baby-428395_1280Das Thema Abtreibung hat schon immer für reichlich rote Köpfe gesorgt, und ich habe mich gern herausgehalten. In den letzten Wochen hat sich die Debatte wegen der amerikanischen Non-Profit-Organisation „Planned Parenthood“ noch verschärft, und der auf meinen Facebook-Feed niederprasselnde Geschützdonner hat mich nun doch hinter dem Busch hervorgeholt.

Für die, die das nicht verfolgt haben: „Planned Parenthood“ bietet in über 700 Kliniken medizinische Dienste vor allem in den Bereichen Sexualmedizin, Gynäkologie und Familienplanung an, und ein Großteil ihrer Arbeit dreht sich um Abtreibungen. Seit einiger Zeit sind Videos im Umlauf, die Abtreibungsgegner heimlich mit einer Mitarbeiterin der Organisation gedreht haben. Sie hatten im Gespräch vorgegeben, am Kauf von Fötus-Organen interessiert zu sein, und im Video hört man die Mitarbeiterin bei einem grünen Salat und einem Glas Wein darüber sprechen, wo man einen Fötus am besten zerdrückt, um die gewünschten Organe unversehrt zu lassen.

Ich habe mir das Video angesehen, und es dreht einem zugegebenermaßen fast den Magen um. Jeder Satz schreit förmlich heraus, wie pervertiert die Sicht unserer Gesellschaft auf das ungeborene Leben ist. Weniges ist bei uns so wert- und schutzlos wie dieses Leben: wie Karen Swallow Prior es in einem exzellenten Post ausgedrückt hat, bezeichnen wir es in grenzenloser Heuchelei als „Babies“, wenn es erwünscht ist, und degradieren es zu einer Sache, wenn es uns gerade nicht in den Kram passt.

Manchmal habe ich den Egoismus, die Gedankenlosigkeit und die Gleichgültigkeit, die aus unserem Umgang mit diesem Leben sprechen, einfach satt. Dann würde ich militanten Befürwortern gern etwas in dieser Währung sagen: „Es ist also DEIN Körper, DEIN Leben. Warum übernimmst Du dann nicht die Verantwortung dafür, BEVOR Du ein Leben erschaffen hast, für das Du dann nicht einstehen willst?“ Und ein paarmal hat mein Finger gezuckt, wenn ein schön plakatives Post in meinem Facebook-Feed aufgetaucht ist. Warum nicht EINMAL der Welt demonstrieren, wie pervers sie doch ist?

Am Ende habe ich keines von beiden getan, und zwar aus gutem Grund: weil ich das Thema nicht nur aus diesem Blickwinkel sehen kann.

Ich halte Abtreibung für falsch und für eine Tragödie. Nach meinem Glaubensverständnis darf weder ich noch sonst jemand entscheiden, ob ein Mensch leben darf oder nicht. Ich darf mir aber als Christ auch nicht den Luxus erlauben, die Welt nur so zu sehen, wie sie sein sollte, während ich geflissentlich Leid, Schmerz und Not ignoriere, die neben Gedankenlosigkeit und Egoismus eben auch hinter solchen Entscheidungen stehen.

Ich würde gern in einer Welt leben, in der es keine Gesetze braucht. In der es weder ein Verbot noch eine Regelung für Abtreibung gibt, weil niemand auf eine solche Idee kommt. Eine Welt, in der Menschen verantwortlich zusammenleben, in der Sex Ausdruck von Liebe in einer verbindlichen Beziehung und die Schwangerschaft ein Geschenk ist, das freudig empfangen wird.

Aber in dieser Welt leben wir nicht. Wir leben in einer gefallenen Welt, in der Gottes Reich zwar immer wieder durchscheint, aber nun einmal noch nicht zum Durchbruch gekommen ist. In dieser Welt gibt es Egoismus, Bösartigkeit, Armut, zerbrochene Beziehungen, und damit gedankenlosen Sex, Vergewaltigungen, finanzielle Not und zerbrochene Familien. Und das alles bringt Situationen hervor, in denen eine Schwangerschaft eine Frau in tiefste Verzweiflung stürzen kann.

Als Christen können wir natürlich für Gesetze kämpfen, die das ungeborene Leben schützen. Meiner Meinung nach sollten wir aber nicht vergessen, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe des Staates ist, Gottes Gesetze durchzudrücken, und wir sollten unsere Energie nicht darauf verschwenden, einen Gottesstaat christlicher Prägung zu errichten. Und genauso wenig sollten wir unserem Zorn und unserem Schmerz dadurch Ausdruck verleihen, dass wir uns in selbstgerechten, verurteilenden Posts abreagieren, wie sie in letzter Zeit meinen News-Feed zumüllen.

Ich verstehe Euch ja: Euer Blut kocht, und es tut Euch in der Seele weh, wenn ungeborenes Leben wie Abfall behandelt wird. Aber wir sollten nie vergessen, dass wahrscheinlich nur eine Minderheit leichtfertig abtreibt. Und selbst wenn es mehr sind: versetzen wir uns nur einmal in die Lage einer Frau, die sich in seelischer Not befindet und keinen Ausweg weiß. Die es wegen Familie und Umfeld nicht wagt, das Kind zu behalten oder es auszutragen und zur Adoption freizugeben. Wir sollten uns fragen, ob wir in ihrer Lage, ohne unseren Weg, der uns auch den Wert des ungeborenen Lebens bewusst gemacht hat, vielleicht die gleiche Entscheidung gefällt hätten. Und dann sollten wir unser Post noch einmal anschauen und uns fragen, ob wir damit irgendetwas besser machen. In der Regel nicht, denn hartherzige Egozentriker erreichen wir damit sowieso nicht. Aber wir versetzen einer solchen Frau einen zusätzlichen Stich in eine blutende Wunde un verhindern damit zuverlässig, dass jemals eine Frau in Not auf uns zukommt.

Doch genau hier wäre unser Platz. Anstatt unsere Wut in Posts abzulassen, könnten wir konkret für das ungeborene Leben einstehen. Aber wie?

Akzeptieren wir, dass wir in dieser gefallenen Welt leben.
Ich wiederhole mich, weil es zwar schmerzlich, aber dennoch wahr ist: Menschen haben nicht nur Sex, wenn sie verheiratet sind und Kinder wollen. Menschen sind unvorsichtig, Frauen werden ungewollt schwanger. Frauen werden vergewaltigt, Frauen leben in Armut und haben Angst; Frauen glauben, dass sie es nicht schaffen, weil sie keine verbindlichen Beziehungen haben, auf die sie bauen können. Diese Welt gibt es, und sie verschwindet nicht auf einen Schlag. Leben wir darin, wie es unsere Aufgabe ist. Sehen wir hin, auch wenn es weh tut.

Schaffen wir ein „Pro-Life“-Umfeld, indem wir uns um das GEBORENE Leben kümmern
Als Christen können wir ein Umfeld schaffen, in dem Menschen den Wert des Lebens kennen, schätzen und respektieren, wenn sie durch uns Wertschätzung am eigenen Leib erleben. In meiner Gemeinde wurde eine junge Frau schwanger, ihre Beziehung zerbrach. Ich habe ihren Entscheidungsprozess nicht erlebt, aber ich habe mitbekommen, wie sie unterstützt wurde und wie sehr ihr die eigene Familie beigestanden ist. Sie hat inzwischen erfolgreich ihre Ausbildung abgeschlossen, und ihre Eltern zeigen jeden Tag, wie stolz sie sind und wieviel Freude sie an ihrer Enkeltochter haben.

