Wie wir tun, was wir tun müssen – ein Post für People-Pleaser

Schon ist das vierte Quartal des Jahres angebrochen. Wie konnte das passieren?

Das ist mein erster Gedanke, wenn ich die Zehn auf der Monatsskala aufblitzen sehe. Der zweite ist, dass ich schon wieder zuviel Zeit zwischen meinen Posts habe verstreichen lassen, und der dritte ist die langsame Erkenntnis, dass sich bei mir jeden Herbst ein Thema wiederholt, das in der folgenden verzweifelten Frage mündet:

„Wie konnte ich nur annehmen, dass die Engagements x, y und z aneinander vorbeigehen und ich das letzte Quartal des Jahres bei geistiger und körperlicher Gesundheit hinter mich bringen werde??“

Das bringt mich dann dazu, an meiner Lernfähigkeit zu zweifeln. Ich schwöre mir wieder einmal, es nächstes Jahr besser zu machen, und suche nach Wegen, wie ich das vielleicht schaffen könnte. Dabei bin ich auf ein Zitat gestossen, dass mich sehr angesprochen und ermutigt hat. Es stammt von der Autorin Glennon Doyle Menton und geht so:

„We must do what we need to do.
Those who disapprove will either come around or stop coming around.
Either way, lovely.“

Das Zitat spielt mit ein paar englischen Ausdrücken und ist nicht so einfach übersetzbar, aber ich interpretiere es so:

„Wir müssen tun, was wir tun müssen.
Diejenigen, die nicht damit einverstanden sind,
werden sich einkriegen oder nicht mehr vorbeischauen.
In jedem Fall – wunderbar.“

Die Sätze haben bei erster Betrachtung etwas Schnoddriges. Man könnte der Autorin unterstellen, dass sie nur tut, was ihr in den Kram passt und dass ihr egal ist, was andere denken oder empfinden – dass ihr sogar egal ist, wenn sie deswegen aus ihrem Leben verschwinden. Ein richtiger Ego-Satz also! Oder doch nicht?

Ich votiere für „doch nicht“, denn der Satz richtet sich nicht an diese Menschen, falls es die überhaupt gibt. Menschen, die ihre Entscheidungen treffen, ohne einen Gedanken an andere zu verschwenden oder darob Blut, Schweiss und Tränen zu vergiessen, brauchen so einen Satz nicht.

Er ist für all die Menschen, die mit den Erwartungen anderer kämpfen und sich selbst immer wieder sagen müssen, dass nur sie allein entscheiden können, was in ihrem Leben Priorität hat, was ihnen gut tut und was ihnen schadet und was sie Energie kostet, die sie besser für etwas anderes einsetzen würden. Diese Sorte Mensch tut gut daran, sich dieses Zitat ausdrucken und es zuhause an die Pinwand zu hängen als Mahnmal dafür, dass er oder sie nicht nur die Erlaubnis, sondern die verdammte Pflicht und Schuldigkeit hat, diese Entscheidungen für sich selbst zu treffen und umzusetzen.

Ich habe das Zitat inzwischen an meiner Pinwand, denn ich bin so ein Mensch. Ich gehe meinen Weg zwar recht zielgerichtet, treffe Entscheidungen, die dran sind und setze sie auch um, aber ich kämpfe immer wieder damit, meine eigenen Bedürfnisse mit den Erwartungen, Wünschen und Bedürfnissen anderer Menschen, Gruppierungen oder Organisationen, mit denen ich verbunden bin, in Einklang zu bringen.

Ich weiss, dass es nicht nur mir so geht. Wir sind alle vielfach vernetzt, aktiv in Beruf, Familie, Verein, Kirche, Partei. Wir setzen unsere Talente und Gaben für uns und andere ein, und es macht uns Spass, aber es kostet uns auch Energie. Und je älter wir werden, desto öfter müssen wir uns fragen, was wir wirklich alles machen können und wollen. Spätestens, wenn wir merken, dass wir für das, was uns am meisten Freude bereitet und uns am wichtigsten ist, keine Energie mehr haben, weil wir sie für alles andere verbraten haben, müssen wir uns Zeit nehmen, uns ein paar Fragen zu stellen.

  • Was mache ich eigentlich alles?
  • Was will ich wirklich?
  • Macht mir x, y oder z wirklich Freude?
  • Setze ich meine wirklichen Talente ein, oder versuche ich mühsam, etwas hinzukriegen, was mir eigentlich gar nicht liegt?

Wenn wir uns diese Fragen beantwortet haben und die Antworten auf der Hand liegen, ist  der Moment gekommen, wo wir das schnoddrige, vermeintlich unsensible Zitat an der Pinwand lange anschauen und die darin enthaltenen Wahrheiten verinnerlichen sollten.

