Letzten Freitag war ich in meiner Funktion als Vorstandsmitglied des Kleintheaters Grenchen wieder mal an der Kleinkunstbörse in Thun. Dieser mehrtägige Anlass ist einer der Höhepunkte des Kleinkunstjahres: Fast rund um die Uhr laufen Kurzpräsentationen von Künstlern, die Menschen sind guter Dinge, überall hat es Essens- und Getränkestände. Nach einem Tag an der Börse bin ich übersättigt mit Kaffee, Snacks, Menschen, Geräuschen und Bildern, aber vollauf zufrieden.
Die Bandbreite der Künstler reicht von Tanz über Spoken Word, Musikkabarett, Wortkabarett bis zum Puppentheater und zur Akrobatik, und obwohl ich meine Vorlieben habe, lasse ich mich gern überraschen und verzaubern. Dieses Jahr durfte ich unter anderem erstaunliche Akrobatik erleben, spannend verpackt in eine kleine Liebesgeschichte. Allerdings ist mir beim Anblick des mit fünf Bällen jonglierenden Künstlers kurz etwas anders geworden, weil er mich an meinen Kampf mit der lieben Zeit erinnert hat.
Obwohl ich mich leidlich bemühe, mich an den Grundsatz „eines nach dem anderen“ zu halten oder, wie ich so schön als Jahresmotto festgehalten habe, „im Jetzt zu leben“, neige ich dazu, mir all meine verschiedenen Hüte gleichzeitig aufzusetzen. Die Folge davon ist, dass ich nichts mehr sehe und mir der Schädel brummt, anders gesagt: Dass ich an ALL DEM, was ich noch machen sollte, verzweifle. Dabei wäre das gar nicht nötig.
Zwar habe ich tatsächlich viele Engagements, und manchmal fällt vielleicht etwas zeitlich zusammen, aber meistens geht doch alles aneinander vorbei – nur eben nicht in meinem Kopf. Da türmt es sich auf, ich kriege Atemnot und frage mich, wie ich das jemals auf die Reihe kriegen soll.
Ich habe bisher noch kein Rezept gegen die zwischendurch aufkeimende Panik gefunden. Eines ist mir aber klar geworden: dass meine Angst mit einem gewissen Misstrauen einhergeht – einem Misstrauen gegenüber Gott und seiner Versorgung.
Ich bin in der Regel entspannt, wenn es um die Frage geht, ob ich „genug“ von etwas habe, und bisher habe ich mich in dieser Hinsicht mit einer gewissen (Selbst-)Zufriedenheit betrachtet. Zwar geht es mir heute auch in vielerlei Hinsicht gut, aber das Gefühl von „genug haben“ hatte ich schon immer, und auch dort, wo ewas nicht so ist, wie ich es mir wünsche, vertraue ich darauf, dass Gott für mich sorgen wird. Nur wenn es um die Zeit geht, bin ich plötzlich voller Panik.
Natürlich kann man argumentieren, dass die Zeit, die jeder von uns hat, tatsächlich begrenzt ist. Ebenso ist klar, dass der weise Umgang mit meiner Zeit genau so sehr in meiner Verantwortung liegt wie der weise Umgang mit meinen Finanzen. Vertrauen in Gottes Versorgung bedeutet nie, es einfach „lo tschädere“, aber manchmal hilft es mir, wenn ich mich daran erinnere, dass ich nicht allein bin in meinem Kampf mit der Zeit. Und ein besonderes Geheimnis liegt im Kreislauf der Grosszügigkeit.
Es erscheint logisch, dass wir dort mit unserem Besitz geizen, wo wir uns unterversorgt fühlen, vor allem, wenn es tatsächlich ein begrenztes Gut wie Zeit ist. Meine Angst, all mein Zeug nicht zu schaffen, führt oft dazu, dass ich erst einmal nein sage, wenn ein neuer Termin „droht“. Dennoch erlebe ich, dass Grosszügigkeit und die Bereitschaft, jemandem meine Zeit zu schenken – auch und gerade, wenn ich mir davon nichts erhoffe – mir etwas zurückgibt. Kein zusätzliches Zeitkontinuum, das ich dann wieder einsetzen kann, aber ein Gefühl der Freiheit und der Versorgung. Schenken zu können ist selbst ein Geschenk und führt dazu, dass wir uns reich fühlen – ganz egal, was wir gerade verschenkt haben.
Dieser Kreislauf ist etwas Wunderschönes, und das Beste daran ist, dass jeder etwas verschenken kann: Zeit für einen Kaffee und ein offenes Ohr, einen finanziellen Zustupf, Hilfe beim Lernen, beim Kochen oder Putzen – wir haben alle etwas zu geben, und so kitschig es klingen mag – es kommt zu uns zurück.
Wenn mir wieder alles über den Kopf wächst, will ich an dieses geheimnisvolle Prinzip denken und – wer weiss – vielleicht „antizyklisch“ reagieren und mir überlegen, wem ich etwas Zeit schenken könnte. Mal schauen, was passiert!
Und Ihr so? Kennt Ihr diese Zeitpanik auch, oder seid Ihr da ganz entspannt im Hier und Jetzt? Habt Ihr andere Themen, bei denen es Euch manchmal die Luft abschnürt, und was sind Eure Strategien? Habt Ihr den Kreislauf des Schenkens auch schon erleben dürfen? Ich freue mich auf Euren Kommentar!
Panik ist eher ein schlechter Partner wenn es um Zeit Management geht. Zeit ist tatsächlich das wertvollste Gut, neben Gesundheit. Oft sind es die kleinen Dinge, die zu Panikattacken führen, wie einkaufen, kochen, waschen, Schreibkram usw. Dieser Kampf um Minuten, die beim genaueren Hinsehen gar nicht Matchentscheidend sind. Ich habe als sehr vielbeschäftigter Mensch ( eigenes Geschäft, eigene Musikschule, Musikunterricht, spielen in der Band, Job bei der Gemeinde, Organisator Rock am Märetplatz, OK Kulturnacht, OK Grenchnerfest, Agentur usw.) gelernt einen Schritt zurück zu machen. Ich schaue mir die Situation von aussen an und überlege mir, was das ganze für einen Einfluss auf mein Leben hat oder auf das Liebesleben der roten Waldameisen. Meistens geht es mir danach blitzartig um ein Königreich besser. Fazit, ich habe keinen Stress, nur viel zu tun, was mich wiederum davon abhält, meine von Natur aus faule Art, aus zu leben.
Da kann man sich von Dir ja gut eine Scheibe abschneiden! Mir machen zwar die kleinen Sachen, die Du erwähnt hast, oft auch nicht so Sorgen. Dann ist eben mal nicht geputzt – so what? Da ich sonst auch viel engagiert bin mit Church, Sommergospel, Weihnachtgospel, Brotjob, Buch schreiben, Musig machen, Bloggen etc., muss ich manchmal auch den Schritt zurück machen und mich fragen, ob die Welt untergeht bei xy 🙂 Ich nehme mir jedenfalls ein Beispiel an Dir – und den mit der faulen Natur kenne ich gut…!
Zeit schenken. Sich und anderen. Unbezahlbar. Liebe Grüße, Kerstin
So ist es, liebe Kerstin! Danke Dir 🙂
Gern geschehen