Stehen wir mutig zu unserer Sicht
Nur, weil der Staat etwas erlaubt und es somit legal ist, muss es nicht in Ordnung sein. Kein Mensch kann sagen, wann die Seele in den Menschen kommt und das Leben anfängt, aber niemand wird bestreiten, dass es vor der Geburt beginnt. Erinnern wir daran, dass eine Abtreibung gewaltsam ein Leben beendet. Wenn wir Abtreibung verharmlosen oder dazu schweigen, entwerten wir nicht nur das ungeborene Leben: wir tun auch den Frauen keinen Gefallen, die vor dieser Entscheidung stehen. Viele Frauen, die sich für eine Abtreibung entscheiden, leiden später darunter, und ich glaube, das hat mit diesem beendeten Leben zu tun. Einer der Gründe, warum das „Planned Parenthood“-Video so an die Nieren geht, ist, dass die Mitarbeiterin einzelne Organe benennt. Damit widerspricht sie ungewollt dem oft verwendeten Bild vom „Zellhaufen“ und sagt, worum es sich wirklich handelt: um Organe eines lebenden menschlichen Wesens. Wenn sich uns eine Frau in ihrer Not anvertraut, sollten wir ihr einfühlsam beistehen, ihr aber auch diese Sicht zumuten – nicht nur zum Schutz des ungeborenen Lebens, sondern zu ihrem eigenen Schutz im Entscheidungsprozess.

***

Abtreibung ist ein schmerzliches, grausames und unerträgliches Brandzeichen unserer gefallenen Welt. Sie muss, nein, sie darf uns nicht gefallen. Tun wir, was in unserer Macht steht, um ungeborenes Leben zu retten.

Schaffen wir ein Umfeld, das Menschen in Not anzieht. Stehen wir denjenigen bei, die in solchen Situationen stehen und keinen Ausweg wissen.

Sehen wir es als Aufgabe, Abtreibung weder schönzureden noch zu versachlichen, sondern klar darzulegen, was es ist, und Menschen dennoch mit Mitgefühl und Barmherzigkeit zu begegnen.

Und vergessen wir in unserem Zorn und unserem Schmerz nicht, dass das Auslöschen eines Lebens bei einer Abtreibung Gott zwar niemals gefallen wird, dass seine Barmherzigkeit aber grösser ist – und unsere es auch sein sollte.

Spazgang GottHeute ist selbst ernannter „schräger Sonntag“, darum einmal eine ganz besondere Geschichte. Das Folgende hat sich exakt so zugetragen – die Hand drauf…

Kürzlich befand ich mich bei wieder einmal angenehmen Temperaturen auf meinem neu eingeführten „strammen Abendspaziergang“. Ich war bereits auf dem Weg nach Hause und wie immer, wenn niemand in der Nähe ist, im hörbaren Gespräch mit Gott. Wie so oft redete ich mit ihm über die Menschen in meinem Leben und über alles, was mir sonst so auf dem Herzen liegt. Es hörte sich gerade so an:

„Herr, bitte sei xy in den nächsten Wochen nahe. Schenk mir Weisheit, wenn es darum geht, ob ich über Dich sprechen und was ich sagen soll. Ich vertraue Dir, dass Du mir die richtigen Worte eingibst und mir sagst, wann ich mich zurückhalten soll. Und hilf Du mir und den Menschen, die ich liebe, immer näher an den Ort zu kommen, an dem wir unsere, Deine ganze Kraft entfalten und Dein Reich weitertragen können. Ich vertraue Dir, dass Du mich zurüstest und bewahrst.“

In diesem Moment hörte ich die Stimme aus dem Off, und es entspann sich folgendes Gespräch.

„Ich glaube, das reicht für heute, meinst Du nicht?“

„Wer spricht da?“

„Genug gearbeitet. Lass uns etwas chillen.“

„Herr???“

„Wer sonst? Und jetzt zur Sache: Dein Auftrag in Ehren – glaub mir, ich nehme ihn sehr ernst. Ich helfe Dir, öffne Dir die Türen, das volle Programm. Aber jetzt will ich einfach ein bisschen mit Dir zusammen sein.“

„Oh…! Ehrlich, es entlastet mich zu wissen, dass Du Dich um alles kümmerst, was außerhalb meiner Macht liegt. Und es berührt mich, dass Du einfach meine Gesellschaft willst.“

„So ist es. Und wie wäre es, wenn Du mir jetzt diesen Joplin-Song singst?“

„Joplin? Welchen denn?“

„Na den mit dem Auto und dem Fernseher!“

„Doch nicht „Mercedes Benz“?

„Genau den! Ich liebe ihn.“

Aber er ist völlig respektlos und ketzerisch!“

„Ach was. Erstens sage ich hier, was ketzerisch ist, und zweitens singt Janis doch nur ein satirisches Lied auf all diejenigen, die mich als Gebetserfüllungsautomaten sehen und neben materiellen Gelüsten nicht wissen, was wirklich wichtig ist. Das müsste Dir doch gefallen, als ursprünglicher Sozi! Also mach mal.“

„Na gut. (Räusper)

Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz?
My friends all drive Porsches, I must make amends.
Worked hard all my lifetime, no help from my friends,
So Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz?

Oh Lord, won’t you buy me a color TV?
Dialing For Dollars is trying to find me.
I wait for delivery each day until three,
So oh Lord, won’t you buy me a color TV?

Oh Lord, won’t you buy me a night on the town?
I’m counting on you, Lord, please don’t let me down.
Prove that you love me and buy the next round,
Oh Lord, won’t you buy me a night on the town?

Everybody!
Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz?
My friends all drive Porsches, I must make amends,
Worked hard all my lifetime, no help from my friends,
So oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz?

“Na also – hat doch gar nicht wehgetan! Das war toll.“

„Danke Dir! Aber dass Du dieses Lied wolltest, und von Joplin…es gibt doch so viele schöne Worshipsongs!“

„Na klar, aber auch viele andere gute Musik! Ich liebe Janis auch – und sie war so begabt. Es bricht mir das Herz, dass sie sich so zugrunde gerichtet hat.“

„Dein Herz ist einfach unsagbar gross…Du bist Hammer, Herr!“

„Ich weiss. Du aber auch – schliesslich weiss ich, was ich mache. Und nächstes Mal singst Du mir dieses lustige Lied aus „Meaning of life“ mit den vielen Kindern.“

„Herr – das kann unmöglich Dein Ernst sein!“

„Hehe – nur ein kleiner Scherz am Rande. Übertreiben wollen wir es nicht; ich habe ja einen Ruf zu verlieren oder so.“

„Das beruhigt mich! Aber das bisschen göttlicher Spass hat gut getan – jetzt kann ich mich wieder meinen Aufgaben widmen.“

„Tu das. Aber vergiss nicht zu chillen und ab und zu einfach so mit mir Zeit zu verbringen. Das hat mein Sohn auch immer getan, als er bei Euch unten war, und das wünsche ich mir am allermeisten. Mit Dir zusammen zu sein.“

„Danke, das werde ich.“

„Und lass ein bisschen lockerer, ok? Du kannst nicht alles kontrollieren. Und ich bin ja auch noch da.“

„Ich weiss. Danke Vater.“

„Gern geschehen.“

In diesem Sinne allen einen schönen Sonntag mit vielen himmlischen Begegnungen der besonderen Art…!

SteilwandIch weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich bin selten zufrieden mit dem, was ich gesanglich, schreibtechnisch, organisatorisch oder zwischenmenschlich hinkriege – es geht immer noch besser. Das stresst mich in der Regel nicht, solange ich mir eine Portion gesunden Realismus bewahre.

Damit kann ich einschätzen, ob ich die „Mängel“ mit mehr Übung oder gutem Willen hätte beheben können oder ob es einfach das Beste war, was ich momentan schaffe. Solange ich diese Unterscheidung mache, kann ich motiviert nach meinem Ideal streben und das Potential anzapfen, das in mir schlummert.

Drifte ich aber in Richtung Perfektionismus ab, wird es gefährlich.

Wenn ich Lee Harpers „Wer die Nachtigall stört“, einen Krimi von Dick Francis oder einen Thriller von Stephen King lese, weiß ich, dass ich genau so schreiben möchte. Mir ist aber klar, dass noch ein langer Weg vor mir liegt und ich das hier und heute nicht so hinkriegen werde. Wenn ich versuche, einen Song von Eva Cassidy detailgetreu nachzusingen, spornt mich das an, und ich habe so schon viel gelernt. Wenn ich aber erwarte, dass ich mich jetzt so anhöre wie sie und das Gefühl habe, versagt zu haben, wenn dem nicht so ist, gebe ich vielleicht auf – oder ich rede mir ein, dass ich genauso klinge und alles super ist.

