Ich bin kein ausgeprägter Wandervogel – ich bin zu gern daheim, und viele meiner Reisen finden innerlich statt. Dennoch hab ich meinen kürzlichen Italienaufenthalt sehr genossen. Im Übrigen habe ich wieder ein paar Lektionen gelernt, die ich mir für die nächste Reise hinter die Ohren schreiben will.
Falls bei dir gerade Ferien anstehen, kannst du ja vielleicht etwas mitnehmen…:
Planung ist das halbe Leben!
Es wirkt hochgradig stressmindernd, wenn man Tickets rechtzeitig besorgt und die eine oder andere Übernachtung schon gebucht hat, gerade, wenn man herumreist. In dieser Hinsicht hatten Lee und ich unsere Hausaufgaben gemacht. Hätten wir uns auch den Weg zu unseren B&Bs etwas genauer angeschaut, wäre uns unter anderem ein schweißtreibendes Rennen durch Roms ellenlange „Via Cavour“ erspart geblieben. Als wir nach 45 Minuten keine Ahnung mehr hatten, wo wir waren, schleppten wir uns erschöpft und hungrig zum nächsten Restaurant und bestellten erst mal Pizza. Nach dem Essen packte ich mein rostiges Italienisch aus, um festzustellen, dass wir in unserer Hektik am B&B vorbeigerannt waren, das sich knapp 100 Meter vom Restaurant entfernt befand.
„Une portion de laisser-faire“
Wie im letzten Post erwähnt, war der Rückflug von Bari oder zumindest das Prozedere davor ein amüsantes Beispiel schweizerischer und italienischer Eigenart. Ich war sicherheitshalber viel früher am Flughafen und wanderte alle 15 Minuten am angegebenen Check-in-Schalter vorbei. Zwei Stunden vor Abflug stellten sich dann die ersten braven Schweizer in die Schlange, aber nichts geschah. Ich ging noch einmal bei einem Bildschirm vorbei, um sicherzugehen, dass ich auch am richtigen Ort wartete, und stand mir mit allen anderen geduldig die Beine in den Bauch, bis eine halbe Stunde später eine Flughafenangestellte herbeihastete und uns an einen anderen Schalter dirigierte.
Das hat mich gelehrt, in Ländern mit einer schwächeren Infrastruktur als unserer (also in so ziemlich allen, because we are the best!) eine Portion „laisser-faire“, Geduld und wenn nötig Fatalismus mitzubringen. Irgendwie lösen sich die Dinge meistens; sich darüber aufzuregen, dass es anders geht als geplant, ist reine Zeitverschwendung und verursacht höchstens Magengeschwüre und Ärgerpickel.
Offen sein für „Anderes“
Wir haben auf unserer Reise in B&Bs übernachtet, und sie waren samt und sonders toll. Die meisten waren auch ernährungstechnisch gut auf internationales Publikum eingestellt. Das letzte in Matera war wunderschön und an einer Toplage, aber hinsichtlich Frühstück traditioneller, wenn man das so sagen kann: auf nebeneinanderliegenden Tellern konnte man zum Frühstück zu Pizzastücken und Schokoladencroissants greifen. Meine Offenheit für Neues ging nicht so weit, dass ich so etwas Fettiges hätte frühstücken wollen, und Gott sei Dank gab es auch Joghurt und Cereals. Ich hätte mir aber garantiert den Urlaub verdorben, wenn ich mit einer festgefahrenen Erwartung, wie ein Frühstück auszusehen hat, in die Ferien gefahren wäre.
Und ein kleiner Nachtrag: im letzten B&B (siehe Bild) gab es selbstgemachtes Cake zum Frühstück, und das haben wir zur Feier des Tages tatsächlich gegessen.
Mit leichtem Gepäck reisen
Ich habe es bis heute nicht gelernt, mich beim Kofferpacken zu beschränken, und in diesen Ferien habe ich dafür schwer gebüßt: einen sperrigen Koffer im Bahnhof treppauf und –ab zu tragen ist äußerst mühselig, aber noch schlimmer waren die engen Bürgersteige in Florenz, auf denen man sich auf Pflastersteinen zwischen Touristen und Autos durchquetschen musste. Ich habe meinem gebeutelten Rücken und meinen Nerven hoch und heilig versprochen, das nächste Mal einen kleineren Koffer zu nehmen und ein paar T-Shirts zuhause zu lassen.
Zuhause ist’s am Schönsten!
Ich habe Italien genossen – ich konnte feststellen, dass ich doch noch viel italienisch verstehe und mich leidlich verständigen kann; ich habe endlich den Petersdom gesehen, und das Städtchen Matera mit seinen Restaurants war eine Augen- und Gaumenweide. Dennoch bin ich wieder gern in die Schweiz und in das olle kleine Grenchen am Jurasüdfuß zurückgekehrt – an den Ort, wo ich weiß, wie die Duschen funktionieren und wie sich die Türen öffnen, wo ich alles verstehe und verstanden werde – den Ort, wo ich hingehöre. Sich auf Reisen zu begeben, zeigt einem auch immer, was man hat und sonst für selbstverständlich ansieht, und man bekommt einen neuen Blick und eine neue Dankbarkeit dafür.
