blessun 5Vor dreissig Jahren haben meine Schwester Bettina und ich mit dem Reiten angefangen: nach dem Lesen unzähliger Ponybücher und vielen Stunden vor dem Fernseher mit den „Mädels vom Immenhof“ haben wir unsere Eltern so lange bestürmt, bis sie kapitulierten und uns erlaubten, im nahe gelegenen Reitstall Stunden zu nehmen.

 

Ich liebte Pferde und war mit zwölf Jahren im typischen Pferdealter. Ein paar Jahre lang war ich mit Feuer und Flamme dabei, aber mein Respekt vor diesen Tieren war immer etwas grösser als meine Leidenschaft. So flachte meine Begeisterung fürs Reiten mit der Zeit ab und wurde vom nächsten Hobby ersetzt.

Blessun 7Anders Bettina. Sie schien sich nie zu fürchten, besass eine natürliche Autorität und schon immer einen starken Drang, sich durchzusetzen. Im Umgang mit den Pferden blühte sie auf, und bald begeisterte sie sich für Islandpferde. Sie verbrachte fast ein Jahr in Island und arbeitete auf verschiedenen Gestüten, um alles über ihre geliebten Tiere zu lernen.

Einer dieser Jobs führte sie ins aargauische Kaisten, wo sie den Mann ihres Lebens kennenlernte. Mit 24 Jahren heiratete sie ihn und gründete eine Familie von achtbarem Format: sie hat in den letzten fünfzehn Jahren vier Kinder geboren. Inzwischen ist mein Patensohn fünfzehn und der jüngste viereinhalb Jahre alt.

Meine unternehmungslustige Schwester hatte  auch in dieser intensiven Familienzeit viele Interessen und Engagements – trotzdem rückten die Pferde und der Reitsport notgedrungen etwas in den Hintergrund. Erst war es eine logische Folge der Anforderungen, welche die Familie stellte, doch mit den Jahren schien es, als wäre ihre Leidenschaft für die Pferde verschüttet oder als hätten andere Interessen ihren Platz eingenommen.

blessun 6In den  letzten zwei Jahren wurde das Thema Pferde wieder aktueller. Bettinas Tochter Ailish begann mit dem Reiten, und so tauchten öfters Facebook-Bilder der beiden hoch zu Ross auf. Diesen Sommer hatte Bettina dann eine zündende Idee. Und  ganz im Stil ihres Temperaments entwickelte sich diese Idee in einem halben Jahr zu einem handfesten, inspirierenden Projekt.

Blessun 3Letzten Sonntag lud Bettina mit einem Benefizanlass zur Eröffnung ihrer kleinen Islandpferdereitschule „Blessun“ nach Olsberg. Mann und Kinder standen hinter der Theke und schenkten fleissig Kürbissuppe und selbst gemachte, köstliche Heissgetränke aus  – ein tolles Bild.

 

 

Doch am meisten hat es mich berührt, Bettina im Element zu erleben – begeistert von ihrem Projekt und ganz an dem Ort, wo sie sein will. Es hat mich ermutigt und mir einmal mehr bewusst gemacht, dass sich uns  immer wieder Chancen eröffnen – eine Botschaft, die wir alle irgendwann brauchen können.

Wenn Jahre vergehen, in denen wir notgedrungen oder willentlich einen Traum aufgeben und uns anders orientieren, fangen wir an zu glauben, dass unsere alten Leidenschaften eines natürlichen Todes gestorben sind. Oder wir fürchten, dass unsere Träume so lange verschüttet waren, dass wir sie unmöglich wieder zum Leben erwecken können. Manchmal fällt es uns auch einfach schwer, Ideen oder Projekte langsam wachsen zu lassen, und am schwersten ist es,  darauf zu vertrauen, dass etwas wächst, wenn wir noch nichts davon sehen können.

Solche Wartezeiten stellen unsere Geduld auf die Probe. Wir wollen etwas erreichen, wollen zeigen, was wir können, wollen uns beweisen. Unsere Hochleistungs- und Hochgeschwindigkeitsgesellschaft lässt uns nicht viel Zeit, um Erfolg aufzubauen. Die heutigen Stars und Sieger werden immer jünger, die Zeit des Ruhms ist immer kürzer, und wir fühlen uns schon am Start unter Druck. Wenn wir mit dreissig noch keine glanzvollen Resultate präsentieren können, fühlen wir uns als Versager.

Dabei vergessen wir, dass wir für manche Erfolge oder Projekte mehr brauchen als praktische Erfahrungen, technisches Knowhow oder erlernbares Wissen. Wir müssen unseren Charakter entwickeln, bestimmte Lebenserfahrungen machen, an Reife gewinnen.

Blessun 10Bettina hat vielleicht schon früher von einem Projekt dieser Art geträumt. Stattdessen hat sie in den vergangenen  15 Jahren einen der wichtigsten Jobs auf diesem Planeten gemacht. Sie hat ihre Kinder grossgezogen und dabei eine ganze Menge gelernt und in ihr Leben integriert: Menschenkenntnis, Managementtalente, Geduld (auch wenn sie von letzterem sicher gern noch mehr hätte).

Vieles kann sie nun in ihr Kleinunternehmen einbringen. Ausserdem ist sie seit über zehn Jahren flammende Christin und hat dadurch gelernt, auf Gott zu vertrauen, ohne dabei die Verantwortung für das eigene Leben abzugeben.

Ich vertraue darauf, dass ich auf meiner Suche nach meinem Platz und meiner Berufung nicht allein bin, und ich will die nötige Geduld aufbringen – im Wissen, dass der Weg dahin auch dazu gehört. Und überzeugt, dass Gott das beste Timing hat und genau weiss, wann wir reif für unsere Erfolge sind.

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Hast Du auch alte Träume, die Dich immer mal wieder beschäftigen? Oder bist Du gerade auf dem Weg, sie zu verwirklichen? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!