Wenn er uns dazu verführt, aufzugeben oder unsere Leistung schönzureden, kann der Drang nach Perfektion paradoxerweise gerade verhindern, dass wir uns entwickeln und unser Potential ausschöpfen. Und während das bei unseren Talenten schon sehr schade ist, hat es verheerende Folgen, wenn es um unseren Charakter geht.

Wir haben alle noch eine Menge Luft nach oben. Die einen gehen Konflikten gern aus dem Weg, andere neigen zu Ungeduld und Unbeherrschtheit oder dazu, abfällig über andere zu sprechen. An diesen Neigungen können wir arbeiten, uns verändern und verändern lassen. Wenn wir von uns aber Perfektion erwarten und uns bei jedem Ausrutscher das Gefühl beschleicht, versagt zu haben, laufen wir Gefahr, unsere Augen vor diesen Schwächen zu verschließen. Damit verweigern wir uns dem Wachstum und kommen vielleicht nie an den Ort, den Gott für uns vorgesehen hat – oder wir kommen unvorbereitet dort an und produzieren am Ende mehr Schaden als Gutes.

Wie kommen wir aus der Perfektionsmusfalle heraus? Ein Schlüssel für mich war die erstaunliche Veränderung des Hitzkopfs Petrus.

Als er Jesus auf dem See Genezareth begegnete, hatte Petrus gerade eine Nacht lang erfolglos versucht, Fische zu fangen. Jesus wies ihn an, die Netze noch einmal am selben Ort auszuwerfen, und obwohl Petrus sich nicht viel davon versprach, tat er es. Als die Netze sich daraufhin zum Bersten füllten, war er tief erschüttert.

„Als aber Simon Petrus das sah, fiel er zu den Knien Jesu und sprach: ‚Herr, gehe von mir hinweg, denn ich bin ein sündiger Mensch.’“ (Lukas 5,8)

Der Anblick dieses Wunders machte Petrus klar, dass Jesus kein gewöhnlicher Rabbi, sondern, wie er später zu Jesus sagte, „Der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ war. Und die Vorstellung, mit all seinen Schwächen und seiner Sündhaftigkeit dem Heiligen so nahe zu sein, entsetzte ihn.

Am Ende des Neuen Testaments begegnen wir einem völlig anderen Petrus. Nach der Auferstehung Jesu fischten die Jünger wieder am See Genezareth und fingen einmal mehr gar nichts. Da rief ihnen Jesus vom Ufer aus zu, die Netze auszuwerfen. Die Jünger erkannten den Auferstandenen nicht, aber sie gehorchten und sahen auch dieses Mal, wie sich die Netze füllten und zu reißen drohten. Daraufhin erkannte Johannes Jesus und sagte zu Petrus, dass es der Herr sei. Und was tat Petrus?

„Als nun Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er das Obergewand um sich, denn er war nur im Untergewand, und warf sich in den See.“ (Johannes 21, 7)

Die anderen Jünger fuhren mit dem Schiff zum Ufer, aber Petrus konnte nicht warten. Der Mann, der sich einst für seine Sündhaftigkeit geschämt und Jesus gebeten hatte, sich von ihm zu entfernen, warf sich voll bekleidet ins Wasser, um seinem Freund und Herrn so schnell wie möglich wieder nahe zu sein.

Wie war dieser Wandel möglich? Hatte Petrus in den paar Jahren bewiesen, dass sein Charakter ohne Fehl und Tadel war und er es sich verdient hatte, in Jesu Nähe zu sein? Eher nicht. Tatsächlich hatte Petrus erst vor ein paar Tagen ein vollmundiges Versprechen ewiger Treue geleistet und gleich darauf schändlich versagt.

Nach dem letzten gemeinsamen Mahl hatte Jesus seine Jünger damit konfrontiert, dass sie ihn alle verlassen würden. Petrus widersprach heftig und beteuerte, er würde Jesus auch ins Gefängnis und in den Tod folgen, worauf Jesus erwiderte, bevor der Hahn krähe, werde ihn Petrus nicht nur einmal, sondern gleich dreimal verleugnen.

Jesus sollte recht behalten. Als Petrus mit ansehen musste, wie man seinen Herrn abführte und die Option „Gefangennahme und Tod“ plötzlich real wurde, schrumpften all seine heißblütigen Beteuerungen in sich zusammen. Bevor er wusste, was passiert war, hatte er dreimal behauptet, Jesus nicht zu kennen. Der Hahn krähte, Petrus realisierte seinen Verrat – und weinte bitterlich.

Diese Ereignisse sind noch frisch, als Petrus Jesus am See begegnet, und dennoch versteckt er sich nicht voller Scham, sondern stürzt sich kopfüber in die Fluten, um bei Jesus zu sein. Was war geschehen?

Ich glaube, mit der Auferstehung Jesu wurde Petrus klar, dass Jesus durch seinen Tod und seine Auferstehung Sünde und Tod endgültig besiegt und damit jeden Menschen mit sich selbst und mit Gott versöhnt hat. Petrus begriff, dass ihn nun keine Charakterschwäche und kein Fehlverhalten mehr von seinem Gott trennen konnten, weil sein Herr all das mit ans Kreuz genommen hat. Ihm wurde klar, dass an diesem Kreuz auch sein altes Ich gestorben und er selbst als neuer Mensch auferstanden war – als Mensch, der nach wie vor gegen Schwächen kämpft, der aber nicht mehr danach handeln muss und ungeachtet seines täglichen „Erfolgs“ auf ewig erlöst ist.

Gott weiß, dass ich Luft nach oben habe. Dennoch nimmt er mich im aktuellen, verbesserungswürdigen Zustand uneingeschränkt an. Das hilft mir, mutig auf meine Schwächen zu blicken und nicht daran zu verzweifeln. Es ermöglicht mir, einem vielleicht unerreichbaren Ziel nachzueifern, daran zu wachsen und dennoch jeden Tag mit dem zufrieden zu sein, was ich schon erreicht habe.

Und so macht mir Wachsen und Lernen Freude – und sogar das Straucheln wird zu einer zwar nicht angenehmen, aber doch erhellenden Erfahrung, die mich der Erkenntnis, dass ich Gott brauche, und damit Gott selbst immer näher bringt.

Wie geht es Dir mit dem Thema Perfektion? Bist Du da „voll easy“ und entspannt, oder erwartest Du immer sehr viel von Dir? Und was hilft Dir, loszulassen?

Holy Duck!
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Mein Glaube hat mich in 11 Jahren auf schwindelnde Höhen und durch dunkle Täler geführt. Wie die meisten Menschen kenne ich Momente des Zweifels, und nicht all meine Fragen sind beantwortet. Dennoch habe ich keinen Moment ernsthaft daran gedacht, meinen Glauben aufzugeben – und der Grund dafür ist, dass ich auf die Frage, warum ich glaube, Antworten habe, die mich bestärken.

 

Und das sind sie.

GNADE – Weil Gott mich hingeführt hat
Das wäre der fromme Teil in aller Kürze: Meine frisch gläubige Schwester und ein berührender Gottesdienst haben mich immer näher an die zentrale Frage herangeführt, wer Jesus ist. Nach der Lektüre verschiedener Bücher, viel innerem Kampf und einer kräftigen Dosis Heiliger Geist kam ich an den Punkt, wo ich zu dem, was Jesus selbst über sich gesagt hat, ja sagen musste. Also tat ich das für mich einzig Logische – und bekehrte mich.

