Ecard Gottes GnadeIch komme im Moment nicht so zum Innehalten. Wenn ich es doch mal tue, betrachte ich nicht selten die Windungen und Umwege meines bisherigen Lebens. Und immer, wenn ich danach in die Gegenwart zurückkehre, frage ich mich, wie ich trotz soviel Trägheit, Dummheit und Mist an einem so guten Ort landen konnte.

Quelle: www.life-is-more.at

Arbeit? Öhm…In den beiden letzten Jahren: ja. Davor: naja.

Schwein? Sicher auch was davon.

Schicksal? Wer weiß das schon so genau?

Für mich ist es vor allem eines: nackte und unverfälschte Gnade.

Die Gnade, mit der Gott auch meine miserabelsten  Entscheidungen und kapitalsten Fehler genutzt hat, um etwas Gutes entstehen zu lassen, mich etwas zu lehren oder mich voranzubringen.

Das heißt nicht, dass mein gebauter Mist „irgendwie doch gut“ war. Falsch ist falsch und bleibt falsch. Gott hat den Fehler nicht benötigt, um mich dahin zu bringen, wo ich jetzt bin – er hat ihn benutzt.

Dieser Gedanke hindert mich daran, meine falschen Entscheidungen zu beschönigen oder im Nachhinein zu rechtfertigen, indem ich einfach darauf hinweise, dass es „ja doch ganz gut herausgekommen“ ist. Stattdessen fordert er mich auf, dankbar zu sein. Weil Gott mehr getan hat, als nur etwas Gutes aus meinem Mist zu machen. Er hat den Mist entsorgt. Für immer.

Ich werde hier nicht in die Details gehen, aber ich habe in meinen mehr als vierzig Jahren eine Menge auf mich geladen, auf das ich nicht stolz bin. Einiges geht auf Schwächen zurück, die ich nicht kontrollieren konnte, manches auf Trägheit oder Faulheit, und dann gibt es noch die mit klarem Verstand egoistisch getroffenen Entscheidungen, von denen ich irgendwo tief drin genau wusste, wie falsch sie waren.

Dabei habe ich abgesehen von Geschwindigkeitsübertretungen (darüber mehr hier) nie gegen ein staatliches Gesetz verstoßen. Aber staatliche Gesetze sind auch nicht der letzte Maßstab. Das Wort Sünde ist heute unmodern, aber ich weiß, dass ich mehr als genug dieser Übertretungen auf dem Konto habe.

Entschuldigung. Hatte.

Graham Ord, ein in Kanada lebender britischer Gitarrist, Sänger und Songwriter, hat vor Jahren ein wunderschönes Lied geschrieben, in dem er diese Wahrheit besingt und darin die folgenden Worte aus Psalm 102 vertont:

Barmherzig und gnädig ist der Herr,
er gerät nicht schnell in Zorn, sondern ist reich an Gnade.
Nicht für immer wird er uns anklagen, noch wird er ewig zornig auf uns sein.

Er handelt an uns nicht so, wie wir es wegen unserer Sünden verdient hätten,
er vergilt uns nicht nach unseren Vergehen.
Denn so hoch, wie der Himmel über der Erde ist,
so überragend groß ist seine Gnade gegenüber denen, die ihm in Ehrfurcht begegnen.
So fern, wie der Osten vom Westen ist,
so weit schafft er unsere Vergehen von uns fort.

Graham hat dieses Manifest des Vertrauens in Gottes Gnade aus einer unfassbaren persönlichen Tragödie heraus geschrieben, und vielleicht hat das Lied deshalb so weite Verbreitung gefunden und viele Menschen persönlich berührt. Hier ist eine der wenigen Versionen aus Youtube, in denen er es selbst singt – intensiv, unverfälscht, schön.

Quelle: Youtube

Heute in einer Woche feiere ich meine CD-Buch-Taufparty. Am Dienstag sind die Bücher bei mir angekommen, und anfangs nächste Woche sollten die CDs eintreffen. Ich bin nervös und aufgeregt und kann an fast nichts anderes mehr denken, laufe seit Wochen auf Starkstrom und bin dem Wahnsinn noch näher als sonst. Aber ich steuere auch auf einen der schönsten Momente meines Lebens zu.

Vorgestern hat mir eine ehemalige Arbeitskollegin eine Mail geschrieben. Sie hatte gerade meinen Blog entdeckt und hat mir geschrieben, wie sehr sie einzelne Posts berührt haben. Das hat mich tief bewegt. Es klingt vielleicht idealistisch oder unglaubwürdig, aber für mich gibt es keinen größeren Lohn als diesen – dass meine geschriebenen Worte als Ermutigung, Trost, guter Herausforderung oder Erheiterung – je nachdem, was der einzelne gerade braucht – in Menschen widerhallen.

Damit bin ich nach vielen Windungen und Umwegen an einem Ort angekommen, der sich wie „mein Ort“ anfühlt. Und trotz harter Arbeit fühlt es sich unverdient und großzügig an – eben wie Gnade. Ich bin dankbar, dass Gott mich trotz meiner Widerborstigkeit und stellenweisen Begriffsstutzigkeit nie aufgegeben hat. Er hat mich aus dem Sumpf gezogen und auf einen trockenen Felsen gestellt hat, wo ich ihm ein neues Lied singen kann.

Es werden auch wieder andere Zeiten kommen. Aber egal, ob sich ein Hoch ausbreitet oder ein Tornado wütet – die Anfangsworte aus dem Psalm, den Graham vertont hat, will ich in jede Situation mitnehmen:

Preise den Herrn, meine Seele, ja, alles in mir lobe seinen heiligen Namen!
Preise den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!

 

Kennt Ihr auch solche „Gott-macht-aus-meinem-Mist-Gold“-Erfahrungen? Oder wart Ihr immer rechtschaffen und „auf Kurs“? Wofür seid Ihr gerade dankbar? Ich freue mich, von Euch zu hören!

KarsamstagIch neige zu einem rotierenden Gehirn und finde es oft schwierig abzuschalten. Als ich kürzlich wieder mal versucht habe, auf andere Gedanken zu kommen, ist mir ein kleines Büchlein mit guten Tipps in die Hände gefallen. Das Besondere an dieser Sammlung von Weisheitsperlen ist, dass ich sie auf filmischen Umwegen kennengelernt habe und Euch somit meine erste Popcorn-Serien-Perle vorstellen kann.

