„Da bin ich mitten unter ihnen.“

Die Karwoche ist eine besondere Zeit und hat mich schon oft zu Postings inspiriert. In den vergangenen Tagen habe ich oft daran gedacht, den einen oder anderen Beitrag zu reaktivieren, weil er thematisch gut passt: Den, in dem ich mich an das Hungertuch, das Fastenopfer und an Jesus im Garten Gethsemane erinnere oder den, als ich mir ein kitschiges Ostervideo ansah und mich die Wunden des Auferstandenen so berührt haben. Aber ich konnte es nicht.

Nichts schien wirklich angemessen. „Das übertriffet alles“, wie es im Film „Addams Family heisst: So eine Karwoche hat noch niemand von uns jemals erlebt. Gestern hat die Grenchner Islamwissenschaftlerin und Publizisitin Amira Hafner Al Jabaji in ihrer Kolumne der „Solothurner Zeitung“ an die Bilder des einsamen Papstes auf dem Petersplatz, der leeren Klagemauer in Jerusalem und der verlassenen Kaaba in Mekka erinnert, und diese Bilder haben mir noch einmal richtig bewusst gemacht, wie unvergleichbar diese Zeit ist – auch und gerade in glaubenstechnischer Hinsicht.

Die Christen feiern bald Karfreitag und Ostern, die Juden Pessach, die Muslime die Nacht der Vergebung in einer zumindest in der Moderne noch kaum dagewesenen Art. Gläubige, für die Gemeinschaft essentiell ist, können sich nicht versammeln. Für uns Christen: Kein Händeschütteln am Sonntag zu den freudigen Worten „Er ist auferstanden!“, kein gemeinsames Abendmahl, kein Osterbrunch, wie meine Kirche ihn normalerweise an diesem Festtag begeht.

Alles ist anders. Aber kann „anders“ auch „gut“ sein?

Nichts wird uns das tatsächliche Zusammensein ersetzen können; soviel ist klar. Aber, und das ist für mich das Wunderbare an unserem Glauben: Das Wichtigste bleibt. Denn Kirche sind wir. Das Wort für Kirche, „Ekklesia“, heisst „die Herausgerufene“. Und auch wenn wir dem Ruf in dieser Zeit nicht körperlich folgen können, können wir es doch geistig. Wir haben uns rufen lassen in eine Beziehung mit Gott durch seinen Sohn, der sich für uns hingegeben hat, und diese Beziehung scheitert nicht an physischer Trennung. Wie sollte sie? Jesus lebt in uns und durch uns. Er hat in uns Wohnung genommen, und der Heilige Geist ist es, der in uns verkündigt, dass Jesus unser Herr ist.

„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Wir versammeln uns, wenn wir am Donnerstagabend um 20:00 eine Kerze anzünden und beten, jeder bei sich zu Hause. Wir versammeln uns, wenn wir im Wohnzimmer im Pischi den Livestream unserer Kirche einschalten und vom Sofa aus mitsingen. Wir versammeln uns, wenn wir uns über die neue Kirche-Whatsapp-Gruppe austauschen.

Ich bin ein ausgesprochen introvertierter Mensch, der das Alleinsein weit mehr geniesst, als es sich für den anständigen Christen geziemt, aber sogar ich vermisse all die Menschen, die ich sonst regelmässig sehe. Und ich freue mich jetzt schon auf den ersten Gottesdienst in unserer Kirche, an dem wir uns wieder „in real live“ sehen und umarmen dürfen. Da werden Tränen fliessen, soviel ist sicher.

Aber ich bin auch unendlich dankbar für unseren Gott, der dafür gesorgt hat, dass nichts uns von der Gemeinschaft mit ihm trennen kann. Der keine komplizierten Rituale fordert, sondern zu uns gekommen ist und uns zu sich gerufen hat.

In diesem Sinne Euch allen eine gesegnete Karwoche in der Gewissheit, dass Gott „Immanuel ist“ – Gott mit uns, dass er denen nahe ist, die ihn rufen, und sich von ihnen finden lässt.

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