WHO I AM – Weil ich „Ich“ werden und sein darf
„Fromm“ zu werden hat auf geistlicher Ebene sofort alles verändert. Auf der Menschlichen dauert es etwas länger, aber seit 11 Jahren darf ich unter sanfter Führung Schritt für Schritt ablegen, was mich behindert – Lügen über mich selbst, schlechte Angewohnheiten und zerstörerische Denkmuster. Nach und nach hat sich herausgeschält, wer ich wirklich bin. Ich durfte meine Berufung entdecken und erkennen, dass selbst meine Schwächen in Gottes Plänen Sinn machen und Gutes hervorbringen können.

FREEDOM – Weil das Leben so viel freier und reicher geworden ist
Früher habe ich mich ständig gefragt, was ich tun muss, damit andere mich mögen. Ich wollte alles gut und ja keinen Fehler machen, wollte „passen“. Gleichzeitig wollte ich nie das, was „man“ gemeinhin so wollen soll – Karriere, Ansehen, Erfolg. Hinter meiner äußeren Angepasstheit und Korrektheit verbarg sich eine Künstlernatur, und so war ich nie richtig glücklich, weil ich so, wie ich eigentlich war – leicht exzentrisch, kreativ, intensiv – nicht zu sein wagte. Heute schere ich mich einen Deut um das, was gerade angesagt ist, und fühle mich frei, der komische Typ zu sein, der ich eben bin. Ich tue, was ich für richtig halte, solange es den Werten entspricht, die mein Glaube mir gibt. Die Werte unserer Gesellschaft ändern sich ständig und pressen Menschen in Formen, die ihnen manchmal überhaupt nicht entsprechen, doch der unerschütterliche Wert, den ich bei Gott habe, hat diese Form gesprengt und lässt mich genau der Mensch sein, der ich sein will und soll.

WIN WIN – Weil auch andere mehr von mir haben
Als ich meinen Wert davon abhängig machte, ob ich gemocht werde und „man“ gut findet, was ich mache, war ich auf andere Menschen fixiert, ohne mich wirklich für sie zu interessieren. Ich achtete peinlichst auf alles, was sie sagten und mit ihrer Mimik ausdrückten, aber es ging nur um mich. Mag er mich? Missbilligt sie meine Meinung? Finden sie mich „daneben“? Heute kann ein befremdeter Blick mich nicht mehr erschüttern, und gleichzeitig gehe ich ganz anders auf Menschen zu: Ich interessiere mich für mein Gegenüber, seine Meinung und sein Leben und habe keine Angst vor dem, was er sagt oder denkt – es ändert ja nichts an dem, was ich bin und glaube. Andere Interessen und ein anderer Glaube sind keine Bedrohung für mich. Ich kann andere annehmen, wie sie sind, und ihnen die Wertschätzung geben, die ich selber von Gott erhalte.

A NEW DAY: Weil ich immer wieder neu anfangen kann
Wir sind, sobald wir uns zu Gott bekehren, bekanntlich Heilige, aber wir können noch Fehler machen und nutzen die Gelegenheit leider auch. Gott weist mich immer wieder darauf hin, dass ich noch „Luft nach oben“ habe. Gerade realisiere ich, dass ich mich trotz meines eher stoischen Temperaments nicht immer im Griff habe, wenn ich herausgefordert werde, und dass meine Gabe, mich pointiert auszudrücken, unter diesem Einfluss zu einem Instrument werden kann, das andere verletzt. So eine Erkenntnis tut weh, und die Konsequenzen aus falschen Handlungen lassen sich nicht immer umkehren. Doch ich weiß, dass meine Fehler von gestern, heute und morgen bei Gott vergeben sind und ich jeden Tag eine neue Chance erhalte, zu lernen, zu wachsen und es besser zu machen. Die Dankbarkeit gegenüber dieser unverdienten Gnade befeuert mich und stärkt meinem Willen, mich in sein Bild verändern zu lassen.

LIVE NOW – Weil im Jetzt Leben „Hammer“ ist
Dieses Wissen hat mich auch mit meiner Vergangenheit versöhnt und nimmt mir die Angst vor der Zukunft. Ich bin frei, im Heute zu leben – dem einzigen Ort, an dem ich etwas bewirken und zugleich der einzige Ort, an dem ich Gott wirklich erleben kann. Anstatt mich zu fragen, was ich tun soll, wenn X oder Y eintrifft, mit dem zu hadern, was ist oder meine Energie auf „wenn ich dann einmal…“ zu verschwenden, lebe ich jetzt. Ich entscheide heute, was ich tun kann, um mein Leben zu verändern und dahin zu kommen, wohin ich will. Und mit Gott als Führung weiß ich, ob ich in die richtige Richtung gehe.

JUST JESUS – Weil Jesus real und wunderbar ist
Die Gegenwart Gottes ist nicht jeden Tag gleich spürbar, aber manchmal, wenn ich am Morgen einen Song anstimme und mein Herz auf ihn ausrichte, spüre ich seine Gegenwart auf eine Art, die mir die Tränen in die Augen treibt, mein Herz öffnet und weich macht und mich tief verändert. Sie führt mich zur Buße, wenn ich es nötig habe. Sie vergrößert meine Liebe für andere Menschen. Und sie lässt mich erkennen, dass all das, was hier auf Erden abgeht, nur ein Abklatsch von dem ist, was wir eines Tages erleben werden. In Jesus habe ich einen Gott, der mir so nahe ist wie niemand sonst, weil er mich als Gott durch und durch kennt und zugleich Mensch war.
Dieser „abscheuliche Vorteil des Feindes“, wie es der Oberteufel Screwtape in C.S. Lewis‘ „Dienstanweisung für einen Unterteufel“ nennt, dass er weiß, wie es ist, ein Mensch zu sein, ist das tröstlichste, wunderbarste und unfassbarste an meinem Gott – neben seiner unglaublichen Liebe für seine Geschöpfe. Die Teufel bei C.S. Lewis kommen trotz tausendjähriger Forschungen nicht dahinter, was Gott wirklich von uns, diesen „erbärmlichen Zwittern aus Fleisch und Geist“ will, und warum er uns geschaffen hat, weil sie das Konzept der Liebe nicht verstehen und es für einen Vorwand halten. Deshalb werden sie nie verstehen, was uns zu Gott zieht.

NO TURNING BACK!
Für mich gibt es kein Zurück, auch wenn ich nicht rund um die Uhr Hosianna und Halleluja schmettere. Doch durch jeden Tag zieht sich die Freude an seiner Gegenwart in meinem Leben, seiner Führung in allem, was ich tue, und die Aussicht auf eine Zukunft bei ihm, die alles übersteigt, was wir uns vorstellen können.

Um es in den Worten von Hiob zu sagen:
„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“

Was ist die grösste Freude, die Du aus Deinem Glauben ziehst? Es muss natürlich nicht der gleiche Glaube sein. Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

mountaineer-391948_1280Wenn man mich nicht gerade auf den ersten Blick für arrogant hält (was vorkommen kann), werde ich oft als bescheidener Mensch wahrgenommen. Das trifft es auch nur halb: ich weiß, was ich kann und worin ich gut bin. Unter anderem sehe ich mich als Menschen, der mit Intelligenz, Weitsicht und Durchblick gesegnet ist und gern Neues lernt, um die Welt immer besser zu verstehen.

Bildquelle: Pixabay

All diese Eigenschaften empfinde ich als tiefe Bereicherung – und bin gleichzeitig froh und dankbar dafür, „arm im Geiste“ zu sein.

Lange hatte ich mit der Aussage Jesu aus dem Matthäus-Evangelium meine liebe Mühe. „Selig sind die Armen im Geiste, denn ihnen gehört das Himmelreich?“ Das klang für mich haarscharf wie das Gegenteil dessen, was ich oben formuliert habe. War der Zusatz „im Geiste“ allenfalls gar nicht Originalton Jesus? Und wenn er es doch war – warum erbten nur die geistig Armen das Himmelreich? Was war mit Leuten wie mir, die für sich in Anspruch nehmen, mehr als das intellektuelle Einmaleins zu beherrschen?

