Olympia 2In meiner Kindheit sassen wir Samstags bei Suppe und Wienerli vor dem Fernseher, und die Piste runter donnerten Conradin Cathomen, Peter Müller, Erika Hess und Vreni Schneider. Diese Zeiten sind lange vorbei. Trotzdem hat mich nach den ersten spektakulären Erfolgen der Schweizer in Sotschi der Kampf um die güldenen Ringlein gepackt. Ein paar besondere Highlights aus diesen Tagen sind mir immer noch präsent.

Die Goldmedaillen von Sandro Viletta und Dominique Gisin zum Beispiel – zwei Athleten, die jahrelang unter Verletzungspech litten und doch nicht aufgegeben haben. Wenn dieser Kampf mit einem solchen Triumph belohnt wird, macht das einfach Freude und ermutigt einen, den eigenen Weg weiter zu verfolgen und auch Hindernisse mit Kampfgeist und Hartnäckigkeit zu  nehmen.

Genauso schön war es, sich mit anderen zu freuen – zum Beispiel mit den kanadischen Hockeyanern in ihrem „Sudden Death“-Sieg gegen die USA. Wenn ein Team von Nachrichtensprechern erst in professioneller Coolness über den Stand referiert und urplötzlich in wilde Tänze und Jubel ausbricht, bleibt kein Auge trocken. Wer es noch nicht gesehen hat, guckt  hier (das oberste Video):

Ich staune auch immer wieder über die vielfältigen und faszinierenden Begabungen der Athleten – die grazilen Eiskunstläufer, die jeden Muskel unter Kontrolle haben und immens harte Arbeit leisten, damit ihre Sprünge und Schwünge so leicht aussehen. Junge  Abfahrtsspezialistinnen, die mit über hundert Stundenkilometern eine steile Piste hinunterdonnern und offenbar keine Angst kennen, sondern für dieses Tempo leben.

Vor allem sind wir hautnah dabei, wenn andere auf dem schmalen Grat zwischen totalem Triumph und bitterer Niederlage schweben. Wir vergiessen eine Träne mit Dominique Gisin, wenn sie ihre Grossmutter anruft und vor lauter Freude und Rührung kaum sprechen kann, und wir fühlen mit Simon Ammann, der trotz seiner vielen Erfolge noch bitter enttäuscht ist, weil er seine eigenen Erwartungen nicht erfüllt hat.

Was mich fasziniert, ist weder der Ruhm, noch der Nervenkitzel, und ich möchte auch nicht an ihrer Stelle stehen – wenn ich die Abfahrtspiste aus einer Helmkamera sehe, wird mir schon ganz anders. Mich bewegt die Leidenschaft und Zielgerichtetheit, mit der diese Athleten ihre Träume verfolgen. Sicher werden nicht wenige von ihrem Umfeld getrieben, aber genauso vielen merkt man an, wie sehr sie ihren Sport lieben. Diese Leidenschaft wünsche ich mir für  mein Leben, und ich will alles daran setzen, den Ort zu finden, an dem ich meine Gaben, Talente und Berufungen leben kann.

Der Vergleich mit Olympia könnte in diesem Zusammenhang frustrieren – schliesslich zählt am Ende doch nur die güldene Scheibe. Und auch unsere Gesellschaft ist geprägt vom Wettkampf, sei es im realen Leben oder in all den TV-Live-Shows, in denen  immer nur einer gewinnen kann – Frauen buhlen um den Bachelor, Sänger treten in Battles gegeneinander an, und am Schluss will jeder das goldene Matterhorn nach Hause tragen.

Wenn das meine Vorstellung von Erfolg ist, werde ich wohl nie zufrieden sein. Gibt es nicht immer jemanden, der es noch ein bisschen besser kann? Und wenn es ihn heute nicht gibt, wird es ihn mit hundertprozentiger Sicherheit morgen oder übermorgen geben. Wenn ich meinen Begabungen folge und das finde, was mich begeistert, und wenn es mein Ziel ist, mein Bestes zu erreichen, kann ich nicht verlieren. Dann muss ich andere auch nicht als Bedrohung sehen, sondern kann von ihnen lernen.

Am Ende gilt der olympische Gedanke „Dabei sein ist alles“ für das ganze Leben. Und „Dabei sein“ heisst mehr als „körperlich anwesend sein“. Es heisst: ich mache mit und bin Teil des Ganzen, ich wähle den Weg, den ich gehen will, und verfolge ihn bis zum Ende. Wenn ich das begriffen habe, bin ich frei für ein leidenschaftliches Leben, das mir entspricht.

Was war Dein schönster Olympiamoment? Und was begeistert Dich?
Ich freue mich auf Dein Feedback!

SchneeherzMein Deutschlehrer im Gymnasium hat behauptet, dass der Mensch nur von Eigennutz angetrieben wird. Er hat uns aufgefordert, ihm Gegenbeispiele zu liefern, und mit sichtbarem Genuss hinter jeder uneigennützigen Handlung einen egoistischen Urgrund ausgemacht. Vielleicht hatte er damit nicht ganz Unrecht. Etwas zu tun, das als gut und verantwortungsvoll gilt, löst ein angenehmes Gefühl in mir aus. Aber soll das wirklich der Grund sein, aus dem ich „das Gute tue“?

Was meint dieser schwammige Begriff überhaupt? Spenden? Nachbarschaftshilfe? Die Alubüchse nicht in den Hauskehricht werfen?

„Gutes tun“ heisst für mich mehr als „sich richtig verhalten“, sprich Steuern zahlen, Gesetze und Anstandsregeln befolgen. Es bedeutet, sich für andere einzusetzen und Dinge zu tun, die mir nicht unbedingt etwas bringen, sondern den anderen Menschen oder ein grösseres Ganzes im Blick haben. Dieses Bedürfnis, das Gute zu tun, und der Blick für das Ganze sind – so glaube ich – in uns hineingelegt worden. Antoine de St. Exupéry hat es in seinem Buch „Wind, Sand und Sterne“ so ausgedrückt:

„Menschsein heisst verantwortlich sein.
Scham empfinden beim Anblick einer Not,
auch wenn man augenscheinlich nicht schuld an ihr ist.
Stolz sein auf den Erfolg, den die Kameraden errungen haben.
Das Gefühl haben, dass der Stein, den man setzt mitwirkt am Bau der Welt.“

Doch obwohl dieses Gute in uns hineingelegt ist, reicht das bei mir ehrlich gesagt nicht immer aus, um es auch zu tun. Manchmal habe ich schlicht keine Lust, jetzt etwas Uneigennütziges zu tun oder auch nur freundlich zu sein. In diesem Moment kommt aus meinem Herzen nicht viel Gutes – es beherbergt nämlich auch eine Menge weniger noble Beweggründe und Gefühle.

