Rechtzeitig zum Beginn der Fastenzeit habe ich mich an ein Erlebnis erinnert, dass meine Fähigkeit zur Buße und Rückbesinnung in Frage gestellt hat. An
einem meiner Januarmüdigkeitstage fuhr ich ziemlich zerknittert Richtung Bern, um eine Freundin vom Flughalfen in Belp abzuholen. Um mich aufzumuntern und wach zu bleiben, stellte ich die Musik auf Dröhnstufe und sang tapfer vor mich hin.
Als ich gerade gedankenverloren um eine Kurve brauste, sah ich aus dem Augenwinkel, dezent von der Autobahn entfernt, einen Polizeiwagen. Ich nahm den Fuß vom Gas und fuhr weiter, aber ich wusste genau, dass ich deutlich zu schnell gewesen war.
Aargh.
Ich hatte mich sehr auf das Treffen gefreut, aber für den Rest der Fahrt konnte ich nur noch daran denken, was das wohl kosten würde. Ich ertappte mich dabei, wie ich Gott bat, den Kelch an mir vorübergehen zu lassen, und Ihm versprach, von heute an immer straßenverkehrsgesetzkonform unterwegs zu sein. Gleichzeitig ärgerte ich mich – über mich selbst, weil ich so unvorsichtig gewesen war, und über die Polizei, weil sie nichts Besseres zu tun hat, als die maroden Kantonsfinanzen mit dem Geld unbescholtener Bürger zu sanieren. Man kennt das ja.
Nachdem ich mich damit abgefunden hatte, dass ich auf die Folgen meines Bleifußes keinen Einfluss mehr hatte, ging ich schnurgerade nach „Frommer Christ Art“ dazu über, mich zu fragen, ob Gott mir damit etwas sagen will – dazu sei gesagt, dass ich sehr wohl weiß, dass diese Frage nicht immer Sinn macht. In diesem Fall motivierte sie mich, für einmal mein Verhältnis zu den Autoritäten und Gesetzen meines Landes auf den Prüfstand zu stellen. Denn wenn ich ehrlich bin, stehe ich zwar in den großen Linien zu dem, was gilt – aber in der Umsetzung im Kleinen hapert es oft. Ich nehme es nicht so genau oder ärgere mich über das bürokratische Tamtam.
Schließlich habe mich nach längerem In-mich-Gehen dazu durchgerungen, dass ich kein Recht habe, mich zu beschweren. Ich lebe in einem demokratischen Land. Ich kann mich um ein politisches Amt bemühen und mich für das einsetzen, was ich wichtig finde. Ich kann eine Initiative starten, Petitionen eingeben und was weiß ich was alles. Ich kann meine Meinung an der Urne abgeben. Wird sich alles ändern, wenn ich das mache? Wohl kaum – aber solange ich nur lästere und die „Faust im Sack“ mache, bin ich mit verantwortlich für den Status quo.
Durch diese simple Bußenfrage ist mir auch wieder bewusster geworden, wie die Bibelstellen zur staatlichen Autorität zu verstehen sind. Als Christ werde ich aufgefordert, diese Autorität zu respektieren und die Gesetze zu halten. Nicht, weil es mich teuer zu stehen kommt, wenn ich es nicht tue, sondern aus Achtung vor Gott, der – so verstehe ich diese Verse – auch die Autoritäten meines Landes eingesetzt hat.
Das scheint dem Missbrauch Tür und Tor zu öffnen – aber auch die staatlichen Gesetze und Autoritäten müssen sich dem beugen, was Gott sagt. Und das wiederum nimmt mich in die Pflicht. Sobald die Gesetze von mir etwas verlangen, was Gottes Grundsätzen (z.B. der Würde des Menschen) widerspricht, bin ich in der Pflicht, mich zur Wehr zu setzen und Stellung zu beziehen. Die Beispiele von Gläubigen im Dritten Reich erinnern mich hier daran, dass das Einstehen für meinen Glauben und die Werte, die mit ihm verknüpft sind, radikalen Mut und Opferbereitschaft bedeuten kann. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, bin ich wieder einmal dankbar: dafür, dass ich in einem demokratischen Land lebe, aber auch dafür, dass ich meinen Glauben offen leben und davon erzählen darf. Das ist auch für Christen an vielen Orten der Welt leider bis heute nicht selbstverständlich.
Mit meinem Bleifuß bin ich übrigens nochmal davongekommen. Und in Dankbarkeit und Erleichterung will ich mich künftig nicht mehr beklagen und mich stattdessen brav an die Geschwindigkeitslimiten halten, auch wenn sie manchmal unerklärlich, unvernünftig, idiotisch…aber lassen wir das. Und ich genieße nebenbei das das befreiende Gefühl, dass ich beim nächsten Anblick eines Polizeiautos keine Schweißausbrüche bekommen muss.
Kennst Du das Bleifußproblem, oder fährst Du IMMER anständig?? Und wie leicht fällt es Dir, Dich NICHT über Gesetze und Vorschriften zu ärgern? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!
Ich muss wirklich sagen, ich fahre das sehr anständig. Was Blitzen angeht bin ich wohl ein echter Pechvogel, denn wenn ich mal nur etwas zu schnell fahre oder einfach mal ein Schild übersehe trifft es mich eigentlich fast immer..
Das ist dann wirklich Pech – oder anders gesagt: das Leben ist nicht fair 🙂 Ich habe mir seit dem Schreckmoment wirklich mehr Mühe gegeben, und irgendwie fährt es sich auch entspannter. Ich hoffe, es trifft Dich nun nicht so schnell wieder!
[…] habe ich abgesehen von Geschwindigkeitsübertretungen (darüber mehr hier) nie gegen ein staatliches Gesetz verstoßen. Aber staatliche Gesetze sind auch nicht der letzte […]