Schlauer wurde ich erst, als ich mich intensiver mit dieser Bibelstelle auseinandersetzte. Natürlich wird sie unterschiedliche interpretiert, aber mir half auf die Sprünge, was der katholische Theologe Johann Baptist Metz in seinem Werk „Die Armut im Geiste“ geschrieben hat:

„Mensch werden heißt – ‚arm‘ werden, nichts haben, auf das man vor Gott pochen könnte, keine andere Stütze, keine andere Macht und Sicherung als den Einsatz und die Hingabe des eigenen Herzens. Menschwerdung geschieht als Bekenntnis zur Armut des menschlichen Geistes vor dem totalen Anspruch der unverfügbaren Transzendenz Gottes. (…)
Quelle: Wikipedia, „Armut im Geiste“

Nun ja – „Armut des menschlichen Geistes“ hörte sich in meinen Ohren auch suboptimal an, und ich war immer noch geneigt, dieses Etikett von mir zu weisen. Allerdings begann ich mich doch leise zu fragen, wie reich mein Geist im Angesicht Gottes und seiner unermesslichen Größe, seiner Heiligkeit und seiner Existenz innerhalb und außerhalb von allem Irdischen überhaupt war. Dann las ich weiter:

„Sich hinweggeben können, sich ausliefern können, ‚arm‘ werden können, heißt biblisch-theologisch: bei-Gott-sein, sein gottgeborgenes Wesen finden; heißt: ‚Himmel‘. Bei sich selbst bleiben aber, nur sich selbst dienen und sich selbst stark machen, heißt: verdammt sein, heißt: ‚Hölle‘, in der der Mensch verzweifelt erkennt, dass der Tabernakel des eigenen Ich, vor dem er sein Leben lang gebetet hat, leer ist und ohne Verheißung, da der Mensch sich selbst nur finden und wahrhaft lieben kann, nur Mensch werden kann über die Schwelle der Armut des preisgegebenen Herzens.“
Quelle: Wikipedia, „Armut im Geiste“

Hier fand ich mich wieder, und jetzt verstand ich auch die Armut meines Herzens und meines Geistes: dass es darum geht, mir klar darüber zu sein, wie wenig bis nichts ich ohne Gott wirklich zustande bringe und wie angewiesen ich auf ihn bin. Und genau hier kommt uns Menschen unser sagenhafter Stolz in die Quere.

Nicht jede Art Stolz muss falsch sein. Obwohl ich mir bewusst bin, dass alles, was ich kann und bin, von Gott kommt, bin ich stolz auf die Meilensteine in meinem Leben, in die ich Zeit und Herzblut investiert habe. Doch die Erkenntnis meiner „Armut im Geiste“ ist eine der Grundvoraussetzungen für eine Hinwendung zum christlichen Gott, und deshalb ist Stolz auch Staatsfeind Nummer Eins der Erlösung.

Die Lehre vom Kreuz wiederstrebt uns, weil sie ein großer Gleichmacher ist. Sie reibt uns unter die Nase, dass wir alle versagt haben und keiner genügt, dass wir alle das Opfer brauchen und dass wir, wenn wir es annehmen, alle gerettet werden – egal, wie dumm oder gescheit, gut oder schlecht wir sind. Und je stolzer wir auf unsere persönlichen Erkenntnisse und auf unseren menschlichen Entwicklungsstand sind, desto härter kauen wir an diesem Brocken.

Wenn ich mir meiner Verlorenheit vor Gott bewusst bin und die Nachricht vom Kreuz höre, löst sich die Schwere auf meinem Herzen – ich juble innerlich und nehme das Opfer mit Freuden an. Wenn ich hingegen der Ansicht bin, dass ich ein redlicher Mensch bin, der sich viele Erkenntnisse erarbeitet hat und in seiner geistlichen Entwicklung weit über dem durchschnittlichen Erdenbürger steht, rümpfe ich die Nase und schimpfe das Christentum eine faule Religion inklusive Erlösung zum Billigtarif. Schließlich muss ich nichts dafür tun – kein guter Mensch sein, keine Exerzitien ablegen, mich nicht um Erkenntnis bemühen. Tatsächlich aber fordert das Christentum den höchsten Preis von uns: es fordert die Aufgabe unseres Stolzes. „Es“ selbst schaffen. Einem „erleuchteten Kreis“ angehören.

Obwohl auch in der Bibel steht, dass viele berufen und wenige auserwählt sind, ist der Schlüssel zur christlichen Erlösung nicht das Erreichen einer bestimmten Erkenntnisstufe, sondern das pure Gegenteil:

cross-468129_1280Eingang findet, wer im Innersten begreift, dass er ohne Gott verloren ist und rein gar nichts zu seiner Errettung beitragen kann. Wer seine leeren Hände öffnet, sich vor das Kreuz kniet und anerkennt, dass Jesus Herr ist und er Jesu Opfer braucht.

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Genau deshalb sind es nur wenige. Stolz ist der unbestrittene Favorit unter den Sünden auf unserem Planeten; Stolz hat uns von Gott getrennt, und Stolz hindert uns, einzusehen, dass wir Erlösung brauchen und sie nicht selbst vollbringen können.

Ich bin zutiefst dankbar, dass Gott mich in bestimmten Lebensabschnitten hat erkennen lassen, wie wenig ich selbst auf die Reihe kriege. Neben der Musik, durch die er sich schon immer einen direkten Weg zu meinem Herzen gebahnt hat, waren es diese Krisenzeiten, die mir die Tür zu Jesus weit geöffnet haben.

Vielleicht gehörst Du auch zu denen, die sich alles selbst erarbeiten und von niemandem abhängig sein möchten. Vielleicht tröstet Dich in dieser manchmal sehr kalten und dumpfen Welt nur der Gedanke, dass Du Dinge erkennst, die anderen verborgen bleiben. Ich ermutige Dich, einmal einen anderen Blickwinkel zu versuchen und Deinen Stolz mit einem Tritt in die Gosse zu befördern. Er bringt Dich auf keinen grünen Zweig. Er trennt Dich von anderen Menschen und kann Dich nicht wirklich trösten – und wenn doch, ist er ein kalter Trost.

Zu erkennen, dass ich vor Gott arm bin und ihm nichts bieten kann, mag ernüchternd und demütigend sein. Zu erfahren, dass er gar nichts von mir will als mich selbst, so wie ich bin, und dass ich nur zu kommen brauche – ist Freiheit. Lass Dir diese Freiheit nicht entgehen.

Herz WasserWer meinen Blog regelmäßig liest, weiß, dass ich in letzter Zeit einige Stürme durchlebt habe. Obwohl ich noch in unruhigen Gewässern schaukle, konnte ich nach einem längeren Prozess einen Schritt tun, um das Knäuel zu entwirren – und die Wende in diesem Prozess markiert eine Nachricht auf WhatsApp.

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Vor einigen Monaten besuchte mich eine gute Freundin aus meiner Kirche. Wir tranken zusammen Kaffee, und irgendwann überwand ich mich, ihr von meinen Problemen zu erzählen. Sie brachte mir viel Mitgefühl entgegen und erkundigte sich von da an immer mal wieder, wie es mir ging, ohne sich aufzudrängen oder mir das Gefühl zu geben, ausgefragt zu werden. So wurde sie zu meiner Vertrauten, der ich mein Herz ausschütten konnte.

Vor etwa einem Monat war ich gerade an der Arbeit, als sie sich per WhatsApp meldete. Ich konnte ihr nichts Neues berichten und entschuldigte mich, weil ich sie mit all dem belastete und immer noch nicht „weiter“ war. Dann wartete ich etwas ängstlich auf ihre Antwort. Sicher war sie enttäuscht von mir, und vielleicht würde sie mich ihren Unmut spüren lassen. Ich wappnete mich innerlich für eine kalte Brise, als nach einer gefühlten Ewigkeit das weiße WhatsApp-Lämpchen aufleuchtete.