Tue ich das Gute dann doch, so ist es eine Entscheidung wider das Gefühl. Das ist sicher besser, als es nicht zu tun,  und ich bin überzeugt, dass jede solche Entscheidung „gegen das Ego-Gefühl“ mich ein bisschen verändert. Trotzdem sehne ich mich danach,  „das Gute“ selbstverständlicher zu tun – es zu tun, weil es zu meinem Wesen gehört. Und mein Respekt und ein gerüttelt Mass an Bewunderung gehören all denen, die das schaffen, ohne dafür Gottes Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Nicht, dass ich ohne Glauben ein Menschenfeind wäre. Aber ich weiss, dass ich aus mir allein auch mit grösster Anstrengung kein weiches Herz entwickeln könnte. Um mich immer wieder zu entscheiden, das Gute zu wählen – auch wenn ich mich so gar nicht danach fühle – brauche ich Seine Hilfe. Brauche Ihn, der an diesem Herz das Wunder tut.

Was heisst „Gutes tun“ für Dich? Was motiviert Dich? Kämpfst Du manchmal auch mit einem widerspenstigen Herzen? (Und am wichtigsten: wohin wirfst Du die Alubüchse???)

dead poVor einigen Tagen hat die christliche Sängerin Natalie Grant von sich reden gemacht, als sie die Grammyfeier vorzeitig verliess – Teile der Show wurden offenbar sogar von weltlichen Medien als ziemlich okkult beurteilt und provozierten einige Reaktionen. Grant äusserte sich auf Twitter kurz über ihren Entscheid, ohne näher auf den genauen Grund einzugehen. Das wurde nicht überall verstanden und führte zu neuen Spekulationen.

Wir müssen nicht aus der christlichen Ecke kommen, um solche Situationen zu kennen. Wer seinen Grundsätzen treu bleiben will, muss sich ab und zu quer zum Mainstream stellen – und damit gegen den berüchtigten Gleichschaltungsimpuls in uns.

Im Film „Dead Poets Society“ macht der Lehrer John Keating ein interessantes Experiment. Er lässt seine Schüler über den Schulhof spazieren, und das eine ganze Weile lang. Was passiert? Erst läuft jeder für sich, in seinem Tempo und nach seinem Temperament – schlurfend, marschierend, schlendernd, albern oder ernst, gelangweilt oder verträumt. Irgendwann aber beginnen die Schüler, sich einander anzupassen. Ein Alphatier gibt das Tempo vor, die anderen fallen ein, und schon sieht das ganze aus wie eine Kasernenhofübung.

Woher kommt dieser Drang? Ist der Mensch einfach ein Herdentier und passt sich dem dominantesten in der Gruppe an? Wie es bei den Tieren ist, weiss ich nicht so genau, aber ich glaube, wir Menschen möchten einfach so unglaublich gern dazu gehören. Mehr als das – wir wollen den Stempel, dass wir „mittendrin statt nur dabei“ sind. Und wenn wir uns dem Gleichschaltungsimpuls  widersetzen und zu unserer Meinung stehen, müssen wir damit leben, dass man uns belächelt, als schräg und verschroben ansieht oder gar ablehnt. Und genau davor fürchten wir uns.

Ich erlebe das manchmal auf Parties mit Freunden. Ich habe kein Problem, wenn andere trinken und feiern, obwohl ich seit längerem keinen Alkohol mehr trinke. Aber wenn die Feierei ein bestimmtes „Level“ erreicht, habe ich grosse Mühe, das Fest noch zu geniessen. Ich bin dann müde (gerade weil ich nichts trinke) und genervt und möchte nur noch nach Hause. Dann tut es mir weh, wenn man mich als Spassbremse oder Moralapostel wahrnimmt, der ich eigentlich nicht sein will.

Ein weiterer Grund, warum ich manchmal etwas zurückhaltend mit meiner Meinung bin, sind die (leider) zahlreichen Christen, die anderen ihre Ansichten äusserst lieblos und rechthaberisch an den Kopf knallen. Mit diesen Pharisäern möchte ich nicht in einen Topf geworfen werden. Trotzdem möchte ich noch mehr den Mut haben, zu meinen Ansichten zu stehen, auch wenn man mich deswegen ab und zu für weltfremd oder verschroben hält.

Ich kenne einige Menschen, von denen ich mir in dieser Hinsicht noch eine Scheibe abschneiden kann. Sie sagen ihre Meinung gerade heraus und brauchen dafür nicht einmal überirdische Hilfe. Dagegen bin ich ein bekennender Hasenfuss   – ohne einen beherzten Tritt von oben geht es nicht.

Ich glaube, so lange wir es mit Respekt und Liebe tun, ist unser Beitrag nicht nur okay, sondern dringend notwendig – gerade und besonders dann, wenn es gegen den „Mainstream“ geht. Auf dem Spiel stehen heute Grundsätze wie die Würde und der Wert jedes Menschen, die nicht noch weiter relativiert werden dürfen, sondern unverrückbar sind und bleiben sollen.

Wie sieht es bei Dir mit dieser „Courage“ aus? Fällt es Dir leicht, Deine Meinung zu sagen, oder bist Du auch ein alter Hasenfuss wie ich? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

Jemand sein 2Die Schweiz ist seit Jahrhunderten eine Republik, doch auch bei uns regierten einmal Adelsgeschlechter. Sie verfügten über Mensch und Vieh und stritten miteinander (und mit der Kirche) um Besitz und Herrschaft. Noch vor wenigen Jahrzehnten konnte man in Bern einem Relikt dieser Zeit begegnen – denn für „Madame de Meuron“ hatte die „alte Zeit“ nie aufgehört.

Unzählige Geschichten ranken sich um dieses Berner Original, das mit vollem Namen Louise Elisabeth de Meuron-von Tscharner hiess. Wer ihr vorgestellt wurde, musste die legendäre Frage beantworten, ob er  „jemand sei“ oder ob er Lohn beziehe. Im Original: „Syt der öpper oder nämet der Lohn?“  Als sie als Ehrengast einer Truppeninspektion beiwohnte und ihr – beginnend beim ranghöchsten Offizier –  die Kader des Regiments vorgestellt wurden, schritt Madame de Meuron unbeeindruckt an Obersten, Oberstleutnants und Majoren vorbei, bis die Reihe an Korporal de Riedmatten (oder ähnlich) war. Da hob die adlige Dame das Kinn, blickte dem Unteroffizier ins Gesicht und meinte trocken: „Enfin quelqu’un!“ (Endlich jemand!).