Als ich 2009 vier Wochen in der Künstlerkommunität auf Schloss Röhrsdorf verbrachte, machte mich eine der guten Seelen im Haus mit der britischen Fernsehserie „Black Books“ bekannt, die mich mit ihrem ultraschwarzen Humor und dem Schauplatz Buchladen sofort begeistert hat. Sie handelt von Bernard Black, einem menschenhassen, kettenrauchenden und sich mit Vorliebe abends in seinem Laden betrinkenden Buchhändler, der seine Kunden schon mal mit Megafon und Besen aus dem Geschäft jagt, wenn er genug von ihnen hat und der seine Bücher so heiß liebt, dass er am liebsten gar keines verkaufen würde.

Little bookEiner seiner Kunden in der ersten Folge ist Manny Bianco. Manny ist Buchhalter und hasst seinen Job, weswegen er regelmäßig Stressanfälle kriegt. Gegen die hat er aber ein bewährtes Mittel, und genau deshalb stürmt er in Bernards Laden und fragt hektisch nach einer Ausgabe des „Little Book of Calm“, des „Kleinen Buchs der Ruhe“. Als Bernard es endlich aufgetrieben hat, reißt Manny es ihm aus den Händen, blättert wild nach einem passenden Spruch, liest ihn und wird wie durch ein Wunder ruhig und relaxt.

 

All das sieht man in den ersten drei Minuten der Folge. Wer sich die ganze Folge ansehen will, sei gewarnt – sie enthält auch ein paar schwarzhumorige Anspielungen auf das Christentum (die ersten drei Minuten sind in dieser Hinsicht ungefährlich):

Natürlich musste ich das Büchlein sofort haben und darf sagen, dass Autor Paul Wilson in das winzige Ding eine Menge guter Ideen gepackt hat. Für die paar freien Ostertage habe ich mir einige herausgepickt.

Dance till you drop – Tanze bis zum Umfallen

Einfach und wirkungsvoll. Meine Lieblingsmusik für diese Übung ist ein irischer Reel auf Maximallautstärke. Es ist unmöglich, ungehemmt zu tanzen und sich dabei Sorgen zu machen.

Put your feet up – Leg die Füße hoch

Eine leichte Übung, deren Wirkung ich auch bestätigen kann. Egal ob vorm Fernseher oder auf der Veranda – wenn ich die Füße hochlagere, kriecht ein wohliges Gefühl der Ruhe in mir hoch. Allerdings führt es im Regelfall dazu, dass ich innerhalb von 15 Minuten einschlafe.

FliederSmell the blooms – Riech an den Blüten

Ich genieße Blumendüfte vor allem beim Spazierengehen und im Garten, und mein Favorit ist Flieder. Er enthält zwar nicht so viel beruhigendes Serotonin wie Lavendel und Kamille, aber sein Duft hebt zuverlässig meine Stimmung.

 

Rest in a tub – Entspanne in der Wanne

Auch ein tolles Entspannungsmittel, das mir ein bisschen schwerer fällt – nicht, weil ich es nicht mag, sondern weil ich mir oft die Zeit nicht nehme. Dabei gibt es nicht Schöneres, als bei Kerzenschein in warmem Wasser zu liegen, ein Buch zu lesen oder einfach nur auszuruhen.

Neben diesen praktischen Mittelchen hat der Autor natürlich auch ein paar andere auf Lager, die einem etwas schwerer fallen können.

Worry when the time comes – Sorge Dich, wenn es soweit ist

Es fällt mir nicht so schwer, mir keine Sorgen um Dinge zu machen, die wahrscheinlich nie eintreffen werden, aber oft halten mich Gedanken wach, wie bestimmte Dinge wohl herauskommen, ob alles klappt, wie es sollte, und was wenn nicht. Ich muss mir immer wieder sagen, dass ich diese Sorgen abgeben muss, weil ich nur das mir Mögliche tun kann, oder: „Give your best, God does the rest.“

Forgive on the spot – Vergib auf der Stelle

Ich habe im Lauf der Jahre ein paar größere Happen vergeben, aber sofort vergeben ist eine Herausforderung, weil sie einem wie eine Kapitulation vorkommen kann. Doch was Wilson schreibt, ist nur zu wahr – schlechte Gefühle gegen jemanden zu tragen schadet dem Träger mehr als dem Empfänger. Ich habe gemerkt, dass schon der Wille, sofort loszulassen, dazu führt, dass die innere Last leichter wird und ich freier werde.

Seek the best in everything – Such in allen/m das Beste

Danach zu leben heißt nicht, naiv oder unvorsichtig zu sein oder den gesunden Menschenverstand auszuschalten. Für mich heißt es, dass ich der Welt und den Menschen erst einmal mit Wohlwollen begegne und glauben will, dass ich auch Wohlwollen ernte. Es wird mit jedem Lebensjahr schwerer, weil wir alle mal erleben, dass uns übel mitgespielt wird. Aber ich will dabei bleiben, die Menschen und die Welt so zu sehen. Lieber kriege ich eins mehr auf die Nase, als dass ich mich der „Der Mensch ist des Menschen Wolf“-Fraktion anschließe. „L’enfer c’est l’autre“ (Die Hölle ist der andere) gilt für mich nur beim Frühstück.

Say your prayers – Sprich Deine Gebete

Das darf natürlich nicht fehlen. Wenn mir einige der Mittel noch schwerfallen, kann ich auf das Gebet zurückgreifen. Denn auch wenn es ähnlich wirken kann, ist mein Gebet keine Meditationsübung – es ist ein Gespräch und ein Hilferuf mit einem realen Empfänger. Genau darum beruhigt und tröstet es mich.

Der Tag dazwischen

An diesem „Samstag der Grabesruhe“ erinnern mich viele der Tipps von Paul Wilson daran, dass der richtige Umgang mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft viel dazu beiträgt, wie erfüllt und zielgerichtet ich leben kann. In diesem Sinne wünsche ich Dir und mir im Hinblick auf Ostern, das Fest der Erneuerung und Auferstehung:

  • Dass wir erkennen und akzeptieren können, wann wir Abschied nehmen müssen. 
  • Dass wir uns daran freuen können, dass jeder Abschied Platz für Neues macht.
  • Dass wir darauf vertrauen dürfen, dass Gott weiß, was in unserem Leben sterben, was neu hineinkommen und was eine Auferstehung erleben soll. 

