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Bild: Pixabay

Der Herbst weckt in mir immer leicht melancholische Gefühle. Vielleicht liegt es an den fallenden Blättern und am Frühfrost, vielleicht daran, dass sich Mitte Oktober der Todestag meiner Mutter jährt, aber die Welt um mich herum mahnt mich mehr als sonst an die Vergänglichkeit des Lebens. Ein leiser Schmerz liegt in der kälter werdenen Luft, und ich gerate in eine wehmütige und nachdenkliche Stimmung.

In dieser Stimmung lasse ich das Jahr, lasse ich die Jahre Revue passieren, und am präsentesten sind mir in diesem Augenblick nicht meine Erfolge und schönen Erinnerungen, sondern all die Momente, in denen ich – vor allem an Menschen – versagt habe. In denen ich Fehler gemacht habe, die tiefe Auswirkungen auf Beziehungen und auf das Leben anderer hatten.

In einem Post hat ein befreundeter Blogger die Frage gestellt, ob wir ein Anrecht darauf haben, dass Menschen uns verzeihen. Diese Frage habe ich mir auch schon gestellt, und in der wehmütigen Herbststimmung, angesichts meiner angehäuften Misstritte und dem daraus resultierenden „Fallout“ bewegt sie mich besonders. Das Bewusstsein, Menschen verletzt oder sogar geschadet zu haben, schmerzt, und die Gewissheit, dass mir verziehen wurde, würde diesen Schmerz entscheidend lindern. Dennoch lautet die Antwort, die ich mir selbst auf die Frage gebe, klar und deutlich „Nein“.

Natürlich dürfen wir hoffen, dass unserer Familie oder unseren Freunden im Fall eines Zwists genug an uns liegt, um wieder auf uns zuzugehen. Dass unser Ehepartner uns vergibt, weil wir uns versprochen haben, in guten und schlechten Zeiten zueinander zu stehen. Natürlich dürfen wir als Christen daran glauben, dass das Gebot Jesu, zu verzeihen, Herzen öffnet, die sich aus Wut und Verletzung gegen uns verschlossen haben. Aber einen Anspruch auf Vergebung haben wir nicht.

Wenn uns verziehen wird, ist es immer ein unverdientes Geschenk. Deshalb müssen wir damit leben, dass Menschen uns nicht vergeben können, selbst wenn sie wollen, andere uns nicht vergeben wollen, auch wenn sie könnten, und andere es weder können noch wollen. Wir können das, was wir anderen willentlich oder unwillentlich angetan haben, weder „gut machen“ noch uns ihre Vergebung erarbeiten oder erkämpfen – es liegt nicht in unserer Macht.

Die Erkenntnis, dass ich jemanden genauso wenig zwingen kann, mir zu verzeihen, wie ich ihn zwingen kann, mich zu lieben, hinterlässt in mir eine Leere, eine schmerzende Wunde und die Frage, ob ich denn gar nichts tun kann. Ich habe aus diesen Momenten die Gewissheit gewonnen, dass es doch etwas gibt, was ich tun kann und sogar tun muss, wenn ich die Zuversicht, das Vertrauen in mich selbst und die Energie für das aufbringen soll, was vor mir liegt.

Ich kann vergeben.
Und zwar mir selbst.

Dabei geht es nicht darum, erst sorglos auf anderen herumzutrampeln und dann fröhlich pfeifend davonzugehen. Wenn ich mir bewusst bin, dass ich mich falsch verhalten habe, sollte mich diese Erkenntnis verändern und mir helfen, es künftig besser zu machen. Doch es ist entscheidend, dass ich mir vergebe und die Last ablege. Wenn ich das nicht mache, sondern in schöner Regelmäßigkeit all meine Fehler, Sünden und Missstritte hervorkrame, werde ich zu meinem eigenen größten Feind und Ankläger.

Wenn wir zu der Sorte Mensch gehören, der es schwerfällt, die eigenen Schwächen und Fehler zu akzeptieren und diese Vergebung für uns selbst auszusprechen, dürfen wir eine Wahrheit in Anspruch nehmen, die auf ewig festgeschrieben ist:

Wenn wir Gottes Angebot der Vergebung annehmen, das er uns in Jesus macht, wird Gott uns vergeben. In seinen Augen werden und bleiben wir makellos, und wenn er in unserem Leben Priorität hat, nimmt seine Vergebung uns die Last von den Schultern – auch dann, wenn wir selbst oder andere uns die Vergebung verweigern.