Ihre Nachricht war kurz – sie schrieb lediglich, ich belaste sie keineswegs; sie sei froh, dass ich mich ihr anvertraue, und es tue ihr sehr leid, dass sie mir keine größere Hilfe sein könne. Doch mit diesen paar Worten vermittelte sie mir alles, was ich so sehr brauchte, und nichts von dem, wovor ich mich gefürchtet hatte – kein Milligramm Ärger oder Verurteilung, dafür jede Menge Verständnis und Mitgefühl.

Meine Augen füllten sich mit Tränen, und etwas in mir schien erst weich zu werden, dann zu schmelzen und zusammen mit meinen Tränen aus mir herauszufließen. Ich fühlte mich unfassbar geliebt und angenommen, und das erste Mal seit langem konnte ich glauben, dass alles gut werden würde – auch wenn ich noch keine Ahnung hatte, wie das gehen sollte.

Nach einigen Minuten beseitigte ich die Spuren meines „Gefühlsausbruchs“ und verließ mein Büro, um ein paar Kopien zu machen. Auf dem Weg zum Drucker fragte ich mich, was Gott wohl vorhatte, um das Problem zu beseitigen, das meinen Sturm unter anderem ausgelöst hatte. Wollte er, dass ich mich mit der schmerzhaften Situation abfand? Oder wollte er das Wunder vollbringen, das in meinen Augen nötig war, damit sich etwas änderte?

Mitten in diese Fragen schob sich ein fremder Gedanke in mein Bewusstsein. Der Satz kam definitiv nicht von mir, denn er war an mich gerichtet. Und er war kurz und klar:

„Ich will, dass Du treu bist.“

Ich will, dass Du treu bist. − Ich fühlte, wie dieser Satz in mir widerhallte und Wellen auslöste wie ein Stein, der in einen Teich geworfen wird.

Gott sagte mir nicht einfach, dass er meinen Gehorsam wollte. Mit seinen Worten ließ er mich wissen, dass ich mich nicht um die Lösung des Problems zu kümmern habe und dass sein Wunsch an mich derselbe bleibt − unabhängig davon, was er in dieser Sache tun oder nicht tun wird. Und endlich spürte ich, wie der Wunsch, wahrhaftig und treu zu sein, aus meinem unruhigen Herzen emporstieg und mit neu entfachter Glut zu brennen begann. Die Liebe und Annahme, mit der mir meine Freundin begegnet war, hatte meinen Widerstand geschmolzen und mein wundes, rebellisches Herz geheilt und verändert.

***

Wie begegnen wir den Schwächen und Ungereimtheiten im Leben anderer? Stoßen wir sie mit der Nase hinein, um sie zu demütigen, schimpfen wir sie mit dem gestreckten Zeigefinger aus und lassen sie unsere Verachtung spüren? Genießen wir vielleicht sogar unsere Überlegenheit, weil uns „so etwas“ nie passieren könnte? All das können wir tun, und vielleicht erfüllt es uns einen Moment mit Befriedigung − aber wir werden weder ihr Leben noch die Welt einen Deut besser machen. Begegnen wir den Schwächen und Hilferufen unseres Nächsten jedoch mit Liebe und Mitgefühl, ist alles möglich.

„Liebe kann und wird uns in jeder Hinsicht umgestalten – unsere Ideologie, unsere Meinungen, unsere Gewohnheiten, unsere Werte, unsere Prioritäten, sogar unsere Namen. Doch diese Verwandlung ist keine Voraussetzung oder Bedingung, sie ist keine Verhaltenskorrektur, das ist sie nie. Nicht, wenn es Liebe ist…“
Sarah Bessey, „You’re already so loved“

Alle Menschen, ob sie sich Christen nennen oder nicht, können Liebe und Annahme ausstrahlen und damit anderen ein Segen sein. Aber wenn wir Christen, in denen Jesus lebt, uns nach unseren Nächsten ausstrecken, erfahren sie seine liebende Gegenwart. Und sie ist es, die Herzen verändert.

Jesus hat während seiner Zeit auf Erden auch eine Menge schräge Gestalten um sich versammelt. Keiner seiner Jünger war perfekt, und einige waren auf seltsamen Pfaden unterwegs. Was hat sie dazu bewegt, alles stehen- und liegen zu lassen und mit ihm zu gehen? Nicht, dass er ihnen klar gemacht hat, wo sie falsch liegen, nicht seine Predigt über die zehn Gebote – das kam danach. Zuerst waren es seine Liebe und Annahme, die sie mit unwiderstehlicher Kraft zu ihm zogen.

Wenn wir Menschen erreichen wollen, tun wir gut daran, uns Jesu Vorbild ins Herz zu schreiben. Und für alle, die wie ich besser darin sind, anderen Lösungsvorschläge herunterzubeten: lasst uns stattdessen zuhören, lieben und annehmen. Das Resultat könnte uns vom Hocker hauen.

Ich weiß nicht, ob es den sagenumwobenen „Stein der Weisen“ wirklich gibt – diese mythische Substanz, die nach dem Glauben der Alchemisten unedle Metalle wie Quecksilber in Gold oder Silber verwandeln und jede Krankheit heilen kann.
Ganz sicher aber sind Liebe und Annahme der „Stein der Weisen“ für unser Herz – fähig, alle Wunden zu heilen und jedes Herz zu verwandeln.

Pfingsten 13Heute morgen stand ich vor einem Dilemma: ich hatte zwei intensive Tage mit Proben und Auftritt hinter mir, und obwohl ich gern den Pfingstgottesdienst besucht hätte, fühlte ich mich „sozial ausgelaugt“. Da das Wetter mich nach draussen lockte, entschied ich mich für Solo-Kirche unter freiem Himmel.

Pfingsten 16Ich machte mich auf den „Chappeli“-Rundgang, der durch den Wald zur Kapelle Allerheiligen führt. Die Luft war mild, die Sonne wärmte mich, und es roch nach Gräsern und Erde. Prachtvolle Blumen säumten meinen Weg, und ich hielt immer wieder an, um eine besondere Entdeckung zu fotografieren. Im Wald war es angenehm kühl, und der vom Regen angeschwollene Bach rauschte wilder als sonst zwischen den Bäumen hervor.

Pfingsten 14

Pfingsten 11

Pfingsten 6Nach der letzten Kurve trat ich aus dem Wald, und die Kapelle kam in Sichtweite. Ich schlenderte an Blumenwiesen vorbei und erspähte ein wundervolles Fotomotiv: einen prächtigen Baum, darunter eine Reihe Schafe. Ich knipste ein paar Bilder, während die Schafe langsam weitergingen, bis der Baum allein vor mir stand.

Pfingsten 5Lange stand ich da, betrachtetee seine weitgeöffneten, breiten Äste, seine grünglänzenden Blätter und die Weite des klaren blauen Himmels über ihm ein und fühlte, wie Tränen in mir aufstiegen.

 

Die Majestät der Natur, dieses Spiegels des einen, der alles geschaffen hat, füllte mein Herz und machte es weit und dankbar. Ich setzte mich auf die Stufen der Kapelle und machte meinem Herzen Luft – im Dank für all das Schöne um mich herum; dafür, dass ich Augen habe, es zu sehen, und ein Herz und eine Seele, diese Schönheit und die Grösse des dahinter stehenden Schöpfers zu erkennen.

Pfingsten 4Von diesem höchsten Punkt meiner Wanderung machte ich mich wieder auf Richtung Stadt – vorbei an einem bunten Blumenfeld, an wogenendem, leuchtendgrünem Getreide, zurück nach Hause. Erfüllt und dankbar.

 

Pfingsten 2Es ist ein Rätsel und Geheimnis, dass ich so genau weiss, wie die Natur zu mir spricht – ich habe hie und da schon darüber geschrieben – und ich es in der Hektik meiner Agenda, im Strom meiner Gedanken immer wieder vergesse.