In diesem Sinn von Herzen frohe Ostern!

Leuchtender Baum 3 links

Alte Schätze 2Mein Mann und ich sind keine großen Aufräumer vor dem Herrn – das Gästezimmer unseres Hauses war so lange eine Abstellkammer, bis sich ein Übernachtungsgast ankündigte. Dann war kurz etwas Hektik angesagt, weil wir noch ein Schlafsofa brauchten und den Raum entrümpeln mussten. Im Zuge dieser Aktion warf ich einen Blick in die obersten Einbauschränke und entdeckte ein paar ungeahnte Schätze.

Einer war ein uralter frommer Frauenroman namens „Der Gottesstrauch“, der andere ein Buch über Heilkräuter, wieder ein anderer eine alte Stickvorlage. Sie alle stammten von den Vorbesitzern unseres Hauses – Überbleibsel einer anderen Zeit, die offenbar niemand mehr gewollt hatte und die jetzt uns gehörten.

Als „History Nerd“ hat mich die Vergangenheit schon immer fasziniert. Beim Betrachten dieser alten Schätze wurde mir bewusst, dass ich auch in meiner Vergangenheit und im Leben meiner Vorfahren immer wieder auf etwas Neues und Interessantes stoße. Mein Vater erzählt davon, wie er als Junge mit seinen Geschwistern regelmäßig im nahe gelegenen Wald Fallholz sammelte und Hagebutten erntete. Meine Mutter überlieferte mir die Erinnerung an ihre eigene Mutter, die Zuhause in Heimarbeit Uhrenteile fertigte.

Alte Schätze 1 linksPhilipp Anton von Segesser, ein Schweizer Politiker des 19. Jahrhunderts und Spross einer verarmten Adelsfamilie, wusste über seine Vorfahren so ziemlich alles. In seiner Autobiografie schwelgt er in Erinnerungen an die Ferien, die er als Junge auf dem alten Landsitz der Familie verbrachte. Dabei beschreibt er, wie er durch den „großen Saal“ schritt und sich wieder und wieder die Bilder seiner Ahnen ansah, vor denen er große Achtung hatte. „Ich kannte alle, wusste die Geschichte aller und freute mich, dass keiner ein Volksbedrücker gewesen, dass alle ehrenhaft durch das Leben gegangen, dem Vaterland mit Ehre gedient und ihre Namen untadelhaft erhalten hatten.“

Sein Blick auf seine Vorfahren dürfte nicht völlig objektiv gewesen sein – schließlich hat jeder Mensch auch seine Schwächen. Aber aus seinen Worten spricht eine tiefe Verbundenheit und ein Bewusstsein für die eigenen Wurzeln, auch ein Stolz auf die edlen Charakterzüge, die seine Vorfahren über Jahrhunderte unter Beweis gestellt haben.

Beschämenderweise muss ich gestehen, dass ich schon über die Generation meiner Großeltern erschreckend wenig weiß, ganz zu schweigen von allen, die davor gelebt haben. Doch von Segessers Worte haben meine Neugierde geweckt. Aus was für einer Linie von Menschen stamme ich? Gab es darunter Missionare oder Menschenfresser, Wohltäter oder Übeltäter? Und wieviel davon trage ich weiter?

Alte Schätze 6Wenn ich an meine Großmutter väterlicherseits denke, fällt mir ihre unerschrockene kleine Gestalt ein und das legendäre Zitat „Tue recht und scheue niemand“, das mein Vater auch gern zum Besten gibt und das sie oft verwendete. Obwohl „recht tun“ ein schwieriger Begriff ist und ich mir bewusst bin, dass ich jeden Tag Fehler mache, ist diese Lebenshaltung doch von ihr auf meinen Vater und auf mich übergegangen. Denke ich an den Clan meines Vaters, berührt mich der starke Zusammenhalt unter den Geschwistern. Und ich freue mich an den in verschiedenen Formen hervorblitzenden Humor und der interessanten Tatsache, dass mein Vater und seine Brüder allesamt charakterstarke, humorvolle und eigenständige Frauen geheiratet haben, die sich nichts vormachen lassen.

Über die Familie meiner Mutter weiß ich weniger, auch weil sie nicht mehr lebt und mir ihre Erinnerungen nicht mehr weitergeben kann. Dafür denke ich gern an die gemeinsame Leidenschaft meiner Eltern für die Jugend und ihren Einsatz für die sozial Schwächeren. Und ich erinnere mich an Mutters heitere Genügsamkeit, ihre Liebe zu spannenden, humorvollen Geschichten und ihren klaren Blick hinter die Fassade der Menschen.

Wie es bei von Segessers Ahnen den einen oder anderen Tintenfleck im Reinheft gab, hat sicher jede Familie auch ihre dunkleren Seiten. Wir alle kennen Charakterschwächen, alte Wunden und verhärtete Einstellungen, die über unsere Familienbande manchmal Eingang in unsere Herzen finden. Es ist befreiend, wenn ich mir klarmache, dass ich die Wahl habe, was ich weitertragen und weitergeben will und was nicht. Natürlich ist es mit der Wahl, etwas loslassen zu wollen, nicht getan, aber ohne die bewusste Entscheidung, ein bestimmtes Muster loslassen zu wollen, wir ganz bestimmt nichts passieren.

Im Guten wie im weniger Guten empfinde ich das Bewusstsein für die Vergangenheit als etwas Erdendes, das mich im Leben verankert. Es erinnert mich daran, dass alles eine Geschichte hat und dass ich mich selbst und andere nur verstehen kann, wenn ich einen Blick hinter die Kulissen und in die Vergangenheit werfe.

Alte Schätze 4

Alte Schätze 5 linksIm Schrank meines Gästezimmers habe ich auch eine über hundertjährige Bibel entdeckt. Sie enthält einen handschriftlichen Eintrag und ein altes Lesezeichen. Diese Fundstücke sprechen von der Zuversicht, dass Gott meine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in seinen Händen hält und mir beisteht, wenn ich ins Trudeln gerate oder nicht weiß, wie es weitergehen soll.