Ja, wir müssen tun, was wir tun müssen. Und lassen, was wir lassen müssen.
Ja, manche Menschen werden nicht einverstanden sein, weil es ihren eigenen, durchaus  valablen Interessen und Wünschen zuwiderläuft.
Aber wenn diese Menschen uns lieben oder zumindest respektieren, werden sie unsere Entscheidung akzeptieren – weil sie sich die Mühe machen, den Entscheid zu verstehen, und weil ihnen unser Wohl nicht egal ist.
Und wenn sie es nicht tun und die Entscheidung als Grund ansehen, uns aus ihrem Leben zu streichen, dann sei es so.

Ich merke immer wieder, dass ich hier noch viel lernen kann, aber ich stelle auch fest, dass ich imemr weniger bereit bin, Zeit in Aufgaben zu investieren, die mir nicht liegen und die mich nur belasten. Das Leben ist dafür definitiv zu kurz, und das, was ich gern machen möchte und was mir auf dem Herzen brennt, ist mir zu wichtig, um zuzusehen, wie meine Energie andernorts versickert.

Was uns die Entscheidung oft erschwert, ist, dass andere nicht immer sehen, was in uns vorgeht und was bestimmte Dinge uns abverlangen.  Ein gewandter Schreiberling wird nicht verstehen, dass einem anderen das Schreiben eines Mails oder eines Protokolls Stress verursacht. Wer gut organisieren kann, wird sich fragen, wie jemand ein Theater wegen ein paar Terminkoordinationen machen kann. Wer gern Menschen führt und anleitet, kann nicht nachvollziehen, dass einen anderen diese Aufgabe Energie und Nerven kostet.

Ich werde mir dieses Jahr wieder einmal alles, was ich auf der Palette habe, plastisch zu Gemüte führen, es an  meine Metallwand heften und mir Gedanken machen, wie die verschiedenen Aufgaben sich auf mich auswirken, was wieviel Freude auslöst, was mich wieviel Kraft kostet, was ich wirklich will und was zuviel ist – und zwar unabhängig davon, was für eindrucksvolle Pensen andere so auf sich nehmen.

Nur wir können entscheiden, was für uns „zuviel“ ist und was nicht. Und ganz egal, ob andere noch viel mehr machen – es zählt einzig, ob wir mit unserem Pensum klarkommen. Und darum müssen und dürfen wir Entscheidungen treffen. Denn niemand lebt unser Leben für uns.

Wie geht es Euch mit solchen Entscheidungen? Habt Ihr da kein Problem, oder kennt Ihr diese Kämpfe? In jedem Fall wünsche ich uns allen den Mut, uns die wichtigen Fragen zu stellen und uns im entscheidenden Moment an diese paar Wahrheiten zu erinnern.

2 Comments

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  1. Perfekt kriege ich das nicht hin, und auch bei mir gibt es immer wieder Zeiten, wo alles innerlich so anfängt zu sirren, und ich merke: So geht das nicht! Ich versuche, mir Jesus zum Vorbild zu nehmen, der so gar kein „People Pleaser“ war, er war ein „Father Pleaser“. Deswegen ist meine wichtigste Frage immer: Will Gott das, was ich hier mache? Werde ich es in der Ewigkeit bereuen, wenn ich es nicht getan habe? Oder hab ich nur einen Ruf vor anderen oder mir selbst (als schrecklich tüchtig oder hilfsbereit oder produktiv oder, oder) zu verlieren?
    Ich habe mir deswegen so eine Art Prioritätenliste gemacht (die ich manchmal leider auch nicht befolge), und die geht vor allem so: Gebet geht vor Aktion. Im Konfliktfall fällt die Aktion dann weg oder wird verschoben.
    Was mir auch in der letzten Zeit wichtig geworden ist (denn mit dem Älterwerden wird diese Frage noch drängender), steht in 1. Petrus 4,11: „wenn jemand dient, so aus der Kraft, die Gott darreicht.“ Wenn ich ganz sicher bin, dass Gott möchte, dass ich etwas tue, dann verlass ich mich drauf, dass er mir die Kraft gibt. Und ansonsten ist die Kraft, die er mir zugeteilt hat, das Maß für meine Aktivitäten. Das geht dann auf seine Kappe, und dafür muss ich mich nicht verteidigen.

    • Liebe Ruth, das sind tolle Gedanken und Tipps, die Du hier formulierst! So sehe ich es auch; ich stelle mir daher im Konflikt auch die Frage, ob das etwas ist, was ich unbedingt tun soll, oder etwas, das eher in die „kannst Du, wenn Du willst“-Ecke gehört. Eines der Engagements, das ich im Moment habe (Alphalive) gehört zu denen, wo ich im Frühling sicher war, dass ich mich hier engagieren soll, und so bete ich hier auch darum, dass ich die Kraft dafür erhalte. Hat bisher gut geklappt 🙂 Bei anderen Aktivitäten merke ich, dass ich selbst sehen muss, was geht und was nicht. Diesen Vers aus 1. Petrus werde ich mir neben den anderen Spruch an die Pinwand hängen – den finde ich super hilfreich! Be blessed und liebe Grüsse, Claudia

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