Als introvertierte Seelengrüblerin habe ich früher alles Mögliche unternommen, um dahinter zu kommen, wer ich wirklich bin. Einige Jahre war ich ein Astrologie-Crack und lächelte mitleidig über die Minderbemittelten, die das Wochenhoroskop lasen. Ich befasste mich mit Aszendenten und Häusern und sah je nach Planetenkonstellation ängstlich oder erfreut in die Zukunft.
Als ich gläubig wurde, verabschiedete ich mich radikal von allem „Eso-Kram“ inklusive meiner Bücher über Astrologie. Mein Bedürfnis, Entscheidungen von irgendwelchen Sternenbewegungen abhängig zu machen, war verpufft – nicht aber mein Wunsch, mehr über mich selbst zu erfahren. So habe ich mit Hilfe verschiedenster Systeme immer wieder Neues über mich gelernt. Vor kurzem erst bin ich auf den schon älteren Myers-Briggs Typenindikator gestoßen und habe herausgefunden, dass ich einer der eher seltenen INTJs bin.
Ein zugegebenermaßen leicht abschreckendes Bild eines INTJs ist Sheldon Cooper aus „Big Bang Theory“, mit dem ich leider einiges gemein habe (der Ordnungsfimmel gehört nicht dazu). Andere, angenehmere Beispiele sind die Schriftstellerin Jane Austen, ihre literarische Kreation Mr. Darcy aus „Stolz und Vorurteil“ und der christliche Schriftsteller C.S. Lewis, der die „Narnia“-Reihe geschrieben hat. Beim Studium der charakteristischen INTJ-Züge sind mir ein paar Lichter aufgegangen, und am deutlichsten habe ich mich in Mr. Darcy wiedererkannt – im Guten wie im Schlechten.
Sein Beispiel zeigt deutlich, wie gefühllos, arrogant und rechthaberisch INTJs wirken können. Der Eindruck von Gefühllosigkeit rührt daher, dass sie sich unter vielen Menschen nicht wohl fühlen, man ihnen ihre Gefühle nicht ansieht und sie diese auch nicht gut zeigen oder aussprechen können. Der Eindruck von Besserwisserei und Arroganz hat vielschichtigere Gründe: zum einen scheinen INTJs tatsächlich eine besondere Fähigkeit zu haben, durch die äußerlichen Fakten hindurchzusehen und mit Hilfe ihrer stark ausgeprägten Intuition hinter die Fassade von Menschen und Geschehnissen zu blicken. Zum anderen hat dieser Typus aber – vielleicht auch aufgrund dieser Erfahrungen – etwas zu oft das Gefühl, er wisse alles und habe immer Recht (ich bekenne mich schuldig). Wenn der INTJ sein eventuell nur vermeintliches Wissen dann noch in gewohnt logisch-kühler Art vermittelt, kommt das nicht immer gut an.
Das hat mir klar gemacht, wie verletzend meine Art zu kommunizieren manchmal wirken kann. Es bestätigt mir aber auch, was ich schon länger weiß: dass ich darauf angewiesen bin, dass Menschen etwas länger und genauer hinsehen und nicht nur den ersten Eindruck gelten lassen. Dann erkennen sie, dass hinter der vermeintlichen Kühle des INTJ Loyalität und Herzlichkeit warten, aber auch die Bereitschaft, anderen das Herz zu öffnen, Verletzlichkeiten offenzulegen und dem anderen ein ehrliches Gegenüber zu sein. Denn Menschen wie ich können nicht anders: sie können entweder nichts oder die Wahrheit sagen. Und je älter ich werde, desto seltener bin ich bereit zu schweigen, wenn eine Situation mich beunruhigt.
Das hat Folgen, die mir nicht immer gefallen. Nicht alle wollen jemanden wie mich in ihrem Umfeld haben, und es schmerzt, wenn jemand entscheidet, sich „das“ – also mich – nicht mehr antun zu wollen. Doch da ich mir zutiefst sicher bin, dass „das“, was sich da herauskristallisiert, die Essenz meiner Persönlichkeit ist und dass diese Essenz mir und denen, die es zulassen, dienen kann, bin ich bereit, diese schmerzlicheren Folgen zu tragen.