Wir sind frei. Nicht frei von der Verantwortung für die Konsequenzen, die allenfalls aus unseren Fehlern entstanden sind, aber frei von dem, was wir uns zuschulden haben kommen lassen – sei es ein böses Wort, das verletzt, eine Hinterlist, die Menschen entzweit, oder eine tiefgehendere Sünde, die größere Konsequenzen nach sich gezogen hat.

In der Bibel stoße ich zu diesem Thema auf einen vermeintlichen Widerspruch, was die Vergebung bei Gott betrifft. In der Bergpredigt sagt Jesus:

„Wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, wird euer Vater im Himmel euch auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, wird euer Vater im Himmel euch eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“

Wer Traumatisches erlebt hat, das sich nicht so schnell vergeben lässt, könnte diese Worte als niederdrückenden Zwang zur sofortigen Vergebung interpretieren. Ich glaube, dass Gott weiss, wie lange es dauert, schwere Verletzungen zu vergeben, und uns diese Zeit gewährt. Aber ich sehe die Bibelstelle als Ermutigung, das Gebot, zu verzeihen, ernst zu nehmen.

Persönlich will ich wo immer möglich anderen vergeben, wo sie mich verletzt, mir Unrecht getan oder mich hintergangen haben. Damit bereite ich den Boden dafür, dass auch mir vergeben wird. Und ich betreibe Seelenwellness, indem ich mein Herz immer wieder konsequent von Bitterkeit, Rachsucht und anderen negativen Gefühlen reinige und nicht zulasse, dass solche Gefühle Wurzeln schlagen.

Dies alles macht mir aufs Neue bewusst, dass wir Menschen schwache Gefäße sind – fähig zu allem möglichen Bösen, oft inkonsequent, feig und träge. Wenn ich mir vor Augen führe, wie schnell wir einander wehtun können, scheinen menschliche Beziehungen unglaublich zerbrechlich. Dennoch will ich mir immer wieder das Wunder vor Augen führen, dass wir einander auch tief verstehen können und dass es unter uns Liebe, Gemeinschaft, Unterstützung und auch immer wieder Vergebung gibt.

Menschliche Gemeinschaft wird uns nicht einfach geschenkt. Sie ist riskant, schmerzhaft, herausfordernd. Dass wir in ihr und an ihr immer wieder scheitern, scheint unausweichlich. Und doch ist sie es wert, sein Herz immer wieder zu Markte zu tragen, es zu öffnen und Begegnung zuzulassen. Ich will weder an meinen Fehlern noch an denen der anderen zerbrechen und mich erinnern, dass Beziehungen das sind, was unserem Gott am allerwichtigsten ist. Für unsere Beziehung zu ihm hat er uns seinen Sohn geschickt, und uns Menschen hat er so erschaffen, dass wir einander brauchen und aneinander wachsen.

Und wenn mir das Herz ob meiner Schwächen und der anderer Menschen brechen will, wenn ich verzagen und mich verkriechen will, um keinen Schaden anzurichten und nicht verletzt zu werden, lege ich mir die Worte von C.S. Lewis auf die Brust:

„Lieben heißt verletzlich sein. Liebe irgend etwas, und es wird dir bestimmt zu Herzen gehen oder gar das Herz brechen. Wenn du ganz sicher sein willst, dass deinem Herzen nichts zustößt, dann darfst du es nie verschenken, nicht einmal an ein Tier. Umgib es sorgfältig mit Hobbies und kleinen Genüssen; meide alle Verwicklungen; verschließ es sicher im Schrein oder Sarg deiner Selbstsucht. Aber in diesem Schrein – sicher, dunkel, reglos, luftlos – verändert es sich. es bricht nicht; es wird unzerbrechlich, undurchdringlich, unerlösbar. Die Alternative zum Leiden, oder wenigstens zum Wagnis des Leidens, ist die Verdammung. Es gibt nur einen Ort außer dem Himmel, wo wir vor allen Gefahren und Wirrungen der Liebe vollkommen sicher sind: die Hölle.“

?Ich bin kein ausgeprägter Wandervogel – ich bin zu gern daheim, und viele meiner Reisen finden innerlich statt. Dennoch hab ich meinen kürzlichen Italienaufenthalt sehr genossen. Im Übrigen habe ich wieder ein paar Lektionen gelernt, die ich mir für die nächste Reise hinter die Ohren schreiben will.