Was weißt Du über Deine „Ahnen“ – gehst Du Dir auf dem Familiensitz die Ölgemälde anschauen, oder beruht Dein Wissen auch eher auf den Überlieferungen Deiner Familie? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

Garten 2Seit mein Mann und ich unser renoviertes Haus mit eigenem Umschwung bezogen haben, habe ich die Gartenarbeit neu entdeckt. Es bereitet mir Freude, im eigenen Boden zu buddeln und meine Pflanzen zu pflegen, auch wenn nicht jede Arbeit gleich viel Spaß macht. Bei Licht besehen, fordern viele Gartenaktivitäten ein bisschen Überwindung und Geduld.

 

Mit dem Jäten fängt es an, dieser wahren Sisyphus-Arbeit. Egal, wie oft ich lästiges Unkraut ausgrabe, erscheint es an der gleichen Stelle ein paar Wochen später wieder, als wäre nichts gewesen. Das reziproke Gartenprinzip sorgt zudem dafür, dass sich das am schnellsten verbreitet, was man am wenigsten brauchen kann. Ein Rätsel von mystischem Ausmaß sind die Steine im Blumenbeet: jedes Jahr klaube ich sie mühseligst kübelweise aus der Erde, und trotzdem  liegen sie im nächsten Jahr wieder da. Jedes Umgraben und jeder Regenguss fördern eine neue Ladung zutage – so geheimnisvoll wie die biblische Brotvermehrung, aber bei weitem nicht so amüsant.

Besser gefällt mir das Zuschneiden der Sträucher. In unserem Garten wachsen unter anderem Sommer- und normaler Flieder, Hortensien, Forsythien, ein Goldregen und eine Magnolie, und jede Sorte hat so ihre Tücken. Manche Sträucher müssen radikal zurückgeschnitten werden, weil sie sonst in den Himmel wachsen, bei anderen muss man behutsam ans Werk gehen. Beim Zuschneiden erlebe ich immer wieder, wie sich mein Blick schärft. Erst sehe ich nur ein Gewimmel von Ästen. Ich fange an, schneide einen verdorrten Ast heraus und arbeite mich weiter vor. Je länger ich arbeite, desto schneller sehe ich,  wo ein abgestorbener oder verkümmerter Ast einem gesunden den Platz wegnimmt oder eine schräge Richtung eingeschlagen hat.

Zur Schwerstarbeit gehört das Entfernen von alten Brombeerranken. Wenn mir die Zeit fehlt oder ich keine Lust habe, schneide ich die Ranken nur ab, doch dann ist innert Kürze wieder alles beim Alten – man verheddert sich in Dornen, was gefährlich für die Kleider und manchmal sogar für Hände in Handschuhen ist. Um das Zeug wirklich loszuwerden, muss man tief graben, und die Wurzel herausholen.

Seit ich mehr schreibe, ist die Gartenarbeit als kreativer Ausgleich in den Hintergrund gerückt, aber ich schätze sie immer noch sehr: ich bewege mich an der frischen Luft, die ich als Schreibsler und Stubenhocker gut brauchen kann, und ich sehe nach einem Nachmittag im Garten, was ich geschafft habe. Vor allem aber inspiriert  mich diese Arbeit auf besondere Weise und schenkt mir einen neuen Blick auf meinen Alltag und darüber hinaus.

Wenn ich die ollen Steine aus der Erde pulle und den gefühlt tausendsten Löwenzahn ausgrabe, fallen mir all die Situationen ein, in denen ich einfach treu tue, wonach mir gerade nicht ist. Im Job, im Haushalt und in meinen Beziehungen stehe ich jeden Tag vor wiederkehrenden, manchmal mühseligen Aufgaben. Wenn ich sie tue, ernte ich den wunderbaren Lohn in guten Beziehungen, einem aufgeräumten Haus, in dem man wirklich auftanken kann, und in der Zufriedenheit, wenn ich nach getaner Arbeit nach Hause gehe.

Wenn ich an einer Hortensie herumschnipple, muss ich daran denken, dass auch mein Leben und mein Charakter von Zeit zu Zeit einen Rückschnitt brauchen. Wenn ich mich verzettle, muss ich etwas herausschneiden, damit anderes Platz zum Wachsen hat. Wenn ein Charakterzug nur Negatives hervorbringt, muss ich ihn radikal entfernen. Und mit der Zeit erkenne ich schneller, wo etwas zurechtgeschnitten werden muss.

Wenn ich im Schweiße meines Angesichts versuche, an die elenden Brombeerwurzeln heranzukommen, fallen mir Verletzungen und Fehler aus der Vergangenheit ein. Manchmal muss ich harte Arbeit investieren, um loszulassen oder mir selbst zu vergeben. Doch es ist Arbeit, dies ich lohnt: wenn ich Vergangenes wirklich loslassen kann, lebe ich freier und bewusster.

Wie ich in einem anderen Post geschrieben habe, übersteigen diese inneren Reinigungs- und Aufräumungsprozesse manchmal meine Fähigkeiten: Was muss raus, was soll wachsen? Und wie schaffe ich es, Vergangenes loszulassen, ohne es einfach herunterzudrücken und mit ein bisschen Erde zuzudecken? Ich bin froh, dass ich diesen Prozess mit Gott angehen kann,  und vertraue darauf, dass Er mir zeigt, wo ich ansetzen muss.

Und wenn all diese Arbeiten getan sind, kommt im Garten wie im Leben immer wieder ein Moment, wo ich ernten kann. Wo ich mich auf meine Bank setze und die Blumenpracht genieße, und wo ich in der Rückschau erkennen darf, dass sich ein paar richtige Entscheidungen letztlich gelohnt und Früchte getragen haben.

Wie stehst Du zur Gartenarbeit – top oder Flop? Bei welcher profanen Tätigkeit überfallen Dich tiefe Einsichten? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

WachsenIrgendwann habe ich im Biologieunterricht gelernt, dass sich unser Körper alle paar Jahre komplett erneuert, so dass wir rein zelltechnisch nach Ablauf dieser Zeit völlig neue Menschen sind. Diese Vorstellung ist gleichzeitig faszinierend und beängstigend – und so geht es mir manchmal auch mit dem inneren Wandel.

Wir verändern uns laufend. Mit neuen Erfahrungen kommen neue Eigenschaften zum Zug, während andere in den Hintergrund treten oder verschwinden. Außerdem sieht uns jeder Mensch ein bisschen anders. Unsere Bürokollegen sehen andere Facetten unserer Persönlichkeit als jemand, mit dem wir zusammen das Vereinsleben genießen.