 

Das heutige Zwiegespräch mit Natur und Schöpfer hat mich erfüllt und ruhig nach Hause kommen lassen. Ich will die Erinnerung daran wach halten, damit ich diese natürliche Tankstelle das nächste Mal rascher anvisiere. Denn, wie ich meinen Vater schon mehrmals zitiert habe: „Dort ist ER auch.“

Der kräftige Wind hat wunderbar zu diesem Pfingstsonntag gepasst. An diesem Tag haben die Gläubigen in Jerusalem den heiligen Geist erhalten – der bekanntlich weht, wo er will. Heute, soviel ist sicher, hat er auch auf meinem Spaziergang geweht, mich erfüllt und gestärkt.

Diese Stärkung wünsche ich auch Euch –
und damit noch schöne und geisterfüllte Pfingsten!

Pfingsten 8

100 Posts 4Letzte Woche habe ich das 100. Post auf „Seelensnack“ veröffentlicht – Freude herrscht, wie unser Alt Bundesrat Ogi sagen würde! Ich habe bereits angekündigt, dass ich dieses Jubiläum mit etwas Besonderem begehen will und im nächsten Post mehr darüber erzähle. Das will ich nun tun und Euch in meinen Plan einweihen – Ihr seid nämlich Teil davon.

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„Best of Seelensnack“!
Zu Ehren der 100 Posts und zum Jubiläum „Zwei Jahre Seelensnack“, das ich am 1. August 2015 feiern werde, wird im Advent 2015 „Best of Seelensnack“ erscheinen – mit den 25 besten Posts aus zwei Jahren Seelensnack sowie 5 brandneuen Posts, die nur in dieser kleinen Jubiläumsausgabe veröffentlicht werden. Es soll ein handliches und preiswertes Büchlein werden, das man jederzeit in der Tasche tragen und gut verschenken kann.

100 PostsUnd so kommt Ihr ins Spiel:
Die 25 besten Posts bestimme ich einerseits anhand der Statistik (was wurde am meisten gelesen und/oder geteilt?), andererseits anhand meiner persönlichen Vorlieben und nicht zuletzt anhand Eurer Feedbacks: In diesem Sinne meine Frage an Euch:

Welches Post hat Euch besonders berührt, zum Nachdenken oder zum Lachen gebracht, und Ihr möchtet, dass ich es in die Sammlung nehme?

Ihr könnt von heute bis am 1. August 2015 hier im Kommentarbereich angegeben, welche Posts Eurer Meinung nach unbedingt in das Buch gehören. Am Stichtag werte ich Eure Kommentare aus, und die 5 meistgenannten erhalten mit Sicherheit einen Platz. Damit Ihr schon mal seht, wie die Statistik so aussieht – hier die aktuellen Top Ten nach Clicks:

Zwei Schweizer in Ortenberg – Liebeserklärung an den „Kaale Märt“
Reduce to the max – warum es cool ist, Minimalist zu sein
Das Glück dieser Erde – „back tot he roots“ in Olsberg!
„Help!“ – oder alles über den Nutzen einer EDJE-Box
Mein Grünes Herz – 5 Gründe, warum ich Irland liebe
40 Jahre Schwesterherz – eine wunderbare Blume am Familienzweig
Gott ist gut, und alles wird gut. Echt…? Und wann?
Treffen sich zwei Planeten – von Eltern und Kinderlosen
Sheldon, Mr. Darcy und ich – von der Innenwelt eines INTJ
Weder Miesepeter noch Mauerblume – was es wirklich heißt, introvertiert zu sein

 
100 Posts 2Redet mit bei den 5 neuen Posts!
Doch damit nicht genug: Ihr habt die Möglichkeit, den Inhalt der fünf brandneuen Posts mitzubestimmen. Jetzt sind Eure Phantasie und Euer Einfallsreichtum gefragt:

Worüber wolltet Ihr schon immer mal was von mir lesen?

Ihr könnt mir eine provokante Frage zum Glauben, privater oder philosophischer Natur stellen oder ein Thema vorschlagen, dass Euch sonst auf dem Herzen brennt – Eurer Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Schreibt Eure Ideen einfach in den Kommentarbereich, und am 1. August werde ich die 5 Themen, die mich am meisten reizen und bei denen ich glaube, dass ich auch etwas dazu zu sagen habe, auswählen, dazu die Posts vorbereiten und sie in die Sammlung integrieren. Und jeder, der mich zu einem dieser 5 Posts inspiriert hat, bekommt ein Gratisexemplar von „Best of Seelensnack“.

Nun bin ich schon sehr gespannt, was ich von Euch hören werde – schaut Euch ein wenig um und lest noch das eine oder andere, und lasst mich dann wissen, was Euch gefällt.

Danke Euch allen!
An dieser Stelle möchte ich allen, die auf meinem Blog vorbeikommen, herzlich für die Treue danken. Egal, ob Du den Blog abonniert hast (was mich natürlich ganz besonders freut!), ob Du regelmäßig liest und kommentierst oder sporadisch reinschaust – ich freue mich über Dein Interesse und hoffe, dass Du weiterhin den Weg zu „Seelensnack“ findest.

100 Posts 3Herzliche Grüße und auf die nächsten 100 Posts!

Sahara_Crash_-1935-_copyright_free_in_Egypt_3634_StEx_1_-croppedIn drei Tagen jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. Dass dieses Jubiläum ansteht, kann man zurzeit nicht übersehen: Wenn man den Fernseher anmacht, laufen auf allen Kanälen Sendungen über das Dritte Reich und den Krieg. Vergangenen Sonntag habe ich in die „Bilanz“-Serie über Hitler hineingeschaltet, und die Originalaufnahmen von Tod und Verwüstung, Gewalt und unsäglicher Grausamkeit haben mich tief getroffen.

 

 

Obwohl es seit diesen Grausamkeiten immer wieder zu Völkermorden gekommen ist, gelten die Verbrechen am jüdischen Volk und an anderen Minderheiten während des Dritten Reiches immer noch als düstere Spitze des unfassbar Bösen, und noch heute lassen sie uns mit einem Gefühl der Ohnmacht, des Horrors und einer ratlosen Ungläubigkeit zurück.

Wie kann sich der einzelne dermaßen aufhetzen lassen, dass er seinen Mitmenschen so etwas antut oder tatenlos dabei zusieht? Wir wissen es nicht, und wenn wir uns heute umsehen, finden wir genug Beispiele rund um den Globus, die die gleichen Fragen aufwerfen und uns erneut verzweifeln lassen.

Dennoch denke ich heute daran, dass auch in diesen dunklen Zeiten Blumen der Menschlichkeit blühen durften. Ich denke an den Industriellen Oskar Schindler, der viele Juden vor der Deportation gerettet hat, oder an den St. Galler Polizisten Paul Grüninger, der durch die Vordatierung ihrer Einreisevisa mehreren hundert Juden und anderen Flüchtlingen die Einreise in die Schweiz ermöglichte. So wurde auch damals das Böse immer wieder mit Gutem überwunden.

Der Pilot und Schriftsteller Antoine de St. Exupéry, der vor allem durch seine Fabel vom „Kleinen Prinzen“ berühmt wurde, hat auch viele seiner Kriegserlebnisse in Worte gefasst und sich Gedanken über die Welt, die Menschen, die Liebe und Gott gemacht. In seinem Werk „Terre des hommes“, das Anfang 1939 erschien, traf er unheimlich genau den Nerv der Zeit und blickte in die kommende düstere Zukunft:

„Wir alle fühlen mehr oder minder deutlich eine Sehnsucht nach der wirklichen Geburt. Aber uns drohen trügerische Lösungen. Man kann die Menschen ja auch aufwecken, indem man sie in Uniformen steckt. Dann singen sie ihre Kampflieder und teilen ihr Brot als Kameraden miteinander. Dann meinen sie gefunden zu haben, was wir suchen, das Allverbindende. Aber an dem Brot, das man ihnen bietet, müssen sie sterben.“

Im gleichen Werk verbindet er den Menschen und sein Schicksal mit dem seines Nächsten und schreibt:

„Menschsein heißt verantwortlich sein. Scham empfinden beim Anblick einer Not, auch wenn man augenscheinlich nicht schuld an ihr ist. Stolz sein auf den Erfolg, den die Kameraden errungen haben. Das Gefühl haben, dass der Stein, den man setzt, mitwirkt am Bau der Welt.“

Mir begegnet in St. Exupérys Texten sein Glaube, sein Wissen um die Vergänglichkeit des Materiellen und seine tiefe Überzeugung, dass der Mensch nur in seiner Verbindung zu anderen Menschen seine Bestimmung erfüllt. Und vielleicht ist dieser letzte Punkt der Schlüssel, mit dem das Leid in unserer Welt bekämpft werden kann.