Falls bei dir gerade Ferien anstehen, kannst du ja vielleicht etwas mitnehmen…:

Planung ist das halbe Leben!

?Es wirkt hochgradig stressmindernd, wenn man Tickets rechtzeitig besorgt und die eine oder andere Übernachtung schon gebucht hat, gerade, wenn man herumreist. In dieser Hinsicht hatten Lee und ich unsere Hausaufgaben gemacht. Hätten wir uns auch den Weg zu unseren B&Bs etwas genauer angeschaut, wäre uns unter anderem ein schweißtreibendes Rennen durch Roms ellenlange „Via Cavour“ erspart geblieben. Als wir nach 45 Minuten keine Ahnung mehr hatten, wo wir waren, schleppten wir uns erschöpft und hungrig zum nächsten Restaurant und bestellten erst mal Pizza. Nach dem Essen packte ich mein rostiges Italienisch aus, um festzustellen, dass wir in unserer Hektik am B&B vorbeigerannt waren, das sich knapp 100 Meter vom Restaurant entfernt befand.

„Une portion de laisser-faire“

Wie im letzten Post erwähnt, war der Rückflug von Bari oder zumindest das Prozedere davor ein amüsantes Beispiel schweizerischer und italienischer Eigenart. Ich war sicherheitshalber viel früher am Flughafen und wanderte alle 15 Minuten am angegebenen Check-in-Schalter vorbei. Zwei Stunden vor Abflug stellten sich dann die ersten braven Schweizer in die Schlange, aber nichts geschah. Ich ging noch einmal bei einem Bildschirm vorbei, um sicherzugehen, dass ich auch am richtigen Ort wartete, und stand mir mit allen anderen geduldig die Beine in den Bauch, bis eine halbe Stunde später eine Flughafenangestellte herbeihastete und uns an einen anderen Schalter dirigierte.

Das hat mich gelehrt, in Ländern mit einer schwächeren Infrastruktur als unserer (also in so ziemlich allen, because we are the best!) eine Portion „laisser-faire“, Geduld und wenn nötig Fatalismus mitzubringen. Irgendwie lösen sich die Dinge meistens; sich darüber aufzuregen, dass es anders geht als geplant, ist reine Zeitverschwendung und verursacht höchstens Magengeschwüre und Ärgerpickel.

Offen sein für „Anderes“

Frühstück in Bari...!
Frühstück in Bari…!

Wir haben auf unserer Reise in B&Bs übernachtet, und sie waren samt und sonders toll. Die meisten waren auch ernährungstechnisch gut auf internationales Publikum eingestellt. Das letzte in Matera war wunderschön und an einer Toplage, aber hinsichtlich Frühstück traditioneller, wenn man das so sagen kann: auf nebeneinanderliegenden Tellern konnte man zum Frühstück zu Pizzastücken und Schokoladencroissants greifen. Meine Offenheit für Neues ging nicht so weit, dass ich so etwas Fettiges hätte frühstücken wollen, und Gott sei Dank gab es auch Joghurt und Cereals. Ich hätte mir aber garantiert den Urlaub verdorben, wenn ich mit einer festgefahrenen Erwartung, wie ein Frühstück auszusehen hat, in die Ferien gefahren wäre.

Und ein kleiner Nachtrag: im letzten B&B (siehe Bild) gab es selbstgemachtes Cake zum Frühstück, und das haben wir zur Feier des Tages tatsächlich gegessen.

Mit leichtem Gepäck reisen

?Ich habe es bis heute nicht gelernt, mich beim Kofferpacken zu beschränken, und in diesen Ferien habe ich dafür schwer gebüßt: einen sperrigen Koffer im Bahnhof treppauf und –ab zu tragen ist äußerst mühselig, aber noch schlimmer waren die engen Bürgersteige in Florenz, auf denen man sich auf Pflastersteinen zwischen Touristen und Autos durchquetschen musste. Ich habe meinem gebeutelten Rücken und meinen Nerven hoch und heilig versprochen, das nächste Mal einen kleineren Koffer zu nehmen und ein paar T-Shirts zuhause zu lassen.

 

Zuhause ist’s am Schönsten!

