Wann fängt Weihnachten an? Christmas memories

Weihnachten 1Heiligabend bedeutet in unseren Breitengraden  Gedränge im Supermarkt, die Jagd nach der letzten Barbiepuppe und ein paar Festmenus  zu viel. In der grauen Vorzeit meiner Kindheit gehörten zu Heiligabend Nachmittagssport, eine verschlossene Tür und eine wunderbare Geschichte.

 

Am 24. Dezember zogen wir uns nach dem Mittagessen warm an, schulterten die Schlittschuhe und marschierten mit unserem Pa Richtung Bahnhof. Dort stiegen wir in den Regionalzug, fuhren bis „Biel Mett“ und wanderten durch frostige Kleingärten zur Bieler Eisbahn, wo wir den Nachmittag mit fröhlichen Jagden bei eisigen Temperaturen, heißer Schokolade und einer heißen Suppe mit Würstchen verbrachten.

Unsere Abwesenheit diente neben dem Spaß an der Freude einen bestimmten Zweck: Unsere Ma hatte die Wohnung für sich und konnte in Ruhe alles für das Fest vorbereiten. Wenn wir rotwangig und kaltnasig von der Schlittschuhbahn zurückkamen, lag eine erwartungsvolle Stille über unserem Daheim. Von der geschlossenen Wohnzimmertür ging ein geheimnisvoller Zauber aus.

Wenn die Tür aufging, brannten die Kerzen am Tannenbaum, die Kugeln blitzten, goldenes Lametta glitzerte zwischen farbigen Schokotannzapfen, und die Kerzen warfen ein warmes Licht ins Wohnzimmer.

Doch das war noch nicht der Moment, in dem es Weihnacht wurde. Es wurde auch nicht Weihnacht, wenn wir das erste Geschenk öffnen oder den ersten Schokozapfen vom Baum reissen durften. Weihnacht wurde es, wenn  wir uns alle aufs Sofa setzten und unser Pa begann, Tazewells Geschichte vom „Kleinsten Engel und dem Weihnachtsstern“ vorzulesen.

Weihnachten 2Dieser „kleinste Engel“ ist ein Junge, der vor seiner Zeit zum Engel wurde und sich in den himmlischen Gefilden einfach nicht zurechtfindet. Er kann nichts anfangen mit Harfe spielen, verliert ständig seinen Heiligenschein und bringt viel Unruhe in die heiligen Hallen. Irgendwann stellt sich heraus, dass der kleine Engel einfach Heimweh hat: er vermisst seine Freunde, das Spielen am Bach und all das, was das Leben eines kleinen Jungen ausmacht.

Die Lösung ist rasch gefunden: die Engel bringen dem Jungen die Schachtel, in der er alle Schätze seines kurzen Lebens aufbewahrt hatte, und endlich fühlt sich der kleinste Engel im Paradies zuhause.

Eines Tages erfahren die Engel, dass der Sohn Gottes in Bethlehem geboren werden soll. Der ganze Himmel ist in Aufruhr, während alle fieberhaft überlegen, was sie dem Gotteskind schenken könnten. Der kleinste Engel ist weder musikalisch noch schriftstellerisch oder handwerklich begabt, aber er hat eine wunderbare Idee: er wird dem Gotteskind all die Schätze schenken, die ihm als Kind so viel Freude bereiteten.

Doch als er seine Schachtel zwischen all den prächtigen Geschenken sieht, wird ihm mulmig zumute. Sieht sein Geschenk nicht unsagbar schäbig aus? Was hat er sich nur dabei gedacht? Er muss die Schachtel schleunigst entfernen! Doch es ist zu spät – die Hand Gottes schwebt über den Geschenken, hält inne und senkt sich auf die Schachtel. Sie wird geöffnet, und alle sehen, was er dem Jesuskind schenken wollte.

Einen Schmetterling, den er in den Bergen gefangen hat.
Ein himmelblaues Ei aus einem Vogelnest.
Zwei weisse Steine vom Flussufer, an dem er mit seinen Freunden gespielt hat.
Das zerbissene Halsband seines Hundes.

Der kleine Engel schämt sich in Grund und Boden. Er läuft davon, stolpert, fällt und landet als Häufchen Elend vor dem Thron Gottes. Doch noch während er weint, fängt Gott an zu sprechen.

Er teilt den Himmelsbewohnern mit, dass ihm diese Schachtel von allen Geschenken am besten gefällt, weil sie Dinge der Erde und der Menschen enthält. Denn auch Sein Sohn wird all dies kennen, lieben und trauernd zurücklassen, wenn Seine Aufgabe auf Erden vollendet ist.

Plötzlich erstrahlt die Schachtel in gleißendem Licht und wird zu einem strahlenden Stern. Der Stern fliegt davon und kommt schließlich zum Stillstand – an dem Ort, wo der Sohn Gottes geboren wird. Und so kennt man ihn heute als „Leitstern von Bethlehem.“

Bei uns zuhause haben alle nahe am Wasser gebaut, und wenn mein Vater fertig gelesen hatte, war kein Auge mehr trocken. Und noch heute berührt mich die Geschichte.

Ich kann mich gut mit dem kleinen Engel identifizieren, der seine schäbige Schachtel inmitten der prächtigen Geschenke sieht und sich entsetzt fragt, wie er dieses Ding nur so wundervoll hat finden können – wie er hat glauben können, dass der Gottessohn diese nutzlosen Dinge lieben würde.

Egal, ob gegenüber Gott oder Menschen – ich denke viel zu oft, dass das, was ich zu geben habe, nicht genügt. Heute will ich mich daran erinnern, dass mein Herz, meine Gaben und das, was ich zu bieten habe, nur ich geben kann. Es mag nicht das Beste sein und in keiner Kategorie den Publikumspreis gewinnen – aber es ist einmalig und einzigartig. Und ich will immer wieder den Mut haben, es hinzulegen – egal, was für glitzernde Päckchen daneben liegen.