Heute müssen wir  kein „von“ im Namen führen, um jemand zu sein. Aber hat sich wirklich so viel verändert?

In der SMS-Kolumne meiner Regionalzeitung schrieb letzte Woche ein Mann voller Freude, dass ihn eine Firma nach der Probezeit fest angestellt hatte, obwohl er schon 61 Jahre alt sei. Am Folgetag enthielt die Spalte zwei Antworten von Menschen, die sich mit dem Mann freuten und ihm gratulierten. Eine der Antworten beschäftigt mich noch heute.

 „Lieber xxx, ich kenne Dich zwar nicht.
Aber ich kenne das Gefühl, noch einmal jemand sein zu dürfen.“

Wir brauchen heute kein „de“ oder „von“, um jemand zu sein. Was wir brauchen, ist offenbar genau das, was für Madame de Meuron der schlagende Beweis dafür war, ein Niemand zu sein: einen Lohnausweis und damit den Nachweis, dass wir der Gesellschaft einen Nutzen bringen.

Man verstehe mich nicht falsch: in einer Zeit, in der gewisse Menschen unsere Solidargesellschaft und ihre Systeme zu ihrem alleinigen Vorteil ausnutzen, ist es lobenswert und unabdingbar für das Funktionieren dieser Gesellschaft, dass der einzelne sich einbringt und etwas leisten will. Als ich nach einem (zu) langen Studium zum ersten Mal einen Vollzeitjob hatte und meinen ersten Lohnausweis erhielt, empfand ich Freude und Stolz. Nicht so sehr, weil ich endlich Geld verdiente, sondern weil ich mit meiner Arbeit einen Beitrag an etwas Größeres leistete, weil das, was ich tat, gebraucht wurde.

In diesem Zusammenhang verstehe ich auch den obigen Satz nur zu gut. Für mich spricht daraus aber auch eine tiefe Not.

Unser Wirtschaftssystem reduziert den Menschen mehr und mehr auf seine Rolle als Konsument und Beitragsleister zum Bruttosozialprodukt. Die Folge davon ist, dass unser Wert über unsere Leistung und Nützlichkeit für die Gesellschaft und für das System definiert wird.

Susan Kaye Quinn, eine amerikanische Indie-Autorin, hat eine Buchreihe namens „Debt Collector“ (Schuldeneintreiber) herausgegeben. In ihrer Zukunftswelt werden Menschen, deren verbleibende Lebensjahre weniger wert sind,  als sie der Gesellschaft schulden, „ausgetauscht“: die verbleibende Lebensenergie wird aus ihnen herausgesaugt und auf Menschen übertragen, die es „verdienen“, weil sie besonders brillant oder talentiert sind und der Gesellschaft somit mehr einbringen. Eine gruselige und abstruse Vorstellung – aber manchmal fürchte ich, dass wir nicht weit davon entfernt sind.

Bei vielen politischen und gesellschaftlichen Fragen  geht es in irgendeiner Weise auch darum, was der einzelne der Leistungsgesellschaft „nützt“ – ein Beispiel ist die Medizin, wo das Dilemma deutlich wird.  Bis zu welchem Alter „lohnt“ es sich noch, jemandem ein neues Gelenk einzusetzen? Einen größeren Eingriff zu machen? Besteht nicht die Gefahr, dass irgendwann nur noch die Nützlichkeit eines Lebens über seinen Fortbestand entscheidet?

Das Gesundheitswesen mit seinen explodierenden Kosten ist ein komplexer Bereich, und ich maße mir nicht an, eine Lösung zu haben. Für mich sind diese realpolitischen Fragen der Spiegel eines im Ansatz lebensfeindlichen Wertesystems, das sich erfolgreich in uns eingenistet hat.

Ich kann dieses System nicht ändern, aber ich kann ihm ein besseres gegenüberstellen. Es ist viel älter, und es wird noch Bestand haben, wenn sich niemand mehr an das aktuelle erinnert.

In diesem System wird der Preis des Produkts allein durch den Hersteller definiert – und der Hersteller des Produkts „Mensch“ hatte ganz bestimmte Vorstellungen über diesen Wert. Er hat zudem dafür gesorgt, dass diese Vorstellung auch uns zugänglich ist. König David, einst ein Hirtensohn und der kleinste unter seinen Brüdern, hat seine Gedanken über Gott und sich selbst in einem Psalm festgehalten, und diese Gedanken gelten für uns alle.

 „Du hast mich geschaffen – meinen Körper und meine Seele,
im Leib meiner Mutter hast Du mich gebildet.
Herr, ich danke Dir dafür,
dass Du mich so wunderbar und einzigartig gemacht hast.
Großartig ist alles, was Du geschaffen hast – das erkenne ich!

Schon als ich im Verborgenen Gestalt annahm,
unsichtbar noch, kunstvoll gebildet im Leib meiner Mutter,
da war ich Dir dennoch nicht verborgen.
Als ich gerade erst entstand, hast Du mich schon gesehen.
Alle Tage meines Lebens hast Du in Dein Buch geschrieben –
noch bevor einer von ihnen begann!“

Psalm 139,13-16 / Hoffnung für alle

Es kann gerade in unserer leistungsorientierten Gesellschaft herausfordernd sein, diese Sätze für sich in Anspruch zu nehmen. Wir sind selten mit uns zufrieden und definieren uns zusätzlich über die Ansprüche, die diese Gesellschaft an uns stellt. Doch ich kenne Menschen, die es trotz schweren gesundheitlichen Einschränkungen geschafft haben, die Hoffnung auf Heilung nicht aufzugeben und gleichzeitig gewiss zu sein, dass sie unantastbar wertvoll sind – hier und heute und mit allem, was dazu gehört.

Diese Kraft beschämt und ermutigt mich, und ich will mir diese Einstellung noch mehr zu eigen machen. Egal, was mir heute gelingt oder misslingt, egal, wie ich bewertet und beurteilt werde, und egal, ob ich etwas vorweisen kann, das der Gesellschaft nützt:

Meinen Wert bestimmt der Hersteller.
Und der war genial und hat keinen Ausschuss produziert.