Wenn ich mir überlege, wie ich mich in den letzten zehn Jahren verändert habe oder was andere wohl von mir halten, frage ich mich manchmal, wer ich denn nun wirklich bin. Bin ich der Mensch, als der ich mich sehe, oder kommt eine der Versionen, die andere sehen, der Wahrheit näher? Habe ich am Ende ein falsches Bild von mir?

Mir ist die Frage wichtig, weil ich mich nicht in die falsche Richtung entwickeln möchte. Und da ich mich selbst nicht wirklich objektiv beurteilen kann, bin ich auf die Meinung anderer angewiesen. Doch auch die ist ein zweischneidiges Schwert – ich muss lernen, damit umzugehen, wenn ich nicht im einen oder anderen Extrem landen will.

Wenn ich von vorn herein ausschließe, dass jemand etwas sehen könnte, was ich nicht sehe, werde ich jedes kritische Wort entrüstet, verletzt oder selbstgefällig von mir weisen. Damit verschließe ich mich aber auch Veränderungen, die mir nützen und mich weiterbringen könnten.

Manchmal sehen mich Menschen in meinem Umfeld aber auch gern so, wie sie mich schon immer kannten. Wenn ich dann einen Charakterzug oder eine Angewohnheit ablege, die sie besonders anziehend oder angenehm fanden, reagieren sie vielleicht irritiert auf dieses „neue Ich“. Das kann dazu führen, dass jemand versucht, mich weiterhin in die Schablone zu pressen, in der ich ihm am besten gepasst oder am meisten genützt habe. Wenn ich diesem Druck nachgebe, stehe ich mir selbst im Weg.

Wie erkenne ich, dass eine Kritik ins Schwarze trifft und ernst genommen werden sollte? Woher nehme ich die Gewissheit, dass die Veränderung, die ich in mir spüre, gut ist? Neben dem Hören auf Gott, dem ich vertraue, dass er mir die richtige Richtung anzeigt, bin ich schlicht auf echte und tiefe Beziehungen angewiesen – auf Menschen, die mich wirklich kennen, mein Bestes wollen und mich ermutigen, die es aber auch wagen und auf sich nehmen, ehrlich zu mir zu sein und mir auch das zu sagen, was ich nicht hören will. Auch dann liegt es in meiner Verantwortung, was ich mit dieser Information mache. Aber wenn mir niemand etwas sagt, kann ich den blinden Fleck nicht erkennen.

Veränderung wird immer eine Mutprobe bleiben. Ein Flusskrebs muss seinen Panzer abwerfen, damit er weiter wachsen kann. Wenn er es tut, kommt unter dem kleinen Panzer plötzlich ein größeres Tier zum Vorschein, das vorher in einem zu engen Panzer gelebt hat und sich nun endlich richtig ausstrecken kann. Nach dieser Häutung ist der Krebs verletzlich, weil er noch kein neues, hartes Außenskelett hat. Aber er muss das Risiko eingehen – weil er sonst zugrunde gehen würde.

Wir Menschen haben praktischerweise ein Innenskelett, das uns nicht am Wachsen hindert. Doch für unsere innere Veränderung brauchen wir denselben Mut, immer wieder den alten Panzer abzuwerfen, damit unser verändertes, neues Ich Platz bekommt. Wenn wir es nicht tun, riskieren wir innerlich einzugehen und zu verkümmern.

Ich wünsche Dir und mir Menschen in unserem Umfeld, die den Mut haben, uns auf Dinge hinzuweisen, mit denen wir uns und andere behindern, aber auch Menschen, die sich durch unsere Schritte auf neues Land nicht bedroht fühlen, sondern uns antreiben und unterstützen. Die uns beistehen, wenn wir wieder einen schützenden Panzer abgeworfen haben, und uns helfen, in den neuen hineinzuwachsen – damit wir zu dem Menschen werden können, als der wir gedacht sind.

Fragst Du Dich auch manchmal, wer Du wirklich bist, und ob Du in die richtige Richtung steuerst? Oder findest Du, das ist neurotisches Geschwätz :-)? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

Stop 2Rechtzeitig zum Beginn der Fastenzeit habe ich mich an ein Erlebnis erinnert, dass meine Fähigkeit zur Buße und Rückbesinnung in Frage gestellt hat. An
einem meiner Januarmüdigkeitstage fuhr ich ziemlich zerknittert Richtung Bern, um eine Freundin vom Flughalfen in Belp abzuholen. Um mich aufzumuntern und wach zu bleiben, stellte ich die Musik auf Dröhnstufe und sang tapfer vor mich hin.

Als ich gerade gedankenverloren um eine Kurve brauste, sah ich aus dem Augenwinkel, dezent von der Autobahn entfernt, einen Polizeiwagen. Ich nahm den Fuß vom Gas und fuhr weiter, aber ich wusste genau, dass ich deutlich zu schnell gewesen war.

Aargh.

Ich hatte mich sehr auf das Treffen gefreut, aber für den Rest der Fahrt konnte ich nur noch daran denken, was das wohl kosten würde. Ich ertappte mich dabei, wie ich Gott bat, den Kelch an mir vorübergehen zu lassen, und Ihm versprach, von heute an immer straßenverkehrsgesetzkonform unterwegs zu sein. Gleichzeitig ärgerte ich mich –  über mich selbst, weil ich so unvorsichtig gewesen war, und über die Polizei, weil sie nichts Besseres zu tun hat, als die maroden Kantonsfinanzen mit dem Geld unbescholtener Bürger zu sanieren. Man kennt das ja.

Nachdem ich mich damit abgefunden hatte, dass ich auf die Folgen meines Bleifußes keinen Einfluss mehr hatte, ging ich schnurgerade nach „Frommer Christ Art“ dazu über, mich zu fragen, ob Gott mir damit etwas sagen will – dazu sei gesagt, dass ich sehr wohl weiß, dass diese Frage nicht immer Sinn macht. In diesem Fall motivierte sie mich, für einmal mein Verhältnis zu den Autoritäten und Gesetzen meines Landes auf den Prüfstand zu stellen. Denn wenn ich ehrlich bin, stehe ich zwar in den großen Linien zu dem, was gilt – aber in der Umsetzung im Kleinen hapert es oft. Ich nehme es nicht so genau oder ärgere mich über das bürokratische Tamtam.

