstand weiß, dass diese Welt fiktiv ist, läuft in unserem Gehirn und in unserem Körper ein Prozess ab, der das Gelesene und Gesehene als Realität erlebt. Wird es spannend, erhöht sich unser Puls, stirbt eine geliebte Figur, empfinden wir Trauer. Verlieben sich zwei Menschen, empfinden wir ihr Glück mit.
Eine Episode von „Star Trek. The Next Generation“ treibt diese Vorstellung noch weiter. In ihr entdeckt die Crew eine Sonde, die um einen zerstörten Planeten kreist. Die Sonde stammte von den Bewohnern des Planeten und wurde dort platziert, damit sie jemand findet und der Planet und die Geschichte seiner Bewohner nicht in Vergessenheit geraten. Captain Picard fällt in eine Art Schlafzustand und erlebt in seinem Geist auf dem Planeten ein ganzes Leben. Er lernt Flöte spielen, hat eine Familie, lebt in dieser friedlichen Gesellschaft und stirbt irgendwann im Kreise seiner Lieben, und als er wieder aufwacht, weiß er erst gar nicht, wer er ist, weil für ihn tatsächlich 70 Jahre vergangen sind.
So ähnlich geht es uns, wenn wir aus einem langen Buch oder einem intensiven Film auftauchen: Wir haben das Leben eines anderen gelebt, haben gesehen und gefühlt, was er oder sie erlebt hat und was wir sonst vielleicht noch nie empfunden haben. Wir haben unvergessliche Einblicke erhalten und wurden mit Erkenntnissen beschenkt, die uns sonst verborgen geblieben wären.
So wie ich immer wieder zu den Filmen und Büchern zurückkehre, die mir etwas Einmaliges mitgegeben haben, möchte ich auch schreiben. Manchmal verzweifle ich an diesem Anspruch, vor allem, wenn ich an meine noch kaum existente Erfahrung im Prosaschreiben denke. Ginge es nicht etwas einfacher? Aber ich will schreiben, was ich selber lesen würde, was mich fasziniert, zu Tränen und Freudenausbrüchen bewegt und mir eine Erfahrung schenkt, die mein Leben verändert und bereichert. Und darunter gebe ich mich nicht zufrieden. Wenn es dauert, dauert es eben.
Wir wissen bis heute nicht genau, was die Geschöpfe auf diesem Planeten alles mit uns gemeinsam haben. Mit Sicherheit ist es eine Menge: Viele Tiere haben eine enorme Lernfähigkeit, sie sorgen füreinander und haben Gesellschaften, die unseren ähnlich sind, und es steht – zumindest für mich – außer Frage, dass sie Trauer, Freude, Wut und anderes empfinden. Ich glaube aber, dass das Erkennen einer Fiktion uns von den anderen Geschöpfen absondert und uns Menschen noch enger miteinander verbindet. Die Liebe zu Geschichten umspannt den Erdball und alle Menschen aller Epochen und aller Gesellschaften. Das beweist die Tatsache, dass die ganz großen Geschichten überall gelesen und geschätzt werden. Und dank Schauspielern wie dem gewesenen Alan Rickman erwachen sie manchmal optisch zum Leben und lassen uns auf ganz neue Weise an ihnen teilhaben.
Der folgende kleine Ausschnitt aus Galaxy Quest zeigt die Wandlung, die die Figur von Dr. Lazarus im Film gemacht hat. Er ist eine letzte Hommage an den großen Künstler und mein Sonntagsgruß an Euch. Und falls ihr wie ich auch manchmal daran zweifelt, ob ihr der Vision, die in Euch brennt, gerecht werden könnt: Schaut Euch noch die 40 Sekunden im unteren Ausschnitt an und lasst Euch vom Motto inspirieren, das der Captain in Galaxy Quest so gern zitiert: „Never give up, never surrender!“ (Niemals aufgeben, niemals kapitulieren!)
Welches war die erste Geschichte in Buch oder Film, die Euch gepackt hat? Gibt es Bücher und Filme, zu denen Ihr immer wieder zurückkehrt? Ich bin gespannt auf Eure Kommentare!
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