EJDE-Box kleinLetzte Woche war ich für Studioaufnahmen auf Schloss Röhrsdorf – eine inspirierende und ermutigende Zeit mit vielen guten Gesprächen und Begegnungen. Ich sollte daher eigentlich vor Freude sprühen, aber im Moment hänge ich nur herum und kann mich zu nichts aufraffen. Trotzdem will ich  versuchen, aus der mentalen Sickergrube heraus etwas Ermutigendes zu schreiben – frei nach dem Motto: „Herausforderung angenommen!“

Ursprünglich wollte ich mit dem nächsten Post einfach warten, bis mir wieder danach ist, einen gut verdaulichen und inspirierenden Seelensnack zu präsentieren. Das würde aber den Eindruck vermitteln, dass ich an jedem gottgegebenen Tag quietschfidel aufwache, ein Loblied für den Herrn auf meinen Lippen,  voller guter Gedanken mein Tagwerk verrichte und am Abend schliesslich zufrieden mit mir und der Welt ins Bett sinke – und das wäre einen Fingerbreit von der Wahrheit entfernt.

Ja, ich bin ein positiv eingestellter Mensch. Ich versuche, mir das Leben nicht mit Vorsatz zu vergällen. Ich kann meistens gut mit Alltagsfrust umgehen und lasse mich nicht so schnell entmutigen. Aber in manchen Situationen gehen auch mir die Rezepte zum Besserfühlen aus.

Ich habe weder eine schwere Krankheit, von der ich wüsste, noch habe ich meinen Job verloren, und Mann und Family sind auch wohlauf. Aber eine langjährige Freundschaft scheint auf der Kippe zu stehen, und das lähmt mich und macht mir zu schaffen. Ständig drehe ich mich um dieselben Fragen:

Habe ich falsch gehandelt? Oder war ich unter bestimmten Gesichtspunkten im Recht? Gibt es in solchen Konflikten überhaupt „das Recht“?  Und vor allem: kann ich den angerichteten Schaden wieder beheben?

Das Schlimme daran ist, dass ich im Moment nichts unternehmen kann. Ich kann weder ein sofortiges Gespräch herbeizwingen, noch wird es zu etwas führen, wenn ich mich in ellenlangen Mails erkläre – die Kraft des geschriebenen Wortes in Ehren, aber die Gefahr ist zu gross, dass in einer schon verletzten Beziehung das Gegenüber genau das herausliest, was dieses Gefühl noch steigert. In so einer Situation ist keiner objektiv. Ich kann also nur abwarten, Tee trinken und versuchen, die Sorge abzugeben.

In solchen Momenten bin ich dankbar für meine EDJE-Box im Musikzimmer. Sie ist rot und riesig und von Ikea, und in dieses Monstrum werfe ich alles, was auf mir lastet und was ich selbst nicht auf die Reihe kriege (eine ganze Menge). Ist es erst einmal da drin, wird es zu „Etwas, Das Jesus Erledigt.“ Mit dieser Idee aus einem Predigt von Maria Prean habe ich bisher gute Erfahrungen gemacht, und zum Glück hat die Box noch viel Platz.

Mich mahnt diese Krise daran, wie verletzlich Beziehungen sein können. Aber ich will glauben, dass Wiederherstellung möglich ist und dass Beziehungen es wert sind, darum zu kämpfen. Der Preis ist vielleicht mein Stolz oder  meine Überzeugung, dass ich in jedem Punkt Recht habe und alles genau richtig sehe, aber den bezahle ich gern.

Die Krise zeigt mir auch, wie stark der Zustand meiner Beziehungen mein seelisches Gleichgewicht beeinflusst – wo ich doch gedacht hätte, dass ich mehr „in mir selbst ruhe“ und mit Gott als Fels, auf dem ich stehe, nicht so durchgeschüttelt werde. Falsch gedacht.

Ich habe mich früher in ähnlichen Situationen gefragt, ob ich mir einen mentalen Panzer zulegen und niemanden zu nahe an mich heranlassen sollte, damit der Verlust einer Freundschaft oder eine Krise mich nicht erschüttern können – weil ich ja niemanden brauche.

Heute ist mir klar, dass die letzte Annahme einfach falsch ist.  So schwierig Gemeinschaft und vor allem enge Beziehungen zu anderen Menschen auch sein mögen: wir sind dafür gemacht und brauchen einander, und wir sollen uns ganz investieren. Wenn es wehtut, tut es eben weh. Wie viel ist eine Beziehung wert, bei deren Ende ich nur mit den Achseln zucke? Mit Verlaub – einen Dreck.

Ich werde weiterhin alles in die Waagschale werfen und mein Herz öffnen. Ich werde für Beziehungen, die mir wichtig sind, kämpfen. Wenn ich mich falsch verhalten habe, will ich dazu stehen; wenn mir Unrecht getan wurde, will ich es ansprechen, wenn ich eine andere Meinung habe, will ich den Mut haben, sie vorzubringen. Und ich will den anderen anhören mit dem Ziel,  dass wir einander besser verstehen und uns wieder finden. Ich werde mich nicht verbiegen oder verleugnen, aber ich setze alles ein, was ich habe, um den entstandenen Riss zu kitten. Wenn es mir nicht gelingt, habe ich es wenigsten versucht.

Und als Christ vergesse ich weder meine EDJE-Box noch, dass ich nicht alleine bin. Mein Gott ist ein Gott der Beziehungen; das muss er sein, da er schon in sich selbst Beziehung ist.

Wenn einer helfen kann, dann Er.

Vineyard 3 klein linksAm vergangenen Sonntag habe ich das letzte Mal in der Vineyard Bern den Worship* geleitet und wurde gleichzeitig in meine neue Gemeinde nach Grenchen verabschiedet. Ein schöner und bewegender Moment – immerhin ist die Vineyard die eigentliche „Wiege meines Christenlebens“ und war während fast zehn Jahren mein geistlicher  Heimathafen.

*Worship für Nicht-Freikirchler: auch Anbetung oder Lobpreis, meint: Gott mit Gesang und allem, was dazu gehört, loben. Früher „Grosser Gott wir loben Dich“, heute je nach Gemeinde auch viel Schlagzeug, Stromgitarre und „Jesus we love you“.