Weihnachten 3

Ich will mich heute aber auch an das Geschenk erinnern, das ich an Weihnachten erhalten habe (eine Warnung – wir verlassen damit glaubenstechnisch die neutrale Zone. Aber schließlich ist heute Weihnachten). Es ist dieses geheimnisvolle, völlig unlogische und unglaubliche Ereignis, das wir heute feiern – so schwierig es auch nachzuvollziehen ist.

Gott wurde Mensch.
Er wurde erfahrbar, erlebbar und berührbar.

Er hat es für uns getan und hat damit Seinen Erlösungsplan für die ganze Schöpfung eingeleitet; eine Erlösung, die diese Welt und jeder von uns – ob wir es nun wahrhaben wollen oder nicht – so dringend braucht. Aber wenn ich an die Geschichte vom „Kleinsten Engel“ denke, bin ich sicher, dass Gott es auch für Sich selbst getan hat.

Ich glaube, dass Gott Sich danach gesehnt hat, als einer von uns unter uns Menschen zu leben. Er wollte lachen und weinen, sich freuen und leiden und so am eigenen Leib erfahren, was es heißt, Mensch zu sein.

Sonne auf der Haut.
Ein Bad im frischen Bach.
Sich ein Knie aufschlagen und getröstet werden.
Mit Freunden lachen und streiten.

Mein Gott kennt jede Freude, jeden Schmerz und jede Versuchung, die ich durchlebe. Und darum darf ich in all meinen Kämpfen, Freuden und Leiden wissen, dass Gott ganz genau weiß, was ich gerade erlebe – weil er es am eigenen Leib erfahren hat.

Wenn ich heute mit meinem Vater, meinem Mann, meiner Schwester und ihrer Familie unter dem Weihnachtsbaum sitze, feiere ich die Ankunft meines Gottes in dieser Welt. Ich feiere ein Geschenk und ein Opfer, und ich feiere Seine Freude, endlich unter Seinen Menschen leben zu können – und in ihnen, wenn sie Sein Angebot annehmen.

Ich wünsche Euch allen besinnliche Tage, Stunden der Gemeinschaft und ein gesegnetes Fest.

Merry Christmas!

8 Comments

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  1. Liebe Claudia
    Schöne Geschichte!

    Wir wünschen Dir und allen deinen Lieben eine gesegnete Weihnacht!

    Herzliche Grüsse
    Bianca

  2. Liebe Claudia, danke dass du uns an deinen Weihnachtserinnerungen teilhaben hast lassen. Als Kinder erlebt man die Weihnachtszeit ja wahrhaftig in einer enormen Intensität … denke auch immer wieder gerne zurück .

    🙂 Ich wünsch dir auf diesem Weg gesegnete Weihnachten, ein frohes Fest und vor allem immer wieder neue Begegnungen mit unserem Herrn Jesus Christus, der als Kind in die Welt kam, als Lamm die Schuld der Welt am Kreuz wegtrug und als „Löwe von Juda“ sogar den Tod besiegte und der heute lebt und … einfach DA ist!

    • Lieber Roman, danke und auch Dir ein gesegnetes Fest! Was wären wir ohne diese immer wieder neuen Begegnungen mit Jesus – mir geht jedes Jahr zum Fest wieder ein neuer, faszinierender Aspekt auf, wie Er ist und was Er für uns getan hat. He lives…:-)

  3. ich wünsche euch besinnliche weihnachten.
    alle jahre wieder (bleibt es wie es war):
    der handel und die konzerne freuen sich über ein neues rekord-weihnachtsgeschäft. euer paketzusteller liegt über die feiertage mit einem bandscheibenvorfall im bett. für euren festbraten haben arme schweine in rekordzeit die schweine zerlegt. die qualvolle massentierhaltung der truthähne und gänse wird ihnen in eurem backofen einen sinn und ein würdiges ende bereiten. das kind findet einen günstigen welpen zum spielen unter dem weihnachtsbaum. der deutsche pelzhandel freut sich mit china über die wiederbelebte pelzmode. die schokolade für die festtage ist gekauft und die verschleppten kinder auf den kakaoplantagen in westafrika bekommen einen tag frei und dank fairtrade im kommenden jahr eine kloschüssel auf die plantage. und wie jedes jahr an weihnachten spendeten wir auch für die bedürftigen. die festtage können kommen.
    “unsere wirtschaft benötigt unglückliche menschen und produziert diese auch systematisch. glückliche menschen kaufen nichts, weil sie bereits glücklich sind.”
    http://campogeno.wordpress.com/2013/12/23/alle-jahre-wieder-bleibt-es-wie-es-war/

    • Lieber Aussteiger, danke für Deinen Kommentar. Du hast schon recht, wenn Du mit Deinen Aussagen anprangerst, was aus Weihnachten in unserer Konsumgesellschaft geworden ist. Wir werden rund um die Uhr auf die Dinge aufmerksam gemacht, die wir vermeintlich brauchen, um hip zu sein und dazu zu gehören, und wenn wir auf diese Sirenengesänge reinfallen, blenden wir irgendwann alles andere aus. Ich will mich diesem Sog auch immer wieder entgegen stellen – nicht nur an Weihnachten. Aber an Weihnachten fällt es mir leichter, weil ich sowieso etwas anderes feiere, und für diese Feier brauche ich weder die Geschenke noch das teure Essen 🙂 Habe mir Deine Seite angesehen; Kompliment für Deinen Einsatz für die Tiere! Liebe Grüsse, Claudia

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