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Ich habe Italien genossen – ich konnte feststellen, dass ich doch noch viel italienisch verstehe und mich leidlich verständigen kann; ich habe endlich den Petersdom gesehen, und das Städtchen Matera mit seinen Restaurants war eine Augen- und Gaumenweide. Dennoch bin ich wieder gern in die Schweiz und in das olle kleine Grenchen am Jurasüdfuß zurückgekehrt – an den Ort, wo ich weiß, wie die Duschen funktionieren und wie sich die Türen öffnen, wo ich alles verstehe und verstanden werde – den Ort, wo ich hingehöre. Sich auf Reisen zu begeben, zeigt einem auch immer, was man hat und sonst für selbstverständlich ansieht, und man bekommt einen neuen Blick und eine neue Dankbarkeit dafür.

 

Wenn ich meine Reiseerkenntnisse anschaue, stelle ich fest, dass sie sich auch wunderbar auf das Leben an und für sich übertragen lassen. In knackig kurzer Form mache ich mir daraus…

…meine fünf neuen Wegweiser für die Reise durchs Leben!

Ich will planen, was sich planen lässt, und mich weder von anderen noch vom Geschehen treiben lassen. Nur ich kann wissen, wohin ich will, und es ist an mir, das Nötige dafür zu tun, damit ich dort ankomme. Ich will dieses einmalige Leben auf Erden so gestalten, dass ich „quantum in me fuit“(ich habe mein Bestes gegeben) auf meinen Grabstein schreiben kann.

Ich will mir eine große Portion „laisser-faire“, Gottvertrauen und Gelassenheit bewahren, da sich nun mal nicht alles planen lässt. Ich will mich von kleinem Unbill nicht irritieren lassen, weil es sich nicht lohnt, und die großen Schläge will ich hinnehmen und darauf vertrauen, dass auch das vorbei geht.

Ich will offener sein für Neues, für das, was mich herausfordert oder mich aus meiner Komfortzone holt.  Ich will ab und zu eingefahrene Wege verlassen und mir die Demut bewahren, dass es andere Sichtweisen und Erfahrungen als die meinen gibt.

Ich will mit leichtem Gepäck reisen. Das heißt, dass ich keinen unnötigen Besitz anhäufe, sondern mir überlege, was es wirklich braucht. Es heißt aber auch, dass ich emotionalen Ballast – sei es Schuld, Zorn oder Bitterkeit – ablege. Das ist manchmal schwieriger als der Umgang mit Besitz, aber fast noch wichtiger.

Ich will dankbar sein und mich auf „Zuhause“ freuen.

?Dankbar sein für alles Schöne, was mir in diesem Leben begegnet, aber auch dafür, dass nach meiner Reise durch dieses Leben ein ewiges Zuhause wartet; der Ort, an dem ich zutiefst erkannt und geliebt bin. Ich weiß zwar nicht, wie dort die Duschen funktionieren, aber darauf lasse ich es ankommen!

In manchen Punkten bin ich schon gut unterwegs; andere wie das „offen sein“ fallen mir mitunter schwerer. Aber ich bleibe dran. Wie ist es mit Dir – kannst du meinen Vorsätzen etwas abgewinnen? Und was fällt dir schwer? Ich freue mich auf deinen Kommentar!

Rom 2015Letzte Woche war ich auf Italienreise: nach Stationen in Florenz und Rom nahm ich am Women’s Fiction Festival in Matera teil und fuhr dann nach Bari, worauf auch schon die Rückreise nahte.

Mein Flug ging um halb acht mit Swiss ab Bari nach Zürich. Nach der Italia-mäßig chaotischen Check-in-Phase, bei der die lange Schlange pflichtgetreuer Schweizer im letzten Moment noch an einen anderen Schalter umgeleitet wurde, fuhr uns ein Bus zu unserer Maschine. Ich suchte meinem Platz und stellte kurz darauf erfreut fest, dass der Sitz neben meinem frei blieb und ich ans Fenster rücken konnte. Dann kam auch schon der Abflug. Das Flugzeug beschleunigte und hob in den schwarzen Nachthimmel ab, und wie immer auf den ersten Minuten eines Fluges fühlte ich mich seltsam verletzlich.

Wie sicher war ich in dieser kleinen Blase funktionierenden Lebens? Nur ein paar Zentimeter Metall und zwei funktionierende Triebwerke lagen zwischen mir und der schwarzen Nacht. Das Leben war in der Tat eine rasch verdorrte Blume, ein abgeschnittenes Gras – zart und zerbrechlich.