Inspiriert von dieser nachdenklichen Abschiedsstimmung habe ich mich gefragt, was die Vineyard Bern für mich ausmacht. Hier als Resultat meine persönlichen Highlights einer ganz besonderen Gemeinde:

Im Januar 2004 sass ich erwartungsvoll in einer Holzbank in der Französischen Kirche und harrte der Dinge, die da kommen würden. Was als erstes kam, war ganz viel Musik – inspirierender und leidenschaftlicher Worship, der mich berührt und mein Herz für Gott geöffnet hat. Dieses erste musikalische Highlight steht für die reiche Worship-Tradition, die die Gemeinde seit ihrer Gründung vor über dreissig Jahren aufgebaut hat. Viele Songs der Vineyard Bern wurden fester Bestandteil des Worships in anderen Schweizer Gemeinden. Vor allem aber hat die Vineyard ihre Gaben multipliziert und unzählige neue, talentierte Musiker hervorgebracht.

Doch Worship hört für die Vineyard nicht bei der Musik auf – sie ist ein Lebensstil. Die Gemeinde verbindet Anbetung eng mit dem Einsatz für soziale Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Vor Jahrzehnten haben zwei Gemeindemitglieder den DaN (Dienst am Nächsten) gegründet, der sich zu einem umfassenden, wertvollen Hilfswerk in der Stadt und Region Bern entwickelt hat. Ehrenamtliche Mitglieder füllen und verteilen  „Heilandsäcke“ mit Lebensmitteln, bieten Deutschkurse an und führen eine unentgeltliche Kleiderbörse,  und das Angebot wird ständig erweitert. Diese enge Verbindung von „Lob Gottes“ und konkretem Einsatz für das Wohl des Nächsten begeistert mich – wir dürfen und sollen uns an unserem Gott freuen und ihn gemeinsam feiern, aber wir haben auch einen Auftrag, zur Verbesserung der Lebensumstände beizutragen und unsere Türen für alle Menschen zu öffnen.

Sind die Türen erst offen, wird schnell offenkundig, dass es den typischen Vineyarder sowieso nicht gibt – weder optisch noch von der Persönlichkeit her. In einem repräsentativen Godi finden sich unauffällige Menschen, eigenwillige und skurrile Figuren und auch eine ganze Menge Volk meines Schlags – äusserlich nicht vom Durchschnitt zu unterscheiden, aber ungemein dankbar dafür, dass man auch mit einem grossen Schrägheitsanteil in dieser Gemeinde willkommen ist. In der Vineyard Bern hatte ich nie den Eindruck, ich müsste in eine bestimmte Form passen oder bestimmte Vineyard-Verhaltensregeln befolgen.

Es wird auch gar nicht erst versucht, den Norm-Vineyarder zu züchten – die Vineyard Bern ist keine „Der Pastor hat gesagt“-Gemeinde. Jeder ist aufgefordert, selbst Bibel zu lesen und sich eine Meinung zu bilden. Das stärkt das Vertrauen als „frischer“ Christ und öffnet Raum, um auch mal zu zweifeln und Dinge in Frage zu stellen – und solche Zweifel und Fragen sind nötig, um ein starkes Glaubensfundament aufzubauen. Wenn ich nur brav schlucke, was mir gelöffelt wird, kann ich in Krisensituationen nicht auf gewachsene Erkenntnisse bauen. Dabei vertritt die Vineyard durchaus eine konkrete Theologie und gibt sie auch weiter, aber sie vertraut und baut gleichzeitig auf die Urteilskraft des einzelnen und hat es nicht nötig, Druck aufzusetzen oder Dekrete zu erlassen.

Die Vineyard-Theologie steht auf festem Boden und rechnet gleichzeitig mit Gottes Wundern: Vineyarder machen Berns Strassen unsicher, stellen auf Berns Plätzen „Wunderstühle“ auf und beten unverschämt für Heilung, während sie gleichzeitig akzeptieren, dass wir oft nicht wissen, warum schreckliche Dinge passieren oder warum Menschen nicht gesund werden. Als Connie Kosewähr, ein Mitglied des Leitungsteams, vor einigen Jahren an Krebs erkrankte, haben sie und ihr Mann die Gemeinde offen an ihren Kämpfen und Hoffnungen teilhaben lassen. Sie haben das medizinisch Mögliche versucht, aber auch für ein Wunder gebetet und sich gleichzeitig  auf den Abschied vorbereitet. Etwa einen Monat vor ihrem Tod stand Connie in der Kirche im Worship vor mir und hat Gott mit ganzem Herzen angebetet –  dünn und schwach, aber voller Freude, Liebe und einem unerschütterlichen Vertrauen. Ich habe nie etwas Bewegenderes gesehen. Der Abschied von Connie war ein Manifest dieses Glaubens an einen Gott, den wir nun mal nie ganz verstehen werden, in dessen Liebe und Barmherzigkeit wir aber dennoch unser Vertrauen setzen.

All diese Besonderheiten haben die Vineyard Bern für mich zu einem geistlichen Zuhause gemacht. Ist sie deshalb eine perfekte Gemeinde? Gott bewahre. Und wie es so schön heisst: wenn sie es jemals gewesen wäre,  hätte das mit meinem Eintritt ein Ende gehabt. Die Vineyard Bern hat ihre Makel wie jede Gemeinde und jede Gemeinschaft von Menschen – aber sie hat mir ein gutes Fundament für ein Leben als Christ mitgegeben und meinen Blick dafür geschärft, worauf ich bei einer Gemeinde achten muss. Das hat mit dazu beigetragen, dass ich in meinem neuen Wohnort – meiner alten Heimatstadt – eine gute Gemeinde und neue geistliche Heimat gefunden habe.

Die Vineyard  Bern hat einen grossen Einfluss auf mein Leben gehabt und wird immer Teil meiner geistlichen Herkunft sein – die Vineyard-Werte sind meine Werte, die ich mitnehme und weitertrage.

God bless you, Vineyard Bern!

Alte Menschen kleinKürzlich hat mir ein Neurentner von seiner ersten Zehn-Uhr-Morgen-Zugfahrt erzählt: beim Eintritt in den Wagon stellte er entsetzt fest, dass er bei weitem der jüngste Passagier war – und beschloss, nur noch frühmorgens Zug zu fahren. Ich versuchte, ihn davon abzubringen, die Sitzplätze der armen Pendler zu belegen, aber im Grunde verstehe ich seine Reaktion: es war seine erste Begegnung mit dem unsichtbaren „Universum der Alten“.