Ideologien wie das Nazitum schaffen es immer wieder, dem Fremden, dem „anderen“, das menschliche Gesicht zu entreißen und ihn zu einem Tier oder gar einer Sache zu degradieren. Und wenn ich den anderen erst einmal nicht mehr als Mitmenschen, sondern als Tier oder als Sache sehe, interessiert mich sein Schicksal nicht mehr. Jedes Mitgefühl stirbt und weicht Gleichgültigkeit oder Hass .

Doch was schon John Donne in seinem Gedicht „Niemand ist eine Insel“ geschrieben hat, gilt: wir Menschen sind miteinander verbunden, und das Leid des anderen ist auch mein Leid. Wenn wir uns das bewusster machen und den Bruder im anderen sehen, wird uns auch sein Wohl mehr am Herzen liegen, wird sein Leid uns bewegen, und wir werden danach handeln.

Dafür müssen wir nicht alle nach Afrika reisen, um Brunnen zu bauen – es gibt in unserem Umfeld genug Menschen, denen ein freundlicher Blick, ein Wort oder eine Hilfestellung wieder zeigen würden, dass sie nicht allein sind. Und je mehr wir den anderen als Mitmenschen sehen, desto immuner sind wir gegen Hassideologien und Versuche, andere zu einer Sache zu machen.

Ich bin keineswegs der geborene Menschenfreund und Kümmerer – ich bin eigenbrötlerisch veranlagt und drehe  mich oft um meine eigene Achse. Aber wenn ich mich an die dunklen Tage vor 70 Jahren erinnere, will ich es mir zum Ziel machen, in jedem Menschen – egal, woher er kommt oder wie viel wir gemeinsam haben – den Bruder und die Schwester zu sehen, dessen Schicksal mich nicht kalt lassen darf.

Und ich erinnere mich daran, dass auch für St. Exupéry diese Verbindung zwischen den Menschen ihren Ursprung in Gott hatte.

„Jahrhundertelang hat meine Kultur durch die Menschen hindurch Gott betrachtet. Der Mensch war nach dem Ebenbild Gottes geschaffen. Man achtete Gott im Menschen. Die Menschen waren Brüder in Gott. Dieser Abglanz Gottes verlieh jedem Menschen eine unveräusserliche Würde. Die Beziehungen des Menschen zu Gott begründeten ganz klar die Pflichten eines jeden gegenüber sich selbst und dem Nächsten (…) Die innere Schau Gottes machte die Menschen gleich, weil gleich in Gott…Gleichheit ist nur noch ein sinnloses Wort, wenn nichts vorhanden ist, worin sich diese Gleichheit knüpfen lässt.“
(Pilote de guerre).

Eigentlich wollte ich das 100. Blogpost für eine besondere Ankündigung verwenden, aber diese Gedanken haben sich dazwischen geschoben. Daher verschiebe ich meine News auf den nächsten Beitrag. Ihr dürft gespannt sein…!

newspapers-444448_1280In unseren Breitengraden muss man nicht viel befürchten, wenn man sich zu Jesus bekennt – der Kopf bleibt in der Regel dran. Trotzdem kann der Schritt an die Öffentlichkeit je nachdem einigen Wirbel verursachen, wie der Fall von Daniel Boecking zeigt – seines Zeichens stellvertretender Chefredaktor der „Bild“-Zeitung.

Bildquelle: Pixabay

In seinem Artikel „Warum ich mich heute als Christ outen will!“ hat Boecking sich vor einigen Tagen zu seinem Glauben geäußert und dabei unter anderem geschrieben, dass die ISIS-Thematik ihn dazu bewogen hat, öffentlich zu seinem Christsein zu stehen.

Seine Aktion hat die verschiedensten Reaktionen provoziert – Freude, Respekt, aber auch eine Menge Kritik und Häme. Auf Twitter wurde Boecking gefragt, worin der Mut bestehen solle, sich in einem Land als Christ zu outen, in dem man weder mit Verfolgung noch mit sonstiger Ächtung rechnen müsse. Wieder andere schrieben spöttisch, da sei einer offenbar nach 15 Jahren bei der „Bild“ plötzlich Christ geworden, und einige waren der Meinung, dass Boecking seinen Mut besser darin beweisen würde, dass er seine Stelle kündige.

Ich kann diese Argumente verstehen. Aber ist diese Häme wirklich die richtige Art, auf den Artikel zu antworten? Sicher ist es ebenso übertrieben, Boecking gleich in den Olymp der hehren Glaubensstreiter zu befördern, aber es sollte auch noch etwas dazwischen geben.

Als ich den Link zu besagtem Artikel das erste Mal gesehen habe, habe ich ihn ignoriert, weil ich fand, das könne ja nichts sein, wenn es in der „Bild“ steht. Dann wurde der Artikel von einer Kollegin gelobt. Ich beschloss, mir selbst ein Bild zu machen, und fand Boeckings Worte sehr nahbar und authentisch. Und was den Mut betrifft: der Mann wird auch mit den negativen Reaktionen, die ihm jetzt entgegenschlagen, gerechnet haben. Unter diesem Aspekt war es eben doch mutig, in seiner Position einen so persönlichen Artikel zu veröffentlichen.

Finde ich es gut, dass ein bekennender Christ als stellvertretender Chefredaktor bei der „Bild“ arbeitet? Kann ich es nachvollziehen? Zweimal nein. Für mich passt es nicht zusammen. Trotzdem lese ich im Artikel von Boecking den aufrichtigen Wunsch, Menschen Gottes Liebe erfahrbar zu machen. Dass er dazu sein Blatt und dessen Reichweite nutzt, finde ich immer noch genial.

Und nur so nebenbei: sind wir wirklich alle so integer, wie wir gern sein wollen? Stimmt bei uns jede Handlung mit dem überein, woran wir glauben? Wir wollen das, und wir streben danach, aber es gelingt uns nicht immer. Ich zähle Integrität zu den höchsten Werten in meinem Leben, und ich hasse es, diesen Wert zu verletzen. Dennoch kommt es vor. Daher gehe ich lieber daran, meine eigenen Wertediskrepanzen aufzuspüren, als mich aufs hohe christliche Ross zu schwingen und mit dem ethischen Vorschlagshammer auf einen gutgemeinten, gut geschriebenen und berührenden Text einzuprügeln.

Vielleicht kündigt Boecking ja mal seine Stellung. Vielleicht ist dieser Artikel der erste Schritt in einem Lebensprozess. Vielleicht sieht er das auch alles ganz anders und lässt uns einmal an seiner Sicht teilhaben. Egal Reverse Phone Lookup , was davon eintrifft, danke ich ihm hier und jetzt noch einmal für seine Worte. Mögen sie in den Herzen vieler Menschen etwas bewegen und andere Christen ermutigen, ebenfalls „unverschämt“ zu ihrem Glauben zu stehen und sich an das zu erinnern, was Boecking so ausgedrückt hat:

„Wieder und wieder werden wir in der Bibel aufgefordert, uns frei und ohne Angst zu Gott und Jesus zu bekennen. Und damit zu den Grundpfeilern der guten Nachricht: zu Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung. Auch dieses offene Bekenntnis ist eine Tat und der beste Anfang.“
(Quelle: „Bild“ Online)

Hast du den Artikel gelesen, und was hältst Du davon? Findest Du Boeckings Aktion heuchlerisch, stark oder weder noch? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!