Schließlich habe mich nach längerem In-mich-Gehen dazu durchgerungen, dass ich kein Recht habe, mich zu beschweren. Ich lebe in einem demokratischen Land. Ich kann mich um ein politisches Amt bemühen und mich für das einsetzen, was ich wichtig finde. Ich kann eine Initiative starten, Petitionen eingeben und was weiß ich was alles. Ich kann meine Meinung an der Urne abgeben. Wird sich alles ändern, wenn ich das mache? Wohl kaum – aber solange ich nur lästere und die „Faust im Sack“ mache, bin ich mit verantwortlich für den Status quo.

Durch diese simple Bußenfrage ist mir auch wieder bewusster geworden, wie die Bibelstellen zur staatlichen Autorität zu verstehen sind. Als Christ werde ich aufgefordert, diese Autorität zu respektieren und die Gesetze zu halten. Nicht, weil es mich teuer zu stehen kommt, wenn ich es nicht tue, sondern aus Achtung vor Gott, der – so verstehe ich diese Verse – auch die Autoritäten meines Landes eingesetzt hat.

Das scheint dem Missbrauch Tür und Tor zu öffnen – aber auch die staatlichen Gesetze und Autoritäten müssen sich dem beugen, was Gott sagt. Und das wiederum nimmt mich in die Pflicht. Sobald die Gesetze von mir etwas verlangen, was Gottes Grundsätzen (z.B. der Würde des Menschen) widerspricht, bin ich in der Pflicht, mich zur Wehr zu setzen und Stellung zu beziehen. Die Beispiele von Gläubigen im Dritten Reich erinnern mich hier daran, dass das Einstehen für meinen Glauben und die Werte, die mit ihm verknüpft sind, radikalen Mut und Opferbereitschaft bedeuten kann. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, bin ich wieder einmal dankbar: dafür, dass ich in einem demokratischen Land lebe, aber auch dafür, dass ich meinen Glauben offen leben und davon erzählen darf. Das ist auch für Christen an vielen Orten der Welt leider bis heute nicht selbstverständlich.

Mit meinem Bleifuß bin ich übrigens nochmal davongekommen. Und in Dankbarkeit und Erleichterung will ich mich künftig nicht mehr beklagen und mich stattdessen brav an die Geschwindigkeitslimiten halten, auch wenn sie manchmal unerklärlich, unvernünftig, idiotisch…aber lassen wir das. Und ich genieße nebenbei das das befreiende Gefühl, dass ich beim nächsten Anblick eines Polizeiautos keine Schweißausbrüche bekommen muss.

Kennst Du das Bleifußproblem, oder fährst Du IMMER anständig?? Und wie leicht fällt es Dir, Dich NICHT über Gesetze und Vorschriften zu ärgern? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

 

SchneeherzMein Deutschlehrer im Gymnasium hat behauptet, dass der Mensch nur von Eigennutz angetrieben wird. Er hat uns aufgefordert, ihm Gegenbeispiele zu liefern, und mit sichtbarem Genuss hinter jeder uneigennützigen Handlung einen egoistischen Urgrund ausgemacht. Vielleicht hatte er damit nicht ganz Unrecht. Etwas zu tun, das als gut und verantwortungsvoll gilt, löst ein angenehmes Gefühl in mir aus. Aber soll das wirklich der Grund sein, aus dem ich „das Gute tue“?

Was meint dieser schwammige Begriff überhaupt? Spenden? Nachbarschaftshilfe? Die Alubüchse nicht in den Hauskehricht werfen?

„Gutes tun“ heisst für mich mehr als „sich richtig verhalten“, sprich Steuern zahlen, Gesetze und Anstandsregeln befolgen. Es bedeutet, sich für andere einzusetzen und Dinge zu tun, die mir nicht unbedingt etwas bringen, sondern den anderen Menschen oder ein grösseres Ganzes im Blick haben. Dieses Bedürfnis, das Gute zu tun, und der Blick für das Ganze sind – so glaube ich – in uns hineingelegt worden. Antoine de St. Exupéry hat es in seinem Buch „Wind, Sand und Sterne“ so ausgedrückt:

„Menschsein heisst verantwortlich sein.
Scham empfinden beim Anblick einer Not,
auch wenn man augenscheinlich nicht schuld an ihr ist.
Stolz sein auf den Erfolg, den die Kameraden errungen haben.
Das Gefühl haben, dass der Stein, den man setzt mitwirkt am Bau der Welt.“

Doch obwohl dieses Gute in uns hineingelegt ist, reicht das bei mir ehrlich gesagt nicht immer aus, um es auch zu tun. Manchmal habe ich schlicht keine Lust, jetzt etwas Uneigennütziges zu tun oder auch nur freundlich zu sein. In diesem Moment kommt aus meinem Herzen nicht viel Gutes – es beherbergt nämlich auch eine Menge weniger noble Beweggründe und Gefühle.

Tue ich das Gute dann doch, so ist es eine Entscheidung wider das Gefühl. Das ist sicher besser, als es nicht zu tun,  und ich bin überzeugt, dass jede solche Entscheidung „gegen das Ego-Gefühl“ mich ein bisschen verändert. Trotzdem sehne ich mich danach,  „das Gute“ selbstverständlicher zu tun – es zu tun, weil es zu meinem Wesen gehört. Und mein Respekt und ein gerüttelt Mass an Bewunderung gehören all denen, die das schaffen, ohne dafür Gottes Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Nicht, dass ich ohne Glauben ein Menschenfeind wäre. Aber ich weiss, dass ich aus mir allein auch mit grösster Anstrengung kein weiches Herz entwickeln könnte. Um mich immer wieder zu entscheiden, das Gute zu wählen – auch wenn ich mich so gar nicht danach fühle – brauche ich Seine Hilfe. Brauche Ihn, der an diesem Herz das Wunder tut.

Was heisst „Gutes tun“ für Dich? Was motiviert Dich? Kämpfst Du manchmal auch mit einem widerspenstigen Herzen? (Und am wichtigsten: wohin wirfst Du die Alubüchse???)

Und wenn Du durchs Feuer gehstIch kann mich nur noch dunkel an meinen katholischen Religionsunterricht in der Grundschule erinnern, aber drei Bilder sind hängen geblieben. Das eine ist das „Hungertuch“, das uns Kinder mit seinen Bildern von Menschen aus der dritten Welt motivieren sollte, unser Taschengeld in das Fastenopfer zu investieren. Das zweite war ein Bild der steinernen Fussabdrücke von Jesus, das die Himmelfahrt symbolisierte. Kürzlich bin ich beim Bibellesen auf einen Ortsnamen gestossen, der ebenfalls eine tiefe Erinnerung ausgelöst hat:

Der Garten Gethsemane.