Während wir zur Arbeit hasten oder unsere Besorgungen nach Hause spedieren, trifft sich die Generation der Pensionierten an ihren Plätzen und geht ihren diversen Unternehmungen nach. Die Betagteren unter ihnen sitzen an einer belebten Ecke und beobachten das geschäftige Treiben, zu dem sie früher beigetragen haben. Und das Treiben selbst? Es umspült sie, ohne sie wahrzunehmen, und je älter und betagter sie werden, desto mehr verschwinden sie aus dem Brennpunkt der Wahrnehmung.

Ausser natürlich, wenn sie den Betrieb aufhalten: wenn sie zu langsam über die Strasse gehen, ewig brauchen, um in den Bus einzusteigen oder an der Kasse im „Münz“ kramen, während die Schlange lang und länger wird. Ich gebe zu, dass ich mich auch schon geärgert habe – aber nie ärgere ich mich, ohne daran zu denken, dass ich – so Gott will – auch einmal alt und langsam sein werde.

Kürzlich sah ich auf dem Weg zum Zug einen alten Mann, der seine Einkäufe in einem Plastiktüte an seinen Stöcken nach Hause trug. Er schleppte sich in orthopädischen Schuhen die lange Baselstrasse entlang, und kurz überlegte ich, ob ich die Strassenseite wechseln und ihn nach Hause begleiten sollte. Aber ich tat es nicht – ich musste ja den Zug erwischen und hatte meinen Kopf voll mit Terminen und Plänen. Dabei würde es so wenig brauchen, um einem anderen Menschen zu zeigen, dass er nicht unsichtbar ist.

Vor einigen Wochen wurde in meinem Wohnort mit riesiger Anteilnahme eine langjährige Mitarbeiterin der Stadtverwaltung zu Grabe getragen. Der Anblick berührte mich, weil er zeigte, dass die Menschen in einer Kleinstadt Anteil aneinander nehmen. Er erinnerte mich aber auch daran, dass von manchen Menschen niemand Abschied nimmt. Vielleicht waren sie unleidliche, griesgrämige Zeitgenossen, vielleicht hatten sie auch nur das Pech, nicht so leicht Anschluss und daher nie richtige Freunde zu finden oder eine Familie zu gründen.

Ich gehe davon aus, dass ihnen die fehlende Menschenmenge am Grab nichts mehr ausmacht – aber ich will den Lebenden das Gefühl geben, noch sichtbare und geschätzte Mitglieder der Gesellschaft zu sein. Ich will künftig  betagten Menschen in meiner Nachbarschaft, auf der Strasse und im Geschäft wieder mehr Aufmerksamkeit und Geduld schenken. Sie haben viele Jahre auf dem Buckel, in denen sie geliebt und gelitten, aber auch hart gearbeitet und viel dazu beigetragen haben, dass ich heute in einem – auch eingedenk aller Schwächen und Probleme – gesunden Land mit guten Wurzeln leben darf. Das müssen wir „Jungen“ erst einmal nachmachen.

In diesem Sinne: „Old is beautiful!“

Popcorn-PerlenAls die USA sich entschliessen, in den Zweiten Weltkrieg einzugreifen, hat Amerika ein Problem – neben dem Offensichtlichen, dass tausende von jungen Männern im fernen Europa ihr Leben riskieren werden. Die grosse Frage ist, ob Baseball den Krieg überstehen wird.

„Eine Klasse für sich“ erzählt die Geschichte der „All-American Girls Professional Baseball League“. Sie beginnt, als sich Mitte der 1940er Jahre fast alle Spieler der grossen Baseballclubs für den Krieg in Europa melden. Um das Publikum bei der Stange und den Sport im Gespräch zu halten, wird eine Frauenprofiliga ins Leben gerufen. Der Talentsucher Ernie Capadino durchquert die USA auf der Suche nach talentierten jungen Spielerinnen für die geplanten Mannschaften.

(Quelle: Youtube)

Dabei trifft er auf die Schwestern Dottie und Kit Hinson. Ernie will die wunderschöne, talentierte Dottie für sein Team gewinnen, doch Dotties Mann ist an der Front, und sie hat wenig Lust, Profispielerin zu werden. Ihre jüngere Schwester Kit, die das Leben auf dem Land und im Schatten ihrer grossen Schwester satt hat, überredet den Talentsucher, ihr eine Chance zu geben, wenn sie Dottie überreden kann. Das gelingt ihr, und die Schwestern machen sich auf den Weg zu den Ausscheidungsspielen.

Unterwegs sieht sich Ernie eine weitere Spielerin an. Marla hat einen Hammerschlag und spielt exzellent – aber sie ist ein wenig anziehendes, unbeholfenes Mädchen. Ernie will sie nicht an die Ausscheidung mitnehmen, aber Dottie und Kit weigern sich mitzukommen, wenn Marla zurückgelassen wird. Das Manöver ist erfolgreich, und die drei reisen gemeinsam weiter nach Chicago.

An den Ausscheidungsspielen treffen sie auf viele andere Mädchen wie die burschikose Wirtstochter Doris und die lebenslustige Stripperin Mae. Sie werden alle für die Mannschaft der „Rockford Peaches“ ausgewählt und bekommen als Trainer den ehemaligen Profispieler Jimmy Dugan, der sich bei einem betrunkenen Sturz aus dem Fenster verletzt und so seine Karriere ruiniert hat.

Der Start ist wenig vielversprechend. Jimmy betrinkt sich vorwiegend und hat überhaupt kein Interesse daran, den Mädchen etwas beizubringen. Die sind erst einmal ratlos, wissen sich dann aber zu helfen. Unter der Regie von Dottie schaffen sie es, zu einer starken Mannschaft zu werden, die irgendwann auch Jimmys Interesse und seinen Ehrgeiz weckt.

Im Verlauf des Films finden einige der Mädchen die Liebe ihres Lebens, andere entdecken im Baseball ihre Berufung – alle aber machen einen grossen Schritt auf dem Weg zu sich selbst. Und auch Jimmy realisiert, dass sein Leben noch nicht vorbei ist. Er gibt den Alkohol auf und wird zu einem motivierenden Trainer, der am Ende sogar ein Angebot in der Männerliga ablehnt, um die „Peaches“ weiter zu trainieren.