Nach kurzer Zeit waren wir auf Flughöhe. Das Flugzeug glitt gleichmäßig durch die Nacht, Dunkelheit hinter der runden Luke, in der Kabine Ruhe. Ich entspannte mich etwas und dachte an meinen ersten Flug mit Swiss, der mein erster Flug überhaupt gewesen war. Er fand kurz vor meinem 30. Geburtstag statt und führte mich nach New York. Als die Stadt in Sicht kam und die Türme Manhattans in der Sonne blitzten, stieg mir ein Kloß im Hals hoch; das gewaltige, ungewohnte Bild trieb mir Tränen in die Augen.

In Gedanken bei diesem wunderbaren Moment, erinnerte ich mich plötzlich an ein Foto aus der Woche in New York. Es war an einem Ort aufgenommen worden, der zehn Monate später nur noch aus Rauch und Trümmern bestand: im Aussichtsrestaurant des World Trade Centers.

Da war sie wieder, die Zerbrechlichkeit meines Lebens. Und nach den wunderbaren Tagen in Matera stand sie in einem  schmerzlichen, spannungsgeladenen Gegensatz zu meinem wachsenden Drang, die Bücher zu schreiben, für die – wie ich glaubte – Gott den inspirativen, kreativen Funken geliefert hatte. Die Bücher, die nur ich schreiben konnte.

Was, wenn dieser Flug sein Ziel nicht erreichte? Wenn die Bücher, von denen ich überzeugt war, dass ich sie schreiben sollte, nicht geschrieben würden? Was sagte es über Gott aus, wenn er mir Ideen schenkte, die auch andere Menschen berühren und ermutigen sollten, und dann vielleicht zuließ, dass mein Leben hier und heute endete?

Ich wusste sehr wohl, dass die Welt nicht untergehen würde, wenn ich meine Bücher nicht schrieb. Dennoch brachte mich der Gedanke an den Punkt, der alle, die an einen souveränen Gott glauben, immer wieder aufs Neue herausfordert.

Warum müssen Menschen in der Blüte ihrer Jahre oder noch früher sterben, manche auf sinnlose, manche auf unerträglich qualvolle Weise? Wo bleibt die Gerechtigkeit? Wo bleibt sie nach der 45. verheerenden Schießerei in Amerika in Oregon, wo bleibt sie, wenn Menschen krank werden und wir nur hilflos zusehen können?

Am Ende bleibt mir auch jetzt, wenn ich an diesen Moment zurückdenke, nur das Wissen, dass ich keine Antwort habe, die mich oder andere zufriedenstellen kann. Mir bleibt der Glaube daran, dass Gott trotz allem mein Leben und das aller Menschen in der Hand hat und dass am Ende, wie Jesus es verheißen hat, in seiner ewigen Gegenwart alle satt werden, die hungern und dürsten nach dieser Gerechtigkeit.

Bis es soweit ist, stehe ich in der Spannung und im Schmerz, dass Gottes Reich schon da, aber noch nicht ganz da ist. Dass es immer wieder durchbricht in gelebter Nächstenliebe, Wundern und Heilungen, dass aber Hass, Krieg, Elend und Krankheit noch Teil dieser Welt sind. Dass es sinnlosen Tod gibt, auf den niemand eine Antwort hat. Dass daneben Leben gerettet wird. Hell und Dunkel, Leben und Tod, Liebe und Hass – sie sind alle noch hier. Aber am Ende sind Glaube, Liebe, Hoffnung, und die Liebe ist die größte unter ihnen. Und für diese Zwischenzeit hier und jetzt weiß ich, dass Gott auch da ist, wo wir leiden, im bittersten Schmerz, in der größten Verzweiflung, und dass es bei ihm immer weiter geht.

london-810750_1280Der Flug ging seinem Ende zu, und ich sah aus dem Fenster auf die majestätischen, geheimnisvoll leuchtenden orangen Linien, die unsere Städte und Dörfer verbanden.

Die Landung nahte und damit die Phase, in der mir meistens wieder etwas anders wird. Ich merkte auch dieses Mal, wie schwer es mir fiel, diesen Moment Gott anzuvertrauen und nicht bei jedem Wackeln Stoßgebete abzusetzen.

Und doch hielt ich mich damals und halte ich mich jetzt wieder an dem einen Gedanken fest: Wo auch immer ich hinfalle – heute, morgen, irgendwann – ich falle nicht tiefer als in seine Hand.