 

Ein Ort der Verzweiflung – hierhin ging Jesus nach dem letzten Passahmahl, um zu beten, im Wissen um den bevorstehenden Verrat durch Judas, die Verhaftung und die Qualen, die vor ihm lagen.

Ein Ort der Angst, an dem sein Schweiss wie Blut auf die Erde fiel, während er betete und zu seinem Vater schrie.

Ein Ort der Verlassenheit – seine drei Freunde schliefen einen Steinwurf entfernt, als sie ihm beistehen sollten, und nach seiner Verhaftung flohen die Jünger in alle Himmelsrichtungen.

Wenn ich über diesen dunklen Moment in seinem Leben nachdenke, wird mir bewusst, dass Gottes Sohn auch ein Mensch voller Angst war. Vor ihm lag ein Martyrium, dem er sich kaum gewachsen fühlte, und als Mensch bat er Gott, diesen Kelch an ihm vorübergehen zu lassen..

Doch sein Gebet hört hier nicht auf. Jesus beendet es mit den Worten: „Doch nicht wie ich will, sondern wie Du willst.“

Bin ich auch bereit, das, was vor mir liegt, auf mich zu nehmen und Gott rückhaltlos zu vertrauen?

Wir singen in der Kirche manchmal ein Lied, in dem wir unseren Willen bekräftigen, Gott in allen Lebensumständen zu loben. Zwei Zeilen dieses Liedes beschäftigen mich besonders:

Egal, was Du mir gibst
Egal, was Du mir nimmst

 Sie beschäftigen mich, weil sie mein Bild von Gott herausfordern. Nimmt Gott mir Dinge weg? Schlägt und verbindet Er, wie es in der Bibel an einer Stelle heisst? Oder passieren Dinge einfach, und Gott lässt sie „nur“ zu?

Im Jahr, als ich zum Glauben kam, ist meine Mutter mit 55 Jahren an einer Gehirnblutung gestorben. Ich frage Gott immer mal wieder, warum sie so früh sterben musste, und weiss es bis heute nicht. Und was machen Eltern, die ein Kind durch ein Verbrechen verlieren? Menschen, die durch einen Unfall aus einem produktiven Leben gerissen und zur Abhängigkeit verdammt werden?

Ich weiss es nicht. Und so wird auch die Frage, was Gott für mich bereit hält, zu einem zweischneidigen Schwert und zum Prüfstein meines Vertrauens. Kann ich „Egal was Du mir nimmst“  singen, ohne dass es ein mulmiges Gefühl bei mir auslöst?

Ich glaube an Gottes Güte und Souveränität und daran, dass „denen, die Gott lieben, alle Dinge zum besten dienen.“ Trotzdem finde ich keine einfachen Antworten – und ich glaube, das ist auch gut so. Einfache Antworten blenden oft etwas aus, um die Spannung aufzulösen, und genau diese Spannung gehört zum Glauben dazu.

Wenn mich die Unwägbarkeiten des Lebens entmutigen wollen und ich mich frage, warum Gott nicht alles etwas einfacher gemacht hat, blicke ich noch einmal in den Garten Gethsemane. Ich sehe den Menschen Jesus,  der umgeben von schwärzester Verzweiflung und Angst auf dem Boden kniete. Obwohl er wusste, was ihn erwartete, konnte er sein Leben in die Hände Seines Vaters legen und sagen: „Wie Du willst, und nicht wie ich will.“  Er konnte es, weil sein Vertrauen in Gott grösser war als seine Angst.

Es liegt eine unglaubliche Kraft darin, dass Jesus nach seinem Tod auferstanden ist, in mir lebt und ich so mit seiner Lebensgeschichte auf Erden verbunden bin. Egal, was ich durchmache: er hat meine Angst und meinen Schmerz am eigenen Leib erfahren. Und sollte ich in meinem Leben an ein Gethsemane kommen, werde ich diesen dunklen Moment im Gegensatz zu ihm nicht allein durchstehen müssen.

Fürchte Dich nicht denn ich bin bei Dir

„Fürchte Dich nicht, denn ich bin mit Dir.“
Jesaia 41,10

dead poVor einigen Tagen hat die christliche Sängerin Natalie Grant von sich reden gemacht, als sie die Grammyfeier vorzeitig verliess – Teile der Show wurden offenbar sogar von weltlichen Medien als ziemlich okkult beurteilt und provozierten einige Reaktionen. Grant äusserte sich auf Twitter kurz über ihren Entscheid, ohne näher auf den genauen Grund einzugehen. Das wurde nicht überall verstanden und führte zu neuen Spekulationen.

Wir müssen nicht aus der christlichen Ecke kommen, um solche Situationen zu kennen. Wer seinen Grundsätzen treu bleiben will, muss sich ab und zu quer zum Mainstream stellen – und damit gegen den berüchtigten Gleichschaltungsimpuls in uns.

Im Film „Dead Poets Society“ macht der Lehrer John Keating ein interessantes Experiment. Er lässt seine Schüler über den Schulhof spazieren, und das eine ganze Weile lang. Was passiert? Erst läuft jeder für sich, in seinem Tempo und nach seinem Temperament – schlurfend, marschierend, schlendernd, albern oder ernst, gelangweilt oder verträumt. Irgendwann aber beginnen die Schüler, sich einander anzupassen. Ein Alphatier gibt das Tempo vor, die anderen fallen ein, und schon sieht das ganze aus wie eine Kasernenhofübung.

Woher kommt dieser Drang? Ist der Mensch einfach ein Herdentier und passt sich dem dominantesten in der Gruppe an? Wie es bei den Tieren ist, weiss ich nicht so genau, aber ich glaube, wir Menschen möchten einfach so unglaublich gern dazu gehören. Mehr als das – wir wollen den Stempel, dass wir „mittendrin statt nur dabei“ sind. Und wenn wir uns dem Gleichschaltungsimpuls  widersetzen und zu unserer Meinung stehen, müssen wir damit leben, dass man uns belächelt, als schräg und verschroben ansieht oder gar ablehnt. Und genau davor fürchten wir uns.

