Manche hassen sie, andere lieben sie, aber darum herum kommt niemand: Es ist Fasnacht! Da ist auch in Grenchen am Jurasüdfuß alles ein bisschen anders, denn mein Geburts- und Wohnort hat eine stolze Fasnachtstradition. Zwischen Basel, das vor allem mit „Schnitzelbängg“ brilliert, und Luzern, bei dem die „Guggenmusig“ die Hauptrolle spielt, haben wir im Mittelland eine einmalige Mixtur aus beidem.
Ich wurde trotz eines fasnachtsbegeisterten Vaters nie mit dem Virus infiziert, aber ich erinnere mich an das, was mir als Kind gefallen hat: An der „Chesslete“ morgens um fünf die Nachbarschaft wecken, ein Cowboykostüm anziehen und mit einem Revolver herumballern, Magenbrot und Zuckerwatte verschlingen und die wahnwitzigen Bahnen auf dem Rummelplatz zu befahren, die bei uns zur Fasnacht gehören.
Neben diesen harmlosen Späßen und den kreativen Beiträgen à la Guggenmusig und Schnitzelbank macht die Fasnacht heutzutage vor allem von sich reden, wenn es um den Verlust aller Hemmschwellen geht. Im „Alles ist erlaubt“-Modus und bei großzügiger alkoholischer Begießung fühlen sich viele frei, den zivilisierten Menschen für ein paar Tage abzustreifen und den innere Schweinehund von der Leine zu lassen, bis der am Aschermittwoch müde und verkatert zurück nach Hause kriecht und bereit für die Fastenzeit ist.
Der Link zur Fastenzeit sagt es schon: Die Verbindung von Fasnacht und Christentum lässt sich nicht ganz leugnen. In früheren Zeiten, als die soziale Kontrolle noch stark und die Meinung darüber, was moralisch ist, enger gefasst war, war der Drang noch stärker, das Korsett aus all diesen Zwängen ein paar Tage abwerfen. Warum aber sehnt sich der Mensch heute, wo doch alles möglich ist, nach so einem Freipass? Warum scheint uns das immer noch so verführerisch?
Ich glaube, wir alle empfinden die Regeln, nach denen wir leben, ab und zu als einengend – ob wir uns nun als gläubige Menschen verstehen oder nicht. Oft will unsere Natur das, was wir moralisch ablehnen. Wir neiden dem Nachbarn das teure Auto; wir wollen uns wieder einmal „richtig geliebt fühlen“ und sehnen uns nach dem verbotenen Prickeln; wir wollen nicht daran denken, was gesund ist, und einfach mal so richtig reinhauen. Aus dieser Warte scheint alles, was „Spaß macht“, verboten zu sein.
Aber jeder, der solchen Versuchungen nachgegeben hat, weiß, wie bitter das Aufwachen ist und dass daraus immer Leid für uns und für andere entsteht, selbst wenn es nur eine Magenverstimmung ist. Auch eine einwöchige Regel-Auszeit kann nichts Gutes hervorbringen. Das Urübel liegt nämlich ganz woanders: Darin, dass wir uns mit einer lebensfeindlichen Einstellung die Luft abschnüren.
Wenn ich jeden Tag penibelst Kalorien zähle und mich nur von Hüttenkäse und Gurken ernähre, werde ich irgendwann das Kühlfach plündern und mir eine Familienpackung Eis einverleiben. Wenn ich eine lust- und körperfeindliche Einstellung habe, drängen die Bedürfnisse auf andere Weise an die Oberfläche. Je mehr ich aus einer „Darf dat dat?“-Warte durchs Leben krauche und mich bei allem frage, ob ich schon vom Weg abgekommen bin, desto mehr brodelt es in mir. „Und das soll Leben sein? Wo bleibt denn da der Spaß?“ Dazu braucht man im Übrigen kein Fundi-Christ zu sein: Rigorose Ess-, Trink- und andere Regeln finden sich heute an allen Ecken und Enden.
Wie löse ich das Dilemma? Ich glaube, das Geheimnis liegt in einem lebensbejahenden Umgang mit den Regeln, nach denen ich lebe. Mir hilft das Wissen und Vertrauen, dass Gott für uns und für das Leben ist. Er ist weder gegen Sex, noch gegen gutes Essen, noch gegen Wein, auch nicht gegen Bücher oder Filme oder Tanzen oder Besitz. Wir dürfen und sollen uns an allem freuen, und wenn er uns für bestimmte Genüsse einen Rahmen gibt, dann tut er es aus gutem Grund. Dank Gnade und Vergebung darf ich zudem entspannt durchs Leben gehen: Ich kenne meine Schwächen und bin in bestimmten Bereichen vorsichtig, weiß aber auch, dass ich immer wieder neu anfangen kann.
Wir sind Wesen aus Fleisch und Blut, sind Körper, Seele und Geist – und das ist kein Zufall. Wir sind geschaffen, um uns an allem zu freuen: zu essen und und zu trinken, zu tanzen und zu spielen, zu lachen, ein Buch zu verschlingen, ein Lied zu singen, Gedankenschlösser zu bauen.
Und darum gehe ich vielleicht auch noch an die Fasnacht, fahre „Butschi-Bahn“, esse einen Hamburger und „Magebrot“, setze mich in eine Beiz und höre mir Schnitzelbänke an. Wer kommt mit?
Wie geht es Dir mit dem Thema Fasnacht? Verkriechst Du Dich eine Woche in eine Höhle, oder hast Du seit zwei Monaten an Deinem Kostüm genäht? Was magst Du, was hasst Du daran? Und wie hast Du es mit dem Thema „Lebensregeln“? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!
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