Hin und wieder frage ich mich, ob die Beschäftigung mit solchen Theorien überhaupt etwas bringt, weil Theorien ja nie die ganze Wahrheit ausdrücken und ich damit einmal mehr an meinem Inneren herumdoktere. Ich sehe aber auch, dass es mir hilft, andere besser zu verstehen, indem es mich zum Beispiel motiviert, mich anders auszudrücken, damit ich nicht ungewollt jemanden vor den Kopf stoße. Vielleicht hilft mir dieses Wissen sogar, in einer künftigen Krise früher oder besser zu reagieren und damit zu verhindern, dass eine Angelegenheit eskaliert.
Und nicht zuletzt ist das Ganze auch unterhaltsam: ich kann in Foren nachlesen, was für ein Typ Samwise Gamgee aus „Herr der Ringe“ (ISFJ), Scarlett O’Hara aus „Vom Winde verweht“ (ESFJ) oder Hermione Granger aus „Harry Potter“ (ESTJ) ist. Und wenn ich so etwas wie die „Gebete für die Myers-Briggs-Typen“ lese, hat sich das Ganze sowieso gelohnt. Für alle, die sich mit mir durch die trockene Materie gekämpft haben, hier die „Belohnung“ in Gebetsform:
ISTJ: Herr, hilf mir, kleine Details nicht so wichtig zu nehmen, und zwar ab morgen um 11:41.23 vormittags MEZ.
ISTP: Gott, hilf mir, die Gefühle anderer Menschen ernst zu nehmen, auch wenn die meisten von ihnen WIRKLICH hypersensibel sind.
ESTP: Gott, hilf mir, Verantwortung für meine eigenen Taten zu übernehmen, auch wenn das Meiste NICHT mein Fehler war.
ESTJ: Gott, hilf mir, nicht zu versuchen, alles managen zu wollen. Aber falls Du Hilfe brauchst, frag einfach.
ISFJ: Herr, hilf mir, etwas lockerer zu sein, und hilf mir, das GENAU RICHTIG zu machen.
ISFP: Herr, hilf mir, für meine Rechte einzustehen (falls Du nichts dagegen hast, dass ich frage).
ESFP: Gott, hilf mir, die Dinge ernster zu nehmen, vor allem Parties und Feiern.
ESFJ: Gott, gib mir Geduld, und zwar JETZT.
INFJ: Herr, hilf mir, nicht so perfektionistisch zu sein (habe ich das richtig geschrieben?).
INFP: Gott, hilf mir zu beenden, was ich angefa
ENFP: Gott, hilf mir, mich auf eine Sa – sieh mal ein Vogel!- che auf einmal zu konzentrieren.
ENFJ: Gott, hilf mir, einfach meinen Teil zu tun und Dir für den Rest zu vertrauen. Hast Du etwas dagegen, wenn ich diese Abmachung schriftlich festhalte?
INTJ: Herr, lass mich offen sein für die Ideen anderer, so FALSCH sie auch liegen mögen.
INTP: Herr, hilf mir, weniger unabhängig zu sein, aber lass es mich auf meine Weise machen.
ENTP: Herr, hilf mir, am heutigen Tag bewährten Abläufen zu folgen. Wenn ich näher darüber nachdenke – belassen wir es mal bei ein paar Minuten.
ENTJ: Herr, hilf mir, es ruhiger anzugehendundnichtdurchallesdurchzuhetzen.
Na, welches Gebet entspricht Dir? Falls Du mehr wissen willst, kannst Du hier einen Gratistest machen. Danach aber unbedingt im Kommentar hineinschreiben, welcher Typ Du bist, damit ich künftig weiß, mit wem ich es zu tun habe!
Für mich Gebet ISTP und ESFJ, 😉 ;-). Zum Test nur eins: NATüRLICH 52% extrovertiert. Du weisst eh schon mit wem du es zu tun hast. Gueti Wuche! Siwi
Das mit dem Extrovertierten hab ich mir gedacht – den Rest erzählst Du mir dann mal 🙂 Dir au e gueti Wuche!