Wenn ich meine Reiseerkenntnisse anschaue, stelle ich fest, dass sie sich auch wunderbar auf das Leben an und für sich übertragen lassen. In knackig kurzer Form mache ich mir daraus…
…meine fünf neuen Wegweiser für die Reise durchs Leben!
Ich will planen, was sich planen lässt, und mich weder von anderen noch vom Geschehen treiben lassen. Nur ich kann wissen, wohin ich will, und es ist an mir, das Nötige dafür zu tun, damit ich dort ankomme. Ich will dieses einmalige Leben auf Erden so gestalten, dass ich „quantum in me fuit“(ich habe mein Bestes gegeben) auf meinen Grabstein schreiben kann.
Ich will mir eine große Portion „laisser-faire“, Gottvertrauen und Gelassenheit bewahren, da sich nun mal nicht alles planen lässt. Ich will mich von kleinem Unbill nicht irritieren lassen, weil es sich nicht lohnt, und die großen Schläge will ich hinnehmen und darauf vertrauen, dass auch das vorbei geht.
Ich will offener sein für Neues, für das, was mich herausfordert oder mich aus meiner Komfortzone holt. Ich will ab und zu eingefahrene Wege verlassen und mir die Demut bewahren, dass es andere Sichtweisen und Erfahrungen als die meinen gibt.
Ich will mit leichtem Gepäck reisen. Das heißt, dass ich keinen unnötigen Besitz anhäufe, sondern mir überlege, was es wirklich braucht. Es heißt aber auch, dass ich emotionalen Ballast – sei es Schuld, Zorn oder Bitterkeit – ablege. Das ist manchmal schwieriger als der Umgang mit Besitz, aber fast noch wichtiger.
Ich will dankbar sein und mich auf „Zuhause“ freuen.
Dankbar sein für alles Schöne, was mir in diesem Leben begegnet, aber auch dafür, dass nach meiner Reise durch dieses Leben ein ewiges Zuhause wartet; der Ort, an dem ich zutiefst erkannt und geliebt bin. Ich weiß zwar nicht, wie dort die Duschen funktionieren, aber darauf lasse ich es ankommen!
In manchen Punkten bin ich schon gut unterwegs; andere wie das „offen sein“ fallen mir mitunter schwerer. Aber ich bleibe dran. Wie ist es mit Dir – kannst du meinen Vorsätzen etwas abgewinnen? Und was fällt dir schwer? Ich freue mich auf deinen Kommentar!
Am Besten finde ich, dass du die Reise zum Lernen genutzt und andere Maßstäbe akzeptiert hast. Die oben formulierten Lehren sind wunderbar formuliert und zutreffend. Vermutlich bin ich etwas „reiseerfahrener“, aber ich habe noch nicht die Zuversicht gewonnen, dass nach meiner Reise durchs Leben ein Zuhause auf mich wartet. Der Glaube daran wäre sicher sehr tröstlich – und wer weiß, vielleicht fände man seine bereits gegangenen Lieben wieder…Zurück zum Reisen: Ja, auch in der Balance zwischen Planung und laisser-faire muss man offen und flexibel bleiben. Das Gepäck-Problem hat sich bei mir zweimal von allein gelöst, 1. vor vielen Jahren bei einem Wanderurlaub auf den Färöern, da habe ich mich schnell von Vielem getrennt, denn die Verpflegung trugen wir doch auch im Rucksack, da lernt man Prioritäten zu setzen! Und vor zwei Jahren hatten wir die Wahl, nur mit Handgepäck oder gar nicht in den Flieger zu steigen, denn die Koffer waren nicht pünktlich da. Zu einer Kreuzfahrt kann man die nämlich nicht nachschicken lassen. War mit meiner blinden, 87-jährigen Mutter unterwegs – und wir konnten die Reise trotzdem geniessen, weil wir uns für Humor entschieden hatten. Ach, Reisen bietet immer wieder neue Erfahrungen, daher liebe ich es so sehr.
Herzliche Grüße in die Schweiz!
Gerda Greschke-Begemann
Das war sicher speziell – ausgerechnet auf Kreuzfahrt ohne „sein Zeug“, das hätte mich erst einmal herausgefordert! Aber wie Du so schön schreibst, kann man sich dann immer noch für Humor entscheiden…! Ich habe in den letzten Jahren immerhin gelernt, dass man nicht ständig neue Klamotten braucht, obwohl ich mir immer noch gern was kaufe 🙂
Das mit dem Vertrauen und Glauben empfinde ich selbst als tröstlich, und im Grunde kenne ich nur wenige Menschen, die wirklich davon ausgehen, dass sie nach dem Tod einfach „weg“ sind. Ich finde Dein sinnendes Fragen schön, und ich bin sicher, dass Gott, egal ob Du ihn in der Gleichung hast, dieses Fragen und die Sehnsucht dahinter hört – und es nicht dabei bewenden lässt.
In diesem Sinne wünsche ich Dir auch und gerade in diesem Bereich schöne Reiseerfahrungen – und Begegnungen! 🙂
Herzliche Grüsse in den „Grossen Kanton“, wie wir zu sagen pflegen!
Claudia