Der Film ist mit Tom Hanks, Geena Davis, Madonna und vielen anderen exzellent besetzt und berührt durch die emotionalen Geschichten. Vor allem ermutigt er uns, zu träumen und demonstriert, dass es immer möglich ist, sich zu verändern. Und im Unterschied zum „Murmeltierfilm“ braucht diese Geschichte keine übernatürliche Begebenheit, um uns zu ermutigen. Der Film macht deutlich, dass Menschen, die an sich glauben und bereit sind, sich zu verändern, über sich hinauswachsen können.

Der Film demonstriert aber auch, dass uns das Leben in der Gemeinschaft zur Veränderung geradezu herausfordert. Es ist weit einfacher, ganz allein ein „guter Mensch“ zu sein, als in der Ehe, in der Familie, im Büro, im Verein oder im Team.
Wie ich schon in einem vorigen Post festgehalten habe, kommen in all unseren Beziehungen irgendwann unsere Schwächen zum Vorschein. Und dort, wo wir uns einer Veränderung verweigern, werden wir immer wieder in den gleichen Sackgassen landen.

If you’re going to keep doing the same old thing,
don’t be angry at God for not doing something new for you.

Wenn Du ständig das gleiche alte Zeug machst,
kannst Du Gott nicht böse sein, wenn er nicht Neues für Dich tut.
 Max Lucado

Wenn ich will, dass sich etwas ändert, sollte ich dort ansetzen, wo ich die Möglichkeit habe – bei mir. Das heisst nicht, dass ich mich verbiegen soll, damit andere mit mir zufrieden sind. Es heisst, dass ich mich ehrlich frage, was mein Anteil an der aktuellen Misere ist. Auch Rückzug ist nicht immer die Lösung, denn wir brauchen andere Menschen unter anderem gerade, weil sie uns einen Spiegel vorhalten. Weil sie nicht zulassen, dass wir uns auf unserem weichen Bett der Selbstzufriedenheit ausruhen. Weil sie in uns genau die Dinge hervorbringen, die wir anschauen und ändern sollen.

Ich ärgere mich oft über andere Menschen – und mindestens so oft über mich selbst. Aber ich will mich dem nicht entziehen. Ich will mir zeigen lassen, wo ich verformt, verdreht, verletzt oder verbohrt bin und an mir arbeiten soll. Ich will der Mensch werden, den Gott gemeint hat, als er mich machte, und nicht dieses verzerrte Etwas bleiben, das im Laufe der Jahre, aufgrund von ein paar harten Schlägen und Überlebensstrategien, aus mir geworden ist. Ich will riskieren, verletzt zu werden. Lieber das, als mir einen harten Panzer zuzulegen, den schliesslich niemand mehr durchdringen kann – oder will.

Ich möchte aber auch in anderen den Mut zur Veränderung anfachen, und der Schlüssel dazu ist Annahme und Ehrlichkeit. Wenn ein Mensch nicht spürt, dass ich ihn akzeptiere, wie er ist, wird er es nicht wagen, sich verletzlich zu machen und seine Verteidigungsstrategie aufzugeben. Und nur, wenn ich jemanden annehme, wie er hier und heute ist – wie Gott das tut – habe ich das Recht, ihn mit seinen Schwächen zu konfrontieren.

Dottie trifft am Ende des Films ihre ehemaligen Teamkolleginnen und ihre Schwester Kit an der Einweihung der Frauenliga-Abteilung in der „Baseball Hall of Fame“, und ihr wird bewusst, was für ein Schatz die gemeinsam erlebten Siege, Kämpfe und Niederlagen sind.

Ich habe noch kein allgemein gültiges Rezept gefunden, aber ich möchte Gemeinschaft auch mit ihren Kämpfen als Schatz sehen und in jeder schwierigen Situation die Chance für Veränderung, Klärung und Weiterentwicklung erkennen. Dabei kann Klärung auch mal bedeuten, dass ich einen Schlussstrich ziehe, wenn die Situation für mich unerträglich und offenbar nicht zu ändern ist. Aber davor will ich den Mut haben, alle Möglichkeiten auszureizen, an mir zu arbeiten und andere mit der nötigen Liebe auf die Schwächen hinzuweisen, mit denen sie sich selbst schaden und damit Gefahr laufen, genau das zu verlieren, was ihnen wichtig ist.

Fällt es Dir leicht, Dir Deine Schwächen einzugestehen? Oder findest Du, Veränderung wird überbewertet 🙂 ? Ich freue mich auf Dein Feedback!

Bild Claudia Zeitung V3

„Zeigen Sie mir einen einzelnen Mann oder eine Frau, und Sie werden einen Heiligen oder eine Heilige sehen. Zeigen Sie mir zwei Menschen, und sie werden sich ineinander verlieben.

Geben Sie mir drei, und sie werden das bezaubernde Ding erfinden, das wir „Gesellschaft“ nennen. Geben Sie mir vier, und sie werden eine Pyramide bauen. Geben Sie mir fünf, und sie werden einen zum Paria stempeln. Geben Sie mir sechs, und sie werden das Vorurteil neu erfinden. Geben Sie mir sieben, und in sieben Jahren erfinden sie den Krieg neu.“ – Glen Bateman in „Das letzte Gefecht“

Während unserer Zeit auf Schloss Röhrsdorf letzte Woche war harte Arbeit angesagt: Harmoniegesang üben, aufnehmen, noch einmal aufnehmen, anhören; eine neue Idee haben, üben, neu aufnehmen…and so on. Es war intensiv, hat aber auch grossen Spass gemacht – und gleichzeitig kamen interessante Gespräche mit den „Schlossherren“ zustande.

Schloss Röhrsdorf ist eine christliche Künstlerkommunität. Die Gemeinschaft führt ein Bandhotel, organisiert Konzerte und Veranstaltungen, leitet das Tonstudio „Sacred Sounds“ und tut nebenbei alles, um das ehrwürdige Schloss wieder in alter Pracht erstrahlen zu lassen (falls ich etwas vergessen habe – schaut einfach hier). Singles, Paare und Familien leben hier unter einem Dach, und das zwingt alle dazu, die Masken fallen zu lassen und sich den eigenen Schattenseiten zu stellen.

Ich lebe  nur in einer Zweierschaft, und mein Mann und ich sind beide „easygoing“.  Trotzdem kann ich der Herausforderung „Gemeinschaft“ nicht entfliehen, und eine Herausforderung ist es für jeden von uns: friedlich mit anderen zu leben, zu arbeiten und Beziehungen zu pflegen. Und so sehr wir für Gemeinschaft bestimmt sind und sie brauchen, so sehr bringt sie uns immer wieder an unsere Grenzen.