Ich erlebe das manchmal auf Parties mit Freunden. Ich habe kein Problem, wenn andere trinken und feiern, obwohl ich seit längerem keinen Alkohol mehr trinke. Aber wenn die Feierei ein bestimmtes „Level“ erreicht, habe ich grosse Mühe, das Fest noch zu geniessen. Ich bin dann müde (gerade weil ich nichts trinke) und genervt und möchte nur noch nach Hause. Dann tut es mir weh, wenn man mich als Spassbremse oder Moralapostel wahrnimmt, der ich eigentlich nicht sein will.

Ein weiterer Grund, warum ich manchmal etwas zurückhaltend mit meiner Meinung bin, sind die (leider) zahlreichen Christen, die anderen ihre Ansichten äusserst lieblos und rechthaberisch an den Kopf knallen. Mit diesen Pharisäern möchte ich nicht in einen Topf geworfen werden. Trotzdem möchte ich noch mehr den Mut haben, zu meinen Ansichten zu stehen, auch wenn man mich deswegen ab und zu für weltfremd oder verschroben hält.

Ich kenne einige Menschen, von denen ich mir in dieser Hinsicht noch eine Scheibe abschneiden kann. Sie sagen ihre Meinung gerade heraus und brauchen dafür nicht einmal überirdische Hilfe. Dagegen bin ich ein bekennender Hasenfuss   – ohne einen beherzten Tritt von oben geht es nicht.

Ich glaube, so lange wir es mit Respekt und Liebe tun, ist unser Beitrag nicht nur okay, sondern dringend notwendig – gerade und besonders dann, wenn es gegen den „Mainstream“ geht. Auf dem Spiel stehen heute Grundsätze wie die Würde und der Wert jedes Menschen, die nicht noch weiter relativiert werden dürfen, sondern unverrückbar sind und bleiben sollen.

Wie sieht es bei Dir mit dieser „Courage“ aus? Fällt es Dir leicht, Deine Meinung zu sagen, oder bist Du auch ein alter Hasenfuss wie ich? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

Kappeli TurmAls ich die Mittelschule besuchte, bestand mein politisches Feindbild aus einem Aufkleber. Er prangte vor allem auf den Ledermappen der Mitglieder einer bestimmten Mittelschulverbindung. Der Kleber zeigte ein hehres Schweizer Kreuz auf rotem Grund und den sagenhaften Satz: „Ich bin stolz, ein Schweizer zu sein.“

Mir ist heute noch schleierhaft, wie man auf etwas stolz sein kann, auf das man erwiesenermassen überhaupt keinen Einfluss gehabt hat. Aber immerhin: es gab Menschen, die so etwas kauften und öffentlich sichtbar herumtrugen, und es gab die Kleber. Einen entsprechenden Kleber für meinen Wohnort Grenchen habe ich bisher erfolglos gesucht.

Das liegt sicher an der öffentlichen Wahrnehmung. Als mein Mann und ich vor etwa vier Jahren in meine alte Heimat zurückgezogen sind, musste er mehrere Gespräche wie dieses führen:

„Ich werde im März umziehen.“
„Wohin zieht Ihr?“
„Nach Grenchen.“
„Wieso DAS denn?!“
„Meine Frau ist dort aufgewachsen.“
„Ach so! Aber trotzdem…“

Nach Grenchen zieht man einfach nicht. Der Steuerfuss ist hoch, und die schöne Barock-Altstadt liegt 15 Kilometer ausserhalb – nach dem blauen Schild mit der Aufschrift „Solothurn“. Und obwohl Grenchen 2008 den Wakker-Preis „für beispielhaften Ortsbildschutz“ gewonnen hat, werden wir das Etikett der „hässlichsten Stadt der Schweiz“ einfach nicht los.

Trotzdem lebe ich gern hier. Grenchen ist Teil meiner DNA, und ich passe hierher. Hier begegnen mir auf Schritt und Tritt meine Wurzeln und die Erinnerungen an meine ersten zwanzig Lebensjahre. Die Kellerdisco, in der ich zum ersten Mal „im Ausgang“  war (liebe Nicht-Schweizer: das hat nichts mit Gefängnis oder Militärdienst zu tun). Das Kino, in dem ich meinen ersten Film gesehen habe (ich glaube, es war „Beverly Hills Cop 1“). All die Schulhäuser, in denen ich ein- und ausgegangen bin. Das riesige Steindenkmal von Hermann Obrecht, dem bisher einzigen Grenchner Bundesrat.

GrenchenMeine Stadt braucht keine alten, schmucken Gebäude, um mein Herz zu gewinnen. Sie war einst ein Bauerndorf, wurde zur Arbeiterstadt und hat sich zu einem Ort entwickelt, an dem es sich gut leben lässt. Und dass andere das fast nicht glauben können, macht es noch lustiger. Gern in Grenchen zu leben ist wider den Zeitgeist – und darin ähnelt es dem Bekenntnis, ein Fundi-Christ zu sein.

Reaktionen auf ein „Bekenntnis der brennenden Nachfolge“ reichen vom erwähnten „Wieso DAS denn?!“ über ein verlegenes Schweigen bis hin zu Sätzen wie: „Zum Glück ist Dein Mann ja vernünftig, dann gleicht sich das aus.“ Oder „Ist ja ok, für Gott zu sein, aber man kann auch völlig abheben und zu viel…“

Kann man nicht.

Natürlich kann ich Fehler machen. Wenn ich etwas mit Leidenschaft tue, kann ich übers Ziel hinaus schiessen oder mich verrennen – solche Beispiele finden sich auch in der Nachfolge in rauen Mengen. Aber Gott zu sehr lieben – das geht nicht. Und mein Massstab, ob ich noch auf Kurs bin, ist neben der Bibel die Liebe, die ich für andere Menschen mitbringe. Solange diese Liebe wächst, ist alles in Butter.

Ich werde nie genug von Gott haben. Und ich möchte noch viel verrückter werden, wenn es um ihn geht – getreu nach dem Motto von John Wimber:

„I’m a fool for Christ – who’s fool are you?”

Und ich hoffe, dass auch in meiner Stadt noch mehr von der verrückten Freiheit sichtbar wird, die das Leben mit Gott bietet. Mein Beitrag dazu ist, dass ich so gut ich kann seine Werte lebe, seine Liebe weitertrage und ihn schamlos bekenne.

Womit ich letzteres getan habe.