Manchmal frage ich mich, warum ich überhaupt schreibe und warum das jemand lesen sollte. Und weil so eine Frage die Giftspritze jeglicher Kreativität ist, bin ich jeweils versucht, diese Zweifel beiseite zu wischen. Aber im Vertrauen darauf, dass sich hinter jedem Zweifel eine tiefere Erkenntnis verbirgt, lasse ich dieser Frage Raum und lade Euch ein in das Hinterzimmer eines Schreiberhirns.
So ein Schreiberhirn beschäftigt sich rund um die Uhr mit Wichtigem und Unwichtigem und immer mal wieder mit Fragen wie diesen:
- Warum glaube ich, dass ich etwas zu sagen habe?
- Will ich mich wichtig machen, oder halte ich mich für gescheiter als den Rest der Welt?
- Und eben – warum schreibe ich überhaupt?
Wenn ich den Menschen in meinem nächsten Umfeld Glauben schenken kann, verfüge ich über einen ansehnlichen Klugschwätzer- und Besserwisseranteil. Ausserdem soll ich meiner Mutter nach der Schule jeweils einen minutiösen mündlichen Bericht über meine täglichen Aktivitäten abgegeben haben, was auf ein ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis hinweist.
Lange hat sich dieses Mitteilungsbedürfnis nicht schriftlich manifestiert, abgesehen von zahlreichen Tagebucheinträgen, in denen ich mein elendes Leben beweinte – aber diese jammervollen Elaborate würde ich niemandem zumuten. Dann habe ich meine Schreibkünste während Jahrzehnten in verschiedenen Formen einsetzt und dafür gute Feedbacks bekommen – aber ich hatte schlicht keinen Schimmer, was ich der Menschheit mitteilen könnte.
Nach meiner Hinwendung zum Glauben hatte ich plötzlich etwas in meinen Augen Mitteilungswürdiges – aber weder die Tatkraft noch das Selbstverständnis, um damit mein Kämmerlein zu verlassen. Nach Jahren, in denen ich blockierende Gedanken über mich selbst und ein paar schlechte Angewohnheiten loswerden konnte, wurde die schlummernde Schreiberei wieder zum Leben erweckt – und das hat schliesslich unter anderem zu diesem kleinen Blog geführt, mit dem ich Euch erheitern, herausfordern und inspirieren will.
So here we are again.
Ich weiss, warum ich blogge, warum es mir Spass macht und was ich damit erreichen will. Ich weiss immer noch nicht genau, warum jemand lesen sollte, was ich über schöne Filme und Lieder, das Leben an sich, Gott und die menschliche Gemeinschaft zu sagen habe. Aber das macht nichts – ich setze mich einfach hin und lasse die Worte rollen. Und wenn – was immer mal vorkommen kann – jemand an meiner Themenwahl oder an meiner Art zu schreiben Anstoss nimmt, denke ich an dieses tolle Zitat, das ich kürzlich entdeckt habe und das sich auf das ganze Leben anwenden lässt:
If you can’t be criticized for it, it’s probably not remarkable.
Are you devoting yourself to something devoid of criticism? — Unknown
Wenn Du dafür nicht kritisiert werden kannst, ist es wahrscheinlich nicht bemerkenswert. Verschreibst Du Dich einer Sache, die „bar jeder Kritisisierbarkeit“ ist?
Die Übersetzung dieses schönen Zitates von unbekannt hat mich an der deutschen Sprache scheitern lassen, aber die Bedeutung ist klar:
Wenn Du Dich in Deinem Leben darauf beschränkst, Dinge zu tun und zu äussern, die niemanden stören, gegen die keiner etwas hat und für die Du niemals Kritik oder ein schlechtes Wort einfängst, wirst Du nichts Bemerkenswertes auf die Beine stellen.
Die Angst vor den Reaktionen anderer und der Zwang, bei allem, was Du tust und sagst, von anderen Zustimmung oder Applaus zu bekommen, engt Deinen Handlungsspielraum ein, bis Du am Ende nur noch Spielball und Projektionsfläche für die Wünsche anderer bist.
Lass nicht zu, dass das passiert.
Wir kommen fast jeden Tag an eine Kreuzung: wir vertreten eine Meinung, die nicht mehrheits- oder zeitgeistfähig ist; wir widersetzen uns dem, was man von uns erwartet. Wir fällen schwere Entscheidungen, weil wir unsere Integrität erhalten und unsere Wertvorstellungen nicht billig verkaufen wollen.
Ich schreibe, was mich bewegt, ich benutze die Sprache, die mir entspricht. Ich akzeptiere, wenn mein Stil nicht jeden Geschmack trifft, und freue mich, wenn jemand auf seinem Weg durch Web vorbeikommt und etwas aus meinen Posts mitnimmt. Und Ihr, liebe Leser, habt schon viel dazu beigetragen, dass es mir jeden Tag aufs Neue Spass macht.
Dafür habt Dank. Und mit diesem Post wäre bewiesen, dass ich auch viel schreiben kann, ohne viel Neues herauszufinden (ich hätte Ghostwriter für gewisse Politiker werden können).
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