Chrigi und ich sind ENFP und INFP – das Leben könnte auch einfacher sein…….
Das denk ich mir – und wer ist das „E“? Echt Chrigi? Hätte dabei an Dich gedacht 😀 !
P.S.: Habe gerade die dazugehörigen Gebete gelesen: oh my ;-)…!
So selten können wir INTJ gar nicht sein 😉 Oder hatte es in unserer Klasse ein Nest?
Hey Aron – also auf Dich wäre ich auch gekommen 😀 ! Würdest Du denn noch mehr von uns hier klassifizieren? Wir könnten mal etwas spekulieren 😉
Hmm, eine Kandidatin könnte ich mir noch vorstellen…
Aaah…! Denkst Du an Gine 🙂 ?
Eigentlich eher an jemanden mit Handcrème 😉
Ach so – ja, wäre auch möglich 😉 Bin mir nicht ganz sicher; da muss ich die verschiedenen Typen wohl noch intensiver studieren, um dahinterzukommen 🙂
[…] und alles wird gut. Echt…? Und wann? Treffen sich zwei Planeten – von Eltern und Kinderlosen Sheldon, Mr. Darcy und ich – von der Innenwelt eines INTJ Weder Miesepeter noch Mauerblume – was es wirklich heißt, introvertiert zu […]
[…] gehört (was es mit diesen Persönlichkeitstypen-Sachen auf sich hat, findet sich unter anderem hier). Ich kann jedenfalls seiner Aussage nur zustimmen, denn auch ich wünsche mir von meinen Freunden […]
Liebe Isa, danke für die Blumen – schön, einen „Fellow INTJ“ und dann noch weiblichen Geschlechts zu treffen! Ich glaube auch, dass es mit uns nicht immer so einfach ist, aber wer sich die Mühe nimmt, wird doch belohnt 🙂 Ich kenne auch andere NTs und komme glaube ich mit denen auch gut klar; NFs sind etwas schwieriger, aber Hauptsache N 🙂 Liebe Grüsse!
Da gibt es wirklich spannende Kombis mit dem Enneagamm und so; kann einem fast der Kopf rauchen 🙂 Ich habe mich immer als Neuner gesehen, habe aber auch einen starken Einer-Drall. Und die Fünf ist auch recht stark. Das mit dem Krankheitsgewinn hat mich an eine Jesus-Aussage erinnert, der auch mal einen Mann fragt, ob er denn gesund werden WILL. Manchmal ist es einem im gezimmerten Käfig ja wirklich wohler als in der Freiheit; die birgt auch immer Unbekanntes.
Finde es auch sehr spannend, mit Dir zu diskutieren – cool dass Du hergefunden hast!
Viielen Dank, das freut mich sehr 🙂 Ich denke gewisse Erkenntnisse sind glaubensübergreifend, auch wenn mir persönlich der Glaube und die Beziehung zu Gott helfen, zu erkennen, wo es eben noch hapert, wo ich wachsen kann und soll. Er ist da barmherziger und gleichzeitig gnadenloser, als ich selbst es bin – wenn was dran ist, dann lässt er den Finger drauf – sanft, aber beständig 🙂 Nun bin ich im übrigen voll motiviert, endlich wieder ein Post zu bringen! Ich überarbeite gerade ein Buch, und das frisst fast all meine Schreibenergie, aber dass Du meinen Blog entdeckt hast freut mich grad sehr, und ich werde bald was neues posten. Danke für die Ermutigung 🙂 Blessings, Claudia
Dann wünsch ich Dir gute Erholung – udn warum der Finger sanft und gleichzeitig gnadenlos ist, werde ich ein anderes Mal ausbreiten 🙂 Wobei gnadenlos wohl wirklich das falsche Wort ist. Aber darüber ein anderes Mal! Hebs guet and many greetings, Claudia
Existiert hier irgendwo noch ein INTP ?
Hi Vanessa, ich musste auch erst wieder suchen, aber hier ist er: INTP: Herr, hilf mir, weniger unabhängig zu sein, aber lass es mich auf meine Weise machen. Und, passt es? 🙂 Liebe Grüsse!