„Christus hätte sagen sollen: ‚Ja wahrlich, wo zwei oder drei von euch beisammen sind, wird irgendein anderer Typ fürchterlich eins auf die Rübe kriegen.“ – Glen Bateman in „Das letzte Gefecht“

Besonders intensiv wird Gemeinschaft, wenn wir in einen Team zusammenarbeiten und gemeinsam ein Ziel erreichen wollen. Jeder hat seine Ecken, Kanten, Verletzlichkeiten und Eigenheiten, und dieses hochexplosive Gemisch kann einem schon mal ins Gesicht explodieren. Das kann frustrierend sein, und manchmal möchte ich einfach allen anderen die Schuld geben – ICH bin schliesslich unheimlich friedfertig.  Im Grunde weiss ich aber, dass ich mit meinen Macken genauso viel zum aktuellen Klima beitrage. Deshalb will ich mich immer wieder fragen, was ich an meinem Verhalten ändern kann, um eine stärkere, authentischere Gemeinschaft möglich zu machen.

Neben der Selbstverständlichkeit, dass wir respektvoll und wertschätzend miteinander umgehen sollten, sind mir zwei Grundsätze wichtig geworden, die ich in bestehende und neue Teams und ganz allgemein in Beziehungen und das Leben in der Gemeinschaft hineinnehmen möchte.

  •  „Wehret den Anfängen“ – Konflikte sofort angehen

Ein Lieblingszitat meines Vaters und wie die meisten seiner Lieblingssprüche wahr: Konfliktherde sollten so früh wie möglich in Liebe und Wahrheit auf den Tisch kommen. Natürlich nicht in dem Moment, wo die Emotionen lodern, aber sobald sich die Gemüter beruhigt haben.

Das ist einfacher geschrieben als getan, und je nach Persönlichkeit haben wir unsere Schwierigkeiten mit diesem Grundsatz: Die Direkten unter uns haben Mühe mit der Liebe, in welcher die Botschaft vermittelt werden sollte, oder damit, den richtigen Moment dafür abzuwarten, während Harmoniemenschen wie ich sich aus Angst vor den Reaktionen scheuen, dass Thema anzusprechen, und sich gern einreden, es werde ja vielleicht von selbst besser.

Das wird es in der Regel nicht – und so entsteht aus Kleinigkeiten, die wir nicht aus dem Weg räumen, unbemerkt ein grotesker Haufen, um den wir irgendwann herumsitzen und uns fragen, wo das jetzt alles herkommt. Wenn wir das, was uns stört oder verletzt, gleich beim ersten Mal beim Namen nennen, sparen wir Zeit und Energie, die wir für unser gemeinsames Ziel einsetzen können.

  •  „Ein Raum, ein Chef, ein Auftrag“- klare Leiterschaft

Diesen knackigen Ausdruck hat die Schweizer Armee vor vielen Jahren geprägt – ich verwende ihn hier als kleine Hommage an meine zehn Jahre im VBS (für Nicht-Schweizer: Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport), aber auch, weil er für mich stimmt – und gut klingt.

Was passiert, wenn niemand die Verantwortung trägt? Entweder setzt sich ein Alphatier durch, reisst das Ganze an sich und gibt dem Team eine Richtung, die nicht zwingend die beste sein muss. Sucht niemand die Führung, werden meiner Erfahrung nach die problematischen Themen nicht angesprochen. Ausserdem werden Entscheidungsprozesse langfädig und prägnante Entwicklungen verhindert.

Natürlich ist es gut, Ziele und Strategien gemeinsam zu erarbeiten, und idealerweise findet das Team die beste Lösung. Aber Menschen sind verschieden und haben unterschiedliche Ansichten, und totale Demokratie in kleinen Teams verlangsamt und verwässert den Prozess. Es ist eine Illusion zu glauben, wenn  man lange genug über etwas redet, werden irgendwann alle zufrieden sein. Was bei solchen „Lösungen“ oft herauskommt, ist eine undefinierbare Pampe, die niemandem richtig schmeckt.

Wir sollten bereit sein, uns einem Leiter unterzuordnen und ihm das Vertrauen zu schenken, auch wenn er nicht alles weiss und alles am besten kann. In Teams im kirchlichen Umfeld sollten wir zusätzlich darauf vertrauen, dass unser Leiter Führung von oben erhält. Ich rede dabei nicht von Autoritätsgläubigkeit und schon gar nicht von einer Diktatur: Wir haben Massstäbe, an denen wir unsere Leiter messen können und sollen, und wir müssen reagieren, wenn sie sich falsch verhalten. Aber ich bin überzeugt, dass das Bekenntnis zur Leiterschaft eine Gruppe voranbringt, die Richtung eines Projekts klärt und die Vision für das Team schärft.

Ich möchte diese beiden Grundsätze künftig ernster nehmen und in allen Teams dazu beitragen, dass wir unsere Energie in die Verwirklichung unserer Projekte und die Erfüllung unserer Aufgaben stecken können und nicht auf Nebenschauplätzen unsere Kräfte verschleissen.

Und ich glaube weiterhin an die menschliche Gemeinschaft. Im Eingangszitat, das aus „Das letzte Gefecht“ von Stephen King stammt, habe ich den letzten Satz bewusst weg gelassen. Er lautet wie folgt:

„Der Mensch mag nach Gottes Ebenbild erschaffen worden sein, die menschliche Gesellschaft aber ganz sicherlich nach dem Ebenbild seines Gegenspielers, und sie will immer wieder nach Hause.“

Manchmal kommt mir das Zitat ziemlich realistisch vor – aber eigentlich weiss ich, dass das nicht wahr ist. Menschliche Gemeinschaft ist genauso von Gott gestiftet und geschaffen wie der Mensch selbst. Aus diesem Wissen nehme ich den Auftrag, anderen mit Ehrlichkeit, Liebe und Wertschätzung zu begegnen. Und als Christin füge ich dem Johannes Kap. 17 Vers 20ff. bei – den Auftrag, untereinander „eins zu werden“, damit die Welt erkennt, wer Jesus ist.

Was für Erfahrungen hast Du mit Gemeinschaft und in der Teamarbeit gemacht? Kennst Du diese „Aus-der-Haut-fahren-und-den-Bettel-hinschmeissen-wollen“-Momente?

Welche Grundsätze sind Dir wichtig geworden, und teilst Du meine Schlüsse – oder siehst Du es völlig anders? Ich freue mich auf Dein Feedback!